Plätze

Die Stolze ist voll von Geschichte, selbst jetzt, voller Orte und Plätze mit ihrem ganz eigenen Charme.
Hier sind einige davon.

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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[Clavicula] Piazza dei gatti neri

Beitrag von Il Narratore »

Piazza dei gatti neri

Der Platz der schwarzen Katzen war kein Ort, den die Genovesi liebten. Zum einen war er nämlich einer der hässlichsten Orte der Stadt: Umstanden von den gerade noch stehenden Wänden der letzten überlebenden Insulae, der römischen Mietskasernen, war er ein dunkler Flecken. Obwohl nur noch Teile, hier ein Flügel und dort ein einzelner Aufgang, der Insulae standen, ragten fast unendlich hoch ihre löchrigen Teile in die Nachtluft – sechs, sieben Geschosse. So löchrig, dass es in den Häusern selbst und dem Magen jedes Beobachters unangenehm zog. Menschen sollten nicht so hoch bauen und noch weniger in den halb eingestürzten Ruinen ihrer Ahnen leben.

Die Menschenlager waren die billigsten und überfülltesten Absteigen der Stadt. Bettler zog es hierhin, die Elenden und Miserablen. Dutzende fanden in einer der Wohnungen Platz und soetwas wie Obdach, manchmal auch Gesellschaft und ein wenig Zuneigung. Immerhin schützte es einigermaßen vor dem Regen und hielt warm, auch wenn bei schwerem Unwetter das Wasser knöchelhoch in den alten Gängen stand. Hier und da riss der Sturm auch mal einen Brocken Putz mit oder kleinere Stücke Bausubstanz.

Wie gesagt – kein schöner Ort.

Das eigentliche Problem aber war, wie offensichtlich verflucht der Platz war. Sicher, die Obdachlosen konnte man noch weg erklären. Es war eben das Armenviertel, es war geräumig und niemand scherte sich hier um sie. Die Katzen, diese Unzahl an miauenden, schreienden, jagenden Katzen, die zu jeder Tages und Nachtzeit über den Platz schlenderten, die im Umkreis von einigen Straßenzügen jede Maus gefressen, jeden Vogel gefangen und jeden Hund verjagt hatten. Die waren vielleicht noch eine Nebenerscheinung der unsäglichen Zustände rund um die kleine Piazza.

Aber warum waren sie alle schwarz? Und warum starrten sie jedem anständigen Bürger hinterher?

Es konnte kein Zufall sein, dass dieser Ort am weitesten entfernt von jedem heiligen Platz war, dass sich nur der Abschaum der Stadt hierher traute und dass jeder respektable Mann diesen Ort mied.
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[Platealonga] Piazza de Mercato di San Giorgo

Beitrag von Il Narratore »

Piazza de Mercato di San Giorgo

An dem Ort, wo die Via San Bernardo auf die Kirche des heiligen Georg trifft und der Strom an Menschen, Waren und Tieren die Insel des Glaubens umfließt – dort befand sich der Platz des heiligen Georg, der Marktplatz.

Schon zu Zeiten der Römer standen hier Buden und Hallen, Tröge und Ställe für das Vieh. Und obwohl der Boden gepflastert war mit Steinen und eigene Beamte die Rechtmäßigkeit jedes Handels und aller Preise überwachten, so fehlte dem Mercato noch sein stolzer Name und die Kirche.
Heute ist es andersherum.

Der Boden ist matschig und schlammig, selbst bei Trockenheit. Der Schweiß, die Exkremente von Eseln, Schweinen, Kühen, Hühnern und Pferden, die Fischinnereien und die Pisse einiger hundert Betrunkener verwandelt die ausgedörrteste Sommererde in ein Schlammbad. Der Gestank ist überwältigend, wie auch der Lärm und die Enge der zum Markttag aus dem Umland strömenden Menschenmassen.

Tagsüber jedenfalls. Nachts ist der große Platz wie leer gefegt, denn niemand verbringt nach Sonnenuntergang noch seine Zeit mit Geschäften. Die Gefahr an Betrüger und Beutelschneider zu geraten ist zu groß. An der ein oder anderen Ecke wälzen sich noch Zecher und Bettler in ihrem Mist und dem der anderen, vielleicht sucht ein Lumpensammler noch in Bergen aus Abfällen nach etwas verwertbaren, im blutigen Scheißeschlamm nach verlorenen Münzen oder Ringen.

Aber Menschen halten sich nicht mehr hier auf am Abend.

Einsam und verlassen stand nur die Kirche des heiligen Georg auf den Ruinen ihrer römischen Vorfahren und verachtete das nächtliche Treiben des Abschaums.
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[Mascharana] Piazza Sarzana

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Piazza Sarzana

Im Süden Genuas, unweit der Porta di Castello, gab es einen von Häusern, steinernen Bögen und den ummauerten Hügeln des Kastells selbst eingeschlossenen Platz, den die Städter nur "Piazza Sarzano" nannten. Soweit die Erinnerung der Stadt zurückreichte – und dies war sehr weit, nämlich bis zu den Zeiten des ehrwürdigsten Bischofs Valentin vor nunmehr sechshundert Jahren – hatte es an dieser Stelle stets einen Platz gegeben und selbst die Heiden hatten ihn wohl gekannt.

Es war nämlich seine Eigenart, dass er in der Tat von Resten alter, römischer Mauern umstanden war, die nur zwei Durchlässe in Form von Triumphbögen besaßen. Einer von ihnen, der durch eine schmale Mauergasse zum Sitz des Bischofs führte, stand auch zu jenem Zeitpunkt, von dem ich spreche, noch. Der andere jedoch, der auf die Via Ravecca hinaus ging, war schon vor einer Ewigkeit zerfallen.

Nach Meinung der meisten Leute erhielt der Platz seinen Namen von dem doppelköpfigen Heidengott Giano, an dessen Busen Genova gegründet wurde. Der ligurische Dialekt, dessen weiche Aussprache das ohnehin schon süße Italienisch weiter verfeinerte, schliff aus Sàscio di Zanu wohl das einzigartige Wort Sarzana – Stein des Janus. Uneins war man sich nur, was mit diesem Steine denn gemeint sei. Denn nicht nur ist das Kastell auf einem felsigen Hügel errichtet und zweifellos ein Bindeglied, eine doppelköpfige Gestalt auf dem Weg von der Zivilisation Roms und seiner Neuartigkeit in die alte Wildnis Galliens gewesen, sondern auch ein riesiger Findling liegt mitten auf dem Platze.

An diesem Ort jedenfalls, der als einer von nur wenigen in der gesamten Stadt noch mit alten Pflastersteinen gepflastert war, liefen noch wie früher die Zeiten zusammen. Jede Straße der Stadt nahm hier ihren Ausgang, jede Geschichte, jede Affäre, jede Liebe und jede Feindschaft begann am vertrockneten Brunnen in seiner Mitte, nur um schließlich zu ihm zurückzukehren und zugrunde zu gehen. Aus der Vergänglichkeit der Stadt kommend ging alles hier über in die Ewigkeit Gottes.

Wer hierher kam, um sich im Schatten des kleinen Pavillons über dem Janusbrocken auszuruhen oder den urteilenden Blicken der zeitlosen Anwohner auszusetzen, der ward verändert. Seine Seele stand an der Kreuzung von Ewigkeit und Weltlichkeit und sie musste sich für einen der Wege entscheiden: Das alte Ich bleiben oder als neues Selbst geboren werden.

Denn schließlich nahm alles hier seinen Anfang.
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[Platealonga] Cortile delle Meraviglie (Hof der Wunder)

Beitrag von Il Narratore »

Cortile delle Meraviglie (Hof der Wunder)

Es gibt viele Plätze in der Stadt von Genua, die keine Gesetze kennen. Es gibt einige Orte, an denen sich der Abschaum sammelt. Es gibt wenige Gegenden, die völlig von den Handlangern des Gesetzes gemieden werden. Es gibt seltene Ort, in denen man echte Magie bestaunen kann. Es gibt nur einen Hof der Wunder.

Das Schlimmste des Schlimmen sammelt sich hier in diesem Hinterhof, gedrängt zwischen die aschenen Felder im Norden, das Jauchebecken von Clavicula im Süden, den Hafen und seine Wildheit im Westen und die braven Bürger von Broglio im Osten – Juden, Zigeuner, Quacksalber, Schauspieler, Magier und Huren.

Ein Gewimmel von Farben, von Gerüchen und Geräuschen herrscht hier Tag wie Nacht. Die Menschen schlafen unter freiem Himmel, auf dem Boden oder an den Wänden, bunte Tücher der Zigeuner flattern im Wind, gespannt zwischen Bäume und Häuser und Läden und Zelte, Glöckchen klingeln an nackten Füßen, Lust stöhnt durch das Gemenge, wenn Mann und Frau sich wie Tiere unter dem Blätterdach vereinigen, Kräuter, Duftholz und Wunderwerk brennen in Kohlepfannen.

Rund um die große Eiche in seiner Mitte, auf Höhe der Brust, schwingt sich ein hölzernes Gerüst, auf dem die Jongleure, die Spaßmacher, Messerwerfer, Tänzerinnen, Zauberkünstler, Sänger, Dichter und alles andere arbeitsscheue Gesindel ihr Fleisch feilbieten, unter anhaltendem Johlen der Zuschauer. Alle durch- und nebeneinander, gleichzeitig und ständig.

Der Hof der Wunder ist ein Fest für die Sinne.
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