[1007] Die wilde Jagd (Sousanna)

[April '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Livia
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Re: [1007] Die wilde Jagd (Sousanna)

Beitrag von Livia »

Das Raunen wurde lauter. "Dort, dort ist es!" Quiekte eine der fülligen Hofdamen. Die selbstsicheren Recken neben ihnen jedoch, sie lächelten nur hochmütig. Zu jener Dame jedoch ritt keiner Näher - ihrem Lächeln fehlte die Anmut.

Ganz anders jedoch erging es der schönen Herzögin, als der erste Wolfsruf erschallte ritt zugleich Evangelos zu ihr heran, auch war Xenia direkt zur Stelle... nicht jedoch um Schutz zu bieten oder zu nehmen, nein, um Evangelos zu grüßen,a ls sei er zu ihr herangeritten! Und der höfliche und manchmal etwas eitle Blaublüter ließ sich davon durchaus einnehmen, er schenkte beiden Frauen ein herzschmelzendes Lächeln, lockerte mit einem Nicken verstärkt das Schwert in seiner Scheide und blieb zwischen ihnen - mal hier in einem netten Wort, mal dort in einer beschwichtigenden Geste.

So hatte sich die Reisegruppe zusammengefügt, eng zusammen, keinen zu verlieren, während das rote Rauschen immer wieder durch die Dämmerung glitt.
"Seht da, ein Pfotenabdruck! Schaut an, Handtellergroß!" Rief der stolze Baccian aus, ein weiterer Ritter, weniger ansehnlich doch von gutem Herzen und mit einem stolzen Trinkermagen. Er klärte seinen Kopf noch weiter mit einem Schluck Wasser, umfasste den Jagdspieß fester und blieb vornweg.

Auch Livia suchte kurz den Blick ihrer Schwester, ein wenig Verunsicherung lag darin, so sportlich sie auch war - Wölfe brauchten dunkle Gedanken!
Und in jenem Moment, als die schöne Herzögin und ihr charmanter Nebenreiter gerade zeitgleich ein beschwichtigendes Lächeln zu der in der hinteren Gruppe reitenden Merkurianerin gesandt hatten geschah es!

Ein Schrei durchbrach die Stille, die Dunkelheit, den Frieden - aber nicht den Zauber des Momentes!
Untermalt vom düsteren Hang des Abendrotes brach eine gruppe großer rötlicher Wölfe in die Reiterschar, genau das letzte drittel abtrennend. Die Pferde stiegen verängstigt empor und ein lautes "Los! Reitet! Reitet!" Erschallte. Dann begann die wilde Flucht - Pferde stoben davon, kleine Grüppchen bildeten sich, unterschiedliche Wege taten sich auf, keiner konnte mehr hinter dem anderen reiten! Noch war keiner verletzt - doch würde das so bleiben?
Wie tödlich spielende Katzen nahmen die Wölfe die Verfolgung einzelner Gruppen auf...
Auch Evangelos, Xenia und Sousanna waren eine solche Gruppe geworden, sie waren die Anführer des Trupps gewesen und hatten den meisten Vorsprung, stoben in den Wald und sprangen geschickt über Stock und Stein, drei der grässlichen Wölfe im Nacken - doch mit schönen Abstand.
Doch... Livia war nicht bei ihnen, sie war im hintersten Teil der Gruppe gewesen, dem Teil, der gar in andere Richtung würde fliehen müssen?

Doch zuerst.. ging es um das eigene nackte Überleben!
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Sousanna
Ravnos
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Re: [1007] Die wilde Jagd (Sousanna)

Beitrag von Sousanna »

Eine seltsame, wilde Melodie boten die Schreie der Menge und die Rufe der Tiere. Sie peitschte die Menge auf. Noch lauter schien das Gellen zu werden, noch intensiver das Rot dieses besonderen Abends.
Der Abruck dann schien wie das endgültige Signal einer Jagd, die sich heimlich gedreht hatte. Waren sie nicht alle Gejagdte? Gleich ob Jäger oder Beute. Galt die Hatz nicht jedem einzelnen von ihnen?

"Reitet" erklang der Schrei. "Reitet!" Das Brüllen untermalte das Trommeln der Hufe auf weichem Boden. Pferde stiegen, menschliche Körper klammerten sich in Panik an die Rücken der Tiere, deren Herzen doch ebenso erfüllt waren mit purer Angst.
Diese Angst hatte der schönen Tochter der Goldenen ein wildes, ein berauschtes Lächeln auf die Lippen getrieben. Zart wie die Morgenröte mochte sie sein, kultiviert und stets adrett, doch ihr Lächeln war das einer Bacchantin. Berauscht und trunken von all der Wildheit um sich herum. Ihr Herz pochte wild, fand schließlich Einklang mit dem Schlagen der Hufe, während sie ihr Pferd bändigte, es voranpreschen ließ. Leben, diese Flucht bedeutete nichts mehr als das pure, heißglühende, rauschende Leben.

Doch, da sie doch einen Blick umher warf, mit ihrer Schwester dieses Leben zu teilen, erlosch das Lächeln. Ein wilder Fluch verließ die Lippen, den glücklicherweise niemand vernahm. Er hätte ihre Dasein als hohe Dame durchaus in Frage stellen können. Die Schwester war zu weit entfernt.
Harsch riss sie das Ross herum, stob der Gefahr entgegen, ihre liebe Gefährtin zu sich zu holen. Und die Hufe des Pferdes schienen sich vom Boden zu lösen. Beinahe schien die Schöne nun zu fliegen vorm blutigen Abendrot.

Ewig streckten sich die Momente, schienen gleich eines Traumes ganze Äonen einzunehmen.

Dann war sie bei Livia angekommen. Noch immer lag das rauschhafte Glühen in ihrem Gesicht. Nichts konnte den Wert dieser Flucht aufwiegen. All ihre Vorfahren, deren Blut in ihr floss, schienen zu jubilieren. Keine Angst lag in den aristokratischen Zügen, viel eher wilder, ungezügelter Triumph darüber endlich ihre eigene Aventure zu erleben. Nicht als schmückendes Beiwerk, als zarte Erlöserin, nein - sie selbst als Heldin an Seite ihrer Freundin.
Ihre Hand streckte sich der anderen entgegen. Wie zu einem besiegelnden Handschlag, als wäre allein ihre Allianz genug, sie beide vor den roten Wölfen zu schützen.
"Komm", formten kussbereite Lippen "Komm wir reiten als Schwestern." Im Lärm der Flucht waren die Worte nicht zu hören, doch ihre Augen ließen Livia verstehen.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
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Livia
Jünger des Seth
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Re: [1007] Die wilde Jagd (Sousanna)

Beitrag von Livia »

So erzählten sie weiter und weiter und weiter, bis der Morgen sie trennte. Nur eines von unendlich vielen anderen Leben, wie sie es hätten haben können... aber weder hatten, noch schafften, es zu erreichen. Gefangen im Bann des Fluchs des Brudermörders.
Livia und Sousanna träumen gemeinsam in weit entfernte Welten. Ihre Fantasie ermöglicht ihnen fast gänzlich neue Ebenen zu erreichen und der Tristess ihres untoten Daseins in der Provinz für eine Nacht zu entfliehen... aber es bleibt doch ein Traum und wie Träume verschwimmt die Geschichte im Nebel der Unendlichkeit.
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