Den Armen ein Engel[offen]

[Februar '17]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Angelique
Autarkis
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Angelique »

Als sie die beiden plaudern hörte und wie alte Freunde neben einander schlendern sah, ging ein kleiner Stich durch Angelique totes Herzchen. Hatte sie sich wieder einmal so getäuscht? War ihre offenherzige Gefährtin der Nacht etwa ein Spitzel des papistischen Zeloten?

Das konnte sie nicht glauben! Also folgte sie ungesehen und ungehört den Müßiggängern, um mehr zu erfahren.
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Sousanna
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Sousanna »

In der ebenmäßigen Miene der Sünderin war absolut nichts ungewöhnliches zu lesen. Nichts zu erforschen, was nicht erwartbar gewesen wäre. Bemühung, sich höflich und respektvoll zu verhalten, vermischt mit Zurückhaltung und leichtem Ärger.
Dieser drang nun ein wenig in ihre Stimme, als Sousanna antwortete: "Ich wäre nach unserem letzten Treffen ganz sicher nicht in die Nähe eines Mannes gekommen, der mich schwach, bedauernswert und dementsprechend unwürdig nennt." Zwar sprach sie leise und doch war hörbar, wie tiefe Wunden diese Worte im Geist der stolzen Byzantinerin geschlagen hatten. "Insofern muss ich ehrlich gestehen, dass es nur die Geschichte war, die mich angelockt hat. Wie man Kinder mit Honig lockt... Ein amüsanter Zusammenhang, findet ihr nicht?"
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
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Titus
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Titus »

Titus hatte mit dem Verlauf des Gespräches in dieser Richtung gerechnet, so dass er relativ gelassen und ruhig blieb. Außerdem schien er in seiner Meinung gefestigt und sicher zu sein, so dass er es sich auch leisten konnte, besonnen darauf zu reagieren.

"Bei unserer letzten Begegnung hast Du mir nicht viel Anlass gegeben, eine andere Meinung von Dir zu bekommen. Ich kann Deinen Frust sogar verstehen, soetwas gesagt zu bekommen ist schwer zu ertragen."

Titus Stimme war ruhig und es schien als spräche er aus eine gewissen Erfahrung, die er selbst einmal gemacht hatte. Er machte eine kurze Pause, in der er ein weiteres Mal die Umgebung beobachtete, um sich danach wieder seiner nächtlichen und unfreiwilligen Begleiterin zu widmen. Die Ruhe und Gelassenheit in seiner Stimme war stoisch.

"Du kannst mir ewig grollen, wenn Du willst, das macht mir nichts aus. Weder bin ich auf Deine Zuneigung, noch auf Dein Wohlwollen angewiesen. Aber wenn Du es für einen Moment vermagst, Deinen Groll abzulegen und das ganze ohne Stolz zu betrachten, dann wirst Du Dich vielleicht fragen, warum ich diese Meinung von Dir habe. Und wenn Du Dir diese Frage gestellt hast, könnte das der erste Schritt sein, dazu zu lernen."

Titus machte noch eine Pause, um sein Worte ein bisschen wirken zu lassen.

"Oder Du bleibst zornig und trittst auf der Stelle...die Entscheidung liegt bei Dir."
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Sousanna
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Sousanna »

Ein säuerliches Lächeln stand auf dem Gesicht der jungen Ravnos. "Bei unserer letzten Begegnung habe ich mich möglicherweise so verhalten, dass ihr es nicht nachvollziehen könnt", gab sie, sich zur Ruhe zwingend zurück und blickte in die Nacht hinaus. "Ich erwarte das auch nicht und habe es nie erwartet. Allerdings könnt ihr euch sicher sein, dass ich es nicht aus Feigheit getan habe. Wäre ich feige gewesen, hätte ich mich nicht gegen zwei so viel mächtigere Söhne der Nacht aufgelehnt."
Ihr Tonfall verriet, dass ihr diese Tatsache sehr wichtig war. Für Sousanna wäre es leichter gewesen, den beiden alles zu erzählen und sich nicht darum zu scheren, wie es weiter ging. "Aber ihr habt Recht, ihr seid nicht auf meine Zuneigung angewiesen - und ich bin immer bereit meine Handlungen ohne meinen Stolz zu betrachten und Fehler einzugestehen."
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Titus
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Titus »

Titus schwieg mehrere Augenblicke...erwartete offenbar noch weitere Worte von Sousanna. Als diese nicht kamen, blickte er sie einmal kurz von der Seite an. Aber in diesem Blick war kaum eine Emotion herauszulesen.

"Und?...Welche Fehler hast Du in Deinem Handeln erkannt?"

In seiner Stimme konnte sie vielleicht ein gewisses Interesse herraus hören.
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Sousanna
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Sousanna »

Sousanna erwiderte den Blick des Liktors ernst. Erwartete er wirklich, dass sie ihm hier die Seele auschüttete oder gar mit tränenschwerer Stimme um Vergebung bat?
"Ich war zu naiv zu glauben, dass eine reine Bitte, mir meinen Wunsch erfüllen würde. Außerdem war ich nicht genug informiert über die politische Lage und habe mich zwischenzeitlich von Zorn leiten lassen, wodurch ich euch beide wohl - ohne es zu wollen, beleidigt habe, so dass der Ausgang dieses Gesprächs von Anfang an klar war." Während sie ihre Analyse abgab, klang die Ravnos völlig neutral. Abgeklärt und sachlich, als würde sie über ein logisches Problem debattieren. "Es ist schade, dass es so war. Ich hätte euch - und vor allem meinen Freunden gerne mehr geholfen, aber mein Dasein hat mich gelehrt, nicht blauäugig zu vertrauen und für zusätzliche Sicherheiten zu sorgen. Vielleicht habe ich euch damit Unrecht getan." Es war offensichtlich, dass sie mit dem Euch nur Titus meinte. Brimir hätte nie ein neutrales Urteil oder gar neutrale Berichterstattung über sie zugetraut.
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Titus
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Titus »

Titus hörte sich in aller Ruhe die Ausführungen Sousannas an. Hin und wieder nickte er leicht.

"Ich werde Dir für die Zukunft einen Rat geben. Wenn Du mit einem Liktoren oder einem anderen Amtsträger in der Ausführung seines Amtes sprichst ist es so, als würdest Du mit ihrer höchst verehrten Majestät selbst reden. Denn diese hat für genau solche Aufgaben die jeweiligen Ämter vergeben. Wenn Du widersprichst und für Dich beschließt, dass Du dem Amtsträger nicht traust seine Aufgabe gewissenhaft zu machen, stellst Du ihr Wort in Frage. Un in ihrer Domäne darf das niemand gemäß den Traditionen. Du hast Dich im Grunde genommen einem Bruch der zweiten Tradition schuldig gemacht. Ich hoffe Du vergisst niemals, dass Brimir und ich dies nicht zur Anklage gebracht haben."
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Sousanna
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Sousanna »

Die Ravnos seufzte schwer. Dann sah sie ihn von der Seite an und nickte leicht. "Ich werde versuchen diesen Rat in Zukunft umzusetzen.", war die ein wenig steife, aber ehrlich bemühte Antwort. Schließlich wurde ihr Blick ein wenig nachdenklicher. Warum hatten sie sie eigentlich nicht angeklagt? Aus Wohlwollen? Sicher nicht. Dennoch zwang sie sich möglichst dankbar zu klingen, als sie erwiderte: "Und natürlich vergesse ich euch das nicht. Es zeigt, dass ihr meine Sorge vielleicht ein wenig nachvollziehen könnt - und dass ich euch möglicherweise zu Unrecht misstraut habe." Es viel ihr offensichtlich schwer, den letzten Satz über die schönen Lippen zu bringen, doch der Anstand gebot es - und ihr lag nichts an einer Feindschaft mit einem weiteren Amtsträger.
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Titus
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Titus »

Titus warf ihr einen vielsagenden Blick zu, offenbar schien er Sousanna aus dieser kleinen Lehrstunde nicht so einfach entlassen zu wollen.

"In der Tat konnte ich Deine Sorge nicht nachvollziehen. Nichts hätte Deinen Freunden mehr geholfen als die Wahrheit und hättest Du die Wahrheit gesagt, hättest Du selbst nichts zu befürchten gehabt. Es sei denn Du hättest lügen wollen, um Deine Freunde vermeindlich zu schützen. Doch dann verstehe ich nicht, warum Du unbedingt die werte Acacia dabei haben wolltest, um Deine Lügen bezeugen zu lassen?"
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Sousanna
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Re: Den Armen ein Engel[offen]

Beitrag von Sousanna »

Er wollte es einfach nicht verstehen. Die Byzantinerin seufzte schwer. Unwillkürlich hatten sich die Schultern gehoben. Eine kleine Veränderung, die sie selbst kaum bemerkte, die aber verriet, dass sie sich von dieser Aussage angegriffen fühlte. "Ich hätte nie gelogen.", erwiderte sie nachdrücklich und das stimmte. Bei den Dingen, die vorgefallen waren hätte sie nicht lügen müssen. "Und es ging mir nicht darum, mich zu schützen - ich habe nichts Unrechtes getan in dieser Nacht. Und ja, die Wahrheit hätte auch meinen Freunden geholfen, wäre sie denn durchgedrungen. Ich wollte jemanden bei diesem Gespräch haben, um das zu gewährleisten. Genua ist nicht meine Heimat, Italienisch nicht meine Muttersprache und mit eurem Kollegen verbindet mich keine gute Vorgeschichte. Ich wollte nur ein weiteres Ohr, das die Wahrheit hört, um durch Missverständnisse nicht noch mehr Schlimmes entstehen zu lassen - allein schon durch die Sprache. Dazu hätte es meine Glaubwürdigkeit erhöht, denn ich würde es nicht wagen, die Herrin des Elysiums zu belügen... Die Liktoren natürlich auch nicht, allerdings könnte man mir am Ende unterstellen, dass ich aufgrund persönlicher Differenzen falsch ausgesagt oder Dinge verschleiert hätte, nur weil wir aneinander vorbei geredet haben könnten. Dazu muss ich gestehen, dass mich das unangekündigte Auftauchen zweiter so wehrhafter Krieger an meiner Tür stark verunsichert hat."
Nichts an ihren Worten war gelogen. Hätte sie einer der beiden in ihrer Muttersprache angesprochen oder wären sie an einem anderen Ort oder mit einer Ankündigung erschienen, wäre Sousanna dieser Unterredung vermutlich bedeutend offener gegenüber gestanden. Vielleicht hätte sie sogar vergessen können, wer die beiden Fragenden waren.
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