Szenario

Die Stolze ist voll von Geschichte, selbst jetzt, voller Orte und Plätze mit ihrem ganz eigenen Charme.
Hier sind einige davon.

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Il Narratore
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Beitrag von Il Narratore »

Aurore

Die Nächte waren dunkel in Padanien.

Umso dunkler, als hier früher das Licht der Weisheit am hellsten gestrahlt hatte. Sarrazenen fielen ein in Italien und brachten ihren fremdartigen Glauben mit sich, Nubier und Araber die vormals Provinzler und Sklaven waren beherrschten die Inseln des Mittelmeeres und plünderten das Festland.

Selbst wenn die jüngsten Kinder Kains sich nur an diese Zeiten des Umsturzes erinnern konnten und ihr kurzes, brutales Leben gelebt hatten unter dem Schwert der Frankenheere, der Langobarden und Goten, so flüsterten ihre Väter und Ahnen noch von glanzvollen Zeiten.

In der letzten Zeit war ein Hoffnungsschimmer am Horizont erschienen. Ein Silberstreif in der langen Nacht, der den Vampiren die lichtlose Sonne versprach. "Aurora" flüsterte man zu jener Zeit in den Elysien, "die weiße Prinzessin."

Ihr Name allein streifte durch die verlassenen Höfe der Kainskinder und schwang sich durch düstre Haine und Wälder, ganz ohne dass irgendjemand ihn je wirklich ausgesprochen hätte. Kein Bote war je am Hof erschienen, in Leder und Eisen gekleidet und mit wichtigen Pergamenten. Keine Ankündigung wäre je nötig gewesen, keiner konnte sich daran erinnern mit einem der Ihren gesprochen zu haben.
Dennoch machte ihre Geschichte wie ein Gespenst die Runde durch Norditalien und wurde mit jedem Mal abenteuerlicher.

"Die Tochter Alexanders von Paris errichtet einen Palast in Genua", hieß es. "Das verlorene Kind Ventrus selbst ist aus dem Schatten gekrochen, um Rom erneut strahlen zu lassen!" Einige Waghalsige behaupteten gar, Enoch selbst sei auferstanden in Gestalt einer weißen Königin, um den Schleier der langen Nacht endlich zu lüften und an Kains Statt über seine Kinder zu richten.

Humbug, Abgerglaube, Irrsinn.

Wie man es auch genannt hatte, wie sehr man auch die Romantik derer verachtet hatte, die an Erlösung, an Hoffnung im Elend der Nacht glaubten.

Eines war unbestreitbar: Eine Prinzessin hatte Genua zu ihrer Domäne erkoren, jenes Aschefeld das die Mauren seit Jahrzehnten überfielen, jene Ruine in der seit Jahren nichts mehr wuchs.
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Il Narratore
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Beitrag von Il Narratore »

Genova

La Superba, La Dominante dei mari - die Stolze, Beherrscherin der Meere.

Mitte des zehnten Jahrhunderts war nichts von ihrer Macht zu erahnen. Schutt und Asche schmiegten sich zwischen den Ausläufern des Appennin an die Bucht von Genua. Eine Ringmauer, vor kaum hundert Jahren von den Franken neu errichtet, schloss die Ruinen vor dem Hinterland ab. Ihre Zinnen waren schwarz vom Rauch brennender Häuser, ihre Fundamente Rot vom Blut der Genuesen.

Die Mauer hatte nicht ausgereicht, die Stadt zu schützen, denn die Gefahr kam nicht aus den Bergen: Sie kam vom Meer.

Vier, fünf Mal liefen Flottillen in das natürliche Hafenbecken ein. Jedes Jahr aufs Neue.

Hunderte, Tausende Einwohner sind versklavt und verschleppt worden nach Korsika, nach Sardinien. Vielleicht selbst bis an die Küsten Andalusiens oder Nordafrikas. Ihre Familien lagerten in der Asche ihrer Häuser und vergossen Tränen um das Schicksal ihrer Lieben. Väter verfaulten auf dem Grund des Meeres, Brüder und Schwestern in Ketten auf einer Galeere, Waisen auf den Straßen, voneinander stehlend.
Genua glich für Jahre einer Geisterstadt.

Kaum eine Straße, die nicht einige Ruinen aufwies. Kaum ein Haus, das nicht Schäden davon trug - verkohlte Balken, eingestürzte Wände und Däche.

Kaum ein Friedhof, der nicht überfüllt war. Kaum eine Kirche die nicht geplündert war. Es gab so wenige lebende Priester, dass Totenmessen für Einzelne unmöglich wurden, man musste zu Massengräbern greifen.

Viele gingen. Sie zogen weg, fort in die Berge oder nach Cremona, nach Mailand - nur weg vom Meer.

Einige blieben. Zu stur oder zu stolz um aufzugeben.

Einige, die hier ihr ganzes Leben verlebt hatten.

Einige noch mehr.
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