Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

[März '17]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Luca
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Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Luca »

Erst vor kurzem hatte Luca von Acacia im Elysium erfahren, dass ein weiterer Kainit vom Clan der Ravnos in Genua sein Unleben fristete. Von Neugier und vor allem dem Interesse getrieben, die potenzielle Konkurrenz kennen zu lernen, hatte er sich in einschlägigen Kreisen erkundigt und war recht schnell auf die Information gestoßen, dass sich eine gewisse "trockene Sousanna" hin und wieder im Alla Mura zu finden sein sollte.

Und nun stand der Ravnos hier in Ravecca, dem lebhaften Stadtviertel, in dem reich und arm direkt aufeinanderstießen, direkt vor der heruntergekommenen Kneipe, die er gesucht hatte und in der sich ganz eindeutig letzteres Klientel herumtrieb. Luca stieß die Tür auf und trat ein. Ein Teil der Kundschaft drehte sich um und betrachteten den Neuankömmling kurz. Einfache, schmutzige, zwielichtige Gestalten sahen Luca ins von der Kapuze verhüllte Gesicht - und hier sollte eine außergewöhnlich hübsche, zierliche Frau zu finden sein? Der Kontrast zwischen dem Bild, das Luca unwillkürlich vor Augen hatte, und dieser Lokalität könnte nicht größer sein.

Während sich die Blicke wieder von ihm abwandten, lies der Ravnos den Blick durch den halbvollen Raum schweifen. Eine Person, die der Beschreibung der "trockenen Sousanna" auch nur annähernd ähnelte, konnte er nicht entdecken. Schon ein wenig zweifelnd, ob er überhaupt am richtigen Ort war, ging Luca langsam die Tische umkurvend in die hinterste Ecke des dämmrigen Gastraums und setzte sich an einen leeren Tisch. Vielleicht würde sie ja noch auftauchen?
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Sousanna
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Sousanna »

Noch war die trockene Sousanna nirgendwo aufgetaucht. Zwar waren ein paar Frauen anwesend, doch keine kam an die Beschreibung dieses speziellen Exemplars heran. Es war laut in der Taverne, lärmig und zu heiß. Dafür gab es wohl recht billigen Alkohol, mit dem man diese Hitze etwas löschen konnte. Zumindest verriet das der Zustand mancher Anwesenden.

Der Ravnos würde eine Weile lang warten müssen, bis sich etwas zeigte, das dem Objekt seiner Recherchen nahekam.
Eine kleine Frau betrat den Schankraum wie selbstverständlich. Sie war zierlich und es umgab sie etwas, das man nur mit dem Wort Unschuld umschreiben konnte. Ein Lamm, das nur der herzloseste Löwe hätte reißen können. Auf ihren vollen Lippen lag ein leichtes Lächeln, als würde sie an einen wohlvertrauten Ort zurückkehren.
In den dunklen Augen allerdings blitzte es. Sie schienen eine Art Bestandsaufnahme zu machen. Wer war hier? Wen kannte sie und wer von ihnen wagte es, ihr nicht freundlich zuzunicken?
Einer der Männer in einer anderen Ecke, ein ebenfalls recht hübscher Geselle, der dort mit Freunden trank, bekam ein offenes Lächeln zugeworfen. In Verbindung mit einem Blick, der offensichtlich eine Entschuldigung sein sollte, dafür, dass sie erst noch etwas Anderes zu tun hatte, bevor sie ihm einen Besuch abstatten würde.
Kurz verharrte ihr Blick auf dem Fremden. Eine kleine Falte zeigte sich zwischen den dunklen Brauen, während sie offensichtlich jedes kleine Detail des Unbekannten in sich aufsog.
Dann aber wandte sie sich ab und durchschritt den Schankraum mit raschen, tänzerischen Schritten, unter denen das dunkle, braune Haar in seinen sanften Wellen wippte. Sie wandte sich an den Schankknecht, schien sich kurz mit ihm zu unterhalten. Knappe, aber freundliche Fragen zu stellen.

Luca würde bemerken, dass sie ungewöhnlich lebendig aussah für ein Kind der Nacht. Die Wangen waren ohnehin schon leicht gerötet gewesen und hier in der Schankstube gewannen sie noch etwas an Röte. Einem Menschen würde vielleicht ebenfalls auffallen, dass sie wohl eher nicht aus Italien stammte. Vielleicht aus Griechenland oder noch ferner. Das zumindest verriet auch der wohlklingende Akzent in ihrer Stimme.
Insgesamt zeigte sie sich recht charmant. Auch mit einem bloßen Knecht. Über einiges lachte sie, warf ihm funkelnde Blicke zu und schien seine Worte für bedeutsam zu halten. Auch wenn derjenige ganz offensichtlich ein wenig befangen war. Er schien zu fürchten, ihr zu nahe zu kommen oder sie durch Blicke oder irgendetwas anderes zu belästigen. Entweder war sie recht gefährlich, was solche Belästigungen anging, oder sie hatte Freunde, die eifersüchtig über die Schönheit wachten.
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Luca
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Luca »

Sobald die zierliche Dame ihren Auftritt im Gastraum hatte und die Aufmerksamkeit auf sich zog, stahl sich ein Grinsen auf Lucas Gesicht. Geduldig hatte er gewartet, nun lehte er sich in seinem Stuhl zurück und strich die Kapuze nach hinten, sodass Sousanna, wenn sie in seine Richtung sah, sein eher blasses Gesicht mit fremdländischem Einschlag wahrnahm, das von einem kurzen, dunklen Bart und den knappen braunen Haaren eingerahmt wurde. Er wirkte nicht ungepflegt und trug wohl hochwertigere, wenn auch nicht unbedingt noblere Kleidung als die meisten Kunden dieses Gasthauses und schien sich mit seinem zweckmäßigen Äußeren und seiner eher unauffälligen Art gut in die Umgebung einzufügen.

Nicht ihr Äußeres verriet die trockene Sousanna; allein auf Grundlage ihres Aussehens hätte Luca Schwierigkeiten gehabt, sie als Kainitin zu erkennen. Ihr Auftreten allerdings - eine kleine, zierliche, schöne Frau, die sich in dieser Umgebung mit dieser Sicherheit bewegte, ohne jegliche Anzeichen von Besorgnis oder Angst - es war schon sehr offensichtlich, dass sie zumindest einige der Menschen hier auf die eine oder andere Weise in ihrer Hand haben musste. Ihre vermeintliche Unschuld wirkte wie Hohn ob dieser Tatsache. Und nun hatte Luca sich in ihren Machtbereich begeben - er zweifelte nicht daran, dass sie ihn hier in ihre Gewalt bringen könnte, wenn sie es denn nur wollte - zumal Luca ganz offensichtlich nicht über außergewöhnliche Körperkraft verfügte. Aber dazu würde er ihr keinen Grund geben; wie töricht wäre es, sich als Erstes in einer fremden Stadt ohne Not Feinde zu machen?

Noch immer zurückgelehnt in seinem Stuhl sitzend, haftete Lucas Blick auf Sousanna, während das ohnehin nicht besonders freundliche Grinsen aus seinem Gesicht verschwand. Stumm nickte er leicht in ihre Richtung und hob dabei zwei Finger der auf dem Tisch liegenden rechten Hand, wie zum Gruß. Danach blieb er reglos sitzen, nur seine Augen folgten ihrer Bewegung. Er war hier in ihr Gebiet vorgedrungen, er würde ihr auch den ersten Zug überlassen.
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Sousanna
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Sousanna »

Bei dem Anblick des Mannes, war eine ihrer Augenbrauen nach oben gewandert. Wenn sie sich nicht wirklich sehr täuschte, dann hatte sie es hier vermutlich mit einem dieser widerwärtigen Blutsauger zu tun. Ramon hier zu haben war ja schön und gut, aber einen Fremden? Der Gedanke missfiel ihr. So zeigte sich in ihrem Blick noch eine kleine Warnung, bevor sie sich abwandte. Es würde nur ein Wort an den Schankknecht brauchen und Tiziano würde dafür sorgen, dass dieser Sohn des Kains das "Alla mura" auf sehr unrühmliche Weise verließ - vermutlich mit tatkräftiger Unterstützung des Brujahs.
Da er fürs Erste aber keine Anstalten machte, sich schlechter zu benehmen als andere Gäste, unterhielt sich Sousanna zunächst mit dem Schankknecht und wandte sich erst nach einem ausgiebigen Gespräch wieder zu dem Fremden.

Tänzelnd aber ganz klar ein wenig vorsichtiger, vielleicht auch lauernder trat sie an seinen Tisch heran und schenkte ihm das strahlendste Lächeln, das sie zu Stande brachte, während sie sich anmutig auf die Tischplatte stützte. "Es ist immer wieder schön neue Gesichter hier zu sehen.", erklärte die Schönheit mit einem samtenen, angenehmen Tonfall. "Ihr seht aus, als kämt ihr von weit her... Wie kommt es, dass ihr mich grüßt?"
Während sie freundlich sprach, als würde sie tatsächlich darüber nachdenken, ob es möglich war, einen alten Bekannten vor sich zu haben, legte sich ihr Kopf etwas schief und die dunklen Rehaugen schienen auf dem blassen Gesicht zu verharren und das Bild dahinter ergründen zu wollen.
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Luca
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Luca »

Luca nahm den warnenden Blick wahr und auch, dass man ihn warten ließ. Es hätte ihn überrascht, wenn er hier willkommen gewesen wäre ... aber diese kleinen Machtspielchen und kalkulierten Respektlosigkeiten war er leid. Als sie schließlich zu seinem Tisch kam und ihn mit einem Lächeln ansprach, erwiederte er ihr freundliches Auftreten nicht, sondern sprach nach kurzem Schweigen mit neutralem Gesichtsausdruck, den man mit etwas Fantasie vielleicht noch nachdenklich nennen konnte, und hob seine Stimme nur wenig über den allgemeinen Lärmpegel an, sodass sein Gegnüber gezwungen war, ihm seine volle Aufmerksamkeit zu schenken.

"Bitte setzt euch doch." Er deutete auf einen Platz an dem leeren Tisch, an dem der Ravnos trotz der recht vollen Schenke allein saß, und gab ihr Zeit, seinem Wunsch nachzukommen, während sein Blick zum Schankwirt und dem hübschen, kräftigen Burschen mit seinem Gefolge in der anderen Ecke des Gastraums wanderte. "Solltet ihr Beklemmung wegen meiner Anwesenheit verspüren, so holt gerne einen Aufpasser hinzu - doch ich versichere euch, es besteht kein Grund dafür. " Bei den Worten hatte er leicht verächtlich die Mundwinkel nach oben gezogen, jedoch verschwand diese Regung sehr schnell wieder aus seinem Gesicht. "Ich nehme an, dass ihr die trockene Sousanna seid. Da ich uneingeladen zu euch gekommen bin, gebietet die Höflichkeit, mich zunächst vorzustellen. Mein Name ist Luca Moretti und tatsächlich habe ich eine lange Reise hinter mir. Nun aber bin ich seit kurzer Zeit hier ... sicher sagt euch der Name Acacia della Velanera und ihr Aufgabengebiet innerhalb der Stadt etwas?" Zwar war sich Luca recht sicher, die gesuchte Person vor sich zu haben, doch war eine Vergewisserung, hier tatsächlich einem anderen Kainiten gegenüberzusitzen, unerlässlich. Erst wenn er Gewissheit hatte, würde er mehr preisgeben. Äußerlich gelassen und scheinbar interessiert sein Gegenüber beobachtend wartete Luca auf die Antwort.
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Sousanna »

Ein ein wenig feineres, hintergründigeres Lächeln hatte ihre Mundwinkel umspielt während Sousanna mit ihrer anmutig, tänzerischen Art neben ihn geglitten war und ob seines "Angebots" den Kopf geschüttelt hatte. "Ich bin mir sicher, dass keiner von uns etwas zu tun gedenkt, das der andere fürchten muss.", gab sie ruhig und ernst zurück.

Die Vorstellung beziehungsweise wohl eher die Nennung der Herrin des Elysiums ließ Sousanna wieder nicken. Sie hatte es geahnt oder besser befürchtet, aber im Augenblick hatte sie nichts dagegen sich mit einem Kainskind zu unterhalten. Vor allem nicht, da dieser Luca offensichtlich ebenso wenig auf ewiglange Vorstellungen gab wie sie.
Neugier war in ihren Blick getreten. Wie kam das? Hier in Genua hatte sie noch keinen von ihrem Clan getroffen und die Händlerin war sich nicht sonderlich sicher, ob dss eine gute Wendung ihres Schicksals wäre. Andererseits... Vielleicht brachte er Kunde von Caspar.
"Ja", erwiderte sie schließlich mit etwas mehr ehrlicher Freundlichkeit. "Ich bin wahrscheinlich jene Sousanna, die ihr sucht. Es sei denn, es hat sich noch jemand diesen witzlosen Spitznamen eingefangen." Ein leises Schmunzeln ließ sie mit einem Mal schelmischer und bedeutend weniger mädchenhaft wirken. "Und ja, die verehrte Dame kenne ich auch. Sie hat mich mit großer Freundlichkeit hier aufgenommen, als ich aus Byzanz hierher gekommen bin. Sagt, wo nahm eure lange Reise ihren Ursprung? Vielleicht haben sich unsere Wege ohne es zu wissen bereits gekreuzt."
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Luca
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Luca »

Nachdenklich sah Luca zu Sousanna, doch schien es, als blickte er durch sie hindurch in die Ferne, während er in seinen Gedanken wieder zurück in der alten Heimat war.

"Man sieht euch an, dass ihr nicht von hier stammt. Auch ich habe Wurzeln in Konstantinopel, doch meine eigentliche Heimat ist Venedig, wo ich die meiste Zeit meines menschlichen Lebens fristete. Gewisse ungünstige Umstände zwangen mich jedoch, von dort zu fliehen und machten mich zu dem, was ich jetzt bin. Nun beabsichtige ich, mir hier eine neue Existenz aufzubauen."

Luca sah sich demonstrativ in der Schankstube um. "Acacia nannte mir euren Namen. Wir hätten wohl einiges gemein, was unsere Zugehörigkeit betrifft und - ich muss sagen, ihr enttäuscht mich nicht." Sousanna schien es geschafft zu haben, ein funktionierendes Geschäft aufzuziehen, das ganz Lucas Geschmack entsprach. Mit unergründlicher Mine fuhr er fort: "Neben der Befriedigung meiner Neugier, was eure Person betrifft, wäre es mir ein Anliegen, mehr über die Stadt und ihre ... Möglichkeiten und Gefahren von euch zu erfahren."
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Sousanna »

Ein leises Lächeln traf Luca, als er so durch sie hindurch sah. Sie kannte diesen Blick. Wusste um die Reise, die er gerade im Geiste machte ebenso, wie um das schwere Gefühl, das sich danach in einem Herz ausbreitete.
Dass er geflohen war und hier nun nach einer neuen Existenz strebte, ließ sie dann doch grinsen. Es schien das Schicksal des wandernden Clans zu sein, sich in ungünstige Umstände zu verstricken, vor denen man dann fliehen musste. Schön, dass es nicht nur ihr so ergangen war.

Dann lachte sie tatsächlich auf. Es klang ehrlich erheitert und in ihren Augen funkelte die Ironie. Wie schön, dass Sousanna ihn nicht enttäuscht hatte... "Nun gut", erwiderte sie und war ganz selbstverständlich ins Griechische gewechselt. Sie ging davon aus, dass ein ehemaliger Bewohner ihrer Heimat diese Sprache nicht einfach so vergessen haben konnte. "Ich kann nicht sagen, dass ich es darauf angelegt habe, dich mit meinem Tun zu gefallen, aber es ist immer gut, jemanden nicht zu enttäuschen. Welche Möglichkeiten suchst du und haben sie mit unserem Blut zu tun?"
Das Ihr war mit einem Mal zu einem Du geworden. Es schien ihr absurd, dass sich zwei Mitglieder ihres Clans hinter dieser lächerlichen Maske des Ihrs verstecken sollten. Ihr Blutsvater hatte es sie gelehrt, dass diese Freiheit der engen Bruderschaft zu den wunderbarsten Errungenschaften ihres Clans zählte. Außerdem wirkte er nicht so, als würde er viel auf solche Förmlichkeiten geben.
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Luca
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Luca »

Luca störte sich nicht an der persönlichen Anrede, schien sich damit sogar wohler zu fühlen; und dennoch hielt er eine gewisse Distanz aufrecht. Interessiert hatte er die Wirkung seiner Worte auf ihrer Mine verfolgt; in perfektem Griechisch antwortete er: "Was hat dich vom großen Konstantinopel eigentlich in diese Stadt verschlagen? Tatsächlich habe ich selbst nie wirklich dort gelebt, bin viel gereist."

Dann nahm seine Stimme, die zwischenzeitlich in einen leichten Plauderton übergegangen war, plötzlich einen kühleren Ton an, während er sich leicht über den Tisch in Sousannas Richtung beugte und ihr direkt in die Augen sah.
"Und natürlich rede ich nicht von gefallen. Es geht mir weder um die Schönheit dieser Schankstube," - er grinste höhnisch - "noch darum, dass ich dich persönlich sympathisch finde. Es geht mir einzig und allein darum, gute und vor allem lohnende Geschäfte zu machen - in einer fremden Stadt ist es wichtig, die lokalen Gegebenheiten kennen zu lernen. Du hast das offenbar gemeistert, und daher bin ich erfreut - denn hier sitzt jemand vor mir, von dem ich hilfreiche Informationen bekommen kann. Und wenn sich jemand mir gegenüber als hilfreich erweist, dem werde ich mich zu gegebener Zeit auch erkenntlich zeigen." Es war offensichtlich, dass Luca keine Freundschaft anstrebte, emotionale Bindung wenigstens für überflüssig zu halten schien - er suchte Geschäftspartner. "Sag mir: Wenn hier jemand illegalen Aktivitäten nachgeht - Diebstahl, Schmuggel, Erpressung, Mord und dergleichen - von welcher Seite droht ihm hier dann die größte Gefahr?" Die Worte waren nicht sehr laut ausgesprochen, sodass sie wohl für niemand anderes als Sousanna im Gastraum hörbar waren - und dennoch hatte Luca es fertig gebracht, eine gewisse Dringlichkeit in die Frage zu legen.
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Re: Galgenvögel unter sich [Sousanna, offen]

Beitrag von Sousanna »

Einer der Mundwinkel hob sich zu einem leicht ironischen Schmunzeln.
Während sein Griechisch perfekt war, war das ihre von vielen Jahren des alltäglichen Gebrauchs geschliffen. War wie die Steine, die das Wasser in seinem steten Lauf geschliffen hatte. Auf der einen Seite weich und fließend und auf der Anderen kantig und schneidend. Nicht mehr akkurat, sondern eher wie ein altes Spielzeug.
Er erwartete doch nicht wirklich, dass sie ihm hier ihre Lebensgeschichte ausbreitete, so war ihre Antwort mit leicht amüsierter Ablehnung versehen. "Ich glaube nicht, dass diese Geschichte dich interessieren würde. Sie ist lang und schrecklich rührselig."

Dann hatte Sousanna seine Bewegung überraschend exakt kopiert. Auch auf den vollen Lippen lag nun ein gewisser Hohn und die warmen, braunen Augen waren kalt und berechnend geworden.
"Ich wäre entsetzt, wenn du gekommen wärst, um mich wegen meinem Charme oder meinem Körper zu bewundern. Das tun zu viele der Schwachköpfe hier und sie bezahlen dafür.", gab sie ruhig zurück. Zwar mochte die Ravnos anders denken als ihr Clansbruder, doch sie besaß ebenso die Gier nach Handel und Gold, wie er es wohl tat. "Ich kann natürlich mein Wissen mit dir teilen, nur brauche ich dafür etwas mehr Informationen... welches Gewerbe möchtest du hier aufbauen?" Kurz grinste sie kalt, als hätte die Frage sie an irgendetwas erinnert. "Und was kann ich erwarten, wenn du mir versprichst, dich kenntlich zu zeigen?"
Auch sie hatte nicht laut gesprochen und sich leicht vorgebeugt, was gewollt oder inzwischen schon als Teil einer Routine ein wenig tiefere Einblicke eröffnete, die unbedachtere Gegenüber mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest kurz abgelenkt hätte. Lucas Blick erwiderte sie allerdings fest und auch in ihrem Tonfall konnte man eine gewisse Dringlichkeit erahnen, als sie hinzufügte: "Vor dem ersten Namen, den ich dir nennen kann, hat dich bestimmt schon Acacia gewarnt, aber ich wiederhole diese Warnung noch einmal. - Gewissermaßen als kostenloser Rat. Leg dich nicht mit dem Nosferatu Godeoc an ... Aber erzähl mir, was du vorhast, und ich kann meine Warnungen und Ratschläge präzisieren."
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