[1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

[März '18]
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La Vedova
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[1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von La Vedova »

Eines Abends erreichte Amalia die Einladung in die Stadt.
Auf ein kleines aber qualitativ hochwertiges Stück Pergament war in geübter, säuberlicher Handschrift in roter Tinte folgender Text geschrieben:

"Werte Amalia,
Hoffentlich ist es Euch seit dem Hoftag gut ergangen.
Ich würde mich freuen, Euch morgen Abend in den Hallen meiner Thermen begrüßen zu dürfen. Mir wurde zugetragen, dass Ihr bis vor einer Weile des öfteren dort zu Gast wart und ich würde mich gerne mit Euch über die neusten Ergeignisse austauschen.

La Vedova"


Der Bote, ein Junge von vielleicht zehn Jahren, trat nervös von einem Fuß auf den anderen, wagte keinem ins Gesicht zu blicken und schien auf eine Antwort zu warten.
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Amalia
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von Amalia »

Als der Bote ankam würde er Amalia nicht erblicken können. Dario, der fette Ghul der Salubri, nahm die Botschaft mit fragender Miene entgegen. Dem Boten gab er ein paar Münzen und lud ihn ein etwas zu essen und zu trinken, solange er warten würde.

Während der tapfere Bote sich stärkte überreichte Dario Amalia die Einladung. Sie blickte noch viel verwirrter, konnte sie mit diesen komischen Zeichen noch viel weniger anfangen. Sie hatte ja gerade einmal die Sprache gelernt. So begab sich die Herrin zu dem Aufenthaltsort der Nonnen. Es gab nur noch wenig zu tun, und so waren sie froh darüber, eine simple Botschaft vorlesen zu dürfen. Die Antwort lies Amalia sogleich verfassen.

“Werte La Vedova,
Mit Freuden nehme ich Eure Einladung an. Lang ist es her, wo ich Euch zuletzt sah und so freue ich mich schon darauf Euch erneut zu treffen.

Amalia“


Die Albanierin bedankte sich bei den Nonnen und gab dem Boten, über Dario, die fertige Antwort.
"Ich kann deine Angst fühlen Mensch. Sie ist spürbar gegenwärtig. Ich kann mit den Fingern darüberstreichen und ihr krankes Aroma schmecken. Ist dieses Entsetzen Nährboden für Hass, dann lass mich daran laben und dich dabei völlig auslöschen."
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La Vedova
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von La Vedova »

In der folgenden Nacht hatte sich Seinfreda in einem schlichten Gewand in die Thermen begeben. Sie verbrachte hier nicht viel Zeit, konnte sie sich soch auf ihre liebe Angelique und deren Freundin Sousanna verlassen. In letzter Zeit hatte es hier jedoch ein wenig Ärger gegeben und so hatte sie beschlossen, sich um einige Anliegen hier selbst zu kümmern.
So saß sie gemeinsam mit Georg und Chaleo über die Aufzeichnungen im Verwaltungsraum gebeugt und betrachtete einige Zahlen und Notitzen. Dann seufzte sie, strich Georg liebevoll über den Rücken und verließ den Raum. Sie hatte wirklich besseres zu tun, als sich mit diesen Rechnungen herumzuquälen! Mit zusammengekniffenen Augen spähte sie durch den aufsteigenden Dunst über den Becken. Es war eine Ruhige Nacht, bisher hatte es keine auffälligen Vorkommnisse gegeben. Einige ihrer Mädchen ließen etwas gelangweilt die Beine ins Wasser baumeln oder unterhielten sich leise kichernd. Der Barde ließ auch noch auf sich warten.

Sie zögerte kurz, dann begab sie sich in die Umkleiden, schlüpfte aus ihrer Kleidung, wickelte sich in ein langes Tuch, das sie wie eine Toga trug, steckte die langen Locken hoch und begab sich zu dem wärmsten der Becken. Vorsichtig steckte sie einen Zeh in das Wasser, neugierig aber auch etwas unsicher. Obwohl sie seit Kurzem die Herrin der Thermen war, hatte sie den Luxus des Bades noch kein einziges Mal genossen. Sie hatte sich geschämt für ihre kranke, blasse Haut, die hier wahrlich nicht zu verbergen war und hatte sich sowieso noch nicht wohl gefühlt ohne die Sicherheit ihrer mehrlagigen Kleidung...Sie konnte selbst nicht mehr sagen, wann sie diese Scham entwickelt hatte, als Kind und Jugendliche hatte sie sich mit Freude in die Fluten gestürzt und als junge Frau hatte sie ihren Körper zelebriert...Doch nun war ihr der Anblick der eigenen nackten, grauen Haut zuwider. Wie oft hatte sie sich schon vorgstellt, in die makellose Haut eines ihrer Forschungsobjekte zu schlüpfen? Einmal hatte sie es sogar versucht, jedoch hatte es sich furchtbar falsch angefühlt...

So in Gedanken versunken ließ sich die Kappadozianerin in das Wasser sinken, fragte sich dabei, ob die Wärme den Verwesungsprozess vielleicht sogar begünstigte, schüttelte diese Bedenken jedoch ab.
Sie hoffte, dass Amalia bald auftauchen würde, zumindest hatte diese dem Treffen zugestimmt.
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Amalia
Salubri
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von Amalia »

Es dauerte nicht lange und dunkle Schatten streiften durch Genua. Eine allumfassende Finsternis durchwanderte die Nacht, ihr Ziel: Die Therme. Langsam rasselten die Ketten, welche den Leib der Salubri schützten und rhythmisch schwang die Axt auf ihrem Rücken auf und ab. Gedankenverloren und mit schweren Schritten kam die Bestie den Thermen immer näher, sollte dies sein? Sie hoffte nicht … und wenn doch würde ihr Ghul wissen, was zu tun war.

Am Eingang wurde sie mit gesengtem Blick in Empfang genommen. Die Männer hatten viel gesehen, doch der Anblick der Albanierin lies ihnen einen Schauer über den Rücken laufen. Zögernd stellte Amalia ihre Axt in die Halterung, nachdem sie das Wort bekommen hat, dass niemand sich ihr nähern oder sie gar berühren würde. Ihre Schritte führte sie Zielstrebig zu einer der Umkleiden, wo sie sich der Ketten entledigte. Mit wesentlich weniger Schamgefühl als die Kappadozianerin verließ sie die Umkleide, nackt, so wie große Mutter sie schuf. Sie blickte sich kurz um, sah hier und da ein paar Mädchen, welche jedoch ihrem Blick mal mehr und mal weniger geschickt auswichen. Nach einem kurzen Moment hatte sie ihr Ziel im dampfenden Wasser gefunden. Anders als Seinfreda, hatte sie ihre langen schwarzen Haare, welche zur Hälfte abgeschoren waren nicht hochgesteckt, sondern lies sie offen.

Wenn die Kappadozianerin zu ihrem Gast blicken würde, würde sie wahrhaft erschreckendes sehen. Der Körper der jungen Frau, welche wohl kaum älter als 17 oder 19 Winter alt sein musste, war übersäht mit Narben. Es würde schwer fallen eine Stelle der Haut ausfindig zu machen, welche unversehrt war. Quer über den Körper führte eine lange Schnittwunde, wohl von einem Großschwert stammend. Die Kehle zierte ein kürzerer Schnitt und die Stelle über dem Herzen, inmitten eines Kreuzes, war der Zeuge einer Pflockung zu sehen. Über der Brust selbst wahren zahlreiche kleine Narben, welche so wirkten, als würde die Bestie etwas an ihnen zählen. Das waren nur offensichtlichsten Narben, des Weiteren zierten viele kleine und große Schnitte die junge, weiße Haut, hier und da fehlten wohl mal Brocken von Fleisch und kleinere Verbrennungen waren auch zu sehen. Der Rücken der jungen Frau war ein deutlicher Zeuge von brutaler und erbarmungsloser Selbstkasteiung, hier waren mitunter die schlimmsten und grässlichsten Narben zu finden. Eindeutige Stellen, wo das Fleisch rausgerissen und die Haut komplett zerstört wurde, würden dem Auge der Totenbeschwörerin nicht verwehrt bleiben. Abgesehen, von diesem schrecklichen Bild würde Seinfreda auffallen, dass Amalia wohl einst sehr wohlgeformt war. Sie war gut gebaut und gut trainiert und ihre Arme, ihre Beine und ihr Bauch zeigten, dass diese Frau wohl wesentlich kräftiger war, als die jungen Dinger, welche sonst hier ihren Körper zur Schau stellten. Amalia setzte sich ohne zu zögern in das warme Becken und saß nun gegenüber der Witwe.

“Guten Abend La Vedova. Ich bin euch sehr dankbar für die Einladung … wie komme ich zu der Ehre?“

Ihre Augen fixierten die Beute, jene Christin, welche da vor ihr saß. Saphirblau und Totenweiß waren die beiden, welche direkt die Augen der Totengräberin einfingen. Die Stimme … wirkte etwas unpassend zu der rauen Erscheinung … war sie doch wesentlich sanfter und durch den fremdländischen Akzent, wirkte sie umso mysteriöser.
"Ich kann deine Angst fühlen Mensch. Sie ist spürbar gegenwärtig. Ich kann mit den Fingern darüberstreichen und ihr krankes Aroma schmecken. Ist dieses Entsetzen Nährboden für Hass, dann lass mich daran laben und dich dabei völlig auslöschen."
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La Vedova
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von La Vedova »

"Willkommen, Amalia", grüßte die Witwe ihren Gast. Die Augen hatten die Narben an dem Körper der Salubri gemustert, war ihnen gefolgt, hatte sie gelesen wie Schrift in einem Buch...So groß schien ihr der Unterschied gar nicht zu sein. Beides war tote Haut und beides erzählte eine Geschichte. Eine Geschichte von Schmerz, Brutalität, Gewalt und Demut...
Ja, die Gestalt der jungen Frau vor ihr war beeindruckend, erschreckend, furchterregend gar, aber vor allem...faszinierend! Mit den Augen einer erfahrenen Heilerin betrachtete Seinfreda unverholen die vielen Narben und Wunden und vor allem die Körperteile, denen offenbar ganze Partien zu fehlen schienen...
Kurz fragte sie sich, weshalb sich die Salubri wohl nicht geheilt hatte...dann erinnerte sie sich an die Männer, die von ihren Fahrten zurückkamen und die Narben als Beweise ihres Mutes und ihrer Stärke zur Schau trugen...
Ja, diese Walküre vor ihr tat genau das...Wer solche Zeichen trug, brauchte nicht mehr viel zu sagen.

"Wie schön, dass Ihr es einrichten konntet..."
Erst jetzt musterte sie die eigentümliche Haartracht und die außergewöhnlichen Augen Amalias.
"Ersteinmal wollte ich mich erkundigen, wie es Euch ergangen ist, nachdem es ja eine kleine...Auseinandersetzung mit meinem CLansbruder gab. Obwohl ich keineswegs ausdrücken möchte, mit Titus uneins zu sein, so hoffe ich dennoch, dass ihr die Taten eines Kriegers von jenen einer Gelehrten unterscheiden könnt...Ich hatte gehofft, dass wir uns auf den Neusten Stand bringen könnten, auch was die Seuche von Quinto betrifft..."
Sie hielt inne und sah Amalia aufmerksam an. War diese kampfeslustig und rachsüchtig oder tatsächlich für ein ruhiges Gespräch gestimmt?
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Amalia
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von Amalia »

Die Salubri lächelte und schloss das eine Augen, welches nicht erblindet war, das weiße blieb weiterhin auf den Zügen der Normannin ruhen … die Salubri sah sie weiterhin an, obwohl sie blind war. Amalia sog genüsslich den Duft der Bäder ein und lehnte sich gespannt zurück. Heute Nacht würde sie keinen Streit anfangen … dazu war sie nicht in der Stimmung, obwohl es beiden Frauen deutlich klar war … Amalia wäre auch nackt und waffenlos eine durchaus ernstzunehmende und erschreckende Gegnerin.

Es dauerte einen Moment der Unendlichkeit und kurz, bevor die Stille unangenehm wurde, erhob die Albanierin das Wort. Ihr Auge hatte sich wieder geöffnet und blickte kurz zu der langen unsauberen Narbe, welche ihren ganzen Körper zierte, kurz kam ein Geräusch aus ihrem Mund, welches einem kurzen Auflachen glich.

“Ja … eine „kleinere“ Auseinandersetzung … aber seid ohne Sorge … gegen euch hege ich keinen Groll, was könnt ihr schließlich für die … Stumpfsinnigkeit eures Bruders? Nichts. Ich bin nicht als Feindin oder Rächerin gekommen, wenn ich Rache haben wollte … würde ich nicht nackt mit euch im warmen Wasser sitzen … und ihr hättet es auch schon längst gemerkt … ich komme euch sogar entgegen … ursprünglich wollte ich noch Wachen mitnehmen, doch vertraue ich in euch und eure Ehrlichkeit, welche eine Tugend eines jeden Christens sein sollte.“

Kurz lies die Bestie ihre Worte wirken, spielte mit der Ungewissheit der Kappadozianerin.

“Nun … die Seuche in Quinto … hat sich erledigt. Die Muslime haben alle abgeschlachtet. Ich wäre gerne dabei gewesen … hätte versucht sie zu verteidigen, doch … nunja ich habe ja bereits die Stumpfsinnigkeit eures Bruders erwähnt. Momentan sind viele Häuser in Quinto leer, doch bin ich bereits dabei sie wieder zu befüllen, die Witwen des Krieges, welche auf der Straße leben sollen dort ihren Platz finden … zumindest so viele, wie dort hinpassen. Sie sollen ihr eigenes Geld verdienen und wieder mit beiden Beinen im Leben stehen. Zum Glück konnte mir Dario berichten was passiert ist. Scheinbar haben diese Heiden ein Massengebet überfallen, die Kranken sollten um ihre Gesundheit beten … ich habe extra einen Priester kommen lassen … nun ja … jene die nicht mit der Krankheit gestraft waren, waren zu der Zeit in den Häusern oder am Arbeiten. Zum Glück war eine Gruppe Söldner auf der Durchreise. Dario konnte gerade noch zu ihnen Eilen, und sie um Hilfe bitten. Die Leute sind ihnen sehr dankbar, haben sie doch noch das schlimmste verhindert, einige der gesunden Menschen waren schon aus ihren Häusern gerissen worden. Die Wachen welche ihr mir mitgegeben habt … haben übrigens vollkommen versagt. Ich hatte mich schon gefragt, warum ich die Leute bekomme, welche mit knapper Mühe den Krieg überlegt haben … vielleicht war das ja auch nur ein Teil des Vertrauenstestes.“

Die Kriegerin schnaubte kurz aber nicht unbedingt bedrohlich oder aggressiv … viel mehr klang sie enttäuscht, enttäuscht darüber, dass der Vertrauensbeweis, wie auch schon bei Gaius nur einseitig gewesen war, dass man sie verurteilte, nur weil sie im Krieg den Preis zahlen musste.

“Das ist erstmal alles, was ich zu Quinto sagen kann … euren Heilerinnen geht es übrigens gut, ich soll euch Grüße bestellen. Sie vermissen ihr bleiche Schwester … apropos bleich …“

Der Blick der Bestie blieb an dem Handtuch hängen.

“Weshalb versteckt ihr eure Haut? Tragt ihr Narben und schämt euch sie zu zeigen? Tragt ihr wie ich die Zeichen der Sünde auf dem Rücken und wollt sie geheim halten? Ich verstehe es … doch seid euch gewiss … vor mir müsst ihr euch nicht schämen.“

Sie schenkte der Kappadozianerin ein liebevolles Lächeln, welches Zuversicht und Verständnis versprach … bemerkenswert, wie anders jenes Monster wirken konnte.
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La Vedova
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda fuhr stetige Bahnen mit der Hand durchs Wasser, während Amalia berichtete. Sie seufzte, ja diese Geschichte war ihr bekannt. Sie nun noch einmal von der Salubri zu hören, machte sie nicht schöner.
„Das ist alles furchtbar…“, seufzte sie, als Amalia geendet hatte. „Gott sei ihrer armen Seelen gnädig… Die Wachen…nun, dem hätten sie auch nichts entgegensetzen können, dazu waren sie zu wenige. Aber ja, es tut mir leid, dass sie unfähig waren. Wir haben nicht damit gerechnet, dass ein solcher Angriff stattfinden würde, wir dachten an eine friedliche Missionierung und Heilung der Kranken…“

Sie betrachtete ihre Gegenüber mit schief gelegtem Kopf „Doch ist das nicht ein seltsamer Zufall..? Ein Sarazenenangriff genau in dem Augenblick, als gerade alle Kranken an einem Fleck sind… Ein blutiges Gemetzel, das nur die armen Seelen trifft, die von der Seuche betroffen waren…Und welch ein Glück, dass gerade zu diesem Zeitpunkt ein Söldnertrupp auf der Durchreise war…“
Ihre Stimme klang eisig, sie schüttelte den Kopf „Nun, ich glaube an Wunder und ich glaube daran, dass wir durch Gottes Hilfe errettet werden können, ich glaube sogar daran, dass es Umstände gibt, Zufälle, Zusammenhänge, die wir nicht verstehen… aber dies war kein solcher Zufall. Es war auch keine Verkettung von unglücklichen und glücklichen Umständen….Das war Massenmord, ein Gemetzel, eine Sünde…“
Inzwischen hatte sie ihre Hände zusammengeballt. „Das war nicht Gottes Wille, sondern ein abgekartetes Spiel. Jemand wollte die Kranken loswerden…jemand hat diese unschuldigen, guten Christenmenschen heimtückisch ermordet, als sie gerade am verletzlichsten waren wie Tiere auf der Schlachtbank…“
Amalia konnte sehen, dass das sonst so ruhige Gemüt der Kappadozianerin von Zorn geschüttelt wurde. Die Augen funkelten Meeresgrau…das Grau eines aufgewühlten, tosenden Ozeans.
„Versteht mich nicht falsch, dies ist kein Vorwurf an Euch, Amalia...Ihr wart nicht anwesend und dafür konntet ihr nichts… Und es liegt mir für gewöhnlich auch fern, vor… dem Tod… zurückzuschrecken. Aber dies…dies war ein Frevel! Und derjenige, der dies getan hat, gehört verflucht, sage ich. Er gehört gerichtet für seine Sünde, verfolgt, gepfählt, gevierteilt…seine Wunden gehören gesalzen und seine Augäpfel herausgenommen und zerdrückt wie reife Pflaumen…Seine Haut gehört abgezogen wie die eines Tieres, sein Fleisch an die Hunde verfüttert, seine Knochen zermahlen…“
Sie hieb mit ihrer Faust auf die Wasseroberfläche des Beckens, hatte sich in Rage geredet, ihre Haare hatten sich zum Teil gelöst, die Augen waren gefüllt mit blutigen Tränen der Wut. Sie fing sich nur schwer, dann presste sie hervor: „Er sei verflucht, auch wenn er es vermutlich schon lange ist…“
Dann starrte sie auf die sich wieder beruhigende Oberfläche des Wassers…
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Amalia
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von Amalia »

Eine düstere Vorahnung umspielte den Geist der dunklen Jägerin. Die Witwe wusste es … sie wusste wessen Söldner es waren die das Dorf retteten und nun bewachten … interessant. Amalia selbst wartete bis Seinfreda sich einigermaßen beruhigt hatte. Bei der Aufzählung der Strafen schloss sie kurz ihr Auge … was für ein süßer Nektar doch die Rache war. Süß und rein und ähnlich einem toten Körper … kalt wie Eis. Die Albanierin blickte in die geröteten Augen ehe sie wieder mehr als familiär die Rothaarige anlächelte. Ein Lächeln, so lieb wie der Sonnenschein.

“Niemals würde ich euch vorwerfen, dass ihr mir solche Dinge vorwerfen würdet, doch müsst ihr Acht geben … die Art der Rache und Strafe … klingt nicht sehr christlich.“

Die Bestie lachte kurz auf, ehe sie sich erhob und neben die Witwe setzte. Eine Hand legte sie schwesterlich auf die Schulter der Kappadozianerin.

“Grämt euch nicht länger meine Gute … die Nacht ist noch so jung … wir sollten diesen angenehmen Abend etwas genießen … uns nicht aufhalten an Tod und Verderben. Kennt ihr eine Geschichte oder ähnliches? Wegen mir können wir auch über Gott und die Kirche reden … doch lasst uns nicht weiter die Toten betrauern … sie plagen meinen Geist schon oft genug … und ich bin froh, wenn ich mal nicht von der Schuld des nicht da seins zerfressen werde.“

Die Hand war beruhigend und die Worte mehr als mitfühlend. Scheinbar war die Salubri daran interessiert der Blassen ein Lächeln abzuringen.
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von La Vedova »

Als sich Amalie zu ihr hinübersetzte, blickte Seinfreda überrascht aus und als sie dann auch noch ihre Schulter berührte, zuckte sie vor der Salubri zurück und bedeckte die Stelle mit dem Stoff ihres Badetuches.
Wie konnte Amalia so einfach über all diese Dinge hinwegsehen?

"Mir werft ihr vor, nicht christlich zu sein?", zischte sie erboßt. "Soll ich Euch sagen, was nicht christlich ist? Der Mord an betenden Menschen während eines Gottesdienstes! Das Wegsehen, wenn Sünden begangen werden, das Ignorieren von Unrecht, das ist unchristlich!"
Sie blickte zu Amalie hinüber. Zorn erfüllte ihr Gesicht, ihr ganzer Körper war angespannt. "Auch Gott spricht von Rache..und er hasst die Sünde!"

Sie schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Wie falsch dieses Lächeln an Amalia aussah...und wie wahr der Genuss bei ihren Rachegelüsten...Und nun wollte sie Seinfreda lächeln sehen? Nun, das konnte sie haben...

"Natürlich ist es nur an Gott selbst, Vergeltung zu üben...Doch sind wir nicht Gottes Werkzeuge?"
Seinfreda zwang ihre kalte Maske zu einer lächelnden Fratze, während die roten Tränen die Wangen hinunterliefen. Es sah grotesk aus.

"Ihr wollt eine Geschichte hören? Nun, gerne, werte Amalia...schon meine Mutter war eine begnadete Geschichtenerzählerin und auch ich lasse mich nicht mehrfach bitten. Hört her, Amalia...hört die Worte der Alten.




Nachdem Gudrun Atli getötet hatte, ging sie ins Meer, um sich umzubringen. Doch die See wollte sie nicht schlucken, da sie ihr zuwieder war. So wurde Gudrun von den Fluten über den Sund getragen an das Land eines Königs, der sie zur Frau nahm. Sie hatten drei Söhne und eine Tochter...und da war Verrat. Der König ließ den Verräter henken und seine untreue Tochter von Pferden zertreten..und als die traurige Mutter dies hörte, geriet sie in unbändigen Zorn.Sie rief ihre Söhne herbei...

Nie hörte ich Worte so herzzerschneidend,aus tödlicher Trauer emporgetragen,als da die grimme Gudrun die Söhne zur Rache reizte mit der Rede Schärfe:

"Was sitzt ihr säumig, verschlaft das Leben? Wie freut euch fürder noch frohes Gespräch, da Jörmunrek die blühend junge von Pferden zerstampfen ließ, eure Schwester, auf offenem Wege von weißen und schwarzen, grauen, gangzähmen gotischen Rossen!?
Sehr ungleich seht ihr Gunnars Geschlechte, nicht hohen Herzens wie Högni war. Ihr würdet ihr, wähn ich, nicht weigern die Rache, hättet ihr Mut wie meine Brüder!"

Da antworteten ihr die Söhne, denn sie waren von treuem Mut:
"Unsere Mutter ist von blutes Rache getrieben und will uns nun zu Rächern machen. Die Bettdecke unserer Schwester war, das blauweiße Stickwerk, rot getränkt mit Blut. Nun können wir die jüngste , die Schwester, rächen. Hol uns das Heergerät der Hunnenkönige, weil du zum Waffenspiel und erweckst!"

Wie gerne ging Gudrun zum Rüstsaal, nahm aus den Kisten den königlichen Helmschmuck, die breiten Brünnen und brachte sie den Söhnen. Die Mutigen bestiegen ihre Mähren und sprachen:

"Wir werden nicht zurückkehren, bis wir unsere Aufgabe erfüllt haben!"

Da ging der Mutter das Herz auf und sie erinnerte sich an all die Unbill ihres Lebens, was ihr geschehen.
"Drei Häuser hat ich, drei Herdgluten, drei Gatten und drei Söhne..doch nur eine Tochter, die mir nun genommen!
Der Erste mann von meinen EIgenen Brüdern getötet, so mussten auch sie gehen! Der zweite voll Boßheit, so hieb ich ihm vom Halse das Haupt. Den Nornen gram ging ich an den Strand, der falschen Verfolgung wollt ich entfliehn.
Mich hoben, nicht schlugen die hohen Wellen, zu längerem Leben stieg ich ans Land. Im neuen Ehebett hofft ich Verbesserung, zum drittem Mal vermählt. Der Erzeugten liebt ich zärtlicher keinen. So schien Swanhild meinen Sälen wie ein Sonnenstrahl die Sinne labte.
Dahab ich den härmsten Harm empfunden, als die leuchtenden Locken in den Staub stießen die stampfenden Rosse...
Das war mir das Schwerste, als den Sigurd sie mir erschlugen im Bett und das am grimmsten, da Gunnard dort das Leben fraßen die falschen Schlangen aber am schärfsten schnitt mir ins Herz, da die leben zerteilten die Tadellose...

Viel Leides gedenkt mir, viel langen Kummer!"

Seinfreda schloss die Augen und intonierte die letzten Zeilen voller Innbrunst:

"Säume nicht Gaius, dein schimmernd Roß, das laufgeschwinde, lenk es hierher...Nur sitzt hier weder Schnur noch Tochter...Gedenke, Sigurd, was wir sprachen, da wir beide im Bette saßen: Dass du kommen wolltest!
Kühner zu mir aus der Halle der Hel!
Mich heimzuholen, mich mitzunehmen, mich nie zu verlassen, mich zu retten auch nach dem Tod!
Schichtet nun Jarle, die Eichenscheite, dass sie hoch in den Himmel ragen! Das leidvolle Brunst mir das Feuer verbrenne, vor Hitze der Harm im Herzen schmelze, in dieser ewig kalten Brust!"


Einige lange Augenblicke herrschte Stille in den Thermen. Dann hörte man aus den anderen Becken Beifallsbekundungen. Offenbar hielten die anderen Gäste dies für ein Gelungenes Schauspiel.

Doch die Kappadozianerin blickte bloß schmerzerfüllt ins Leere. Wie sehr fühlte sie sich Gudrun doch verbunden, die Witwe...
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Amalia
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Re: [1006] Ein feuchtes Vergnügen [Amalia]

Beitrag von Amalia »

Der tosende Beifall hielt nicht lange an, spätestens, als Amalia zu den betreffenden Personen blickte guckte diese beschämt zu Boden, wollten nicht kreuzen den kalten Blick des Todes. Lange Zeit nachdem die Geschichte endete herrschte noch Stille zwischen den Frauen. Die Hand hatte Amalia wieder weggezogen, sie hatte sich sogar wieder umgesetzt saß nun wieder der Witwe gegenüber. Innerlich lächelte die Heidin, ein Lächeln, welches sie nicht nach außen trug. Sie hatte genug aufgepasst und scharfsinnig ihren Ghul ausgehorcht … sie wusste um den Glauben der Christen, sie wusste um den Glauben des Feindes. Sie hatte ihn gelernt und konnte ihn so täuschen. Das war eine wahrlich wichtige Waffe. Die Witwe wusste was unchristlich war … sie zählte es auf, und Amalia vollendete die Liste … Priestermord, unzählige Folterungen, unzählige Morde, Menschenopfer, die Liebe zu einer Frau, Kirchenbrand, Ketzerei, Raub, Diebstahl… Die Liste würde noch weitergehen und sollte sie jemals beichten müssen, so würden die Strahlen der Sonne sie verbrennen. Sie blickte der Kappadozianerin ins Gesicht … das kalte Lächeln wurde erwidert, doch anders als zuvor. Ein bedrohliches Lauern lag darin, ein beunruhigendes Lächeln. Seinfreda lächelte zu Amalia und das Tier lächelte zurück. Für die Kürze einer Sekunde erblicke Seinfreda die Bestie Krujas, eine Frau, welche vieles sah, und noch viel mehr tat. Eine Frau, welcher menschliches Leben egal war … sie sah den Nutzen ihn ihnen, doch mehr auch nicht. Was Seinfreda sah, war das Antlitz des puren Hasses. Nicht gegen sie selbst … viel mehr … allumfassend. Menschen, Kainiten, Christen, Gott. Die gesamte Welt menschlich wie auch kainitisch wurde von dieser Person gehasst und verachtet. Und dann? Von jetzt auf gleich blickte Amalia erschrocken drein, fast so, als würde sie sich für das, was Seinfreda sah, schämen, als täte es ihr leid. Als wäre sie wie ausgewechselt. Der Schock übermannte Amalia und eine einzele Träne lief ihre schöne Wange hinab. Irgendetwas stimmte nicht mit dieser Frau … diese Frau war gefangen in ihrem eigenen Geist. Schweigen. Verzweiflung. Dann nach mehreren Minuten, in denen der Blick der Albanierin Hilfe suchend hin und her zuckte erhob sie wieder das Wort.

“Es tut mir leid. Sehr. Ich dachte es würde helfen ... euch auf andere Gedanken zu bringen. Scheinbar hat es euch nur erzürnt und das tut mir leid. Niemals würde ich euch vorwerfen nicht christlich zu sein … es war ein Fehler von mir und ich habe euch, ohne Absicht tief beleidigt.“

Amalia klang anders, ihre Stimme … war weicher geworden, trugen die Worte ein Flehen mit sich? War diese Frau verzweifelt? Es würde schnell klarwerden, dass diese Kainitin es mehr als ernst meinte. Die Bestie Krujas blickte traurig und entschuldigend drein, ehe ihr Blick gen Boden wanderte … fast so, als würde sie es nicht wagen in die grauen Augen zu Blicken. Warum musste es jetzt geschehen? Warum nicht dann, wenn Sousanna dabei war … oder Sofia. Amalia erhob nicht den Kopf als sie weitersprach, blickte nur auf das warme Wasser und ihren eigenen, verstümmelten Leib.

“Zu aller erst möchte ich euch danken, danken für diese Geschichte. Die Namen waren zwar etwas schwer und einige Wörter habe ich nicht verstanden wie Halle der Hel … doch hat sie mir sehr gefallen. Eine Geschichte über Schmerz und Rache … die Geschichte einer Frau, welche viel Schmerz erleiden musste. Eine traurige Geschichte. Ihr habt recht. Es liegt alleine an Gott zu richten … und ich bin mir sicher, dass auch eines Tages mein Leben wird sei es nun durch die Hand Gottes oder einem seiner Rächer … nun sagt mir, wenn ihr wollt … an wem wollt ihr euch rächen? Wen beschimpft ihr als unchristlich? Wer soll der Sünder sein und wie wollt ihr ihn hinabwerfen in die … Hölle?“

Langsam blickte Amalia wieder in die Augen der Nekromantin, ihre Augen sprachen von Unsicherheit, von der Suche nach Hilfe, der Suche nach jemandem, der sie verstand, der ihr Helfen konnte, selbst wenn Sofia und Sousanna weit entfernt waren.
"Ich kann deine Angst fühlen Mensch. Sie ist spürbar gegenwärtig. Ich kann mit den Fingern darüberstreichen und ihr krankes Aroma schmecken. Ist dieses Entsetzen Nährboden für Hass, dann lass mich daran laben und dich dabei völlig auslöschen."
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