[1032] Falsch abgebogen... [Achilla, Sofia]

[Sofia Caruso]

Ruhig schritten die zwei Gestalten durch die Gasse zwischen den Gebäuden hindurch. Schritt vor Schritt setzten sie durch den schlammigen Boden. Der Herbstregen hatte unbarmherzig den Tag durchgängig in Grau gehüllt und die Nacht nun nass und feucht zurück gelassen. Leise hörte man die Schritte, die gesetzt wurden. Schritt vor Schritt, zwei Personen.

Doch dann blieb die kleinere der beiden Gestalten stehen. Der große und eher kräftig gebaute Mann ging noch zwei Schritte, ehe er das Ausbleiben der anderen Schritte bemerkte. Sofort blieb er stehen und die schmatzenden Geräusche von Schritten im Schlamm verklungen. Er drehte sich zu der jungen Frau um, die stehen geblieben war und ihr Gesicht unter der Kapuze eines Umhangs verborgen nun dort stand. Sie hob nicht den Blick.

"Wir sind hier falsch." sprach sie leise zu dem Mann, welcher nun wieder langsam zu ihr zurück kam. Wieder hob sie die Stimme: "Wir müssen an irgendeiner Ecke falsch abgebogen sein..."

Der Mann nickte und begann sich nun aufmerksam umzusehen, ob er vielleicht Anhaltspunkte wiedererkannte, welche die Beiden zurück auf ihren Pfad führen würden.

[Signora Achilla]

In dieser Gegend wurde mehrstöckig gebaut, weil der Platz innerhalb der Mauern so knapp war. Dicht an dicht drängten sich die Häuser. Vielleicht war der einzige Grund dafür, dass sie nicht zusammen brachen, dass sie einander gegenseitig stützen. Wie kriegsversehrte Veteranen lehnten sie Schulter an Schulter, eingesackter Dachgiebel an Rückwand.

Die Gassen dazwischen folgten keiner anderen Ordnung als der Not, Notwendigkeit und wie die Dinge zwischen Menschen eben manchmal wachsen. Es gab kleine Hinterhöfe, in denen nicht selten ein paar Hühner oder Ziegen schliefen, eifersüchtig bewacht von räudigen Hunden oder den Leuten, die hier draußen schlafen mussten, weil drinnen kein Platz war.

Die Gosse stank vom Unrat, Verfall, nackter Armut. Nein, die Gegend war keine gute. Menschenleben zählten hier nichts. Jeder, der den Löffel abgab, machte damit gleich Platz für irgendwen anders. So war das eben.

Bestimmt waren Sofia und ihr Begleiter bereits mit gierigen Blicken von mitleidlosen Augen abgeschätzt worden. Vielleicht wollte man sich nicht mit einem bezahlten Wächter anlegen. Vielleicht war die Beute eine Spur zu ...ungeheuer für die Halsabschneider in der Gegend, zumindest noch.

Und dann nicht mehr. "Wohl verlauf'n, he?" Der Kerl, der das fragte, war dürr wie ein Hungerhaken und sah im schlechten Halblicht, das der Mond noch bergab, zäh aus wie alte Schiffsleinen. Vielleicht war er mal ein Matrose gewesen, so wie er ging. In einer Hand trug er locker ein Fischmesser. Das war das einzige, was an ihm sauber wirkte und etwas glänzte.
Da war noch ein anderer, der gedrungener wirkte. Sein zotteliges, schwarzes Haar und sein Bart gingen in einer wild aussehenden Mähne ineinander über. Er trug einen schmalen Sack in den Händen, ein paar Male geknotet und am einen Ende mit Steinen gefüllt, die leise klackten, als er die improvisierte Waffe gemächlich etwas pendeln ließ.
Vielleicht waren da noch mehr oder vielleicht waren die beiden auch nur mutiger oder verzweifelter als die meisten.

[Sofia Caruso]

Sogleich drückte sich Sofia an die Seite ihres Begleiters die Augen huschten zwischen den beiden Fremden hin und her.

"Es..." doch ihre Stimme verklang leise in der Nacht. Was hätte Sofia auch sagen sollen? Waren die beiden Kerle doch offensichtlich auf Ärger aus.

"Was geht euch das an?" brummte der kräftige Mann ruhig und wirkte mit einem mal aufmerksamer und alarmierter. Die junge Frau machte einen weiteren Schritt und hinterließ Spuren im Schlamm, stand sie nun halb hinter Rafael.

"Bitte..." sprach Sofia leise an die Männer gerichtet. "Wir... wir möchten keinen Ärger..."

[Signora Achilla]

“Tja.. ich auch nicht”, sagte der erste, mit dem Messer. “Leert einfach mal eure Taschen für uns, keine Scherereien oder ‘s setzt was.”
Der andere war nun etwas näher gekommen und hielt die freie Hand auf, während er in der anderen den Sack mit den Steinen wog.
“Und den hübschen Schal da, den will ich auch”, grollte er. “Los, her mit dem Zeug!”