[1012] Frühlingserwachen [offen]

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Sousanna
Ravnos
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[1012] Frühlingserwachen [offen]

Beitrag von Sousanna »

Langsam brachen die ersten Blümchen unter dem eisigen Boten hervor. Langsam wurden die Tage wärmer, doch die Nächte waren noch immer vom eisigen Hauch des sterbendes Winters erfüllt. Sie verbiss in jedes bisschen Haut, das man ihr bot, so dass kaum einer freiwillig nach draußen ging. So waren die Straßen noch leerer als sonst. Ein Frieden lag über der Stadt, wie man ihn kaum in Worte fassen konnte. Einer, der nicht aus Willen dazu entstanden war, sondern weil es schlicht nicht anders ging. Weil es sich anfühlte, als würden die Glieder zerbrechen. Selbst dem Schmutz dieser Stadt, den Bettler, Huren und Verbrechern war es zu kalt. Wie gefrorene Mahnmale der Sünde zierten sie die Straßen.

Man jagte hier keinen Hund vor die Tür. Schon gar keine edle Dame. Dennoch schritt eine schlanke Gestalt gerade die Treppe einer Villa hinab. Ein adretter Mann führte sie an seinem Arm, doch die Blicke blieben nur an diesem zarten Wesen hängen. Ihr Lächeln war eine sachte Erinnerung an die Sonne. Warm war es, obwohl sich ihre Wangen langsam immer mehr röteten, während sie nebeneinander herschritten, in ruhiges Gespräch vertieft.
Sanft schmiegte sich der warme Pelz an ihre zarte Haut und das cremefarbene Leder ließ ihre Haut noch mehr an die Farbe von Honig erinnern. Warmer, weicher Honig, in den man seine Hände tauchen wollte.
Das dunkle Haar war unter einer ebenso pelzbesetzten Kapuze versteckt. Doch der züchtige Schatten betonte so dezent die so überbordende Schönheit, die beinahe schon fast als sündig gelten konnte. Die pure Sinnlichkeit lag darin - und doch niemand wäre auf die Idee gekommen, sie als Sünderin zu bezeichnen. Es war das Gesicht einer jungen, schönen Heiligen.

Und wo hätte sie ihr Weg sonst hinführen sollen, denn in eine Kirche? Das Paar betrat die Kirche San Donato. Doch als sich die Türen schlossen, blieb der Begleiter der Schönen in den Schatten zurück.
Sie aber trat vor und würde auftauchenden Wachen ihren Mantel und winzige, knöcherne Messer reichen, enthüllte dabei ein prächtiges Kleid aus kirschfarbener Seite und goldenen Schmuck. Mit einem Lächeln sprach sie kurz mit ihnen, dann betrat die Harpyie das Elysium.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
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