[1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

[April '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Livia
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[1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Livia »

Das Jahr 1007 war von Freuden gezeichnet! Alle Genuesen schienen noch gezeichnet zu sein, der Hunger stand ihnen noch in Gesicht und Bauch und Armen... doch er war nicht mehr in ihren Geistern - die Hungersnot war geschlagen.
So lebte das Freudvolle wieder auf in der weißen Stadt und vor allem kleine Essensstände an den Straßen hatten Hochkonjunktur! Wer wollte nicht noch eine weitere heiße halbe Wurst - und war sie noch so grob, wer wollte nicht noch ein gefülltes Weinblatt und einen Schank Wein gleich dazu!
Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis all die abgehungerten genueser Gestalten wieder in einem gewissen Fleische standen.

Fast alle... denn auch wenn das Festmahl auch für sie nun wieder üppiger wurde, an Gewicht würde die einsame Sängerin an der Hafenpromenade wohl nie mehr gewinnen... immerhin war sie tod.


"Werft lieber eine Münze in den Hut, werter Herr, statt eurem Brote - auch wenn ichs euch danke!"
Rief ebenjene gerade einem euphorischem Zuhörer zu. Essensspenden schien die junge Dame zwar anzunehmen, aber sie standen nicht in hohem Ansehen, das klirrende Kupfer war ihr wohl lieber - Künstler!
Doch wer könnte der jungen Schönheit das grämen?
Alle paar Wochen war sie da, spielte am Hafen, vom Abend bis in die Nacht hinein... die herzzerreissensten Waisen und kunstvollsten Lautenklänge, vom Frieden, der Ferne, der Heimat und... der Liebe.

Und so auch in dieser wolkenlosen Nacht. Es war bereits etwas später, nur noch eine Hand voll übermütiger Nachtvögel bevölkerte den Hafen und genoss das laue Wetter und die vollen Bäuche... und eben die zarte Musik.

An dem verhängnisvollen Pier, an dem ebenjene Sirenia wohl schon einen schönen Fremden vor dem ersaufen gerettet hatte! An dem sie immer wieder zu finden war...
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Alain le Beau
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Alain le Beau »

An diesem Abend stehen die Sterne günstig - im Zeichen der Liebenden - und Alain schlendert zu fortgeschrittener Nachtzeit die Promenade entlang. Was für einen Spaß er hier doch schon gehabt hat. In einer einzigen Nacht! Keinen Moment zweifelt der Tzimisce daran, dass der Hafen noch weitere interessante Vernügungen zu bieten hat. Trotz des elenden Jagdverbots.

Mit einem Liedchen auf den Lippen wandert er über den dunklen Pier, umgeht zwei Betrunkene und eine Messerstecherei, die Hände locker hinter dem Rücken verschränkt. Gelegentlich zwinkert er einer der Hafenhuren zu, doch wenn diese seine Kundschaft suchen, dann werden sie bitter enttäuscht. Stattdessen bleibt Alain eine Weile neben einem der Handelsschiffe stehen und starrt gedankenverloren auf das fein verarbeitete Holz des Bugs. Sein Blick fährt an den Schnitzereien entlang - Rankenmuster - und hinauf zu den Segeln, die zu dieser Stunde gerefft am Mast hängen. Und dann am Schiff vorbei, hinaus auf den Horizont.

Er blinzelt, ein-, zweimal. Dann hebt er den Kopf und lauscht. Lauscht einer Lautenmelodie, welche der Wind heranträgt. Rasch stiehlt sich ein Lächeln auf sein Gesicht und er wendet sich um, mit graziler Bewegung, wendet sich erneut dem Hafen zu. Dann eilt er zur Quelle der Musik, mit beschwingtem Schritt, gelegentlich einem kleinen Tänzchen. In seinen Augen aber, da steht die Erwartung.

Die Liebenden blicken stumm vom Himmel auf ihn herab. Auf ihn, und auf Livia.
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Livia
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Livia »

Sirenia spielte ihren alten Klassiker auf, den roten Mond. Meist war es der Abschluss einer Vorstellung, manchmal gab es aber noch eine Zugabe - wenn genug Rotes in ihrem Hut landete.

"Roter Mond über weiter See, Herzensglut wärmt den kalten Tee.
Hoffnungsschein, in der Nacht, und noch ist der neue Tag nicht erwacht!

Sterne stehn, hell am Firmament! Solche Nacht, findet nie ein End!
Dieser Ort, rau und schön, und wir dürfen seine Herrlichkeit sehn.
Dieser Ort, wild und schön, und wir dürfen seine Herrlichkeit sehn.

Weißer Fels, Holz, Lavendelkraut, weit entfernt schon der Morgen graut.
Fahne weht, weiß und rot, das Meer es schimmert, nachts so rot.

Fahrt vorbei, morgen geht es fort. Kommen wir wieder an gleichen Ort?

Osten ist unser Glück und in uns bleibt nur die Erinnerung zurück,
Osten ist unser Glück und wir schwören uns ein neues Zurück."

Die Worte, sie passten einfach immer - in Zeiten der Not, wo man sich nach der rettenden Ferne sehnte - aber auch in Zeiten der Erholung, wo man sich nach dem Luxus und Abenteuer sehnte, welches die Fremde versprach...
Auch Alain würde sie bald erblicken...
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Alain le Beau
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Alain le Beau »

Rot sind sie beide, denn rot sind ihre Haare und rot ist ihr Verlangen. Alain wartet, bis das Lied verklungen ist bevor er langsam zu applaudieren beginnt. Während die Zuschauer ihr Geld und alte Hähnchenkeulen in den Hut werfen, wartet er ab, spielt mit einer Münze zwischen seinen Fingern. Dann, als der letzte Seemann glücklich davonschwankt, macht er eine schnelle Bewegung und die Münze saust durch die Luft, beschreibt mehrere Saltos. Landet dann klingend auf ihren Artgenossen. Mit kleinen Schritten tritt der Tzimisce heran und klatscht erneut.

"Ganz herrlich, werte Livia..." Woher er ihren Namen kennt, kann sich die Tochter Seths denken "...ganz herrlich."

Alain senkt leicht das Haupt, vor der Kunst, wie auch vor der Künstlerin, und lächelt. "Ich bezweifle jedoch, dass euer Publikum eure subtilen Anspielungen verstanden hat. Abgesehen von mir, natürlich."
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Livia
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Livia »

Livia hatte erst zuende gespielt, bis sie den hübschen Störenfried mit ihrer Aufmerksamkeit bedenken wollte. Als der letzte Seemann glücklich davongeschwankt war, nahm sie den Formen in den Blick und grinste breit, die schlanken Züge des leicht geschminkten Gesichtes sanft betonend - ebenso betonend, dass sie völlig bar jeder Falte und Alterserscheinung war, unsterblich in unverbrauchter Jugend.

"Werter Herr, da habt ihr mir gegenüber wohl gleich zwei Vorteile." Sie neigte leicht anerkennend das Haupt.
"Meinen Namen kennt ihr bereits - und die Anspielungen dieses Textes, den die Straßen an mein Ohr brachten..." Schwelgendes Blickes hob die Fremde das Haupt und sah sich im Hafen um, als könne jederzeit eine neue Melodie herankommen. Dann fixierte sie wieder Alain, etwas herausfordern. "Was sagt euch dieses Liedchen denn?" Ob er wohl so schlau wie schön war? Sousanna hatte davon nichts erwähnt... andererseits war es Sousanna.
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Alain le Beau
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Alain le Beau »

"Ehrlich gesagt? Es macht mich hungrig." Alain grinst, ein ziemlich lüsternes, derbes Grinsen. "Aber darüber hinaus zelebriert es natürlich auch die Ästhetik der Farbe rot, die ich ganz..." er fährt durch das Haar "...besonders schätze." Ein weiterer Blick trifft die Bardin, beginnend mit deren Haaren. Fährt an ihrem Gesicht entlang. Bleibt am Kinn nicht stehen. Und geht dann in eine kleine, angedeutete Verbeugung über, gut verborgen im scheinbar notgeilen Gehabe.

"Ich bin Alain", sagt die samtene Stimme mit dem melodischen Akzent leise, während der Körper sich Livias Körper nähert. "Aus dem Clan des Drachen. Kind des Konrad von Wolmar und neugeborener Neuankömmling in dieser schönen Stadt." Er schaut tief in die grünen Augen. "Und ich muss sagen, ich werde nicht enttäuscht. Solch anmutige Nixen, wie man sie an diesem Hafen findet, habe ich selten gesehen."
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Livia
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Livia »

Livia lächelte kurz geschmeichelt. "Ein Mann von Kultur und künstlerischer Analysefähigkeit - ich kann eure Interpretation kaum kommentieren, doch schmeichelt mir der scharfzüngige Gedanke dahinter."

"Hungrig?" Sie grinste breiter. "Dabei hatte ich den Tisch doch so gut gedeckt..." Kurz suchten ihre Augen noch nach der sich verteilenden Beute und zwinkerte.
"Die Nacht zum Gruße, werter Alain." Nun neigte sie ein wenig das Haupt und legte wieder ihr schönes Lächeln auf.

"Kind der hohen Drachen aus dem Nordwesten? Wie schön, dass man Teil haben konnte, an einem gebührenden Gruß dieser Stadt für euch... ihr zumindest habt einigen von uns einen unterhaltsamen Abend beschert." Das Grinsen wurde etwas unverhohlener, aber nicht hämisch.
"Wie ist es euch in eurem sinnlichen Erleben ergangen in jenen Nächten seither?
Außer... Rot?"
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Alain le Beau
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Alain le Beau »

"Ach...", sagt Alain und legt melodramatisch die Hand an die Stirn "...meine Tage sind voll der Entsagungen. Zwar darf ich diese schöne Stadt betreten. Aber mich an ihren Früchten nähren, das darf ich nicht." Er schüttelt den Kopf. "Nacht für Nacht quält mich der Hunger, treibt mich durch die Häuser und Betten der Bauersfrauen. Ein trauriges Schicksal." Seine Faust trifft auf die andere Hand, entschlossen. "Aber das drängt mich nur um so mehr, mich der Aufgabe des Prinzen zu widmen, die mir gestellt wurde. Mich zu beweisen." Livia hat irgendwie das ganz leise Gefühl, dass diese überzeugend vorgetragene Rede einstudiert ist. Aber den Beweis zu führen wäre schwierig. Alain ist gut in dem, was er tut.

In diesem Moment verneigt der Bretone sich leicht - und dennoch schwungvoll. "Aber verzeiht, werte, ja, vielleicht wohlwerte Livia. Mir ist zwar euer Name bekannt, sowie dass ihr zu meiner erweiterten Familie gehört, aber der Rest? Ein bedauerliches Geheimnis. Seid so gut und lüftet es für mich."
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Livia
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Livia »

Livia sah ihn ebenso melodramatisch voller Mitleid an, dann leckte sie sich keck über die Lippen. "Manche Jahre sind fetter als andere, manche Weiber ebenso... wie habt ihr's am liebsten, werter Alain?" Sie grinste herausfordernd. Ob er als Tzimisce wohl ganz abstruse Vorstellungen hatte, ob er diese gar schildern würde?

"Eure Aufgabe... welche Aufgabe habt ihr zu erfüllen?" Fragte sie kurz etwas ernster.
"Womöglich..." Sie lächelte erneut, schwieg jedoch.

Als er dann zuletzt, wirklich zuletzt, nach ihrem eigenen Namen fragte... da zögerte sie. Hatte er diesen noch verdient? Wenn ja, sollte sie ihn dann womöglich mit dem ganzen Namen aufs Mal erschlagen? Ach....

Sanft reckte sie sich und ihre Stimme gewann an Wirkungsmacht - nicht direkt an Autorität, das war nicht der Sinn, aber an Bedeutung. Ganz im Stile ihrer Urahnin... der allschönen Zilla, betete sie die Namen fast lustvoll, wie es nur eine Poetin oder Sängerin konnte.

"Ich bin Livia Alesia von Genua, Neugeborene aus dem Hause Merkurs,
Kind des Roman Sertus, Ankilla aus dem Hause Merkurs,
Kind der Lucretia Maria, Ankilla aus dem Hause Merkurs,
Kind der Olivia, Ahn aus dem Hause Merkurs,
Kind der Aelia Eudoxia, Ahn aus dem Hause Merkurs,
Kind des Gaius Maecenas, Ahn aus dem Hause Merkurs,
Kind der Artemia von Syrakus, Ahn aus dem Hause Merkurs,
Kind der Maatkare, der Geliebten des Mondes, Ahnherrin aus dem Hause Merkurs,
Kind Seths, des Kometen Merkurs,
Kind Zillas, der Allschönen,
Kind Kains, des Ersten."
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Alain le Beau
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Re: [1007] Die Orte unserer Sünden (Alain)

Beitrag von Alain le Beau »

"Livia Alesia von Genua, es ist mir eine Ehre - besonders angesichts eurer illustren Ahnenreihe. Auch wenn ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich vom Clan des Merkur noch nie gehört habe." Alain legt den Finger ans Kinn und reibt es, bedächtig. "Merkur. Ist das nicht ein Himmelskörper?" Er runzelt die Stirn. Dann zuckt er mit den Schultern und lächelt freundlich. "In jedem Fall wollte ich euch noch für meine Rettung danken. Auch wenn sie nicht notwendig war. Es ist schön, wenn man sich auf andere verlassen kann. Und wer weiß, vielleicht landet ja auch einmal ein Sterblicher im Wasser, wenn gewisse Damen einen schlechten Tag haben."

Der Bretone wendet sich dem dunklen Meer zu und verschränkt die Arme. Er schaut in die Ferne, so, als würde er am Horizont etwas erspähen. Was unwahrscheinlich ist, da man den Horizont an sich schon kaum erkennen kann. "Vielleicht... liegt ihr falsch", sagt er dann leise. "Der Osten mag schön sein. Aber der Westen... ah, Aremorica. Und geht nicht auch im Westen die verhasste Sonne unter?"
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