[1005] Männer mit Bärten [Livia]

[Februar '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Sousanna
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Sousanna »

Der Sohn fremder Lande gab ein seltsames Geräusch von sich. Es war ebenso Schnauben wie Lachen.
"Worte haben Macht - und diese Kalte weiß es mehr als alles andere. Das Wesen mag gedacht haben, Wort und Geste seien allein ihr Schwert. Und edles Geblüt wäre das Schutzschild vor einem tiefen Fall. Eine Schlange hat sich in den Garten der Lüste gestohlen und wollte sich zur Königin der Nächte erheben. Zurückgeschlagen bekam sie sogar jene Entschuldigung, die sie forderte. Und doch: Hochmut forderte die Herabsetzung der Niederen unter dem Vorwand eines gütigen Gottes der doch alles Niedere liebt."
Megalion schüttelte leicht den Kopf. In seinen Augen war dies offenbar der größte Fehler, den man hatte begehen können.

"Wie sagt man so schön? Man schlägt Gegner mit ihren eigenen Waffen. Und Rache ist und bleibt süß. Die Könige der Diebe und die Herren der Geschichtenerzähler werden nicht geliebt, doch wer denkt, sie beherrschen zu können, gegen den wird sich sein eigenes Spiel wenden." Ein bösartiges Lächeln huschte kurz über das seltsame Gesicht.
Dann aber legte sich sein Kopf leicht zur Seite. "Aber sag, Bruder, wie kommt es, dass dich die Freundschaft eines knarzigen Baumes und einer zarten Blüte interessiert?", wünschte er neugierig zu wissen.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
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Livia
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Livia »

Megalions große Worte wurden mit großen Augen belauscht. Dann nickte sein junger Gehilfe. "Unangreifbarkeit durch Stärke, Stärke ohne Vernichtung." murmelte er.

Auf die Frage seines Herren lächelte er wieder etwas untersinniger, neigte leicht das Haupt. "Bäume brauchen Wasser, wie die schönen Wildrosen. Bäume haben Wasser, welches auch Wildrosen gießen würde. Bäume und Wildrosen teilen sich Feinde und Interessen doch sind sie so unterschiedlich, dass sie sich nicht Sonne und nicht Bienen und nicht Wasser stehlen." Er legte die Hände aufeinander, sehr simple Gestik, für eine simple Aussage. "Und ich, ich bin wie ein Efeu! Wachse an Strauch und Baum und Blume, am besten an Bäumen mit schönen Wildrosen drumherum, auch mit dem gleichen Feind und ebenso ohne Sonne, Biene oder anderes zu rauben. Versteht ihr?" Er grinste neunmalklug.
Dann dachte er sein Bild zuende. "Und der Baum und die Wildrose... und der Efeu... die können sich gemeinsam besseres Wasser... nun und die Fressfeinde abweh..." Kurz grummelte er etwas, schaute dann süß mit seinen großen Augen.
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Sousanna
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Sousanna »

Ungeduldig schüttelte sich das Haupt des jungen Sohn des Orients und etwas um seinen Mund herum ließ erahnen, dass eben etwas geschehen war, das ihm ganz und gar nicht gefiel, denn über die ganze Geschichte war seine linke Braue immer weiter nach oben gewandert bis sie einen gefahrverheißenden Winkel erreicht hatte.
Langsam erhob sich der Pfau in Jünglingsgestalt. "Der Efeu braucht die Wildrose nicht, um den Baum zu umranken. Und die Wildrose heißt wild, weil sie sich ohne Baum ohne Schwierigkeiten zurecht finden kann.", erleuterte er spitz. "Der Baum aber wird sich auf ewig erhaben fühlen und versuchen den Efeu nieder zu drücken, um den Zauber der Rose zu erreichen..." In den letzten Worten lagen kalte Messerstiche, während Megalion sich zum Gehen bereit machte. "Seht das als Rat eines Mannes, der dachte einen Bruder gefunden zu haben."
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Livia
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Livia »

Der Knecht staunte nicht schlecht, als seine mittelmiese Allegorie so zerpflückt wurde. Wie recht sein großes Gegenüber doch hatte! Zumindest bei diesem Bild.
"Also Ohm! Ja, ohm!
Megalion Verzeih! Warte! Ich ehm... das war kein gutes Bild?
Hach ich und die hohe Sprache... und ich und die Pflanzen erst recht!" Er schüttelte sich und hob sich die Hand an die Stirn.
"Keineswegs wollte ich falsche Bilder erwecken! Hach ist das schwierig..." Er blickte kurz auf den Sitz und Rückte ihn dann nochmal zurecht. "Ich bitte dich, nimm doch wieder Platz, erklär mirs doch lieber du, bist wortgewandter!" Er lächelte schief.

"Was ich meinte jedenfalls, naja, ich sehe eine Gruppe an Personen, die ähnliche Gedanken und Ziele, doch unterschiedliche Wesen, Stärken und Schwächen haben - deren Gedanken und Ziele womöglich die gleichen Feinde haben... Tyrannei und sinnlose Gewalt... und die so reichlich voneinander profitieren könnten. Wenn sies gut angehen!" Er lächelte jetzt wieder etwas ruhiger.
"Viele Ideen zum... eh... säen... ach, ich lass des mit den Bildern lieber.
Also viele Gedanken wärn da möglich! Aber nunja... knorriger Baum und schöne Blume, versteht ihr...
sie könnten klassische Rivalen um den Platz an der Sonne sein - aber sie könnten auch gemeinsam so viele Erfolge und so viele Reichweiten haben...
Sie könnten... versteht ihr, wie ich fühle?" Er lächete sanft, das erste mal wieder aus der Rolle, ein bannendes, tiefgehendes und strahlendes Lächeln.
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Sousanna
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Sousanna »

Der Orientale verharrte. Immer noch halb zum Gehen gewandt, aber doch etwas besänftigt, stand er da und wartete die Erklärungen ab.
Sein Blick schien weniger zornerfüllt und doch das Lächeln wirkte schal und Bitterkeit umwob ihn wie eiskalter Nebel. Als hätte man die buntstrahlende Gestalt genommen und in eine Wolke getaucht. In den dunklen Augen lag etwas, das sonst in denen von Menschen lag, die die Bosheit der Welt in Gänze erfahren hatten. Etwas, das von einer schon vor Jahren verlorenen Hoffnung kündete.
"Nein, Freund, nein.", seufzte er leise und schüttelte den Kopf. Zwar stand er noch betont aufrecht, doch sein Kopf hing nach unten. "Diese Kalte wird einen der unseren nie als gleichwertig betrachten. Du bist noch nicht so lange wie ich in dieser Welt. Wir beide sind in ihren Augen nicht mehr als Kinder. Noch scheint dir der Schutz gelegen zu kommen. In einigen Jahren - vielleicht auch Monaten, wirst du es zu verabscheuen lernen."

Seine Worte klangen schwer und melanchonisch. Das Lächeln war so falsch. Wie ein fauliger Apfel, den jemand unter süßestem Honig glasiert hatte. Ein Zeichen schönster Vergänglichkeit.
"Ich verlange nicht viel, aber die Anerkennung meines Standes. Dann kann ich der nützlichste Freund von allen sein.", stellte er klar. "Eine Zusammenarbeit ist möglich - aber sie hat ihren Preis. Und unter Wert verkaufe ich mich lang nicht mehr."
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Livia »

Amto nickte eifrig, fast als mache er sich Notizen, dann stoppte er kurz... es lag ja durchaus Weisheit in Megalions Worten.
"Aber wie soll sich ein niederes Wesen wie ich gegen den Willen eines hohen Wesens wie euch wehren?" Seine Augen quollen kurz zu beeindruckender Größe auf.
"Ihr besteht einfach darauf, dass Eurer wahrgenommen wird, auch wenn andere ihn nicht anerkennen?" Er hob seine Braue.
"Und wenn Andere es nicht tun, sind sie eure Gegner? Und wenn sie es tun, können sie eure Freunde sein?
Doch gibt es nicht Viele, die euren oder meinen Stand automatisch in Frage stellen, nur weil wir... aus der Fremde sind?
Zwingt ihr jeden Einzelnen?"
Ein verehrender Unglaube lag in den Augen des jungen Handwerkers.
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Sousanna »

Der Andere legte sacht das Haupt zur Seite. Aus der Melancholie war eine Stärke erwachsen, die man der zierlichen, aufgeblasenen Gestalt kaum zutrauen konnte. In all ihrem Prunk und Putz - und in ihrer Hoffnungslosigkeit schien sie der Brandung allen Übels zu trotzen vermögen. Eine prachtvolle, traurige Erscheinung war Megalion in diesen Momenten.
"Ich zwinge niemanden. Ich bin im Stande auch mit dieser Kalten eine Freundschaft zu führen.", erklärte er düster und in den darauffolgenden Worten erstand ein Stolz, der jedes geknickte Herz wieder aufzurichten vermochte. Hier war er, der Stolz der Straßen. Denn jenen, denen oft genug alles entrissen wurde, bleiben nur verquerer Stolz und tiefe Würde. "Doch wer meine Fähigkeiten nutzen will, der muss sie anerkennen. Selbst die niederen sind nützliche Werkzeuge. Sie wird ohne den Dreck und die Sünde keines ihrer Ziele erreichen. Und so muss sie ihn schätzen lernen. Nicht verehren, nicht lieben, aber erkennen, dass du und ich keine Kinder sind."

Die ungewöhnlich schmalen Schultern hoben sich und er schob das Kinn vor. Eindringlich gruben sich die großen, braunen Augen in Amtos Blick. "Es ist einfach eine Entscheidung vor die ich sie stelle. Meine Unterstützung gegen eine Entschuldigung. Es ist wie alles auf dieser Welt ein Handel."
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Livia »

Amto nickte, diesmal langsamer. Irgendetwas hatte er verstanden.

"Was ist bei den anderen, die sich für wichtiger halten, gerade solche, die wahrlich machtvoller sind? Die sich einer solchen Entschuldigung oder Anerkennung verweigern? Sind sie Feinde? Wissen sie von euer großen Freindschaft? Könnten sie diese Aufheben?" In jenen belangen war Amto wohl selbst sehr unentschlossen, weich, wie Ton... und begierig nach labenden Wassern aus dem Mund des Prunkvollen.
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Sousanna
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Sousanna »

"Ich beuge mein Haupt vor jedem, der mehr erreicht hat als ich.", blieb die schlichte Antwort. "Ich beuge es, bevor mich jemand zwingen kann, dies zu tun."
Dann aber zeigte er ein feines Lächeln. Es war nicht boshaft, aber doch seltsam ... wissend. Wissend um unausgesprochene Gesetze ihrer beider Welt. "Freundschaft und Feindschaft sind brüchige Worte in unserer Welt, Bruder. Sie sind nicht mehr als eisige Schichten über Winterseen. - Ich habe aufgehört ihnen Bedeutung zu geben. Man kann sie benutzen - als Metaphern so zu sagen, weil es im kalten keine Worte dafür gibt, aber wir uns nach einer Bezeichnung sehnen. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, sie mit den menschlichen Begriffen zu verwechseln."
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Re: [1005] Männer mit Bärten [Livia]

Beitrag von Livia »

Auch jetzt nickte Amto wieder. "Wie bewertet ihr dies? Woher wisst ihr von Macht oder Ohnmacht eines Kalten? Wie geht ihr damit um, wenn es nicht deutlich ist - lieber vorsichtig oder waghalsig?"

Die anderen Worte des Großgewachsenen ließen ihn etwas zögern, das Nicken verstummte und seine Brauen hoben sich fragend. "Welche Worte haben noch Bedeutung bei jenen?" Eine gewisse Unsicehrheit lag in Amtos Frage.
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