Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

[Mai '17]
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Sousanna
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Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Sousanna »

In eisigen Strömen prasselte der Regen in dieser Nacht auf die Straßen Genuas herab und hatte die ahnungslose Byzantinerin eiskalt überrascht. Innerhalb weniger Augenblicke war sie bis auf die toten Knochen durchnässt. Und einmal mehr kamen arge Flüche gewispert in den erhabenen Lauten ihrer Muttersprache über die vollen Lippen gehuscht als könnten Vorwürfe an das Wetter, es solle sich gefälligst ein Beispiel an der wunderbarsten aller Städte nehmen und sein Wasser im Meer lassen, den Himmel davon überzeugen, keine Maßen des kühlen Nass mehr auf Genua hinabzuschleudern.
Bibbernd und ungewöhnlich blass hatte sich die Ravnos so in das erste Gebäude gerettet, das ihr bekannt war. Ganz gleich, welche Blutsauger sie hier heute treffen würde, sie konnten nicht so grauenerregend und grausam sein, wie diese barbarischen Fluten. Und vielleicht hatte sie ja tatsächlich Glück und der Schauer würde an Gewalt verlieren bis sie ein wenig getrocknet war.

So betrat eine Sousanna die ehrfurchsgebietende Kirche mit einer Miene als wäre sie gerade grausamen Häschern entronnen und deren Aussehen sehr der einer getauften Maus ähnelte. Es würde einige Momente des Durchatmens brauchen bis sie den Wächtern ein dankbares und respektvolles Lächeln zu werfen, vor ihnen knicksen und schließlich ihr kleines Messerchen überreichen konnte.
Dann machte sie unsicher einige Schritte in das Kirchenschiff hinein und versuchte unterdessen, den durchweichten Stoff ihres Kleides sohin zu zupfen, dass sie halbwegs vernünftig aussah, und die von der Kälte geröteten Hände warm zu reiben. Derart beschäftigt, würde sie erst einmal nicht bemerken, wenn sich ihr jemand näherte. Vielleicht war es gut so, denn hätte sie bemerkt, dass jemand außer der Wächter ihren uneleganten Auftritt beobachtete, wäre sie vermutlich feuerrot angelaufen und hätte sich in Grund und Boden geschämt.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
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Acacia
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Sie wusste nicht was in der letzten Zeit los war, aber immer wieder schienen die in neuster Zeit sintflutartigen Regenfälle Kainiten in das Elysium zu spülen. Die Hüterin war schon seit dem frühen Abend im Elysium, hatte sich aber den Großteil des Tages im hinteren Bereich aufgehalten und gearbeitet. Immer wieder schickte sie flinke Boten in die regennasse Nacht hinaus, die dieses oder jenes für sie erledigen sollten und bei denen sie kein Mitleid kannte, wenn sie sich ob des Wetters vielleicht den Tod holten. Irgendwann jedoch wurde der gleichmäßige Fluss der Arbeit in dem nur gedämpft erleuchteten Raum von einem leisen Räuspern unterbrochen, woraufhin sie aufsah. Rosa machte sie auf die Anwesenheit der Ravnos aufmerksam und so verließ die schlanke Hüterin die Räume, die eigentlich dem Priester vorbehalten waren.

Sousanna indes bemerkte die schattenhafte Herrin dieses Ortes nicht, so sehr war sie in ihrem Unwillen über das Wetter und die Wassermassen vertieft. Das war offensichtlich, selbst wenn Acacia die leisen, griechischen Worte nicht verstand. Für einen Moment beobachtete sie mit einem amüsierten Lächeln die halb ertrunkene Ravnos, ehe sie mit leise raschelnden und vor allem trockenen Röcken aus den Schatten trat.
„Sousanna.“, sprach sie die Ravnos freundlich an. „Soll ich jemanden schicken, der dir ein Trockentuch oder ein neues Kleid holt?“, erkundigte sie sich mit einem weiterhin amüsierten Lächeln auf den blassrosa Lippen, die so ganz anders wirkten als die strahlende Lebendigkeit der Ravnos.
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Sousanna
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Sousanna »

Erschrocken und als hätte die Herrin sie erneut mit Eiswasser übergossen, blickte Sousanna auf und erstarrte wie ein Kaninchen vor der Schlange.
Gab es denn wirklich keine Möglichkeit, einmal einen halbwegs guten Auftritt vor der Lasombra hinzulegen? Und verstand sie am Ende Griechisch? Wusste sie, was Sousanna da alles geflucht hatte? Fast augenblicklich nahmen ihre Wangen einen purpurfarbenen Ton an. Ein weiterer Beweis für ihre lächerliche Lebendigkeit.

Sehr verlegen knickste sie tief und wagte es nicht, der Herrin des Elysiums in die Augen zu sehen. Zu sehr fürchtete sie den Spott und die Verärgerung, die gewiss dort zusehen sein würde.
"Verzeiht mir Herrin", flüsterte sie fast. Die Stimme war vor Scham leise und wagte es nicht, sich ins Deutlichere zu erheben. "Ich wollte den Boden nicht volltropfen. Etwas um die Nässe aufwischen zu können, die ich hier hereingetragen habe, wäre sehr gütig."
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Acacia
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Es war beinah schon amüsant wie heftig Sousanna bei dem Klang ihrer Stimme zusammenzuckte. Als wäre sie der plötzlich lebendig gewordene Schatten unter ihrem Bett oder als hätte sie sie mit der Hand in der Keksdose erwischt. Tatsächlich lief die Ravnos auch noch rot an und Acacia fragte sich unwillkürlich wie jung die andere Kainitin war, dass sie immer noch ein solch menschliches Verhalten an den Tag legte.

Dann jedoch begann sie zu kriechen und jedes Lächeln, jeder sanfte Zug wich von den marmornen Zügen der blassen Schönheit. „Steh auf, Sousanna.“, forderte sie kühl und in ihrer Stimme lag deutlich das Missfallen, welches sie in dieser Situation empfand. Geschmeidig trat sie einen Schritt nach vor und legte ihre kühle, ja kalte Fingerspitze unter das Kinn der Ravnos um ihren Kopf zu heben bis sie sie anblickte. „Bist du ein Ghul, Sousanna? Ein Dienstmädchen? Hast du gar keinen Stolz?“, fragte sie leise und sah ihr dabei ohne zu zögern direkt in die Augen, während ihr Blick der anderen Kainitin scheinbar unter die Haut kroch um dort etwas zu suchen, was ihr gefiel. Mut vielleicht? Oder Trotz?
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Sousanna
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Sousanna »

Eine leise Traurigkeit war in Sousannas Augen getreten. Wieder hatte sie etwas falsch gemacht. Doch dann blitzte auf einmal Stolz und Trotz in den großen dunklen Augen auf und sie schüttelte den Kopf. Weshalb waren diese Blutsauger auch alle so auf Benehmen und Unterwürfigkeit bedacht und zum anderen waren sie genauso wenig zufrieden, wenn man ihr Spiel spielen wollte.
"Ich bin weder das eine noch das andere", erwiderte sie während die schmalen Schultern sich aufrichten und ihre nicht sonderlich beeindruckende, aber volle Größe sich zeigte. Überraschend eindringlich klang sie nun und ernst. Als hätten diese Worte schon lange in ihrer Brust geschwelt. "Doch mir ist bewusst, welch schlechten Ruf mein Clan besitzt und wie mich unsere Art ob meiner... menschlichen Erscheinung verachtet und gern als nicht volle Tochter der Nacht abtut." Ein kurzer Blick traf Agatha, die ihr gewiss gefolgt war wie ein Schatten. "Ich weiß, dass viele danach gieren diese menschlichen Makel durch grausame Versuche zu ergründen, um endlich zu wissen, ob ich nun ebenbürtig oder weniger als eine Dienstmagd bin. Also zeige ich lieber diese unterwürfige Haltung einer solchen, um mir und meinen Geschäften Ärger zu ersparen. Damit schütze ich, was ich aufgebaut habe und mich selbst." Kurz atmete sie durch und zwang sich zur Ruhe. "Verzeiht, wenn diese Erklärung zu heftig oder zu offen war, doch im Augenblick stehe ich unter großem Druck. Ich bin aber gerne bereit, dieses übertrieben demütige Verhalten zu lassen, wenn es euch stört. Denn euch respektiere ich dennoch sehr - ich hoffe das wisst ihr - und um das zu zeigen, braucht es solch überzogene Gesten nicht."
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Acacia
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Sousannas Augen leuchtete auf und fanden ein Echo in den nachtschwarzen Tiefen der Lasombra. Schweigend lauschte sie den leidenschaftlich vorgebrachten Worten und ihre Mimik blieb dabei neutral und abwartend. Nachdem die Ravnos geendet hatte, schwieg sie noch einige lange Momente, ehe erneut die dunkle Stimme den Raum zwischen ihnen erfüllte.

„Du musst zwei Dinge über mich wissen, Sousanna. Zum einen ist es mir egal wer du bist, woher du kommst und was du zu sein meinst. Für mich ist einzig relevant wie du mir gegenüber auftrittst und welche Taten du hier begehst. Zum zweiten schätze ich aufrichtige Ehrlichkeit mehr als geheuchelte Kriecherei. Respekt ist was ich bevorzuge und nicht geistloses buckeln. Du bist ebenso sehr ein Kind der Nacht wie ich, ebenso sehr Neugeborene. Es gibt Abstände zwischen uns, aber keiner davon rechtfertigt es auch nur ein wenig, dass du dich wie eine Dienstmagd benimmst. Sei versichert, dass ich es dir niemals übel nehmen werde, wenn du für dich einstehst.“ Sie hatte ernst gesprochen und mit einer Würde, die zu der düsteren, engelhaften Schönheit passte. Dann jedoch bogen sich ihre Mundwinkel zu einem überraschend schelmischen Lächeln. „Und ich brauche niemanden, der mein Ego mit zusätzlicher Kriecherei aufpoliert. Es ist auch so groß genug.“
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Sousanna
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Sousanna »

Auch die Ravnos war schweigend, wenn auch schwer atmend nach ihrer Rede verharrt. Ein Teil ihres Frusts, der sich in den letzten Nächten aufgestaut hatte, war aus ihr herausgebrochen. Befreit und offen erwiderte sie nun den Blick der Herrin der Schatten und erwiderte ihr schelmisches Lächeln auf ehrliche Art und Weise. Diese irritierende Mimik an einer so erhabenen Frau, schien sie nicht zu verstören. Vielleicht hatte sie gewusst, dass in beinahe jedem Kind des Kains ein schelmisches Lächeln steckte oder sie hatte schon bedeutend Seltsameres gesehen.
"Es freut mich sehr, dass ihr so denkt.", erklärte sie dann klar und ebenfalls leicht lächelnd. "In meinen Augen hat, der, der sich nicht durch die Kriecherei und das Gebuckel Anderer aufbauen muss, weitaus mehr Größe als jeder Andere." Kurz seufzte sie und schüttelte dann mit einem leisen Schmunzeln den Kopf. "Dennoch musste ich immer wieder feststellen, dass gerade unter den Unsterblichen oft ein Hang dazu besteht, sich die eigene Größe durch andere beweisen zu lassen. - Auch wenn ich selbst das unnütz finden mag, ich habe gelernt die Scharade ohne nachzufragen mitzuspielen, da mir an einem möglichst schmerzfreien Wandeln auf dieser Welt liegt... Aber genug"

Mit einem im Ansatz schelmischen Grinsen schüttelte Sousanna den Kopf. "Meine Rechtfertigungen sind auch nicht besser als das Dienstmagdverhalten zuvor. Vielleicht eloquenter, aber ebenso unnütz. Ihr habt mir zuvor etwas zum trocknen oder sogar ein Kleid angeboten. Wenn ihr dieses Angebot nicht während meinem Gerede zurückgezogen habt, würde ich es wirklich gerne annehmen." Bedauernd und vielleicht ein wenig ärgerlich blickte sie an sich herunter. Das klitschnasse Kleid tropfte immer noch und haftete recht betonend an ihrem Leib. Es würde ewig dauern, bis das wieder getrocknet war.
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Acacia
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Endlich schien sich die schmale, immer noch tropfnasse Ravnos zu entspannen und ein wenig ihres eigenen Charakters zu enthüllen, über den sie schon so einiges gehört hatte. Die Worte der jüngeren Kainitin bestätigte Acacia mit einem wissenden Nicken. „Ich kenne diesen Typ Kainit und ich kann dein Verhalten durchaus nachvollziehen. Doch solltest du lernen die Unterschiede zu erkennen. Ich kenne Ahnen, die dich bedenkenlos für solch ein Verhalten aus der Stadt jagen oder – an einem schlechten Tag – auch vernichten würden.“ Eine ruhige Warnung lag in der dunklen Stimme, die so gut zu der blendenden Schönheit passte. Sie wollte der Ravnos nicht drohen, aber sie hatte schon deutliche ältere an solch einem Verhalten scheitern sehen und ihr erschien Sousanna zu vielversprechend dafür.

„Natürlich nicht.“, erwiderte Acacia dann auf die Worte ihres Gastes und ließ ihren Blick dann musternd über die Gestalt gleiten, die sich deutlich unter den durchweichten Stofflagen abzeichnete. Dabei war ihr Blick nicht anzüglich, sondern lediglich schätzend, als stünden sie auf dem Markt und Sousanna wäre ein Schwert, welches sie zu kaufen gedachte. Dann drehte sie jedoch leicht den Kopf und wie aus dem Nichts tauchte Rosa an der Seite ihrer Herrin auf. „Bring Sousanna ein ...“ Ihr Blick streifte noch einmal die Ravnos, „nein, lieber zwei Trockentücher und schick jemanden zum Haus. Das grüne Kleid in der Kiste mit den Bronzebeschlägen und den Wachsumhang mit den roten Stickereien.“ Mit einem ehrerbietigen „Ja, Herrin“ knickste die junge Frau und verschwand im hinteren Teil der Kirche.

Acacia indes wandte sich wieder ganz Sousanna zu.
„Das Kleid wird leider ein wenig dauern. Ich hoffe, bis dahin reichen die Trockentücher, damit du nicht mehr ganz so triefst.“ Erneut lag ein recht untergründiger Humor in der dunklen Stimme, der nur schwierig aus dieser herauszuhören war. Vielleicht war sie es einfach zu sehr gewohnt in jeder Situation die Contenance zu wahren. „Aber sag was hat dich in einer derartig scheußlichen Nacht vor die Tür getrieben?“ In diesem Moment kam auch schon der dienstbare Geist der Kirche mit zwei großen Tüchern in der Hand. Wenn man bedachte wie wenig Zeit vergangen war, hatten die Tücher bereit gelegen oder aber Rosa war außerhalb ihres Sichtfeldes gerannt. Aber zumindest war sie nicht außer Atem und reichte der Ravnos die Trockenmöglichkeit.
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Sousanna
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Sousanna »

Die so viel lebendigere Schönheit hatte ernst genickt. Sie würde keine der Warnungen der Lasombra einfach so in den Wind schlagen oder sie vergessen. Wer konnte ihre Worte schon vergessen?
"Ich werde es in Erinnerung behalten und mich darum bemühen, die Unterschiede erkennen zu lernen.", versprach sie ehrlich.

Diese Musterung ließ sie über sich ergehen. Es gab so viel schlimmere, abstoßendere Blicke, die sie für gewöhnlich streiften und so zeigte sich keine Scham oder Verlegenheit in Sousannas Verhalten.
"Ich danke euch sehr.", erwiderte sie schließlich und neigte zwar in ehrlicher Dankbarkeit aber ohne jede Form der übertriebenen Unterwerfung das Haupt.
Dann lächelte sie leicht. "Nun gut, ich glaube, ich werde nicht durch die Nässe sterben, aber es ist kein sonderlich angemessener Anblick für eine hohe Institution oder eine Kirche.", gab sie mit einem amüsierten Blitzen in den Augen zurück.

Die letzte Frage schien das Blitzen jedoch sofort zum Erlöschen zu bringen und die sonnige Gestalt schien mit einem Mal von einem Nebel aus Trübsinn eingehüllt. Ein schweres Seufzen hob ihre Brust und nur ein mattes Lächeln begleitete ihren Dank an Rosa.
"Ich bin mir nicht sicher, wie sehr ich euch mit dieser Geschichte belasten soll - gerade weil ich nicht weiß, ob ihr nicht vielleicht schon etwas davon wisst und ich euch dann nichts Neues erzähle.", begann sie schließlich traurig, während sie sich zu trocknen begann. "Doch ich musste versuchen eine Nachricht nach Byzanz zu schicken, um meinen Erzeuger darum zu bitten hierher zu kommen."
Kurz schluckte sie schwer. Eine alte Angewohnheit als vergangenen Tagen. Tiefe Sorge ließ die junge Frau älter wirken, als sie es wohl zu ihrem Todeszeitpunkt gewesen war. "Man erhebt den Vorwurf der Dünnblütigkeit gegen mich - wegen jenem Problem, von dem ich euch bei unsrem ersten Treffen berichtet habe, und weil mein Leib das Menschsein zu gut imitiert."

Wütend oder traurig, das war nicht klar zu erkennen, biss sie die Lippen aufeinander und blickte dann offen in die Augen der Hüterin. "Nur bin ich eine wahre Tochter Kains mit ebenso dickem Blut, wie die meisten Anderen." Leiser Trotz war in ihre Stimme getreten und aufrichtige Ehrlichkeit sprach aus jeder Faser ihres Körpers. "- und das muss Caspar durch die Darlegung unserer Ahnenreihe beweisen, damit nicht alles an der angeordneten Untersuchung hängen wird."
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Acacia
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Re: Gespräche beim Klang der Regentropfen [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Sousannas humorvolle Antwort ließ etwas in den dunklen Augen der Lasombra aufblitzen, was diese jünger und zugänglicher erscheinen ließ und sobald sie lächelte bekam man eine Idee davon wie jung sie eigentlich noch gewesen war, als der Tod sie ereilt hatte. Sicher die Jahre hatten ihre Züge geglättet und zu einer Perfektion geschliffen, die selten wie ein perfekter Edelstein war, doch konnte man darunter – wenn man genau hinsah – das kaum zur Frau gewordene Mädchen erblicken, welches sie wohl einst gewesen war, bevor das verfluchte Blut sie gnadenlos an die Nacht gekettet hatte. „Nun, dies ist ein Zufluchtsort vor den grausamen Gefahren der Welt, welcher Art sie auch immer sein mögen.“, erwiderte sie mit einem kleinen Zwinkern in den Augen. „Insofern beschreibt dein Zustand diese Umstände doch recht gut.“

Sobald jene Wolke aus Düsternis sich jedoch beinah sichtbar um die junge Ravnos legte, verschwand der funkelnde Hauch von Leben aus der Hüterin und hinterließ nur die gewohnte, kühle Erhabenheit, als schwebe sie ein wenig über allem irdischen. Aufmerksam lauschte sie Sousannas Worten und mit jedem von ihnen wurden die nachtschwarzen Augen kühler, ja fast kalt. „Nein, ich wusste nichts von diesen Vorwürfen. Wer wagt es so gegen dich zu sprechen?“, fragte sie schon beinah tödlich ruhig nach. Es war der Ravnos vermutlich nicht bewusst, doch sie war eine enge Freundin ihres Mündels und zudem hatte Acacia selbst sie in der Stadt aufgenommen, sodass ihr Wohlergehen der Hüterin mehr bedeutete, als man vielleicht annehmen mochte.
„So dein Erzeuger seine Ahnenreihe kennt, wäre das ein angemessener Dienst, den er dir erweisen kann.“, erwiderte sie bestätigend. „Aber von welcher Untersuchung sprichst du?“, fragte sie weiterhin nach um mehr Details über den Fall zu erfahren, während die glatten Züge der Lasombra einen Ausdruck stiller, kühler und sehr präziser Konzentration angenommen hatten. Ein Ausdruck, den sie auch schon getragen hatte, als sie vor der ganzen Domäne stand und nominell mit der Tzmisce die Klingen gekreuzt hatte.
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