[Diskussion] Glaubwürdigkeiten und Politik

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Gaius Marcellus
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[Diskussion] Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Gaius Marcellus »

Die Historikerfraktion im Forum ist stärker geworden, dennoch soll das hier kein Aufruf zu genauerer Darstellung von Stiefel, Kutschen und Lampen sein (um ehrlich zu sein habe ich in 6 Jahren Studium rein gar nichts zu Alltagsgeschichte gemacht...).
Aber - zumindest ich fände es sehr schön (darüber kann man jetzt streiten) wenn man sich etwas um "Lebensgefühl" und "Zeitgefühl" bemühen könnte. Als Gegenbewegung zur historischen "Authenzität" hat sich so ein "das ist alles Egal" Gefühl scheinbar breit gemacht -- ich finde das etwas schade.

Womöglich könnten wir also einen Diskurs starten zum Thema Einfühlung in fremde Welten. Deswegen spielen wir ja Vampire -- weil das eine andere Gedankenwelt ist, inherent. Und deshalb spielen wir ja Dark Ages und nicht Maskerade -- weil es eben eine andere Gedankenwelt ist.

Ohne das jetzt all zu historisch anhalten zu wollen, ich finde diese starken Zentralisierungsgedanken, die gerade aufgekommene Idee der Gewaltenteilung und Derartiges ziemlich problematisch. Das stört einfach eine Einfühlung, dann können wir auch Maskerade spielen, wenn wir denken wollen wie Menschen bzw. Wallstreet-Manager und Politiker aus der Gegenwart.
Ebenso wie ich ein Problem damit hätte, wenn ich jetzt Penizillin "entdecken" würde, weil ich eben OT weiß, wo ich suchen muss -- 1000 Jahre vor der Zeit. Oder Heeresreformen durchführe die halt erst 1500 anstanden um damit meinen Truppen immense Vorteile zu verschaffen. Oder Wirtschaftsreformen, oder Menschenrechte.

Das sind Gradwanderungen, die aufgekommenen Uniformen stören nicht und kippen nicht, aber diese Zentralisierung, die von uns modernen Köpfen als sinnvoll angenommen wird, ist in einem historischen Denken der Todfeind -- ist auch in einem Kainitischen Denken der Todfeind (und hätte längst die Vernichtung der betreffenden Parteien zur Folge :D und zwar durch einen losen Bund aller anderen die nicht direkt in der Tasche sind... oder aber das klägliche Scheitern dieser Bestrebungen und dann dem Exidus aller nicht Schleimer aus Genua) - das Aufbegehren gegen diese Art Machtkonzentration reicht historisch bis in die frühe Neuzeit ganz massiv, lasst uns das doch bitte nicht 984 begraben, nicht das Feudalsystem begraben, nicht die instabilität von Legitimation begraben etc.
Sondern lieber weiter in einer Imaginationswelt abseits unseres modernen Geistes bleiben die man ja mit den Entscheidungen für Vampire und für 900 getroffen hat :)
Ich hab heut Nacht vom Tod geträumt,
er stand auf allen Wegen,
er winkte und er rief nach mir so laut.

Er sprach mein Leben sei verwirkt,
ich sollt mich zu ihm legen,
ein frühes Grab sei längst für mich gebaut,
ein frühes Grab sei längst für mich gebaut.
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Also mir ist nicht alles egal und mich interessiert Geschichte durchaus. Ich lasse mich auch öfters eines besseren belehren, aber ich bin einfach nicht so geschichtsversiert, dass ich den Aufschrei nachempfinden kann.
Für mich ändert sich am Spielgefühl nichts, wenn etwas neumodisches Denken hinzu kommt.

Alerio wollte Gleichberechtigung, Alis die Befreiung der Sklaven, Acacia führt Investitionsgeschäfte und LaVedova ist Feministin. Das hat auch keinen gestört.

Ich persönlich brauche, die historische Genauigkeit nicht in allen Belangen (das man natürlich nicht gleich ein Auto erfindet versteht sich irgendwo von selbst) aber wenn es der Mehrheit anders gehen sollte, kann ich mich auch damit arrangieren. Ich kann mich anpassen.
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Matteo
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Matteo »

Ich bin da mit Sam/Toma ganz auf einer Linie.

Was diese Milizzentralisierung angeht: Die stand doch schon sehr lange auf der Agenda, daher denke ich nicht, dass die gezielt gegen Melissa geht. Sie wäre nur die die das Gesetz am meisten kosten würde. Aber mir fehlt da auch der überblick.
"Die Sonne lehrt alle Lebewesen die Sehnsucht nach dem Licht. Doch es ist die Nacht, die uns alle zu den Sternen erhebt." - Khalil Gibran
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Il Canzoniere
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Il Canzoniere »

Kann ich zu gewissen Teilen nachvollziehen. Können wir auch gerne ändern auch wenn ich finde das es kein besseres oder schlechteres Spiel gibt. Jeder spielt wie er es gut findet und damit muss man auch klar kommen. Wenn Adelchis (oder früher Ferrucio) in italienisch eine Predigt vor dem gemeinen Volk abhält dann mag das historisch inkorrekt sein, aber eben nicht falsch.
Wenn ein italienischer Senator von Gewaltenteilung spricht (die übrigens Cicero und einige Griechen vor ihm schon erwähnt haben) dann ist das ebensowenig falsch.
Warum ich das so sehe:
- Wir spielen in der WoD. Also nicht der echten Welt, sondern eine die seit 4000 Jahren von unsterblichen Blutsaugern, Gestaltwandlern, Magiern, Geistern, ägyptischen Gottwesen und biblischen Dämonen beherrscht wird. Eigentlich sind wir viel zu dicht am historischen Mittelalter dran, bedenkt man diesen Faktor. Wahrscheinlicher wäre eine Khali anbetende Zivilisation aus Zombiewerwölfen die über das Umbra irgendwie auf den Saturn gelangt sind und dort nun Datteln gegen Skorbut anbauen. Das finde ich aber nicht so reizvoll wie das historische Mittelalter und ihr wohl (hoffentlich) auch nicht. Daher orientieren wir uns am echten Mittelalter. Mehr nicht. Es ist eine Richtlinie die wir gerne ausreizen können. Aber wenn das jemand das nicht möchte (das ausreizen), dann ist das genauso in Ordnung wie wenn jemand das besonders gerne möchte.
- Sehr viel von dem was ich bisher als "historische Fakten" bekommen habe bezieht sich nicht auf Norditalien, nicht auf Genua und erst recht nicht auf bspw. Platealonga. Es heißt "Ja aber die Wikinger haben schon vor 100 Jahren Schnaps aus Honig gewonnen". Und dann muss es auch für Genua gelten. Mit dieser Argumentation könnte ich problemlos behaupten das Menschen im Jahr 2016 niemals Kleidung trügen. Quelle: ein Stamm im Regenwald Papua-Neuguineas. Nach dieser Logik müssen (entfernungstechnisch) zwangsläufig auch Menschen in China niemals Kleidung tragen. Was ich damit sagen will: Wir haben eine sehr sehr dünne Faktenlage. Und die für uns Nicht-Historiker ist sie sogar noch dünner. Wie Olaf mir neulich versichert hat ist die historische Aufarbeitung Genuas für lange Zeit vorher und lange Zeit später einfach unterirdisch schlecht. Falls ihr doch konkrete Fakten zu Genua und Umland habt die Paul noch nicht ausgegraben hat: da bin ich sehr dankbar für. Evtl. können wir dazu ja auch einen Foren-Hintergrundbereich eröffnen. Ich bitte aber zu bedenken das Genua enorm weit vorweg ist. In 200 Jahren gründet sich hier die erste Bank, deutlich früher das erste Kartell, in wenigen Jahren geht von hier die erste globalisierte Wirtschaftskrise in einem Drittland aus, in 100 Jahren kommen die ersten Kolonien. Das klingt alles viel mehr nach 17.tem Jahrhundert, ich weiß, aber Genua war halt, zusammen mit Venedig, die Speerspitze, auch wenn das erst langsam ins Rollen kommt.
- Konsens. Da wir starke Schwankungen in der historischen Belesenheit haben, das Mittelalter aus Fairnessgründen also gar nicht als Basis nehmen können müssen wir uns, wie eigentlich in allen Rollenspielen, auf das Regelwerk zurückfallen lassen. Da (und ich glaube da stimmen mir viele zu), dies aber ein gräuslicher Schinken US-Blödsinn ist, bewegen wir uns stark in Richtung "echtes" Mittelalter. Und zwar so weit wie der Schnitt es möchte. Nicht die 2-3 Ausreisser nach oben oder nach unten.

Ich hoffe das kam jetzt nicht zu "Aufruhrbekämpfungsmässig" rüber. Ich find es großartig wie detailliert Genua gewachsen ist und wie die reale Geschichte Ideen oder Plots beisteuert. Und ich kann mit Fug und Recht behaupten das es noch nie so eine derartig detaillierte und historisch authentische Dark Ages Chronik gab wie Genua bei Nacht, was zu allererst euer Verdienst ist und was ehrlich gesagt immer meine Hauptmotivation ist und war hier mitzumischen. Auch wenn der Fokus immer sehr auf der nächtlichen Gesellschaft lag, die sich sowieso stark von dem unterscheidet was in der sterblichen Welt vor sich geht und daher hier und da historische Unebenheiten auftauchen ist das hoffentlich nichts was das Spiel als solches beeinträchtigt. Wir haben schon gröbere Schnitzer gepflegt übergangen und in die Spielrealität mit eingebunden. Und wir haben auch bis heute keine U-Boot-Flotte oder Kohlekraftwerke Ingame vor Ort ;-)
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Melissa
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Melissa »

Ich finde das auch problematisch. Ganz abgesehen von diversen Mechanismen, mit denen ich nicht zufrieden bin, die hier aber nicht hin gehören, habe ich ein Hauptproblem damit:
Wenn so viel der modernen, halbwegs toleranten und halbwegs offenen Gedankenwelt in ein Setting fließt, dass sich World of Darkness nennt.
Nicht, weil das nicht unsere Welt ist, sondern weil es eine düstere Version unserer Welt ist. Das heißt die Leute sind noch rassistischer, noch sexistischer, noch religiöser und noch engstirniger als in unserer ach so aufgeklärten Zeit.
Wir reden hier trotz allen fortschrittlichen Tendenzen, die uns bekannt erscheinen mögen, von einer vollständig anderen Gesellschaft.
Eine Gesellschaft, die beispielsweise Juden konsequent ausschließt aus dem Lehenswesen, der Verwaltung, der Wirtschaft und allem anderen. Eine Gesellschaft, die in kaum hundert Jahren erstmal ein paar hundert Juden am Rhein massakriert, um "Feinde des Christentums" auszuräuchern. Eine Gesellschaft, in der Religion und Ständewesen nicht freiwillig war sondern Gesetz, das abweichende Kleidung bestrafte - von Gedanken und Handlungen ganz zu schweigen. Eine Gesellschaft, in der Privatsphäre und Individuum nicht so existierten wie wir sie uns vorstellen - und das alles haben wir ganz ohne untote Monster hinbekommen.

Das ist aber eine Geisteshaltung, die viele Spieler (zum Glück!) nicht teilen, sich aber eben leider auch nicht reinversetzen. Und das kann Spielspaß kaputt machen, das kann manche Konzept massiv limitieren, obwohl die mit nur halbwegs historischer Linse gesehen vollkommen unverfänglich und legitim sein müssten.

Ferrucio z.B. war so ziemlich unspielbar, weil fast jeder Spieler sich geweigert hat, mittelalterliches Denken nachzuvollziehen. Da wurden dann Erklärungen gefunden, warum sein Charakter zwar religiös aufgewachsen ist, es aber irgendwie nicht so ganz mit Religion hat und eigentlich ein proto-Humanist ist mit ganz viel Toleranz für alles, was man so hasst zu der Zeit und ohnehin mehr ein Politiker.
So kann man keinen religiösen Charakter spielen, wenn jeder einzelne Christ der Chronik den Priester schrecklicher und blutrünstiger findet als die Heidin, die entgegen aller Sitten bewaffnet durch die Straßen rennt und außerdem ketzerischen und gotteslästerlichen Praktiken fröhnt.
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
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Caterina
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Caterina »

Ich sehe es ähnlich wie Toma und Matteo, bzw. sogar noch etwas verschärfter.

Wenn wir uns mehr auf das dunkle 'Lebensgefühl' einlassen, können wir im gleichen Zug sofort alle weiblichen Vampire streichen oder zumindest extrem beschneiden.
Caterina und Seinfrieda hätten es niemals bis zum Vampir geschafft und wären schon längst gesteinigt worden.
Die Jagdnonnen sähen die Klostermauern dann auch nur von innen.

Ebenso wären die Begegnungen auf der offenen Straße hinfällig und nur alte Vampire wären einigermaßen gebildet.

Ich gestehe, da will ich mich nicht hineinversetzen.
Ich habe strengen Katholizismus der heutigen Tage (also ordentlich abgeschwächt) erlebt und es deprimiert allein darüber nachzudenken, wie die Leute leben mussten.
Ich wäre damit definitiv raus aus Genua.
"...Sendest noch sterbend Düfte uns zu
Rose, du Holde!
Leben und sterben will ich wie du..."
JZitatschnipsel, Johann Jakob Ihle
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Maria Penthesilea
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Maria Penthesilea »

Ich muss gestehen, dass ich die Jagdnonnen zum Teil auch als Parodie auf frühere Charaktere entworfen hab - nach dem jahrelangen Frust, dass ein Bischofsmord niemanden so recht interessierte, wollte ich auch mal den heidnischen, weiblichen, unabhängigen, bewaffneten Charakter spielen, von dem ich wusste, dass er historisch Blödsinn ist, aber in Genua keine Probleme haben würde (*hust*Phosoa*hust*) :D

(Immerhin habe ich versucht eine semihistorische Begründung dafür zu finden und Hauke hatte viel zu lesen...)

Mit dem Thema historische Genauigkeit habe ich mittlerweile abgeschlossen und passe mich an, da hat man am meisten von. Das Problem war von vorneherein in der Chronik angelegt, dadurch dass die meisten Charaktere 1.) hochgebildet angelegt sind, 2.) keine Einschränkung in der moralisch-religiösen Konzeption erfahren haben und 3.) zum überwiegenden Teil nicht aus dem Bauernstand stammen.

Das wird sich auch nicht mehr ändern, u.a. weil die wenigsten Spieler Früh-, Hoch- und Spätmittelalter gedanklich trennen (bzw. Zeiten danach, Stichwort: "Ich komme mit der Kutsche") und weil mittelalterlich-christliches Denken uns modernen Menschen recht wesensfremd geworden ist. Schade eigentlich nur um Ferrucio, das war ein sehr gutes Konzept. Leider war es wie ein Fisch, der plötzlich in der Wüste platziert wurde, obgleich Wasser zu erwarten war - es ist schlicht am falschen Setting "verdurstet".

Sollte jetzt wider erwarten ein gigantischer Konsens zustandekommen, motte ich die Nonnen sofort ein und spiele was historisch Wertvolleres, aber danach siehts kaum aus.
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Angelique
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Angelique »

Da ich mich irgendwie schuldig fühle, weil ich der Historikernazi war, der das alles erstmalig lostrat, muß ich meine Meinung ebenfalls kundtun.

Ich könnte zu jedem Post hier etwas sagen, sowohl für, als auch wider. Das wäre aber nicht zielführend.

Daher nur Folgendes: Da ich der Historikernazi bin, aber trotzdem oder gerade deshalb treu zu der Chronik stehe, sollte selbsterklärend sein, ob und wie sehr es mir gefällt.
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
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Toma Ianos Navodeanu
Tzimisce
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Ich verstehe duchaus Pauls Einwand, aber ich bezweifel, dass sich durch diese Diskussion irgendetwas ändert. Wir haben nun mal alle verschiedene Vorstellungen, weil wir nun mal alle anders sind, moderne Menschen sind und nicht alle so viel Geschichtswissen haben.
Wir werden kaum auf einen gemeinsamen Nenner kommen.Leider.

Aber wie Hauke ja schon sagt, spielen wir hier ja ein Fantasy Spiel und nicht Reenactment. Und ich finde die Chronik, wie sie bisher ist, sehr gut. Mir zumindest macht es Spaß.

Natürlich sollte jeder Spaß haben. Ist denn jemand wirklich so sehr unglücklich darüber, dass es nicht realistischer gespielt wird, dass es ihm keinen Spaß mehr macht?
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Il Canzoniere
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Re: Glaubwürdigkeiten und Politik

Beitrag von Il Canzoniere »

oO
...

...ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Dann also einfach mal ungeordnet und radikal gezeichnet:
- es gibt in der Chronik nicht einen einzigen Nicht-Pfadler. Sogar die, die auf Menschlichkeit geblieben sind, folgen einem Unterpfad. Die sterbliche Welt spielt also keine Rolle für euch.
- ihr spielt (fast) alle Kainiten. Die meisten sogar Neugeborene. Das heißt das ihr alle die kainitische Kindheit überlebt habt. In der euch euer Erzeuger mit jahrelanger Gehirnwäsche, Disziplinen, evtl. Blutsbändern, Abhängigkeiten, Druckmittel, Folter oder Charme eingebläut hat das die sterbliche Welt KEINE ROLLE spielt. Nur die kainitische Welt zählt. Deren Regeln. Deren Gesetze. Deren Meinungsmacher. Jeder der das nicht so sieht stirbt. Spätestens während der Vorstellung.
- Um das klar zu machen: KEINE ROLLE! Wir spielen Star Trek in einer Harry Potter-Kulisse. In der die Redshirts angewiesen werden jedesmal wenn sie mit Ihrem Phaser schießen "Adava Kadavra" zu brüllen, damit sie nicht alle doof angucken.
- Es gibt noch nicht einmal eine Maskerade. Nur die Stille des Blutes. Also ein: "lasst euch nicht sehen" statt einer allumfassenden, lebensumgreifenden Hauptregel die alles bricht und alles rechtfertigt.
- Der Hauptfokus liegt also ganz klar auf der kainitischen Welt. Auf Personen die die ersten 25 Jahre ihres Lebens mit der einen und die nächsten 60 mit einer anderen gelebt haben. Die ersten 25 mögen Sie in das mittelalterliche Schema gepasst haben und sich wie bspw. Paul beschreibt, verhalten haben. Die nächsten 60 wurden sie von einem völlig andersartigen Wesen mit babylonischen/ägyptischen/griechischen/römischen/persischen/germanischen/piktischen/mongolischen/usw. Blutlinie groß gezogen. Und da die alten den Ton angeben werden sie daher viel von der sehr alten Denkweise dieser mitbekommen haben. Wer da nicht spurt, stirbt. Der "durchschnittliche" Kainit ist also ein Amalgam aus den von der kainitischen Gesellschaft aufgezwungenen Regeln (Lehenswesen, Verhalten, Gesetze), den Ansichten seines Erzeugers, seiner sterblichen Sicht, dem Kodex seines Pfades und evtl. weitere Ansichten seines Clans oder seiner Blutlinie.
- Um das (3 Jahre alte) Beispiel Phosoa vs. Ferrucio rauszukramen, erstmal für die die damals nicht dabei waren: der Malkavianer Ferrucio und die Salubri Phosoa hatten auf offener Straße einen religiösen Disput da er fanatischer Katholik und sie eine Gläubige der griechischen Götter war, beide auf dem Weg des Himmels. Sie haben sich angegiftet. Dann hat Phosoa die Beherrschung verloren ist in Raserei gegangen und hat Ferrucio in Starre geschlagen.
Die Menschen auf der Straße würden, wie Paul richtig sagt, sofort für Ferrucio Partei ergreifen und Phosoa am liebsten steinigen. Kainiten hingegen würden SOFORT für Phosoa Partei ergreifen, da sie eine Angehörige der hohen Clans ist und stattdessen Ferrucio Gewalt antun. Und das ist, ebensowenig wie das Lehenssystem für Sterbliche, freiwillig. Dort wird man nicht hingerichtet weil man die falsche Farbe für seinen Stand trägt, sondern weil man sich vor der falschen Person oder für den falschen Anlass falsch kleidet. Von Gedanken und Handlungen ganz zu schweigen. Es sind andere Regel als für Sterbliche, jedoch ebenso, wenn nicht noch drastischer.
- Und auch wenn Ferrucio ein wirklich cooles Konzept hatte, weil er die Gradwanderung zwischen sterblicher und unsterblicher Welt schön rübergebracht hat, ist es meiner Meinung nach nicht besser als Phosoas die eine "alte" Denkweise in eine "neue" Welt katapultiert hat. Beides sind Dinge die in der kainitischen Welt regelmäßig vorkommen. Worüber ihr euch ärgert ist die unnahbare Spielweise Phosoas. Das muss man aber trennen.
- Anton: das Nonnenkonzept passt mit deiner Erklärung hervorragend in Vampire - The Dark Ages. Wo es nicht reinpasst ist das echte Mittelalter. Aber wir spielen Vampire: The Dark Ages. Und kein Mittelalter.
- Ich habe in den letzten Woche eine ganze Reihe unpassender Konzepte abgelehnt, die entweder von der vampirischen oder der weltlichen Sicht nicht gepasst hätten. Weil wir einen schönen Tonus gefunden haben, das ist auch im Kern das was Genua ausmacht.
- Wie man an Isas Reaktion schon sieht und wie ich euch, der seit der allererste Onlinechronik "Florenz bei Nacht" 1999 jede einzelne deutschsprachige Vampire Dark Ages und Maskerade Chronik bespielt, bemeistert oder auch nur sehr aktiv beobachtet hat (und ich meine wirklich jede) sagen kann: zuviel Mittelalter schreckt ab. Und zwar sowohl neue Spieler, als auch Fantasyspieler, Leute die noch nie mit RPG zu tun hatten, Maskeradespieler oder Spieler mit wenig Zeit. Die einzigen die es anzieht sind Mittelalterfans die sich über Gummisohlen auf Mittelaltercons aufregen und von denen gibt es (zum Glück) nicht sonderlich viele, geschweige denn das sie eine "Online-Chronik" für sich in Betracht ziehen würden... "Da kommt ja keine Stimmung auf.". Weder Venedig, noch Amiens, noch Prag, Aachen, Exeter, Schässburg, Konstantinopel oder Regensburg hat "zuviel Mittelalter" gut getan. Die Hälfte davon sind sogar explizit daran gestorben. Inklusive vielversprechender Großprojekte wie Konstantinopel mit vier SL, knapp 40 Spielern und nem eigenen Werwolf-Ableger. Wir spielen bereits auf einem hohen Grad an Mittelalterlichkeit. Das gefällt mir auch sehr gut. Aber weiter drehe ich die Schraube nicht. Vielmehr sollten sich alle etwas mehr auf die kainitische Welt konzentrieren (die wir durch Konzentration auf das Grundbuch ja schon sehr schmal halten). Wo wir alle mehr oder weniger schnell rein finden können (1 Buch statt 1 Studium) und von der gleichen Basis starten.


Edit: ich hoffe das kam jetzt nicht zu rantig rüber. Was Sam und Olaf schreiben mag ich aber sehr *erwähn*
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