Aschenes Haar (Ferrucio)

[Januar '17]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Gesperrt
Benutzeravatar
Melissa
Tzimisce
Beiträge: 907
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 15:17

Aschenes Haar (Ferrucio)

Beitrag von Melissa »

Der Boden war hart unter ihren Knien. Schmutzig, rau. Er verletzte die zarte Haut, die den Staub nicht gewöhnt war. Ihre Ellbogen lagen auf dem rauen Holz von Kniebänken. Winterliche Kälte biss durch die kleine Kapelle und die dicken Steine.
Es war unbequem, aber so war es gewollt.
Sie hatte ein schlichtes Kleid gewählt, wie es sich gehörte. Getragene, einfache Stoffe, die sie von Hals bis Fuß bedeckten, weiß. Ihr Haar trug sie offen, mit einem Messer kürzer geschnitten für die Nacht, reichte es ihr bis gerade über die Ohren und endete kurz vor ihrem Kinn.
Zwischen ihren Fingern der Rosenkranz aus Silber, ein Geschenk zu ihrem Geburtstag. Sie verwendete diesen nun lieber verwendete als ihren alten, der mit einem Rubin verziert und mehr Schmuck als Andacht war. Sie hatte ihn um ihre Finger gewunden, die Hände locker ineinander gelegt.
"Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen."
Das Silber beschlug unter ihren Worten nicht, obwohl sie es ganz dicht an ihre Lippen gehoben hatte. Ihre Worte striffen über das Metall, schwangen sich bis zum Kreuz an seinem Ende und der Figur des Erlösers unter ihren Fingern.
Sie waren leise, ein Flüstern, das sich kaum durch den Raum schlich.
"Meine letzte Beichte war vor achtundzwanzig Tagen. Jetzt bekenne ich in Reue meine Sünden. Vergib mir, Vater, denn es sind viele."
Ihre Augen schlossen sich, die Lider flatterten. Erinnerungen quollen aus ihrem Gedächtnis, die sie seit vier Wochen mit sich herum trug. Erinnerungen an ihre Verfehlungen, die sie nicht vergessen wollte.
Nicht vergessen durfte.
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
Benutzeravatar
Ferrucio Erminio
Malkavianer
Beiträge: 24
Registriert: Do 17. Nov 2016, 16:58

Re: Aschenes Haar

Beitrag von Ferrucio Erminio »

„Amen.“
Ein heiseres Flüstern aus der Dunkelheit. Verborgen vor den Augen und Ohren all jener, saß der Priester neben der reuigen Sünderin. Seine Miene war steinern wie eh und je, seine Kutte dreckig am Saum und seine Füße bar jeder Bedeckung. Ein Gespenst von Armut, kaum mehr. Er hielt sich aus gutem Grunde verborgen, waren doch Augen und Ohren in jeder Kammer anzutreffen und selbst die Heilige Mutter Kirche wurde verunreinigt. Nur jene mit der Gabe des Dritten Augen (3+) waren in der Lage den Priester mühelos zu erkennen.

„Es schmerzt mich deine Stimme zu hören, mein Kind. Hattest du doch abgeschworen den Teufel und all seinen Werken.“

Anstatt sie anzusehen, ihre Schönheit oder Bescheidenheit zu bemerken, starrte der Malkavianer stur in die Dunkelheit. Seine strahlend blauen Augen, weiteten sich als ob ein Schemen ihm erschien. Seine Stimme, jedoch, blieb monoton und voller Fürsorge.

„Keine Sünde ist zu groß, dass sie nicht vergeben werden kann. Kein Sünder so tief gefallen, dass Gott ihm nicht die Hand reicht. Erzähl mir von deinen Untaten, mein Kind. Was bedrückt dein frommes Herz?“
Benutzeravatar
Melissa
Tzimisce
Beiträge: 907
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 15:17

Re: Aschenes Haar [Ferrucio]

Beitrag von Melissa »

Melissa leckte sich über die Lippen. Sie hätte Ferrucio gut sehen können, wenn sie es gewollt hätte. Aber auch sie zog es vor, in die Dunkelheit zu blicken, die sich vor ihr auftat. Vielleicht wollte sie ihn auch nur nicht ansehen, wollte ihn nicht reizen, auf dass er ihr erneut die Wahrheit zeigte, die sie noch immer manchmal in ihre Träume verfolgte.
"Ich habe den Sabbat nicht geheiligt", erklärte sie, wie in jedem der letzten 153 Monate. Eine geläufige Sünde, die sie selten nicht begang.
"Ich habe meine Arbeit nicht ruhen lassen und den Bau der Kapelle besprochen mit dem Krüppel Vergonzo. Ich habe Ermittlung gegen Luigi Spinola getrieben, den Mörder und Dieb. Vergib mir, Vater, denn ich habe ihm Gewalt angetan, um die Wahrheit zu erfahren. Ich habe Handel getrieben und Geschäfte gemacht am Tag des Herrn."

Sie pausierte, hackte ihre Worte ab. Es war deutlich, dass sie mehr sagen wollte, dass sie fortfahren wollte, irgendetwas in ihr aber sie innehalten ließ.
Ihre Kehle war rau, sie hatte die Worte geübt. Lange und oft wiederholt, waren sie in dunklen Stunden ihr einziger Fokus gewesen.
"Ich habe falsch Zeugnis abgelegt", sagte sie, "denn ich begehrte meines Nächsten Weib und ich hasste den Gedanken, sie in den Armen dieser Bestie zu sehen.
Ich hasste es, sie beide vereint mit ansehen zu müssen und zu wissen, dass er es hätte verhindern können. Und ich erhob mich über ihn, durch den ich mich verraten sah, und verlangte Rechenschaft, die mir nicht zusteht. Ich habe den Namen des Herrn missbraucht, um Antwort zu erzwingen. In Hochmut bin ich gefallen, Vater, und habe die Seelen dreier Männer in den Tod gerissen, die für meine Sünden starben."


Sie schloß die Augen. Ihre Stimme bebte, genau wie ihre Hände. Sie erlaubte sich einen Moment menschlicher Schwäche, erlaubte es sich, verwundbar zu sein.
"Ihr Blut befleckt meine Seele, wie oft ich mich auch wasche. Wie kräftig ich es von mir kratze, ich erwache und sehe ihre kalten Leiber über mir und spüre ihr heißes Blut auf meiner Haut."
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
Benutzeravatar
Ferrucio Erminio
Malkavianer
Beiträge: 24
Registriert: Do 17. Nov 2016, 16:58

Re: Aschenes Haar

Beitrag von Ferrucio Erminio »

Ein Schmunzeln stahl sich auf seine Lippen als sie zu sprechen begann. Natürlich sollte er jede Sünde aufwiegen und bedenken, doch kam selbst er nicht umher, die kleinen Sünden zu beschmunzeln. Sein Lächeln erstarb jedoch als sie weitersprach. Langsam nickte er ob ihrer Beichte, sprach jedoch kein Wort.

„Dies sind schwere Sünden“, kam es schließlich aus den Schatten. Ferrucio wagte es nicht die Stimme zu erheben und so waren seine Worte ein raues Flüstern. „Und doch kann ich nicht sagen, dass ich dein Leid nicht verstehen könnte. Der Teufel besitzt viele Gestalten und manche von ihnen plagen auch mich. Dein Teufel ist Neid, mein Kind.
Wenn Adel und Biest zusammenkommen, kann nur der Teufel seine Finger im Spiel. Es ist gegen die natürliche Ordnung der Dinge, ein Affront gegen Gott. So will ich dir deinen Neid nicht schwerer wiegen als dein Gewissen es bereits tut.“


Erneut schwieg er und hob eine Hand, malte das Zeichen des Kreuzes vor ihr in die Luft. „Doch sollst du nicht töten noch dich eines Amtes annehmen, welches nur Gott bekleidet. Diese Morde, haben sie dir Antworten gegeben? Gaben sie dir Klarheit oder Wahrheit?“
Benutzeravatar
Melissa
Tzimisce
Beiträge: 907
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 15:17

Re: Aschenes Haar

Beitrag von Melissa »

"Ich hab nicht gemordet", sagte die Tzimisce. Ihr Blick hob sich, suchte den des Priesters. Schmerz war ebenso darin zu erkennen wie Stolz, dass es die Wahrheit war. "Ich habe nicht getötet seit...seit..."
Erneut brach sie ab. Senkte wieder den Blick auf ihren Rosenkranz in ihren Händen. Sie schluckte, benötigte einen weitren Augenblick, bis sie weitersprechen konnte.
"Ich habe nicht getötet...seit ich den Verstand verlor im Jahre des Herrn 964 und der Gehörnte Besitz von mir nahm."

"Ich weiß nicht, ob ihr Tod mir Wahrheit gegeben hat", sagte sie.
"Ich...ich weiß, dass ich sie vermisse. Ihre Nähe, ihre Wärme, die mir ein Trost in der langen Nacht war. Ich weiß, dass ich es alles ungeschehen machen würde, wenn ich könnte. Wenn ich sie zurücknehmen könnte, ich hätte nie diese Worte gesagt, die sie das Leben gekostet haben. Wenn ich nur gewusst hätte..."

Melissa schloß die Augen. Sie murmelte etwas, unverständlich selbst für ihre Ohren, und biss sich auf die Lippe. Auf Auforderung wiederholte sie es, lauter. Es war kein Schrei, keine wirklich erhobene Stimme. Aber vom Flüstern ihrer Beichte hob es sich doch ab. Wie um zu zeigen, dass sie zu ihren Worten stand.
"Ich habe erneut erkannt, wie wertvoll Leben ist. Dass es Sünde ist, es aus Eitelkeit und Selbstgefälligkeit zu opfern, nur um den eigenen Stolz zu wahren.
Ich habe erkannt, dass es schändlich ist, Gerechtigkeit zu verlangen, wenn die eigene Haltung ungerecht ist."
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
Benutzeravatar
Ferrucio Erminio
Malkavianer
Beiträge: 24
Registriert: Do 17. Nov 2016, 16:58

Re: Aschenes Haar

Beitrag von Ferrucio Erminio »

„Eine wichtige Erkenntnis“, stimmte ihr der Priester zu. „Das Leben ist kostbar, es zu nehmen reißt an der Seele und entfernt uns von Gott. Für niemanden ist so eine Lektion wichtiger als für unsereins, mein Kind. Wir, die wir ständig im Schatten des Lebens weilen.“ Er hob seine Hand und bekreuzigte sich.

„Reue ist ein Zeichen vom Heiligen Geist, Melissa. Es zeigt uns, dass wir noch immer Geschöpfe des Herrn sind, dass Sünde nicht spurlos an uns vorbeigeht. Unsere Seelen sind noch immer intakt.“ Mit einem aufmunternden Lächeln suchte er ihre Geister zu erquicken. Er strahlte plötzlich Wärme und väterliche Sorge aus, gebar sich völlig anders als zuvor: entspannt und doch in völliger Kontrolle über sein Handeln, unendliches Mitgefühl in seinen Augen. „Erzähl mir von ‚Ihr‘ und ihrem Tod, der euch so plagt. Die Wahrheit auszusprechen erleichtert die schwere Bürde in unseren Herzen.“
Benutzeravatar
Melissa
Tzimisce
Beiträge: 907
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 15:17

Re: Aschenes Haar

Beitrag von Melissa »

Auch die Tzimisce schlug ein Kreuz vor ihrer Brust, als Ferrucio damit begann.
"Sie...sie waren meine Leibwächter und meine engsten Freunde", korrigierte sie den Malkavianer, ohne ihm direkt ins Wort zu fallen. "Die treuen Männer, die mich bei Tag und bei Nacht begleiteten. Echion, Chtonios, Pelor. Für Jahre waren sie mir getreue Begleiter, teilten jeden Augenblick meiner Nacht mit mir und meine Gedanken, meine Wünsche und Träume.
Sie starben, als ich einen Mann zur Rede stellte, von dem ich unsere Gemeinschaft verraten sah. Ein Mann, der eine Bestie befreite, die viele meiner Männer getötet hat und Groll gegen mich hegt und edle Frauen besudelt - der einen Heiden befreite, weil er ihn für unschuldig hielt.
Ich verlangte Antwort von ihm, warum er dies getan hatte. Warum er seine Pflicht vernachlässigte und im entscheidenden Moment, da er Richter ward und uns nach Jahrzehnten der Demütigung einen Sieg hätte geben können, sich dagegen entschied.
Er verweigerte sich und als sie ihn zur Antwort zwingen wollten, schlug er sie nieder und verging sich an ihnen. Er tötete sie und auch mich und nahm mich als Geißel, um vor der Stadtwache zu fliehen."


Ihre Stimme wurde vorsichtiger. Sie tastete sich voran, um das eigentliche Objekt ihrer Beichte herum, über die sie bislang nur Andeutungen gemacht hatte.
"Jetzt...jetzt weiß ich nicht mehr, ob er mich verraten hat."
Sie blickte auf. Hoffnung schimmerte in ihren grünen Augen, aber auch Unsicherheit, Zweifel.
"Was denkt ihr, Vater?
Können Heiden unschuldig sein? Ist es falsch von mir, sie bestraft sehen zu wollen?"
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Aschenes Haar (Ferrucio)

Beitrag von Il Canzoniere »

"Und Kain wird die Namen derer ausrufen, die vernichtet werden sollen,
Weil Ihre Verbrechen zu groß sind.
Denn so spricht Kains Gesetz:
Und doch will ich die Saat des Bösen ausreißen,
Ich werde die Schlimmsten unter Euch ausrotten,
Ich werde meinen dunklen Baum beschneiden,
Wie es mich mein Vater Adam gelehrt."


zitierte der starr wirkende Prediger aus dunklen Schriften vom Anbeginn der Zeit. Sein strenger Blick lag einen Moment auf der sich ihm anvertrauenden und er nickte knapp. "Ich verstehe deine Frustration über den Freispruch des Heiden. Aber du erwartest göttliche Gerechtigkeit von einfachen Verdammten wie den dort vorgeschobenen Geschworenen. An diesem einen Abend wurden mehr Lügen gesprochen als sonst in zehn mal zehn Jahren. Du hast Recht wenn du sagst: es ist Unrecht das der Wilde nicht dahingeworfen und zu Asche geschlagen wurde für seine Tat wider der Gesetze des dunklen Vaters, aber ist nur ein Aufschub. Die Nacht Gehenna rückt immer näher. Und in dieser wird ihn und all die Lügner und Schänder seiner Traditionen der gerechte Zorn des dunklen Vaters ereilen. So steht es geschrieben:
Achtet auf den Schatten der fliegt,
achtet auf den Drachen der sich erhebt,
achtet auf die Dunkelheit die sich bewegt,
achtet auf den Schatten des Mondes,
achtet auf den Engel der stirbt,
achtet auf die Jungfer die weint,
achtet auf die Kinder die den Kuss empfangen,
achtet auf die Clanlosen die fliehen

Im großen wie im kleinen hat meine Linie und ich die Zeichen beobachtet. Und auch hier in Genua konnten bereits viele der Zeichen gesehen werden, wie auch überall anders in der Welt. Dir selbst sind sicher schon mehr als die Hälfte dieser Zeichen begegnet. Ich jedoch sah sie alle.
Daher habe ich meinen Erzeuger, Romeo - messo dei ultimi giorni - um Hilfe ersucht, da der genaue Zeitpunkt Gehennas schwer zu ermitteln ist. Er bestätigte meine Worte. Und gibt den Kainiten eine Zeit zwischen 2 und 26 Jahren bis zum Anbruch des letzten Gerichts."
... er blickte ihr mit starrem Blick und leicht schräg gelegten Kopf entgegen... "Herzschläge für unseresgleichen. Schlag dir daher deine Rache aus dem Kopf. Betrauere deine Freunde, deine Diener. Aber sei dir versichert: derjenige der die Tradition der Domäne mit Füßen tritt wird genauso daniedergeschmettert wie derjenige der sich nur mit Lügen und Erpressung vom Richtblock für Traditionsbrecher retten konnte. Wir müssen nun ernten was wir all die Jahre gesäht haben: die Gerechten unter uns dürfen nicht auf den letzten Metern vom Pfad abkommen. Die Neulinge der Domäne nicht in das Spinnengewebe aus Mord und Verrat hineingezogen werden das die Heiden hier errichtet haben. Wenn der Teufel euch im Streit über einen einfachen Heiden entzweien konnte war euer Bund nie so herzlich wie er hätte sein müssen um die letzte Nacht zu überstehen. Lass dich nicht aufstacheln von Gefühlen oder Intrigen. Es gibt wichtigeres als Abkommen und Treueeide. Die Heiden wandeln unter uns. Die Ketzer wandeln unter uns. Aber diese wird Kain selbst richten. Wir müssen dafür sorgen das die Gerechten gerecht bleiben. Und denen die noch nicht zu tief gefallen sind den Aufstieg erleichtern. Deine Aufgabe hierbei wird Titus sein. Ein aufrechter und ehrlicher Mann auf dessen Seele dunkler Einfluß lastet. Einfluß der ihn korrumpiert und ihn gegen seinen Willen immer weiter vom Paradies entfernt anstatt ihm dabei zu helfen sich ihm zu nähern. Auf einem Auge ist Titus blind. Öffne es. Rette seine Seele. Seine vergebende Gnade wird die deine sein. Sie wird deinem Kummer Linderung verschaffen."
Gesperrt

Zurück zu „987“