Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

[Juni '17]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Fabrizio
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Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Fabrizio »

Wie so oft in den letzten Monaten stieg Fabrizio in tiefster Nacht von seinem Hügel.
Die vier mürrischen Leibwächter erwarteten ihn an der Wegkreuzung und hatten es sich unter den Bäumen gemütlich gemacht.
Es war ein heißer Tag gewesen und an solchen Tagen verfluchten die Leibwächter ihr Schicksal, diese elenden ledernen Masken tragen zu müssen. Selbst in der kühleren Nacht, lief ihnen der Schweiß in strömen die Schläfen herab. Ein paar große Schlucke aus den Feldflaschen, die sie mehrmals aufgefüllt hatten am nahen Brunnen, dann rafften sie sich beim näherkommen ihres Herren auf.

"Wir besuchen das Alla Murra." hatte er einfach nur erklärt, den Weg hatte man bereits vor geraumer Zeit erfragt, der Kontakt hatte nur blöde gegrinst damals

Raveccas Straßen brachten Unglück. Nevio, Alerio, Matteo... vielleicht sollte er Sousanna davor warnen?
Kurzentschlossen befahl Fabrizio einen kleinen Umweg...

Die bettelnden Waisenkinder vor San Alerio bekamen für ihr Stift eine blitzende Silbermünze vom gruseligen Mann mit der goldenen Maske. Nichts weiter keine Fragen oder gar warmen Worte, er starrte die Kinder nur finster an, dann drehte er sich weg und setzte seinen Weg durch die Nacht fort.
Ein paar andere Kinder, die er für ihren Mut durchaus respektierte, rannten ihnen hinterher - ein Wink und die Leibwächter schubsten sie einfach in den staubigen Dreck der Straße zurück.

Schließlich erreichten sie Alle Murra, an der Mauer.
Fabrizio Aurelio Sizilianus positionierte sich einfach gut sichtbar mitten auf der Straße davor und musterte das ganze mit fachkundigem Blick. Die Leute Raveccas sollten jetzt ruhig sehen, wer sie gerade besuchte.
Die Leibwächter hingegen hatten sich ein wenig verteilt und hielten die Umgebung im Auge.
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Sousanna
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Sousanna »

Die Hitze schaffte noch mehr Bedarf an Abkühlung und verstärkte die Wirkung des Weines noch ein mehr, so dass der Mann mit der goldenen Maske jetzt schon einige bis zur Besinnungslosigkeit berauschten Trunkenbolde aus dem schäbigen Gebäude torkeln sah, dass sich Alla Murra schimpfte.
Groß war es nicht. Schief war das Dach und notdürftig zusammengezimmert. Offensichtlich war dieses Haus einmal etwas anderes gewesen, bevor man auf die fixe Idee gekommen war, daraus eine Spelunke zu machen. Doch anscheinend war dieser Entschluss keine jener Schnapsideen gewesen, die hier wohl sonst des Öfteren aus dem Alkohol heraus in die Gehirne der Gäste schwebten.
Die Taverne an der Mauer lief erstaunlich gut. Es war ein Ort, an dem geplatzte Träume endgültig begraben und wilde Pläne geschmiedet worden. Ein Ort, an dem sich niemand zur hohen Gesellschaft zählte. Einer, an dem vieles keine Rolle spielte und anderes Bedeutungen bekam, die man nur erkannte, wenn man sich hier länger aufhielt - und akzeptiert wurde.

Gerade als die Männer angekommen waren, drang ein Lied aus der offen stehenden Tür. Es drang aus einer rauen Kehle, wurde mehr geplärrt als gesungen. Weniger schön, als viel mehr mit jener Inbrunst vorgetragen und dadurch besonders. Es besaß keinen sonderlich geschliffenen, oder gar poetischen Text, allerdings einige Einwebungen von mehr oder minder offensichtlichen Unanständigkeiten, die so ziemlich alle Bereiche des Lebens abdeckten, aber von dem wilden, unbezähmbaren Drang der Hoffnungslosen dem Leben gegenüber erzählten.
Als es endete, waren Applaus und Gejohle der Lohn und Krüge wurden zusammengestoßen, ehe man sich offensichtlich wieder den Gesprächen zuwendete.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
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Fabrizio
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Fabrizio »

"Klein und schäbig..." murmelte Fabrizio dumpf "passt ja..."

Er wartete den Ausklang des Gesanges ab, dann gab er seinen Leibwächtern einen Wink.

Ohne Murren stellten sich die gebeutelten Menschen den offenbar noch hitzigeren Verhältnissen in dieser überfüllten Kaschemme.
Zwei gingen vor, die anderen zwei sicherten Fabrizio eng nach hinten ab. Er wollte offenbar vermeiden dass auch nur einer der Gäste ihm irgendwie zu nahe kam...

Der Goldmaskierte inmitten seiner rauhen Lederbande musste sich nur kurz orientieren, dann rief er ziemlich deutlich und Befehlsgewohnt über das Stimmengewirr hinweg hin zur Theke:

"Mach uns irgendwo platz, muss nicht sauber sein. Und bring uns vor allem ein ordentliches Fass von dem billigen Fieschi-Fusel!"
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Sousanna
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Sousanna »

Diese Stimme hätte sie nach ihrem letzten Aufeinandertreffen überall erkannt. Sie jagte ihr eisige Schauer über den Rücken und sie wünschte sich nichts mehr, als heute Nacht nicht ins Alla Murra gegangen zu sein. Einen kurzen, völlig überdrehten Moment lang, dachte sie darüber nach, ob er eine Flucht jetzt bemerken würde, und die Rehaugen huschten ein wenig panisch hin und her.
Doch dann regte sich Trotz. Das hier war ihr lächerliches, kleines Revier. Sie hatte es sich härter erarbeitet, als die meisten es sich vorstellen konnten - und dieser Schattenhexer sollte sie nicht daraus vertreiben.

Tiziano, bei dem sie gesessen hatte und der kurz davor gewesen war, seine Stellung innerhalb des Alla Murras zu verteidigen, raunte sie zu: "Sorg dafür, dass er bekommt was er will, und die werden hoffentlich schnell verschwinden."
Dann erhob Sousanna sich und ging Krüge holen, während ihr Ghoul mit einem unwilligen Knurren, ein paar Saufbolde von einem Tisch verscheuchte. Er mochte es nicht, wie sich dieser Gockel mit der Maske aufführte, und noch weniger mochte er es, dass sein Schatz großen Respekt vor diesen Kerlen hatte. Niemand sollte ihr Angst machen. Aber sie wusste, was sie tat, und sie würde dafür sorgen, dass sie schnell wieder abzogen.
Die Ravnos unterdessen hatte auch dem Mann hinter der Theke einen ähnlichen Ratschlag zugeraunt und drängte sich dann wortlos durch die aufgescheuchten Gäste, die das plötzliche Erscheinen der Männer offensichtlich mit Unruhe erfüllt hatte. Ein paar Blicke flogen zu Tiziano hinüber und als er das Alla Murra nicht sofort verteidigte, schien man sich darauf zu einigen, dass man die Eindringlinge wohl erst einmal ignorieren konnte.

"Welch unerwarteter Besuch", begrüßte sie ungewöhnliche Gruppe dann so höflich lächelnd, wie es ihr im Augenblick nur möglich war, und wies zu dem nun leeren Platz hinüber. "Nehmt Platz und Bernardo wird euer Fass sofort heranschaffen. Darf man euch sonst noch etwas bringen?"
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Fabrizio
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Fabrizio »

Als erstes taxierte der Goldmaskierte diesen Tizinao, offenbar hatte er ihn ebenfalls direkt als potentiellen Gegner eingeordnet - dann erst schien er Sousanna in dessen Schatten zu bemerken.

Als diese sich näherte starrte er sie einfach einen Moment durch die Maske an, dann erst reagierte er.

"Sei gegrüßt, werte Sousanna." erklang in düster leisem und etwas dumpf verzerrtem Tonfall nur geradeso vernehmbar über der wieder in Bewegung geratenen Geräuschkulisse.

Dann etwas deutlicher hinterher:
"Setz dich doch zu uns, dann können wir ein bischen... reden. - Ach, und sorg für noch vier gesunde Weiber zu unserer Entspannung. Wir sind durstig und wollen trinken!"

Daraufhin setzte die Gruppe sich aber auch schon in Bewegung und besetzte die frei gewordene Ecke.
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Sousanna
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Sousanna »

Womit hatte sie das nur verdient? Hatte sie nicht schon genug Scherereien am Hals? Genua war doch einfach verflucht. Eine Stadt, in der der Clan der Wanderer ausschließlich Pech hatte. Vor allem sorgte sie sich um die Gesundheit der geforderten Frauen - und um ihre eigene Gesundheit. Sie hatte das Versprechen nicht vergessen, dass sie einst gegeben hatte, um sich von ihrer Schuld freizukaufen.
Trotz dieser Gedanken lächelte Sousanna ihr zuckersüßestes Lächeln und nickte artig. "Ich werde sehen, dass ich uns passende Gesellschaft finde", versprach sie und stellte noch die Krüge auf dem Tisch ab, ehe sie sich auf die Suche machte.

Unterdessen hatte der Mann hinter dem Thresen, Bernardo hatte die Ravnos ihn genannt, ein Fass für die Gruppe. Wie alle hier, seit dem Erscheinen der mysteriösen Gesellschaft, wirkte er aufgekratzt. Er schien, ebenso wie die meisten der Anwesenden durchaus ein Gespür dafür zu haben, dass es gefährliche Männer waren, die sich hier zu ihnen gesellt hatten. Und da man sich selbst schon für gefährlich hielt, wusste man nicht, wie man mit denen umgehen sollte, die das eigene Maß an Gefährlichkeit wohl überstiegen.

Nach einer Weile und kurzen Gesprächen mit unterschiedlichen Personen, tauchte die Schönheit wieder auf. Wie genau sie es geschafft hatte, würde ihr wohlbehütetes Geheimnis bleiben, doch in ihrer Begleitung fanden sich vier doch recht ansehnliche, junge Frauen, die beim Anblick der Maskierten verlegen kicherten und schnatterten. Keine von ihnen war sonderlich alt und sie alle waren gewiss in diese Gemeinschaft von Huren, Halunken und deren Gefolge hineingeboren und würden es mit großer Wahrscheinlichkeit nie verlassen.
Jede für sich war tatsächlich recht hübsch, doch in Begleitung der Byzantinerin wirkte ihre Schönheit eher flach und etwas glanzlos.

Als Sousanna nun zum Tisch trat, lächelte sie eben jenes hintergründiges Lächeln in die Runde, dass zumindest der Goldene bereits zu zwei Anlässen gesehen hatte. Sanft, aber bestimmt ruhten die schlanken Finger auf der Tischplatte, als sie sich im Ansatz herunterbeugte und mit blitzenden Augen fragte: "Dürften meine lieben Freundinnen und ich uns nun zu euch gesellen?"
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Fabrizio
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Fabrizio »

Routiniert hatten die Leibwächter den Tisch so umgestellt, dass Fabrizio sich mit dem Rücken zur Wand setzen konnte. Jeweils rechts und links setzten sich dann seine Leute, an denen musste man also erstmal vorbei um direkt an den Goldenen zu gelangen.
Das Fass hatte einen guten Platz auf dem Tisch gefunden und wurde ebenso sachverständig von den Maskenmännern angezapft...

"Wir haben die Ehre." erklärte Fabrizio Aurelio Sizilianus charmant aber irgendwie süßlich übertrieben

Sousanna ließ er direkt neben sich.
Die vier Mädchen sollten sich jeweils zu den anderen Gestalten gesellen, wohl auch schon direkt auf deren Schoß bei so wenig Platz - aber das wurde ihnen mit viel Wein erleichtert. Die Leibwächter tranken ebenfalls, wobei es fast so schien als würden die Masken sie derart behindern dass sowieso die hälfte herunterlief, dass sie bald blutrot triefende Ausschnitte hatten.

In der Enge würde auch Sousanna recht nah an Fabrizio heranrücken müssen. Er fühlte sich einfach nur kalt und tod an - und flüsterte ihr ganz langsam und leise direkt ins Ohr.

"Wir haben uns lange nicht gesehen, Sousanna. Habe dich vermisst. Ich hoffe doch wir sind immernoch Freunde?"
Die Stimme klang wie ein Rauschen, rauh, kehlig und irgendwie entfernt und fremd durch die Maske.
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Sousanna
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Sousanna »

Bei allen Heiligen, die sie kannte, Sousanna wäre es sehr viel lieber gewesen, wäre zumindest der Tisch zwischen ihr und dem Lasombra geblieben. Er hätte sie zumindest vor einem Biss bewahrt, aber gut. Es galt mitzuspielen. Um den Schattenhexer rasch wieder loszuwerden und um den Mädchen, die sie für seine Leibwächter rekrutiert hatte, keine Sorge zu machen. Bis jetzt fanden sie das Ganze immerhin noch aufregend und waren von diesem mysteriösen Männern hinter den Masken recht angetan.

Die körperliche Nähe zu Fabrizio schien die Ravnos allerdings nicht mehr sonderlich zu stören. Weiter lächelnd kam sie heran und schmiegte sich trotz seiner Todeskälte fast schon an ihn.
Anmutig neigte sie dann den Kopf, als er ihr ins Ohr flüsterte. Dann wandte sie sich ihm zu und suchte seinen Blick hinter der Maske. Waren die Augen immer noch schwarz? Wohin würde diese Nacht noch führen?
Zwar hatte sie derlei Spiele schon oft genug gespielt, um sie fast in Perfektion zu spielen, doch selten graute ihr so sehr vor dem Ausgang eines solchen Abenteuers.
"Ich habe euch auch vermisst", raunte sie ihm mit großen Augen voller Versprechen zu und schaffte es irgendwie so zu klingen als wäre dies ein netter Abend mit viel Wein und guten Freunden. Ein Abend, der der Jugend und der Liebe gewidmet sein sollte. "Und natürlich bin ich eure Freundin. Seid ihr denn auch noch mein Freund?"
So rau und kehlig seine Stimme klang, so weich und leicht war die ihre. Wie eine Feder, die sanft im Wind tanzte.
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Fabrizio
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Fabrizio »

Unter der Maske war es schwer zu erkennen, doch es war tiefe Schwärze die sie anzustarren schien, sie fühlte es mehr als dass sie es wirklich sah. Die finsteren Schatten waren geblieben.

"Ja, das ist gut. - Aber erinnerst du dich auch noch an unseren gemeinsamen Freund? Emilio. Du weißt dass ihn jemand ermordet hat, ja?"
Sein metallenes Gesicht blieb ganz nah bei ihr, als wolle er ihre Reaktion nicht nur betrachten sondern geradezu spüren und riechen...
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Sousanna
Ravnos
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Re: Können diese Augen lügen? [Sousanna, Fabrizio]

Beitrag von Sousanna »

Schrecken zeichnete sich in den schönen Zügen ab. Ein ehrlicher Schrecken ob eines Mordes, den sie nicht verstand und mit dem sie absolut nichts zu schaffen gehabt hatte.
Dennoch wich Sousanna nicht zurück. Sie blieb dicht an seinem Gesicht als sie sehr sacht nickte. "Ich habe von dieser schrecklichen Sache gehört.", erklärte sie gedämpft und senkte dann traurig den Blick zurück auf die Tischplatte. "Es hat mich traurig gemacht. Immerhin war er ein sehr fähiger Mann und ich hätte gern noch mit ihm Geschäfte gemacht."
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Friedrich Hölderlin
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