[1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

[März '18]
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Livia
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[1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von Livia »

Es war eine schöne Nacht des kalten Hungerwinters, Livias Lebensmittellieferungen waren eifrig geflossen, aber doch war die Stadt unendlich hungrif und jeder einzelne Kainit der sich simpel als Spender integrieren wollte... war doch nur ein Mensch - ein Tropfen auf den heißen Stein.

Livia hingegen war nicht hungrig... Sie hatte sich ankündigen lassen und war zur Witwe herangetreten, auf den höchsten der Türme ds Feste erneut. Erst die letzten Stufen auf den Treppen waren von ankündigender Lautstärke.

Kurz stand sie wie schüchtern da, als sich die Hausherrin ihr zugewandt hatte, grüßte sie mit etwas gesenktem Blick. "Hohe Mutter, es ist schön euch zu sehen, dem Herrn zum Gruße." Dabei neigte sie kurz das Haupt. Livia hatte um das Treffen gebeten, sie wirkte erneut sehr glühend - wie auch bei ihrem ersten und zweiten Treffen - nur nicht mehr so eingeschüchtert, wie zuvor, zumindest nicht ganz.
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La Vedova
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda lächelte etwas belustigt ob der respektvollen Anrede, die sie nicht gewohnt war. "Buonanotte, Livia", begrüßte sie die andere und nickte ihr ebenfalls zu. Der eisige Wind wehte um den Turm und erfasste die Kleidung der beiden rothaarigen Frauen. Die Witwe trug wie meistens die Tracht der Schwestern von Sant Agnese, einfache dunkle Wollkleidung und ein Kreuz um den Hals.
Sie hatte sich schon auf die Ankunft der jungen Händlerin gefreut, auch nach dem etwas ungelenken Zwischenfall bei den Feierlichkeiten vor einer Weile.
"Ich freue mich ebenfalls, Euch zu sehen. Wie ist es Euch ergangen? Gibt es Neuigkeiten?", fragte sie freundlich.
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Livia
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von Livia »

Livia stellte sich langsam neben Vedova "Gut" Hauchte sie lächelnd. "Sie dort, dort wird im kommenden Jahr mein Kontor entstehen." Erläuterte sie glücklich.

"Ich habe einige spannende Gespräche und Ideen und Gedanken gehabt.
Doch zuerst..." sie pausierte.
"Will ich euch danken... wegen des Gottesdienstes." Das Lächeln war sanft aber tiefgehend. "Ihr habt mich... gehört, ihr könnt euch kaum vorstellen, wie wichtig und wertvoll dies für uns - von den niederen Häusern - ist. Es war ganz und gar euer Gottesdienst und ich hoffe, diese Tradition wird leben. Aber ich danke euch..."

Doch sie war nicht hier, um über den Gottesdienst zu plaudern, noch nicht.
"Was eure Kunst in dieser Kapelle anging jedoch! Ich bin... ich war... ich war gebannt. Hättet ihr mich nicht an einen schönen Platz geleitet. Ich glaube... ich glaube ich hätte mich nicht lösen können.
Was für ein unendlicher Formen- und Bilderreichtum! Diese Nuancen um eine einzelne Farbe herum! Und diese Figuren... sie haben etwas in mir ausgelöst, schwerz u beschreiben..." Langsam brach sie, wie erneut in gedanken gefangen, ab zu sprechen, startete zu schwelgen und Seinfredas Worte sehnsüchtig zu erwarten.
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La Vedova
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda machte eine abinkende Handbewegung "Ach, der Gottesdienst. Dafr braucht Ihr nicht zu danken, denn eigentlich hätten wir das schon viel früher tun sollen. Doch die Furcht vor den Streitereien der unsrigen hat uns davon abgehalten. Ein weiteres Lehrstück für Mut und Glaube...", sie blickte fröhlich zu ihrem gast hinüber "Und wie schön, dass Euch die Kunst der Kirche inspirieren konnte. Es wird seit Jahrhunderten wenn nicht seit Jahrtausenden an der Herstellung geeigneter Farben geforscht. Dies war ein Experiment, wie das strahlendste Rot angebracht werden konnte. Noch immer bin ich nicht gänzlich zufrieden, doch die Zeit wird mir schon noch Eingebungen schenken. Welche Figuren haben Euch denn so beeindruckt? Waren es jene im Chor oder über den Säulen im Hauptschiff? Oder jene über dem Eingang?", fragte sie interessiert. "Ich habe mich bei der Gestaltung an der Offenbarung des Johannes orientiert, an der Apokalypse, es würde mich nicht wundern, wenn Euch einiges bekannt vorgekommen wäre?"
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Livia
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von Livia »

"Manchmal... da zahlt sich Vertrauen aus. Manchmal klappt nicht alles, wie man es erwartet, manchmal übertrifft man sich selbst, manchmal zahlt sich auch das Misstrauen aus... aber in diesem Fall." Ein Lächeln schloss ihr Resumé des Gottesdienstes ab. "Ein Lehrstück" benannte sie es freimütig.

"Was eure Kunst angeht... Nun..." Livia wirkte fast verlegen. "Ja, das Rot war wirklich blendend... aber ein anderes Detail ist mir aufgefallen." Sie hob etwas zaghaft die Braue. "Womöglich irrte ich aber auch..." Sie blickte schüchtern zu Boden. Dann aber konnte sie der freundlichen Forderung der Kappadozianerin nicht länger widerstehen und gab nach - auch aus eigener Neugier und Begeisterung. "Die Reiter... sie... wart ihr inspiriert?" Sehr vorsichtig kam jedes Wort - nicht, dass die schöne Tote sie gleich vom Turme stoßen würde.

"Aber ich habe mir dazu auch etwas ausgedacht..." Das Grinsen wurde etwas schräger, ich würde mir diese Freiheit nehmen wenn ich darf... antwortet mir danach, so es euch beliebt... doch kamen mir Worte in die Ohren - aus eurer Heimat - die mich gar an diese von euch gezeichnete Szenerie erinnerten..." Das Grinsen hatte sich unlängst in ein sehr zartes Lächeln verwandelt, erneut geriet Livia zunehmend in ihre GEdanken gen der Kunst und Schönheit und verließ diese Sphäre des Sein langsam... dann zog sie ihre kleine Laute hervor und setzte zu einem fränkischen Stück an, untermalt mit leiser schöner und femininer Stimme - und doch, ein Minnelied?

"Mir ist ein wip,
so nahen durch die ougen min
gebrochen in daz herze.
nu merket, welch ein strazen
si ir hat erkorn!
Des muz min lip
von schulden ir gefangen sin.
Dannoch so wil der smerze
im nicht genügen lazen,
des bin ich verlorn.
Der hat mir brende
so behende
an mins herzen pin gebrant,
des hat ein siuche sich erhaben:
swaz ich von brenden ie bevant,
daz ist an sender arebeit
gein solchen brenden wol begraben."

Die junge Merkurianerin hatte ja keine Ahnung, wie unendlich treffend jedes einzelne Wort das Monstrum vor ihr beschrieb...
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La Vedova
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von La Vedova »

Langsam nickte die Nordländerin "Ja, ich war inspiriert von den Worten des Johannes...die ersten vier Siegel, er sagt voraus, dass ein weißes Pferd erscheint, der Reiter mit einem Bogen. Dann ein feuerotes Pferd und der Reiter trägt ein Schwert. Das dritte schwarze Pferd mit der Waage in der hand des Reiters und das letzte, fahle Pferd, das vom Tod geritten wird, der die Macht über ein viertel der Erde bekommen soll...", sie blickte hinaus auf die Wellen und macht ekeinerlei Anstalten, irgendetwas oder jemanden vom Turme zu stürzen.
"Sie symbolisieren Kriege, die Vorboten der Apokalypse. Kriegsausbruch, Blut , Krankheit und Hunger und dann Niedergang und Tod...", sie kniff die AUgen zusammen "Und ja, womöglich war ich inspiriert von gewissen Ereignissen der letzten Jahre...So viel Kämofe, Blut, Krankheiten, die sich ausbreiten und Missgunst, die mir beinahe eine noch größere Plage erscheinen will...Als ich die Kirche bemalte, fragte ich mich immer wieder, wie wir als Streiter Gottes gemeinsam kämpfen sollen, wenn wir uns doch bloß gegenseitig zerfleischen."
Bei diesem Worten wirkte sie wahrhaft traurig "Wann immer ich glaube, Freunde und Verbündete zu finden, stellt sich heraus, dass Intriegen und Verrat selten fern sind. Ich wünschte nur, auch den anderen würden die Augen geöffnet durch den wahren Glauben. Doch sie verstehen nicht, dass sie sich bloß ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie dem Tier in sich nachgeben...der Sünde nachgeben..."

Die feine Stimme der Merkurianerin hob ihre Stimmung nicht unbedingt. Die Worte entfachten die verzweifelte Liebesglut in ihrer Brust zu neuen Flammen und so sah sie die Merkurianerin schmerzerfüllt an. "Oh wie grausam sind diese Zeilen", hauchte sie und griff sich an die Stirn. "Wie kann es sein, dass Ihr um diese Qualen wisst? Oh, Livia..."
Nun erhob auch sie ihre Stimme, die bei weitem nicht so ausgebildet war wie die der Sängerin. Doch nach Jahrzehntelangen Kirchenchorälen wusste sie zumindest die Töne zu halten. Die Stimme zitterte leicht und wurde vom Wind um den Turm getragen, flatternd wie Federflügel..

Ich clage min not,
ich clage min unbewante zit,
daz ich nach den im hulden
mit senen habe gerungen

Der gicht, der tot
müze enden miner helfe strit
bistu von solchen schulden,
min hel sust were verdrungen.

secht, nu stille stat min rücken: gelücke,
daz e flücke was
und wande ouch immer wesen,
ich wene, im si vederen zal

zu sinen vetchen vil gelesen
swenn ez die höhe fliegen wil,
daz es muz vallen hin zu tal...."

Sie sah furchtbar traurig aus, so als sei etwas in ihr zerbrochen. "Meinem einst flüggen Glück sind all seine Federn ausgefallen...wann immer es in die Höhe fliegen will, stürzt es bloß hinab", wiederholte sie leise und ging hinüber an den Rand des Turmes, nach unten in die dunkle Tiefe blickend.
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Livia
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von Livia »

Livias Augen weiteten sich trauervoll, bei den grausamen Worten ihrer mütterlichen Freundin - oft verraten? Sie war ihres Geliebten beraubt worden, aber Verrat? Livia stand in gefährlicher Situation, es gäbe vieles, das leicht misszuverstehen wäre, bei ihr... aber doch.

Als dann die Fremdländerin selbst zu singen begann, lauschte ihr Livia mit offenem Herzen - was war keine prachtvolle Kunst, aber es war wahre Emotion... offensichtlich hatte die Witwe ihre Worte nicht ganz aufgenommen, und doch schien sie sie stark auf sich selbst beziehen zu können. Damit hatte die Kunst doch erneut ihre Seele gezeigt und berührt zugleich.

"Oh Seinfreda, dein Schmerz... er ist überwältigend und paralysierend. Mein Herz kennt diese Qualen nicht im letzten und nicht in diesem Leben. Wills wohl auch nicht.
Wofür muss man solchen Preis zahlen? Welches Gut auf dieser Erde ist diese Qualen wert, dass du sie auf dich genommen hast und sie jetzt trägst wie die Gottesmutter die Qualen getragen hat, ihren Sohn zu Grabe zu tragen, ehe er auferstand?" Dramatisch hatte sie sich zu ihr gestellt und war in Rührung ob der warmen Trauer der so kalten Toten.
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La Vedova
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda schüttelte nur stumm den Kopf. Die wusste die Antworten auf Livias Fragen nicht und in diesem Moment des stumpfen Erinnerungsschmerzes ärgerte sie das nicht einmal. Wo sie sonst begeistert gewesen wäre von Philosophie und Livias Neugier das Feuer des Wissensdurstes in ihr entfacht hätte, spürte die Nordländerin nun bloß Schwermut über die hereinbrechen.
Sie wollte so gerne Tränen vergießen über den großen Verlust, den die hatte hinnehmen müssen, nicht einmal, nicht zweimal, nein...nun ein drittes Mal und diesmal mit so viel hinterlassener Leere wie nie zuvor. Sie wollte so gerne wahre Tränen aus Wasser vergießen, nicht aus Blut. Und so weinte sie nicht, sondern starrte nur blind in die Dunkelheit hinab.
Wofr musste sie diesen Preis zahlen? Sie wusste es nicht und ahnte es doch. Das Unleben, das sie gewählt hatte, forderte seinen Preis. Nahmen die Toten nun vielleicht doch Rache an ihr? Wie nah war sie dem Reich der Toten in ihren Forschungen und in der Erfüllung ihres Dienstes schon gekommen? Waren die Grenzen verwischt? Griffen die rachsüchtigen Verbilchenen nach ihr, gierig ihr alles zu nehmen?
Was war ihr denn nun noch geblieben außer ihrem Sohne, der jetzt nach Gaius verschwinden auch bloß dem Tode geweiht war? Und was wäre dann noch von ihr übrig? Nichts als leblose Tintenworte auf toter Haut. Nichts als geronnenes Blut auf stummem Stein. Schon jetzt waren alle aus iher Vergangenheit längst verblichen, die Erinnerungen an die Frau, die sie einst gewesen war sogar in den eigenen Erinnerungen nur noch graublaue Schatten. Nichts.

Es waren Augenblicke wie diese, in denen die Witwe ihr Glaube an das große Ziel verließ. Die Sinnlosigkeit ihrer Existenz in Form einer endlos schwarzen Dunkelheit breitete sich vor ihren Augen aus. Dies waren die Augenblicke, in denen sie sich nichts mehr wünschte, als wieder richtig fühlen zu können, und wenn es doch bloß Schmerz war.
Es waren Augenblicke wie diese, an denen die hochgewachsene, blasse Gestalt der Witwe die Stufen zu Türmen wie diesem erklomm, mit fahrigen Bewegungen auf die steinerne Brüstung stieg und einen weiten Schritt hinein in diese Leere tat.



Wo eben noch die dunkle Gestalt Seinfredas gestanden hatte, blickte LIvia nun in den dunklen Nachthimmel. Mit einem leisen Flattern des Nonnengewandes war die Gestalt der Kappadozianerin direkt vor ihrer Nase einfach nach vorne getreten und gefallen.
Ein dumpfer Klatsch am Fuße des Turmes kündete davon, dass Livia sich all dies nicht eingebildet hatte.
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Livia
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von Livia »

Die Merkurianerin erkannte die wahre und ehrliche Tragödie, die sich in den Zügen ihrer mütterlichen Verbündeten abspielte - sie erkannte auch die Ästhetik darin und mit jedem Augenblick, war sie stärker gefangen, eingesperrt und gepackt, verzaubert und gebannt... in dieses Schauspiel des Schmerzes, das wunderbare Theater der Tragödien, der Qualen... ein katharsischer Einblick in die Höllen der diesseitigen Existenz.

Doch wo der Zauberbann sich langsam gewoben hatte, da brach er abprubt ab... und ward gebrochen, von dem sausen des Windes und dem grässlichen klatschen des Todes... und die eben noch vor Verzückung und Mitgefühl paralysierte Livia stand nun mit weit geöffnetem Munde und erstarrt vor Schrecken da.

Es dauerte sicherlich einige Lidschläge, bis sich die Erstarrte - einem Reptil gleich - wieder bewegen konnte und völlig panisch den Turm hinabblickte und danach hinuterrannte... der sicherlich schwer verletzten Herrin entgegen...


"Seinfreda! Seinfreda!" Rief sie mit zitternder und eher leiser Stimme als sie den Turm verließ, in der Hoffnung, die Kainitin habe ohne Starre den Sturz überstanden. Die Sorge und Aufregung stand ihr hoch im Gesicht.
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La Vedova
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Re: [1006] Tratsch und Klatsch [Seinfreda]

Beitrag von La Vedova »

Als die besorgte junge Frau endlich die vielen Stufen des Turmes hinuntergerannt war und aus der Tür des Turmes stürzte, dah sie dort gerade eine Gestalt zusammengesunken an der Mauer des Turmes im Staub liegen. Die roten Haare htten sich im Sturz halb gelöst und umrahmten den bleiben Kopf der Kappadozianerin beinahe wie eine Blutlache.
Auf ihre Rufe hin kamen auch zwei der Wachmänner angerannt, die in dieser Nacht Schicht hatten, mit den Händen an ihren Waffen und ebenfalls besorgten Blicken steuerten sie auf LIvia zu, die dunkle am Boden liegende Gestalt sahen sie wohl noch nicht. Noch waren sie jedoch ein Stück entfernt, hatten sie doch zuerst von der Mauer steigen müssen.

Seinfreda hatte sich seit dem Aufprall kaum bewegt. Bloß ihren Kopf hatte sie zur Seite gedreht, als sie Livias Rufe gehört hatte. Sie seufzte frustriert auf und beobachtete die herbeieilenden Männer vom Boden aus ihren tiefliegenden Augen.
Sie fühlte sich so schwer, als würde sie von mehreren Säcken mit Steinen niedergedrückt, wollte sich nicht bewegen. Wollte gar nicht wissen, ob etwas gebrochen war. Nur kurz war ein dumpfer Schmerz durch ihren Körper gefahren, als sie aufgekommen war. Der Nachhall steckte noch in ihren Knochen.
Nur kurz hatte sie gehofft, nicht zu fallen, sondern wie eine Feder im Wind davon zu schweben. Doch natürlich war dies bloßer Unfug.
Langsam rappelte sie sich auf, jede Bewegung eine Überwindung, bis sie schließlich an der Mauer lehnend zr Ruhe kam und die Arme um sich schlang.
Sie fühlte sich schwer wie Blei. Kaum hörbar und mit zitternder Stimme begann sie die vorige Melodie fortzuführen, die Schrammen an ihrem Körper völig ignorierend.


"Mir ist alle zît als ich vliegende var
Ob al der werlte und diu min alliu si
Swar ich gedenke, vil wol sprung ich dar
Swie verre ez ist, wil ich, sost mirz nâhe bî

Starc unde snel, beidiu rîche unde frî
Ist mir der muot: dur daz loufe ich sô balde:
Mirn mac entrinnen kein tier in dem walde -
Daz ist gar gelogen: ich bin swaere als ein blî..."
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