(H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

[Mai '17]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Angelique
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(H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Am Hafen waren wieder einmal die Fahrenden. Neben Jongleuren, Musikanten und Seiltänzern, führten auch Schauspieler ihre Possen auf.
Ein kleiner Harlekin, eine dieser neuen Figuren aus dem sonnigen südlichen Frankenland, wo die Sonne der Kultur in Abendland noch am höchsten stand, fiel besonders auf. Der zierliche Zwerg - oder war es ein frühreifes Kind - bestach durch bösen, häufig eindeutig zweideutigem Witz und verblüffende Gaukeleien, wie sie das Volk liebte.

Die Possen verkehrten die Welt und spotteten den hohen Herren und den nicht allzu frommen Geistlichen, harmlos verpackt in antike Zeiten versetzt oder ins Reich der Tiere.
Wenn der kleine Diener den tumben Fürsten den Spiegel vorhielt, die hochnäsigen Damen durch List verführte oder die scheinbar unantastbaren Sünder als offenbarter Dämon schließlich in die Hölle stieß - mit kräftigem Tritt in das Gesäß, dann jubelte der Pöbel.

Oft erkannte man Leute wieder in diesen Spielen.
Ein Kind der Nacht mochte sogar den listigen Sarazenenpiraten aus Sizilien erkennen, wenn er einen kleinen Christenjungen feige von hinten erdolchte und dafür unter den Buhrufen der Menge vom dummen König zum Papst ernannt wurde.
Geschliffen scharf wurde die Spottrede des kleinen Alichino, als er die Leute in die Nacht entließ mit dem Trost, dass der Strafe trotzdem niemand ewig entgehen konnte:

"Se tu ti cali,
io non ti verrò dietro di gualoppo,

ma batterò sovra la pece l’ali."
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Luca
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Luca »

Der Ravnos streunte ziellos durch die vollen Gassen des Hafens. Der Abend war noch jung, und so trieb sich allerlei Volk auf den Straßen herum. Vielleicht ließ sich ja etwas Interessantes aufschnappen?

Da fiel Luca eine Menschentraube auf, die sich um eine Gruppe aus Schaustellern und Gauklern gebildet hatte. Normalerweise hatte er für so etwas wenig übrig, war der Besuch von Fahrenden doch hier nichts ungewöhnliches; doch da eine größere Anzahl Menschen angezogen worden war und eine johlende Menge bildete, musste es etwas Besonderes sein, und ein Blick konnte nicht schaden. So stellte er sich dazu und betrachtete die Vorstellung des kindlichen Geschöpfs. Die bösen Zoten trafen seinen Geschmack, und er ertappte sich dabei, wie er das ein oder andere Schmunzeln nicht vermeiden konnte.

Nachdem die Vorstellung geendet hatte und sich die Menschen allmählich zerstreuten, blieb der Ravnos noch stehen, den Blick nachdenklich auf dem zierlichen Zerg ruhend. Ein Kind von solch außergewöhnlicher Intelligenz und Scharfzüngigkeit - so etwas hatte der Ravnos noch nicht gesehen. Wie war es nur möglich, sich diese Fähigkeiten in einer solch geringen Zeit anzueignen? Inzwischen stand Luca fast allein vor den Fahrenden, denn die letzten verbliebenen Leute waren nun schwatzend in der nächsten Taverne verschwunden.
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Angelique
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Der kleine Alichino nahm den einsamen Nachzügler wohl wahr. Behende hüpfte die Gestalt von der Bretterbühne und schritt lautlos an Fahrenden und Bewunderern vorbei, die Letzteren waren wohl dort, sich für klingende Münze die Nacht mit den Schauspielerinnen oder gar dem einen oder anderen Schauspieler erkaufen zu wollen. Die Comedia verwischte die Grenzen und Regeln.

Finstere Söldner aus dem Nordwesten traten hinzu. Ein unheimliches Bild, das als Dämon maskierte androgyne Wesen von mit Kettenschleiern maskierten Männern begleitet zu sehen.

Ein okkult Bewanderter mochte das Symboltier Kains, den Bären, der ein Tau-Kreuz, das Zeichen des ewigen Lebens, hielt, auf den Schilden der Männer erkennen.

Der kleine Harlekin nahm die Maske ab und darunter kam das weißgschminkte Gesicht eines Kindes mit durchdringenden Augen, die im Dunkel ein katzenhaftes Reflektieren zu haben schienen, zum Vorschein. Vielleicht ein Mädchen?
Einen wohl einst kostbaren Spiegel mit zerbrochener Oberfläche in der einen und eine seltsame Kettenwaffe mit stachliger Kugel in der anderen Hand hatte es gegen die Kasperklatsche und das Holzschwert der Bühne getauscht.

Dennoch lächelte das unmögliche Geschöpf freundlich und verneigte sich in einer satirischen Übertreibung der Etikette der Kainiten.

"Als Angelique bin ich wohl bekannt,
die größte Närrin im ganzen Land."
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Luca
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Luca »

Der in seinen dunklen Stoffumhang vermummte Mann blieb ruhig stehen und ließ die wunderliche Kolonne auf sich zukommen. Die bemalten Schilder der Gerüsteten nahm Luca wohl wahr, konnte sie jedoch nicht weiter zuordnen. Die satirische Einlage hingegen konnte der Ravnos zwar mit der Etikette der Kainiten in Verbindung bringen - konnte das Zufall sein? Stünde ihm hier ein Kind der Nacht gegenüber, würde das zumindest einiges erklären.

Ein seltsames Bild war es in der Tat, dass sich einen Zuschauer bieten musste. Dem normal proportionierten, doch so verhüllten Mann, dass nur dessen bleiches Gesicht wahrnehmbar war, stand die kleine, weißgesichtige Schaustellerin samt eindrucksvoller Leibgarde gegenüber. Die freundliche Begrüßung des Geschöpfs wurde mit einem kurzen, tiefen Kopfnicken quittiert, das man mit sehr viel Fantasie wohl auch als Verbeugung auslegen konnte; die Mine des Ravnos war im Dunkeln und aufgrund der von ihm getragenen Kapuze schwer zu lesen, drückte bei genauem Hinsehen aber Misstrauen aus.

"Eine ganz beeindruckende Vorstellung. Hat mir sehr gefallen. Eure Aufführung gab mir beinahe das Gefühl, neu geboren zu sein, so sehr habe ich mich amüsiert. Fast könnte man denken, ihr besäßt die Fertigkeit von jahrzehntelanger Übung." Im Widerspruch zu dem Gesagten stand allerdings noch immer nicht die geringste Spur eines Lächelns ins Gesicht des Mannes geschrieben. "Luca ist mein Name; einen Narren habe ich mich jedoch nie nennen lassen."
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Angelique
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Das Mädchen lächelte dagegen fröhlich. Nur die Augen, die tatsächlich im Dunkeln wie Tieraugen zu reflektieren schienen, blieben unheimlich und ernst, als es den Mann musterte. Der kleine Harlekin schien bis auf die nackte Seele in ihn hineinzuschauen.

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Sinnierend hob Angelique den Finger an die Lippe. "Hm", machte sie, "ist der Name vom Evangelisten abgeleitet oder doch vom schönen Lucania, seiner Heimat."Ihr Grinsen wurde sarkastisch. "Vom ,ins Licht Hineingeboren' wird es wohl nicht stammen, wäre dann aber sehr ironisch und lustig."

Als das Kind sich umgeschaut hatte, ob Sterbliche in Hörweite waren, sagte es mit gesenkter Stimme.
"Vom Hause Malkavs bin ich. Veronique la Madonna Nigra de Arelete ist meine Sire. Aber wenn Ihr wollt, könnt Ihr mich ruhig Närrin schimpfen. Auch der Narr hat seinen Platz in GOttes Plan. Von welchem höllischen Haus seid Ihr, wenn ich fragen darf?"
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Luca
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Luca »

Der Ravnos schauderte kaum merklich, als er von den Augen des unheimlichen kleinen Mädchens durchleuchtet wurde, und trat unwillkürlich einen halben Schritt zurück. Seine Aura erschien in einem fahlen Hellgrün. Der Mann verschränkte die Arme vor der Brust; und hin und wieder zuckte sein Blick hinüber zu den finsteren Söldnern.

"Ich habe nie die Gelegenheit bekommen, nach der Herkunft meines Namens zu fragen - und ist er nicht letztenendes auch nur ein Werkzeug, um die Unterhaltung zu vereinfachen, ein Mittel zum Zweck? Wie so vieles... Gelehrtenwissen mag ein interessanter Zeitvertreib sein, doch einen praktischen Nutzen zieht man doch recht selten daraus."

Auf die Offenbarung seines Gegenübers reagierte Luca keineswegs überrascht, nach der Nennung der Clanzugehörigkeit schien sich seine argwöhnische Haltung aber zu bestärken.
"Ein Wanderer trifft eine Wahnsinnige ... Luca Moretti vom Blute der Ravnos bin ich, und Battista Morone schenkte mir das Unleben. Genua nenne ich erst seit einiger Zeit meine Heimat; die Hüterin war so gütig, mir das Gastrecht zu gewähren."

Der Ravnos musterte das Mädchen gründlich. "Von aller Welt für einen Narren gehalten zu werden kann nützlich sein, denn niemand nimmt einen Narren ernst, bis es zu spät ist. Ein Fehler, den ich sicherlich nicht begehen will; mir scheint, eure Körpergröße steht in keinem Verhältnis zu eurer Position. Tragt ihr ebenfalls das Gastrecht, oder seid ihr ein Vasall der höhst verehrten Prinzessin? Bekleidet gar ein Amt?"
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Angelique
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Da aber brach das Mädchen in ehrliches Gelächter aus. "Ein Amt in Genua! Ihr seid ja spassig! Wollt Ihr bei den Fahrenden anfangen?", meinte es und von der enigmatischen Bedrohlichkeit war nichts mehr übrig. Freundlich lächelnd legte es den Kopf schief. "Ihr seid mir teuer, denn Ihr seid vom Haus meiner lieben Freundin Sousanna, die mir wie eine Schwester ist. Habt ihr sie schon kennen gelernt?"

Die beiden Krieger behielten Abstand und sicherten jetzt wieder aufmerksam die Umgebung, anstatt vornehmlich Luca zu beobachten.
Das Mädchen Angelique schlug ein Rad und sagte kopfstehend: "Gastrecht genieße ich wie Ihr. Nie brachte ich über das Herz, das Blut der römische Götze zu trinken. Also bin ich wohl die Älteste hier, die freiwillig frei bleibt. Ohne Ämter, ohne Macht. Erst in den letzten Jahren, da ich das Streben danach aufgab, ist mir klar geworden, wie frei man ohne diese ist und wie gefesselt mit ihnen. Weise seid Ihr, wenn Ihr meint, meine Körpergröße würde meiner Position nicht gerecht. Aber zu schrumpfen ist mir leider nicht möglich."

Das untote Kind machte eine so steile Brücke, dass Lenden- und Brustwirbel knirschten. Es schaute zum Ravnos auf und fragte: "Was ist Eure Ambition in dieser verkommenen Stadt? Ist Euer Sire ein gläubiger Mann, heißt er doch ,Täufer'? Warum aber heißt er ,Maulbeere'? Hm..."
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Luca
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Luca »

Sichtbare Entspannung war nun in der Köperhaltung des bemantelten Mannes auszumachen, während das Mädchen seine Späße trieb und die Wachen ihre Aufmerksamkeit der Umgebung zuwandten. "Sousanna? Ja, tatsächlich hatten wir schon eine erquickende Unterhaltung. Das Weib weiß wohl, wie es seine Reize einzusetzen hat. Ich denke, wir werden eine lohnende Beziehung entwickeln ... oder zumindest hoffe ich das. Freut mich zu hören, dass es eine liebe Freundin von euch ist. Wie konnte sie euer Wohlwollen gewinnen?"

Der Harlekin turnte hin und her; Luca jedoch schnappte sich einen Holzeimer, den wohl ein vergesslicher Bürger Genuas in der Nähe hatte stehen lassen, dreht ihn um und setzte sich darauf. Nun konnte er sich auf Augenhöhe mit dem kleinen Mädchen unterhalten. "Frei von Verpflichtungen zu sein, hat sicherlich seine Vorzüge; doch reizte euch denn nie die Macht? Gabt ihr euer Streben danach tatsächlich freiwillig auf?" Leichter Argwohn war aus der Stimme des Mannes herauszuhören. "Freimütig gebe ich zu, dass mir die Vorstellung behagt, nicht fast ganz unten in der Rangordnung zu stehen - auch, wenn ich ganz sicher nicht nach höheren Ämtern trachte." Verschmitzt grinste der Ravnos. "Dort steht man zu sehr im Rampenlicht. Kann einem auch zum Verhängnis werden. Doch wenn es nicht das Streben nach Einfluss und Ämtern ist, was treibt euch dann an?"

Wenn ihm jemals ein Wesen grundlos sympathisch gewesen war, dann dieses. Es war scheinbar nicht machthungrig; falls das stimmte, war von ihm kaum ein intrigantes Verhalten erwarten. Außerdem mochte Luca ihren Humor. Die ihm eigene Grundanspannung wollte trotzdem nicht verschwinden. "Meine Ambition in dieser Stadt ist zunächst mal, nicht zu sterben. Optimalerweise finde ich noch Fürsprecher, um meinen Status als Gast hier nicht zu verlieren." Dies sagte der Ravnos mit einem dunklen Lächeln im Gesicht. "Es ist interessant, wie ihr stets die Wesen nach ihren Namen einzuordnen versucht, doch versichere ich euch, dass mein Vater kein über das normale Maß hinausgehendes Interesse an religiösen Dingen hatte, und mir geht es genauso. Was nicht heißen soll, dass wir gottlose Männer wären! Doch bevor ich mich der Kirche als Diener des Glaubens verschreibe, fange ich wohl tatsächlich als Fahrender an." Ein Grinsen stahl sich ins Gesicht von Luca, der heute in außergewöhnlich gesprächiger Stimmung war.
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Angelique
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Angelique stemmte die Hände in die schmalen Hüften und streckte ihre nicht vorhandene Brust stolz hervor. Sie strahlte dieses Selbstbewusstsein aus, wie es nur Kinder haben konnten, und grinste.

"Ja, ich strebe nicht nach Macht. Ich bin kein so großer Narr, dass ich glaube, gegen die Hohen Klans ein solches Spiel zu gewinnen. Außerdem muß doch wer den Untertan machen, sonst wären ja alle Herren und niemand Diener.

Mich treibt in erster Linie Wissendurst und Neugier an. In zweiter Linie ist es meine Aufgabe in der Welt, zu der mich GOtt erschaffen hat, die es zu erfüllen gilt."

Was das genau war, ließ sie allerdings offen. Scheinbar nicht, weil es geheim war, sondern vielmehr, weil sie es für selbstverständlich hielt, dass man es wusste.

Sie ahmte kokett den göttinnengleichen grazilen Gang der reizenden Ravnos nach, der ja Eunuchen wieder zu Männern machen konnte. Nur dass es bei ihr eher putzig wirkte, es sei denn man kannte keine Schranken bei den Todsünden.

Das Mädchen streckte das kleine Zünglein heraus und meinte: "Sousanna hat eine flinke Zunge. Das mag ich. Und sie ist so, wie ich gerne wäre. Man muß sie einfach gern haben. Ich sehe sie wie eine kleine Schwester."

Letzteres klang seltsam, vergaß man doch leicht, dass der Kinderkörper vielleicht sehr viel länger in der Nacht war, als man denken mochte.

Angelique grinste wieder entwaffnend. "Sterben wird überbewertet. Davor muß man keine Angst haben. Jeder von uns ist doch schon einmal bewusst gestorben und wieder auferstanden. Der Tod ist kein Ende, sondern das nur nächste Abenteuer."
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Luca
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Re: (H)af(f)entheater [Luca, Angelique]

Beitrag von Luca »

Der Ravnos wog den Kopf mit gespielt ernsthaftem Gesichtsausdruck hin und her, während der Schalk in seinen Augen blitzte. "Und dabei ist die Narretei doch euer Geschäft! Ein kleines Spiel hin und wieder kann einem die aufkommende Langweile der Ewigkeit vertreiben, solange der Einsatz nicht zu hoch ist, so sehe ich es. Manche Spiele können auch für beide Seiten Gewinn bringen."

Nun kam der Ravnos offenbar auf ein Thema zu sprechen, welches für ihn wichtig war, und er wurde wieder ernst. "Wie ich eben schon erwähnte, fehlen mir noch Fürsprecher in der Domäne. Bisher habe ich mir Zeit mit diesem Umstand gelassen, um zunächst die hiesigen Gegebenheiten kennenzulernen und mir ein Bild von der Stadt zu machen. Habe jetzt aber die endgültige Entscheidung getroffen, hier tatsächlich auch verweilen zu wollen, und muss mich nun um diese Frage kümmern. Nun scheint ihr ja schon etwas länger hier zu verweilen und müsst somit diese Aufgabe erfolgreich bestanden haben. Habt ihr vielleicht einen Tipp, an wen ein Wanderer wie ich sich wenden kann, um deren Wohlwollen zu erlangen? Wäret ihr unter Umständen vielleicht sogar selbst dazu bereit, euch für mich auszusprechen? Das soll euer Schaden nicht sein." Kurz zögerte der Ravnos, der die letzten beiden Sätze spontan und aus Affekt zu seiner Erkundigung hinzugefügt hatte. "Da wir uns allerdings eben erst getroffen haben, kann ich mögliche Vorbehalte durchaus nachvollziehen. Lasst euch mit der Entscheidung ruhig Zeit, um euch ein Bild von mir zu machen. Aber ich will euch sagen, ich würde euch keine Schande bringen. Es würde auch eurer Freundin Sousanna von Nutzen sein, wenn sich mit mir ein Bruder von ihr in dieser Stadt aufhält, mit dem sie handeln und sich austauschen kann."

Während das Mädchen auf und ab stolzierte und treffend Lucas Clansschwester nachamte, machte der Ravnos ein nachdenkliches Gesicht. Was es mit dieser religiösen Aufgabe auf sich hatte, erschloss sich ihm nicht, allerdings wollte er nach seiner Bitte keinen schlechten Eindruck liefern und seine Unwissenheit zugeben. "Tatsächlich scheint es in Genua einige Kinder der Nacht zu geben, die den Willen Gottes zu erfüllen suchen. Erst vor einiger Zeit traf ich Gaius Marcellus, den Liktor. Allerdings scheint er die Erfüllung seiner Aufgabe anders anzugehen als ihr, soweit ich es beurteilen kann."
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