[1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

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Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Seresa
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresa nickte der Ravnos zu und schwieg für einen Moment. Sie schien nicht wirklich zu wissen, worüber sie mit Sousanna sprechen sollte oder gar sprechen wollte. Sicherlich gab es Dinge, die sie interessiert hätten, jedoch waren sie weder Freundinnen noch Vertraute. Selbst über das Wort Verbündete ließ sich vermutlich mehr als streiten. Bitten gehen zu dürfen wäre unhöflich gewesen. Also schwieg Seresa weiter, während sie mit aufeinandergelegten Händen dastand und wartete. Scheinbar nichts, was für sie ungewöhnlich war. Sie schien es gewohnt zu sein, offensichtlich da zu sein, jedoch als nicht mehr als ein Schatten wahrgenommen zu werden, den man nach Belieben rief, wenn er einem zu Diensten sein sollte.
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Auch Sousanna schwieg. Man mochte es kaum glauben, doch das Wesen, das stets den Anschein mädchenhafter Lebendigkeit machte, schien in keinster Weise Unbehagen dabei zu empfinden, sich lange Zeit schweigend mit einer Person im selben Raum zu verbringen.
Irgendwann legte sie dann allerdings den Kopf schief und sah Seresa durchdringend an. Für einen Augenblick schien sie sie zu durchleuchten, ehe mit einem Mal ihre Stimme die Stille durchschnitt: "Sagt, wie ist es euch nach eurer Freilassung ergangen? Zumindest gehe ich davon aus, dass es eine Freilassung gab." Die Stimme war wie Seide kühl und doch weich. Nicht unfreundlich aber doch fehlte ihr die Wärme. Zumindest mildes Interesse schwang darin mit.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
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Seresa
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresa schwieg lange. Fast hätte man annehmen können, dass sie die Frage als Provokation aufgefasst hatte. Dann jedoch zuckte sie leicht mit den Schultern.

„Mir wurde zugestanden, dass ich mich in Genua frei bewegen darf. Ein Akt der Gnade, welchen ich wahrlich nicht erwartet hatte. Schlussendlich bin und bleibe ich jedoch die Gefangene der Liktoren, auch wenn mich keine sichtbaren Mauern halten. Es liegt an ihnen, wann und wem sie den Fall vorlegen werden. Dies ist nichts, worüber ich entscheiden darf oder gar entscheiden kann.“

Erneut zuckte sie leicht mit den Schultern.

„Man lernt damit zu leben, dass man nicht Herr über sein eigenes Schicksal ist. Das Andere über Euch und Euer Schicksal bestimmen und richten werden. Ich danke für jede Nacht, welche mir geschenkt wurde und geschenkt wird, auch wenn ich jede Nacht aufs Neue die Last des Kreuzes spüre. Vermutlich hätte das Urteil des verehrten Seneschalls mich schneller von meinem Schicksal erlöst.“

Wieder zuckte die Brujah mit den Schultern und schüttelte leicht den Kopf.

„Jedoch war dies nicht der Plan des Herrn. Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als Nacht um Nacht erneut mich selbst zu verleugnen, das Kreuz auf mich zu nehmen und ihm nachzufolgen. Mich seinem Willen zu unterwerfen und ihm zu dienen.“

Seresa schwieg für einen Moment. Bevor Sousanna nachfragen konnte, wie Seresa plötzlich zu solch eher ungewohnten Einstellungen gekommen war, erklärte es die Brujah von selbst. Sie seufzte leise, bevor sie begann.

„Der Krieg, welcher über die Stadt von See aus hereingeschwappt ist, hat mich wahrlich verändert. Man ist fürwahr danach nicht mehr Dieselbe. Das eigene Schicksal, welches man erdulden muss, wirkt zunehmend klein und unbedeutend. Wenn Ihr also fragt, wie es mir nach meiner Freilassung ergangen ist, so lautet wohl die redlichste Antwort wohl: ich lebe noch.“
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Aufmerksam betrachtete die Ravnos Seresa während des Schweigens, ließ aber nicht erkennen, ob es schlimm gefunden hätte, ihr Gegenüber provoziert zu haben. Während sie sprach, hatte sie dann immer wieder leicht genickt. Konnte sie es verstehen, wie es war, wenn ein Schicksal einem drohenden Schwert gleich über einem schwebte? Oder heuchelte sie nur Verständnis?

"Es war keine einfache Zeit.", erwiderte sie schließlich leise. War dort etwas anderes als bloße Höflichkeit in der Stimme zu hören? "Für alle von uns." Ein Seufzen hob und senkte ihre Brust und sie schüttelte bedauernd den Kopf. "Ich wünsche euch dennoch, dass ihr die Situation bald hinter euch bringen könnt und Genua als freie Tochter der Nacht erleben könnt."
Leicht legte sich ihr Kopf schief. "Aber ihr habt eine Suche erwähnt.", setzte sie wieder an. "Dürfte ich unverblühmt fragen, was ihr sucht? Ich kenne vieles hier in dieser Stadt und könnte euch vielleicht helfen."
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Seresa
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Es erreichte mich die Kunde, wonach Hinweise bezüglich meiner Abstammung hier in Genua zu fänden seien. Es ist mein Wunsch diese Spuren zu verfolgen und das Wissen über meine Ahnen zu vervollständigen.“

Seresa schwieg für einen kurzen Moment.

„Bedauerlicherweise hatte der Krieg vieles verwischt oder gar vernichtet.“

Sie nickte ihrem Gegenüber höflich zu.

„Ich danke Euch aufrichtig, für Euer großzügiges Angebot, Sousanna, doch bin ich derzeit wahrlich mehr damit beschäftigt, die Scherben aufzusammeln und neu zu sortieren.“

Seresa zuckte mit den Schultern, als wäre es eine Tatsache, die sich nicht ändern ließe. Jedoch schien sie willens genug zu sein, sich nicht davon abhalten zu lassen.

„Ich hoffe Eure Geschäfte sind von den negativen Auswirkungen des Krieges weitestgehend verschont geblieben.“
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

"Hmmm", machte die Ravnos und auch wenn es überraschen mochte, klang sie tatsächlich als nähme sie auf ihre Weise Anteil an dem Leid ihres Gegenübers. "Ein Krieg ist ohnehin schon immer ein Ärgernis, doch bei einer solchen Suche ..." Sie seufzte und schüttelte bedauernd den Kopf. "Ist er eine Katastrophe."
Einen Moment zögerte sie, ehe sie sehr leise hinzufügte: "So ihr eure Scherben gesammelt und sortiert habt, meldet euch gerne bei mir. Ich bin nicht nur gut darin, begehrte Gegenstände zu beschaffen. Auch so manche verlorene Information findet ihren Weg zu mir."

Schließlich lächelte sie ein zwar immer noch sehr schönes, doch zugleich sehr bitteres Lächeln. "Kriege sind meinen Geschäften sehr zuträglich. Mehr Gier, mehr herrenlose Waren, weniger Moral und vor allem weniger Skrupel bei den Lieferanten.", erklärte sie und zuckte die Schultern. "Es ist finanziell sehr gut für mich - aber das heißt nicht, dass ich Kriege schätze."
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Habt Dank, Sousanna, für das großzügige Angebot. Ich werde darauf zurückkommen, wenn die Scherben wieder eine brauchbare Form angenommen haben.“

Seresa verneigte leicht ihr Haupt vor der Ravnos.

„Es freut mich zu hören, dass der Bedarf an Dingen, welche das Leben erhellen, an Schönem und Nutzlosen nicht durch den Krieg verringert wurde.“

Die Worte der Brujah wirkten nicht beleidigend. Es schien mehr wie eine sachliche Wiederholung der Dinge, welche Sousanna ihr dereinst über ihren Handel erzählt hatte. Dann zuckte sie leicht mit den Schultern.

„Es wird immer Gewinner und Verlierer geben, Sousanna, nicht nur im oder durch Krieg. Erfolg entsteht durch Möglichkeiten die man sieht, erkennt und für sich zu nutzen weiß. Es freut mich zu sehen, dass Ihr auch etwas Furchtbares wie den Krieg, als geschickte Händlerin durchaus für Euch zu nutzen und etwas Wertvolles daraus zu schaffen wisst.“
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Ein leichtes Lächeln hob ihre Mundwinkel. "Wer mir hilft, bekommt auch Hilfe.", erklärte sie vielleicht einen ihrer Grundsätze, wodurch sich das Thema für die Ravnos offensichtlich erledigt hatte.

Dann seufzte sie leise und fuhr sich durchs Haar. Schließlich zuckte sie leicht die Schultern, während sie verkündete: "Nun ja, wann ist die Sucht des Menschen nach allem Schönen und Nutzlosen größer als wenn sie nur Hässlichkeit, Hass und Not spüren? Wieso schenkt man Trauernden wohl Blumen? Meine Waren sind nichts anderes." Offensichtlich fand auch sie es nicht beleidigend, was ihre neugefundene Schreiberin zu ihr gesagt hatte. Oder aber sie spielte ihren Plauderton sehr gut.

"Das ganze Leben und alles Sterben ist ein einziges Gewinnen und Verlieren.", stellte sie ruhig fest. "Die Kunst des Erfolgs ist es, selbst die widrigsten Situationen für sich zu nutzen. Wer aus den Steinen, die nach ihm geworfen werden, ein Haus bauen kann, wird eines Tages den schönsten Palast bewohnen. Je schrecklicher eine Situation ist, desto wertvoller können die zu gewinnenden Schätze sein."
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Seresa
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Ich nehme an, jener Teil der Bevölkerung, welcher an Hunger und den Folgen des Krieges leidet, wird Euch in diesem Punkt nicht zustimmen, Sousanna. Sicherlich, sie sehnen sich womöglich nach Schönem und Nutzlosem, um die Erinnerung an die Schrecken der Nacht und dessen Folgen zu betäuben oder gar zu vergessen. Vor allem aber sehnen sie sich nach einem vollen Magen, einem Dach über dem Kopf und den Armen ihrer Lieben. Mir steht es jedoch wahrlich nicht zu, darüber zu urteilen, ob sie Trost beim Herrn suchen oder sich der Sünde hingeben. Schlussendlich ist es ihre Entscheidung und ihr Weg.“

Seresa zuckte leicht mit den Schultern.

„Letzten Endes ist Luxuria auch nichts anderes, als eine Form von Glauben.“
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

"Eine Sünde als Form der Glaubensauslegung - ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir das nicht gefällt.", schmunzelte Sousanna und schien tatsächlich daran etwas zu finden, dass sie amüsierte.
"Aber wenn ich euch eins versichern darf, als Wanderin zwischen jenen Welten, dann glaubt mir, dass gerade jene, die an Hunger und Folgen des Krieges leiden, mit einer Gier nach allem streben, was schön ist und Freuden bringt, das man sogar als sündhaftes Wesen, erröten mag." Sie zeigte einen Gesichtsausdruck der vielleicht von wirklichem Respekt dieser Gier gegenüber zeigen mochte, ehe sie wieder die Schultern zuckte. "Sie sehnen sich natürlich nach all dem, aber keine Macht der Welt vermag es ihnen zu geben. Also suchen sie Ablenkung. Alles, was von diesem Leid ablenkt oder den Schmerz betäubt... Es ist nicht sonderlich logisch, aber doch verständlich."
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