[1007] Beruf oder Berufung [Seresa, Sousanna]

[April '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1007] Beruf oder Berufung [Seresa, Sousanna]

Beitrag von Seresa »

Seresas Mimik hatte sich verändert und eine andere Art von Kälte und Distanziertheit lag in ihrem Blick, als zuvor. Dennoch ließ sie die Ravnos aussprechen, bevor sie selbst sprach.

„Von meinen vielen Herren.“

Seresa wiederholte die Worte Sousannas. Die Kühle des Gesichts hatte sich auf ihre Stimme ausgeweitet, während sie fast wütend klang, als hätte die Ravnos gerade eine verheiratete und im Glauben gefestigte Frau eine billige Hafenhure genannt.

„Ich bin tatsächlich sehr interessiert daran zu erfahren, welchen vielen Herren ich angeblich meine Loyalität in deinen Augen schulden sollte.“
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1007] Beruf oder Berufung [Seresa, Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Eine Augenbraue war nach oben gewandert. Als hätte sie mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet oder aber als hätte sie genau damit gerechnet, wäre aber doch milde überrascht, dass ihre Berechnung wahr wurde.

"Ich spreche nicht von einer Minderung von Loyalität.", klärte sie allerdings sachlich ihre Beweggründe auf. "Ein jeder von uns dient vielen Herren. Ich vermutlich mehr als du. Aber deshalb spreche ich die Warnung aus, da ich sie selbst nicht befolgt habe, und vom einen auf den anderen Herren und vom anderen auf den einen gehetzt wurde, um am Ende die einzig Leidende zu sein."
Sousanna seufzte und sah Seresa direkt an. "Und dieses Schicksal wünsche ich dir eben nicht. Es ist immer wieder notwendig, sich unter viele Joche zu begeben, aber früher oder später wird der Moment eben kommen."

Langsam erhob sie sich und deutete eine Verneigung an. "Entschuldige, so ich dich mit meiner Sorge gekränkt habe. Das war nicht meine Absicht.", erklärte sie schließlich.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1007] Beruf oder Berufung [Seresa, Sousanna]

Beitrag von Seresa »

Seresa hatte sich ebenfalls erhoben und ihr Blick wanderte nahezu beschämt ab, als Sousanna die Verneigung andeutete. Ihre Augen verweilten für einige Momente auf dem Boden, bevor sie den Kopf schüttelte.

„Es ist nicht deine Schuld, Sousanna. Wahrlich nicht. Bitte verzeih, dass ich überreagiert habe. Es…“

Die Brujah schwieg für einen Moment und ihr Blick ging an der Ravnos vorbei.

„Es war einfach zu viel in den letzten Jahren. Die Ungewissheit über meinen Aufenthalt in Genua, der Krieg, mein Kontrollverlust dir gegenüber, die Anklage und das Urteil dessen, das Urteil über meinen werten Bruder im Blute Ramon, das Zerwürfnis zwischen dem wohlwerten Titus und meinem wohlwerten Bruder im Blute Ajax, die Hinrichtung meiner anderen Brüder im Blute, die Reise nach Mailand, der Lehnseid meiner Brüder im Blute zu ihrer höchst verehrten Majestät Totila, meine eigene Weigerung mich von meinem Clan zu distanzieren trotz deren Lehnseid und letztlich die leidige Geschichte mit meinem Blut selbst.“

Seresa schüttelte den Kopf und blickte die Ravnos an.

„Deine nur gutgemeinten Worte waren in diesem Moment einfach zu viel. Sie hatten bei mir das Gefühl ausgelöst, als würdest du - wie so viele andere - nur darauf warten, dass auch ich ihrer höchst verehrten Majestät Totila die Treue schwöre, nur weil ihre höchst verehrte Majestät Aurore bei Hofe schlicht das offensichtliche aussprach. Als wüsste ich nicht, wem ich diene und wem ich Loyalität schulde. Als wäre ich eine ehrlose Hure und mein Wort nichts wert. Vor allem, weil ich das Gefühl hatte, dass du…“

Die Gelehrte brach ab, seufzte und schüttelte den Kopf. Eine leichte Enttäuschung war noch immer in ihrem Gesicht zu sehen, die sich nicht gänzlich verheimlichen ließ. Vermutlich hatte die Brujah tatsächlich angenommen, dass aus der zerstörten Beziehung der beiden Kainiten eines Nachts mehr werden hätte können.

„Nun wie dem auch sei, Sousanna. Bis wir abreisen werden noch einige Nächte vergehen. Ich denke, ich werde noch mindestens zwei bis drei Mal bei dir bis dahin erscheinen. Das Schriftstück stellt demnach kein größeres Problem da. Bezüglich des werten Ramon werde ich sehen, was ich in Erfahrung bringen kann. Ebenfalls was die Namen von deinen Geschwistern im Blute angeht. Wie ich bereits sagte, werden noch einige Nächte ins Land ziehen, bevor wir abreisen, aber ich wollte dich rechtzeitig in Kenntnis setzen und um die Unterbrechung meiner Tätigkeit bitten. Ich bin dankbar, dass du dich nicht dagegenstellst, so dass ich meinen wohlwerten Bruder im Blute Ajax begleiten kann.“

Die Brujah schwieg für einen kurzen Moment. Mit deutlich gesenkter Stimme und Kopf sprach sie weiter.

„Die Zeiten für meinen Clan sind derzeit wahrlich schlecht und schwierig. Ich will nicht noch eines meiner Geschwister im Blute verlieren.“
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1007] Beruf oder Berufung [Seresa, Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Mit einem schweren Seufzen nickte die Sünderin und sah Seresa lange an. In ihrem Blick lagen Sanftmut und Trauer. Dann huschte ein leises, melancholisches Lächeln über ihr Gesicht. Eines, das von der Einsamkein in den Nächten sprach. "Sag ruhig, welches Gefühl du hattest", forderte sie sanft, ja beinahe zärtlich. "Es ist nicht gut, über so etwas zu schweigen."

Mit einem Kopfschütteln wandte sie den Blick ab und verlor sich erneut in der Nacht. Schweigen und Nachdenklichkeit umhüllten sie wie eine Decke. "Ich achte Huren und ich weiß um den Wert des Spiels mit den Worten.", murmelte sie dann und schüttelte den Kopf, als sei, was auch immer sie zu sagen hatte, abwegig, ehe sie die Brujah erneut ansah. "Es geht nicht darum, wie die Plapperer und Lügner in feinen Kleidern und hohen Hallen dich nennen, was sie über dich sagen. Sie mögen dir Loyalität absprechen, dich schwach oder dumm nennen, aber am Ende zählt auch dort nur der Nutzen, denen du ihnen bringst." Lag tatsächlich Bitterkeit in den Worten jener Ravnos, die es irgendwie geschafft hatte, zur Harpyie zu werden? Etwas vertrauliches, intimes war in diesen Worten gewesen. Etwas, das man selten an ihr hörte.

Schließlich schien sie sich zu einem Lächeln zu zwingen, das wohl ihre bittersüße Stimmung übertünchen sollte. "Hab Hoffnung, werte Schwester. Es gibt sie selbst in dunkelsten Nächten und für jedes Blut."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1007] Beruf oder Berufung [Seresa, Sousanna]

Beitrag von Seresa »

„Es ist nicht gut, jedes Gefühl auszusprechen und ihm damit eine Form und einen Namen zu geben, Sousanna. Die Welt hinter der Welt schert sich nicht um solche Befindlichkeiten. Es sind andere Dinge, die sie prägen. Nur der Nutzen zählt, wie du selbst sagst. Also werde ich hoffen und versuchen weiter nützlich zu sein.“

Seresa verneigte ihr Haupt leicht vor der Ravnos.

„Ich habe keine weiteren Anliegen mehr an dich in dieser Nacht und ich danke dir, dass du dir Zeit für mich genommen hast. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir heute Nacht und sofern du nicht noch etwas auf dem Herzen hast, worüber du sprechen möchtest, würde ich mich nun gerne von dir verabschieden.“
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1007] Beruf oder Berufung [Seresa, Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Sousanna neigte erneut das Haupt. Sie würde die Brujah gewiss nicht zu irgendetwas zwingen. Nur ihr Seufzen verhieß eine leise Traurigkeit in dieser klaren Nacht.
"Auch mein Weg ist weit und es gibt zu viel zu tun. Dann wünsche ich dir weiterhin eine gute Nacht und den Segen des Herrn auf deinen Wegen.", verabschiedete sie sich ruhig und würde dann ebenso rasch und feengleich verschwinden, wie sie gekommen war.
Sousanna und Seresa treffen sich auf Wunsch der Brujah vor der Stadt. Sie sprechen über die Politik in Genua, gesellschaftliche Phänomene und Verbündetete. Es baut sich eine bestimmte Nähe auf, die jäh endet als das Gespräch auf Loyalität kommt.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Gesperrt

Zurück zu „1007“