Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

[März '17]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Benutzeravatar
Angelique
Autarkis
Beiträge: 4604
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 14:50

Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Angelique »

Sousanna mochte abgebrüht sein, aber als die Silhouette sich aus dem Dunkel der Gasse schälte, dachte sie er sei es. Ein irrationaler Teil von ihr wurde berührt, als sie eine lächelnde Maske erkannte, die als erstes im fahlen Mondlicht auftauchte. Metall blitzte auf, wie bei einem tödlichen Messer, das mühelos durch Fleisch, Sehnen, Knochen und ihr rationales Denken schneiden konnte und ihr Schmerzen schenken konnte, die sie nicht für möglich hielt.

Doch bevor Panik - oder Verlangen? - nach ihr greifen konnte, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Hatte der diabolische Drache sich geschrumpft? War der modische Geschmack des wandelbaren Wurms ebenfalls in neue Bahnen gelenkt worden?

Bevor sie völlig verwirrt wurde, wurde die Maske gelüftet und das blasse Gesicht Angeliques wurde darunter sichtbar.

"Schiavo, Sousanna", rief das Mondkind grinsend, ohne zu wissen, welch höllische Erinnerung ihr Mummenschanz geweckt hatte. Oder wusste das enigmatische Vampirmädchen etwa doch von ihren Erfahrungen mit dem schändlichen Schurkrn? Bei ihr wusste man nie, nannte sie sich doch selbst Orakel.
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Ein spitzer, offenkunig panischer Schrei war der Kehle der Ravnos entkommen, noch bevor sie die Situation mit Verstand betrachten konnte. Dann war eine der schlanken Hände zu den Lippen gefahren, wie um sich selbst zum Schweigen zu bringen. Wie ein Tier schien sie in eine Schockstarre verfallen zu sein.
Selbst als Angeliques Gesicht unter der Maske erschien, schüttelte ein Zittern den zarten Leib und die Augen waren in einem Ausdruck des Entsetzens weit aufgerissen.

Es dauerte eine Weile bis der unnütze Atem wieder ruhiger geworden war und Sousanna ihre Fähigkeit zu sprechen wiedererlangt hatte. "Angelique", brachte sie schließlich hervor - es klang immer noch schwach und ein wenig zittrig. Dennoch versuchte sie ein kleines, schiefes Lächeln. "Bei allen Heiligen, hast du mich erschreckt. Aber ich bin froh, dass du es bist..."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Angelique
Autarkis
Beiträge: 4604
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 14:50

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Angelique »

Das hatte besser geklappt, als sie erwartet hatte. Fast hatte sie Sorge, ihre fürchterlichen Kräfte, Irrsinn zu schenken, wären unerwartet über ihre Freundin gekommen. Mit baffem Gesichtsausdruck schaute das Mondkind die zu Tode Erschrockene an.
"Hui, du bist aber schreckhaft, Fledermäuschen. Hast du Angst vor Mummenschanz? Ich hörte, dass manche unter solchen seltsamen Anwandlungen leiden. aber das du dazu gehören solltest, wäre mir nicht in den Sinn gekommen."

Tatsächlich sah Angelique gar nicht so bedrohlich aus in ihrem Kostüm. Und das vermeintliche Schlitzermesser des transylvanischen Teufels entpuppte sich bei Lichte besehen als der zerbrochene Spiegel, den Angelique besaß. Diesmal hatte er der raffinierten Ravnos eine geheime Wahrheit ihrer Ängste gezeigt.

Angelique lächelte warm. "Ich hoffe, du bist mir nicht allzu böse."
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Immer noch ging der Atem der Erschrockenen schwer, doch sie brachte ein Lächeln zustande. Zwar war es immer noch ein wenig schief, doch man konnte erahnen, dass sie sich nicht nur darüber freute, dass es Angelique und nicht dieser sadistische Drache war, der vor ihr stand, sondern insgesamt recht froh war, über das Zusammentreffen.
"Nein", erwiderte sie schließlich und fuhr sich durchs braune Haar. "Nein, aber der, den du da gezeigt hast, der hat mich schon einmal ein wenig mehr erschreckt als du es gerade getan hast."

Dann legte sich der Kopf auf adrette Weise schief und sie konnte das warme Lächeln ehrlich erwidern. "Ich könnte dir nicht böse sein, wenn ich es wollte - wir haben uns lange nicht gesehen und ich habe mich schon gefragt, wie es dir ergangen ist.", gab die Ravnos dann ehrlich zurück. Vielleicht konnte sie in ein paar Stunden sogar über dieses Schauspiel lachen.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Angelique
Autarkis
Beiträge: 4604
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 14:50

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Angelique »

Angelique grinste. Als spräche sie über das Wetter, sagte sie die nachfolgenden Worte voller Fröhlichkeit und ohne Grauen und Verzweiflung in der Stimme. Nur ihre Augen, groß und fiebrig, waren wie die von Frauen, die marodierenden Banditen oder Soldaten in die Hände gefallen waren und die unausprechliche Dinge erdulden hatten.

"Ich war monatelang im Antoniusfieber, eine Gefahr für mich und andere. Deshalb hast du nichts von mir gehört. Der wohlwerte Ferrucio verfluchte mich in GOttes Namen und Heerscharen der Hölle folterten mich und zeigten mir Visionen, die alles und jeden in Frage stellten, mir Fleisch und Knochen von der Seele schälten und diese nackt und bloß mit blashemischer Marter geißelten, bis ich den endgültigen Tod ersehnte. Der aber nicht kam und die Folter ging von vorne los. Stunde für Stunde, bis der Morgen graute und ich in noch gräßlichere Alptäume versank, um des Abends erneut der Dämonen Willkür ausgesetzt zu werden. Nacht für Nacht, Woche für Woche, Monat für Monat..." Ihr Grinsen war inzwischen zur verunglückten Grimasse eines zwangsverheirateten Mädchens geworden.

"Aber jetzt geht es mir wieder gut", strahlte sie dann wieder. "Und ich dachte mir, ich suche mal meine Lieblingsvampirin. Eiskühles Wort, was? Es kommt aus den Sklavenländern des Ostens, wo alle Vampire offen herrschen und auf die Stille pfeifen."
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Besorgnis stand in dem Blick der Ravnos. Ferrucio, diesen Namen hatte sie noch nie gehört. Allerdings wollte sie ihm garantiert nicht begegnen, wenn er wirklich solche Flüche aussprechen und ihnen sogar Wirkung verleihen konnte. So etwas wollte sie nun wirklich nicht erleben.
Mit mitfühlendem Blick bedachte sie ihre kleine Freundin. "Ich hoffe, du warst in dieser Zeit nicht gezwungen dein Leid alleine zu tragen.", murmelte Sousanna schließlich, bevor sie recht neugierig das nächste Thema aufgriff: "Warst du schon einmal dort? Ich habe davon noch nichts gehört."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Angelique
Autarkis
Beiträge: 4604
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 14:50

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Angelique »

"Nach ich weiß-nicht-wie-lange fand mich Roger und köderte mich mit Liebe und Blut. Etienné zähmte mich. Er hat Erfahrung im Zureiten neuer Pferde und Roger war früher bei der Merseburger Legion. Aber es war ein mühevoller, gefährlicher Weg für uns alle. Ich war all die Jahre besoffen gequatscht worden durch Brimir und die Jagdnonnen. Was wurde eigentlich aus ihnen? Ich habe sie lange nicht gesehen.
Jedenfalls war die Versuchung groß, die Qualen des Denkens hinter sich zu lassen und einfältig und von Nacht zu Nacht weiterzuleben wie ein Bestiegesteuerter Grabunhold.
Aber, tadaa, du siehst hier bin ich wieder."

Jetzt grinste sie wieder ehrlich. Und die schlaue Sousanna wusste, dass die Gossenspracheworte, die sie aus der Rede der Kleinen heraushörte, die alte Vertraulichkeit bedeutete, die sie der Ravnos entgegen brachte.

Auf die Frage nach dem Wilden Osten, antwortete sie: "Nein, da war ich nie. Ascomannen herrschen dort über Wilde, die noch bärtiger und roh sind wie sie selbst. Reiter wie die Ungarn mit Augen wie Schlitze ziehen dort in den weglosen Weiten wie hier die Wölfe.
Ein schauerlicher Ort, wo Gangrel und Drachen offen als Könige über die Menschen herrschen wie in der utopischen Phantasie des Ramon - was macht der eigentlich - über Karthago.
Würden wir zwei da hin gehen, wer weiß, was sie -Menschen wie Vampire- alles mit uns armen Mädchen anstellen würden?"

Das letzte sagte sie mit belegter Stimme und ihre Augen schienen "Badehaus?" zu fragen.

"Aber wenn du mehr über sie wissen willst, gehe auf einen Sklavenmarkt Genuas, die meisten Unglücklichen, die nach deiner Heimat und zu den Muselmanen verschifft werden, sind aus den Landen der weglosen Wälder und namenlosen Ströme. Ihr Konsatntinopler habt ihnen sogar ihren Namen gegeben, weil ihr sie nur als Sklaven kennt: Slavoi."
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Natürlich war sie dankbar dafür, dass Angelique ihr soviel Vertrauen entgegenbrachte, ihr diese schrecklichen Erlebnisse zu erzählen. Gewiss konnte sie sich Schöneres vorstellen, als dieses Grauen noch einmal durch eine Erzählung zu durchleben. So schenkte die Schönheit dem Kind ein sanftes, ehrlich teilnahmsvolles Lächeln. "Dass sie dir so geholfen haben und dir beigestanden haben, lässt mich den beiden wirklich danken wollen... Dein Leid in dieser Zeit muss grauenhaft gewesen sein."

Dann aber zeigte sich wieder ein frohes Lächeln auf ihren ebenmäßigen Zügen. "Aber wir müssen feiern, dass du dich jetzt wieder besser fühlst", verkündete sie. Der stumme Wunsch in den Augen des Mondkindes war ihr nicht entgangen und sie würde dem allzugerne nachgeben. "Vielleicht kannst du mir dann noch ein paar dieser schauerlich-spannenden Geschichten erzählen und wir können froh sein, hier beisammen und in Sicherheit sind "
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Angelique
Autarkis
Beiträge: 4604
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 14:50

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Angelique »

Da freute sich das untote Mädchen. "Auja, das sollten Wir tun. Gehen wir ins Badehus des Gaius oder", sie ergriff zart die rosige, schlanke Hand der Schönen und lächelte scheu, "wollen wir uns etwas Abgeschiedeneres suchen, wo der Pöbel Blicke uns nicht erhaschen kann."
Deutlich weniger scheu grinste sie daraufhin.

"Oder wünscht du gerade diese neugierigen Blicke?"

Sie drehte sich im Reigen. "Oder sollen wir lieber tanzen und sterbliche Feiernde suchen, die die Nachtruhe und das Gebot der Ausgangssperre genauso verachten wie wir beide?"
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: Frau Unstet und Fräulein Unruhe [Angelique, Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Sousannas Hand umschloss die der kleineren Freundin ruhig und sie lächelte amüsiert über die Vorschläge der Kleinen. Jeder von ihnen klang sehr verlockend und sie musste ehrlich auflachen. Nein, die Ravnos hatte tatsächlich keine Scheu vor neugierigen Blicken - vor allem nicht in Badehäusern, doch bei dem, was ihnen vermutlich beiden vorschwebte, war es in dieser Konstellation nicht sonderlich klug, sich so offen zu zeigen.
Nachdenklich sah sie Angelique an und spitzte amüsiert die Lippen. "Verlockende Ideen...", meinte sie dann und klang als könne sie sich immer noch nicht entscheiden. "Wie wäre es, wenn wir heute Abend erst einmal ins Badehaus gehen. Nach so langer Zeit müssen wir uns sicher eine Weile unterhalten." Ein Funkeln in ihren Augen verriet, dass die Sünderin bedeutend anderes im Sinn hatte als sich nur zu unterhalten.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Gesperrt

Zurück zu „997“