Kraut und Unkraut [Angelique]

[März '17]
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La Vedova
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von La Vedova »

Gedankenverloren waren Seinfredas Finger über die seltsamen Riemen am zerbrechlichen Körper vor ihr gefahren.
„Nyx…“, wiederholte sie die Worte. „Die Göttin, die selbst der Göttervater fürchtete….ja, sie trägt wohl viele Namen, auch dieser steht ihr gut. Demnach entstammst du also einem heidnischen Blutgeschlecht? Möchtest du mir etwas von deinem Haus erzählen?“
Auf die Bemerkungen zu den anderen Clans ging sie nicht weiter ein, aber die Frage nach der Erschafferin verwunderte sie dann doch.
„Nun, ich habe deine Erschafferin nie kennengelernt, deshalb kann ich dir das nicht beantworten. Aber möglich ist es natürlich. Auch sie lebte im Frankenreich? Vielleicht war auch sie eine Schülerin meiner Schwestern. ..“, sie überlegte „Wenn du es wirklich wissen möchtest, könnte ich nachfragen…Viel wichtiger ist jedoch, dass die Lehren Verbreitung finden. Doch wie ich eben schon meinte, wollen viele die Wahrheit gar nicht sehen…oder hören. Und doch ist es unsere Aufgabe, den Samen der Erkenntnis zu sähen…“
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Angelique
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von Angelique »

"Wahrheit", echote das untote Würmchen und schaute, den Hals verdrehend, zu Seinfreda hoch. Seine großen Augen wirkten noch größer, seine Miene noch wissbegieriger. Dennoch beantwortete sie, anstelle zu fragen: "Wahrheit ist meines Hauses Fluch und Segen. Als der Engel Malkav - meine Großsire hat ihn noch Gott genannt - Kain fragte, warum er getan hatte, was er tat und vor allem, warum er Abel erschlug, da zerriß er ihn im blinden Zorn, für den er ja berüchtigt war, weil er sich selbst nicht mehr erinnern konnte.

Auf diese Weise aber hat Malkav ihm die Wahrheit gezeigt und sich selbst in die Winde des Äthers verstreut mit seinem Erschaffererschaffer als Instrument, wie einstmals der Osiris des Ägyptenlands von seinem Bruder Set zerrissen wurde, um erstarkt aufzuerstehen. Seitdem ist es unsere Pflicht, den Mächtigen die Wahrheit zu finden und zu zeigen und ihren Geist zu befreien. Einst taten wir dies als Götter und Propheten in mächtigen Reichen, deren Namen heute meist vergessen sind.

Mit dem Verbot der römischen und untoten Herrscher, ihr eigenes Schicksal zu weissagen, und dem Sieg des zweiten Kains über die heidnischen Orakel aber fiel unser Stern und die Zahl verfehmter Landstreicher wie mich und irrer Propheten wie Ferrucio überwiegt die Zahl der Orakel von Delphis, Aesops und Diogeneses."
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La Vedova
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von La Vedova »

Die Geschichte der ägyptischen Götter und ihren parallelen zur eigenen Geschichte ließ Seinfreda nachdenklich werden.
"War es nicht Ises, die mit ihrer Zaubermacht ihren Geliebten wieder band? Und waren sie beide nicht die Erzeuger des Sonnengottes? Welch interessante Fügung, wie aus Tod und Magie das Licht entsteht, meinst du nicht, Marie?", fragte sie gedankenversunken.

Mit Blick in die Ferne fragte sie dann leise "Was meinst du braucht es, um ein rechtes Orakel zu werden? Bloße Fähigkeit? Ruhm? Macht? Fortunas Gunst?"
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Angelique
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von Angelique »

Angelique schnurrte wieder und wand sich wohlig, als Seinfreda weiter an ihren Gurten spielte. Vielleicht spürte sie dabei auch unter der Kleidung die eng geschürten Gurte ihre leichten Lederbanderüstung.
"Oh, viel besser!", wagte sie die weise Grau des Hohen Klans mit belegter Stimme zu verbessern. Die Geschichte von Mord und Wiederauerstehung war in all ihren pikanten Details nicht nur den dekadenten Griechen die liebste, sondern auch ihr und ihrer Erzeugerin, die ursprünglich aus diesem Kulturkreis stammte.
"Durch Isis, die alle Namen kennt, wurde nicht nur der Enkel des Sonnengottes durch den Gott der Unterwelt nach dessen Tod gezeugt, sie lehrte dadurch auch den Frauen einen machtvollen Zauber, der selbst toten Männern Leben einhauchen kann."

Bei diesen Worten lächelte sie geheimnisvoll und begann dann an ihrem Daumen zu lutschen, wie Odin auf alten Darstellungen, wenn dieser sich Weisheit aus den Fingern saugte.

Wie zur Überleitung kam sie auf die Frage nach dem rechten Orakel zu sprechen.
"Ich weiß nicht", gestand sie, "ich hatte die Gabe schon als sterbliches Kind, solange ich denken kann und das ist sehr lange her. Ich lebte, als Ascomannen, Sarazenen und Ungarn über die Lande kamen wie die Heerscharen des Apollonion und Huren als Senatorinnen die Päpste und den Adel Roms lenkten und ihre Bastarde neue Päpste wurden. Daher kann ich dem Amt des Bischofs von Rom wenig Autorität und Liebe zusprechen.
Ich sah damals die andere Seite und Zeichen der Dinge, die kommen würden. Zweimal sah ich die Ankunft von sarazenischen Piraten voraus. Ich denke, meine Herrin erwählte mich deshalb für die Unsterblichkeit. Ich kann auf natürliche Weise, was andere meines Hauses und die von uns Initiierten anderer Klans nur mühselig lernen müssen, in dem sie immer tiefer in die Geheimnisse Malkavs eindringen."
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La Vedova
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von La Vedova »

Die Geschichte Angeliques war spannend, und sie fragte sich, woher sie wohl so viel über ägyptische Geschichten wusste. Nun, sie hatte ja wohl schon ein wenig mehr Zeit gehabt als sie, um zu studieren. Als sie auf den Zauber zu sprechen kam, richtete sie sich ein wenig auf und Rückte sie auf ihrem Schoß etwas zurecht.
„Sag, dieser Zauber…du sagst, sie lehrte ihn nur Frauen? Weißt du mehr darüber? Handelt es sich dabei um etwas, was unsere Existenz begründet, glaubst du, es könnte sich dabei um den Kuss handeln? Oder meinst du, es handelt sich dabei tatsächlich um eine Gabe, den Kreislauf des Lebens zu durchbrechen und ein Sethskind wieder zum Leben zu erwecken?“

Auf die Beschreibung ihrer Fähigkeiten hin, nahm Seinfreda Angelique ein den Arm und wiegte sie ein wenig hin und her „Meine Liebe, ich kann mir vorstellen, was für ein Joch diese Gabe manchmal für dich sein muss…Dinge zu ahnen, zu wissen, und keiner Schenkt dir glauben. Schreckliches vorherzusehen und es nicht ändern zu können. Oder ist es dir etwa gelungen, die Dinge zu ändern?“, fragte sie dann neugierig.


Nach einer Weile, überwand sie sich dann, Angelique etwas zu offenbaren.
„Angelique…Marie…Ich habe lange über gewisse Dinge nachgedacht. Die Zeitenwende rückt näher und näher. Ich weiß, dass es viele Erzählungen gibt, viele Voraussehungen und auch ich habe in letzter Zeit vermehrt meine Runen befragt….Doch ich verstehe nicht, was sie mir sagen wollen. Ich glaube jedoch, es geht um ein Kind…“ sie griff in ihre Tasche und zog einen kleinen Beutel hervor. „Angelique, ich möchte dir keine Angst machen, aber ich glaube, dass sich die Zeichen langsam häufen. Das erste Zeichen sind die Plagen….und sie nehmen zu. Gaius und ich erforschen sie, das weißt du…“, sie hielt kurz inne „Mit ihnen einher gehen Hunger und Armut, oft ausgelöst durch Missernten, durch lange Winter, durch andere Dinge….“
Seinfreda seufzte und öffnete langsam das Beutelchen, in dem nun verschiedene Runenplättchen zum Vorschein kamen. Einige bestanden aus Holz, andere aus…Knochen?
„Und ich habe das Gefühl, dass sich die Religionen beginnen zu vermischen, die Suche nach der Wahrheit wird gefährdet, die Verführung ist stark wie nie…Und dieser Zusammenstoß des Glaubens wird Kriege verursachen“, sie sah zur Seite „Marie, weißt du was das bedeutet? Verstehst du, worauf ich hinaus will? Kriege, Völker, die sich gegeneinander erheben, Hungersnöte und Plagen und der Abfall vom Glauben…“
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von Angelique »

Es fiel Angelique schwer sich auf die Worte zu konzentrieren. Zu geborgen fühlte sie sich in der scheinbar Älteren Armen, auf ihrem Schoß.
Es war ihr egal, dass der Subtext der Rede Seinfredas auch nur eine Ausnutzung ihrer Gabe verhieß.
Mütterliche Liebe gab es halt nur gegen Gegenleistungen. Das hatte das untote Mädchen in ihrer langen Existenz früh gelernt. Es machte ihr überhaupt nichts aus.

Bei der Erwähnung des Zaubers der Isis war sie zuerst verblüfft, dann lachte sie glockenhell, als ihr die Details des Zaubers einfielen. "Ich glaube, manchen Männern hat sie ihn auch gelehrt, wenn ich an die Geschichte Sodoms denke", sagte sie immer noch lachend. Dann blieb ihr das Lachen im Halse stecken. Da mochte durchaus etwas dran sein. Osiris, der Gott der Unterwelt, durch rituellem "Kuss" zum Leben erweckt und zum König der Unterwelt gemacht. Ihre Erzeugerin hatte diese Geschichte genau so gedeutet.
"Hm", machte sie schließlich, "vielleicht habt Ihr recht und es war kein Mann, der die ersten von uns schuf, sondern eine Frau. Isis, die göttliche Sophia, die biblische Lilith."

Bei den Runenplättchen geriet sie in Verzückung. "Was ist das?", wollte sie neugierig wissen. "Es sieht aus wie vergessene Zeichen der Etrusker, die ich sah. Ist das eine Schrift? Sind es Zauberglyphen? Ist es Ascomannisch? Was bedeuetet es? Kann ich es erlernen, wenn es eine Schrift ist?"

Auf die besorgten Ahnungen der Dame hin nickte Angelique schließlich ernst und sagte: "Wenn du willst, helfe ich dir die Zukunft zu deuten und wenn nötig, sich vorzubereiten."
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La Vedova
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda nickte „Das ist eine Schrift, ja. Sie funktioniert zwar etwas anders als die Schriften, die du wohl kennst, aber ich kann sie dir beibringen. Die Runen können aber auch als, wie du es nennst, Zauberglyphen verwendet werden. Meine Mutter war eine Seherin, wie du, eine weise Frau. Sie wusste damit umzugehen und hat es mir beigebracht. Sie werden gezogen oder geworfen und dann in iher Lage zueinander interpretiert.“, sie reichte Angelique das Beutelchen „Aber wir müssen das jetzt nicht machen, es fiel mir nur gerade ein, wo wir von deiner Gabe sprechen. Vielleicht sollten wir dazu einmal eine andere Umgebung suchen, auch wenn der Ort für die Zeichendeutung eigentlich nicht unbedingt relevant ist. Ich könnte mir auch vorstellen, das Brimir an derlei Dingen Interesse hat. Als ich ihn das letzte Mal sah sprach er von seltsamen Dingen, davon dass Ragnarök nahe und wir gegen die Diener Helheims kämpfen müssten…Auch das klang nach Zeitenwenden und dunklen Ahnungen.“, sie legte die Stirn in Falten.
„Es ist doch verblüffend wie oft sich die verschiedenen Legenden ähneln. Biblische Schöpfungsmythen, ägyptische Götterlehre, Nordische Endzeitvisionen…Ragnarök und Apokalypse, Isis und Lilith, Götter der Unterwelt…Es fällt mir so schwer, die Essenzen all dessen zu verstehen, und doch ist es wohl unsere Aufgabe, die Wahrheit daraus herauskeltern…Und ob es überhaupt möglich ist, sich vorzubereiten?“, sie sah Angelique fragend an „Nun, ich freue mich jedenfalls, in dir eine Unterstützerin zu haben. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam so einiges entdecken werden.“


Liebevoll senkte sie ihren Kopf an Angeliques Haar, während diese sich mit den Runen beschäftigte. Tatsächlich flogen ihre Gedanken jedoch in andere Richtungen, zurück ins Frankenreich, in die Normandie. Zurück zu einem Ort, den es nicht mehr gab, zu Geliebten, die inzwischen vergangen waren und zu Zeiten, in denen sie sich nichts mehr gewünscht hatte als eine Tochter und eine Familie mit einem Mann, den sie nicht haben konnte. „Marie, ich bin froh, dich gefunden zu haben“, flüsterte sie leise „Mein Herz schmerzt bei dem Gedanken, Georg gehen lassen zu müssen…schon so bald…doch der Gedanke an Gaius und dich ist mir ein Trost…“
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

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"Wieso? Was ist mit Georg?" Besorgnis sprach aus Angeliques Stimme. "Ist er etwa krank? Oder meint Ihr seine begrenzte Lebenszeit? Ihr macht keine Kommunion mit ihm, nicht wahr? Ihr werdet ihn gehen lassen und eine Familie finden und ein sterbliches Leben leben lassen? Wenn er in Gefahr aber ist, sagt ein Wort, zeigt auf einen Feind und diese ist Geschichte."

Grimmig, ganz Schattenkriegerin, schaute sie determiniert zu der Dame hoch. Dann wurden ihre Züge wieder weich.

"Georg weckte in mir die Sehnsucht nach der höchsten der griechischen Künste, die heute am wenigsten gilt."

Das mochte Angeliques Aufmachung erklären. Zwar war es bestimmt schon lange her, aber Seinfreda mochte die Verkleidung als ursprünglich aus der Normandie stammend erkennen: Der grimmige und doch zu Spässen aufgelegte Riesendämon Herlekin aus der Wilden Jagd. Welch Schalk, dass eine Zwergin wie Angelique diesen verkörperte!
In letzter Zeit gab es immer mehr Possenreißer in den Passionsspielen, die sich im Frankenreich so vermummten.
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda strich dem Mädchen beruhigend über den Arm "Nein, keine Sorge, Georg geht es gut...Meinem Blut und Gaius Heilkünsten sei dank. Habe ich dir die Geschichte etwa noch nicht erzählt?", sie strich sich durch die Haare und legte die Stirn sorgenvollin Falten.
"Als Georg zur Welt kam...nach vielen Monaten in denen ich befürchtete ihn zu verlieren, war er mir das Teuerste und das einzige Geschenk, das mir mein Geliebter ließ. Doch kaum hatte er das Licht erblickt, teilten mir die Amme und der Hofmedicus mit, dass er den Tag kaum überleben würde. Er sei zu schwach, könne kaum atmen, hätte keinen Puls. Ich hielt ihn an meinen Busen gedrückt, hielt ihn warm, betete zur Schmerzensmutter, gab ihm Tropfen um Tropfen zu trinken, und er überlebte den Tag, und einen weiteren, und noch einen.", sie sah zu Angelique "Er lebte eine Woche, dann einen Monat...und ein Jahr. Er war immer schwach, doch sein kleiner Körper kämpfte all die Zeit und meine Gebete wurden erhört. Ich beschützte ihn gegen alle, die sagten, ich solle ihn erlösen, es sei gnädiger ihn gehen zu lassen, statt ihn ans Bett gebunden siechen zu sehen, doch ich konnte es nicht...", sie blickte zur Seite "Er war doch mein Kind, ein Kind der Liebe..."

Sie verstummte und schüttelte den Kopf, die Erinnerungen schmerzten noch immer und sie wurde die Bilder nicht los.
"Ich wusste, dass er niemals der Sohn sein könnte, den sich sein Vater gewünscht hätte...doch sein wacher Geist glich den kränklichen Körper aus. Ich unterrichtete ihn am Bett, lud die klügsten Männer des Landes zu ihm, dass sie ihm an ihrer Weisheit teilhaleb ließen...doch als er dreizehn Jahre alt war, ging es ihm zunehmend schlechter. Während er zuvor noch in der lange gewesen war, spaziergen zu gehen, musste man ihn nun stützen. Er war kurzatmig, hatte Hustenkrämpfe, bald war er zu schwach, zu gehen. Bald konnte er sein Bett nicht mehr verlassen, schlief viel, dann begann er Blut zu husten...", ihre Stimme brach bei der Erinnerung "Zu diesem Zeitpunkt war mein Gatte schon von uns gegangen, und auch der Herzog interessierte sich kaum mehr für seinen nutzlosen Sohn...Was hätte ich tun sollen? Alle Kräuter und Tinkturen halfen nicht mehr, also gab ich ihm die einzige Medizin, die noch übrig blieb, auch wenn ich nicht abschätzen konnte, was sie bewirkte...mein Blut.", sie zog die Stirn in Falten. "Ich weiß, dass ich zu diesem Zeitpunkt Gottes WIllen einfach hätte akzeptieren sollen...Doch ich sah um mich herum so viele Menschen sterben, jeden Tag begleitete ich ihre letzten Schritte, ließ sie den letzten Atemzug ausatmen, stand ihnen bei....Ich brachte es nicht über mich, ihn gehen zu lassen. Und dann kam Gaius...und du weißt, was er vermag.", sie sah voller Scham zu Boden. "Ich verschrieb mich ihm und er rettete meinen Sohn und ich bin ihm auf Ewig dafür dankbar. Ich weiß nicht was geschehen würde, wenn wir unsere Behandlungen für Georg einstellen würden...Ob seine Gesundheit wieder schwinden würde, ob er welken würde...", sie schüttelte den Kopf.
"Angelique, seit der ersten Sekunde, die er auf der Welt war, bange ich um ihn, kämpfe ich um ihn, halte ich ihn am Leben. Ob er krank ist? Das vermag ich nicht zu sagen. Ich muss den Gedanken akzeptieren, mein eigenes Kind zu überleben...doch ist das gleichzeitig der Gedanke, der mich seit Jahrzehnten bloß Finsternis erblicken lässt, der schrecklichste Gedanke für eine Mutter, es ist einfach nicht richtig, verstehst du das?
Mein einziger Wunsch ist, dass er ein normales Leben führt, eine Familie gründet, einen Platz in der Welt der Lebenden findet, statt ständig auf der Schwelle zu wandern. Und ich bin mir bewusst, dass ich mit meinem Verhalten die Grenzen unserer Traditionen tangiere. Doch zu meiner Verteidigung: Ich habe nicht vor, ihn zu einem von uns zu machen, ihm die Kommunion zu geben, das ist mir auch gar nicht erlaubt..."

Sie war bei dieser Geschichte langsam in sich zusammen gesunken. "Bitte verurteile mich nicht für meine Liebe, Marie."
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Re: Kraut und Unkraut [Angelique]

Beitrag von Angelique »

"Die Liebe zu verurteilen, noch dazu die einer Mutter, zu was für einem Dämon würde mich das machen?", fragte Angelique leise lächelnd. "Ich bin nie Mutter geworden, kenne aber die Liebe der Sterblichen."

Sie schaute in die Ferne. Mit weggetretener Stimme fuhr sie fort: "Einst vor langer Zeit gab es zwei Kinder im schönsten Land der Welt, Junge und Mädchen. Beide waren anders. Beide waren allein, denn vor beiden hatten die anderen Kinder Angst.
Der Junge war einer der Söhne des Baron und liebte es, sich zu schlagen. Ein Zorn war in ihm wie in Kain selbst.
Das Mädchen war seltsam und sah Dinge, die andere nicht sahen.
Doch als sie sich trafen, hatten sie keine Angst vor einander. Sie spielten und lachten und wussten nicht einmal, dass sie keine Freunde sein sollten. Es war eine glückliche Zeit. Die Kinder waren wie Bruder und Schwester. Vielleicht wäre viel mehr aus den beiden geworden, aber der Baron wurde sehr zornig, als er von den Ausflügen seines Sohns mit der Müllerstochter hörte. Nicht so sehr wohl, weil er Bastarde fürchtete, er vollzog ja selbst das Ius Prima Nocte bei jeder Hochzeit. Aber im Jahr, als das Mädchen geboren ward, hatte er oft Gefallen an der Müllerin, der Mutter der kleine Verrückten, gefunden gehabt. Der Baron fürchtete, sein Sohn könne einen seiner eigenen Bastarde erkennen und der Bruder würde bei der Schwester liegen und es wäre eine schwere Sünde, die auf ihn selbst zurückfiele.
Und als er von ersten Küssen hörte und gemeinsamen Schwimmausflügen, da schickte er seinen Sohn zu seinem Bruder in eine andere Baronie, damit er ihn zum Krieger mache.
Das Mädchen weinte viel, denn mit ihrer Gabe wusste sie, dass sie ihn in diesem Leben niemals wiedersehen würde. Aber die Gabe war tückisch. Zwar behielt sie recht und das Mädchen starb, aber es stand wieder auf von den Toten.

Viele Jahre später traf das Mädchen den Jungen wieder. Er ein Mann geworden, ein Miles, gestählt in hundert Schlachten. Viel Blut hatte er vergossen, Frauen Gewalt angetan, Kinder zu den Sklavenmärkten Verduns wie Vieh getrieben.
Das Mädchen war gleich geblieben und er erinnerte sich wieder an die schöne Zeit. Die Liebe, die sie für einander empfanden hatten, hatte er nie vergesssen. Er war auch ein bißchen verrückt. Vielleicht waren sie ja wirklich Halbgeschwister, denn er fürchtete sich nicht vor dem Todesengel vor ihm, der sich von solchen Sündern wie ihm nährte, sondern holte nach, was einst ihnen beiden verwehrt worden war. Er sah das Wunder ihrer ewigen Jungfräulichkeit und nahm die Kommunion.

Das Mädchen aber nahm viele köstliche Strafen von seiner Sire entgegen dafür, dass es einen Vasallen nahm, ohne um Erlaubnis gefragt zu haben.
Aber sie behielt ihren Vasallen bis zur heutigen Nacht und ihr Vasall behielt seinen Todesengel."

Sie lächelte versonnen Seinfreda an. Noch nie hatte sie so ausführlich über sich gesprochen, kannte sie doch die Heimtücke ihrer Art, die solche Geheimnisse gegen sie verwenden würde. Aber die Dame hatte ihr Geheimnis geteilt. Es war nur fair, dass sie ein ähnliches erfuhr.
"Und deshalb kenne auch ich Liebe, die die Zeiten überdauert", schloss sie.
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