[1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

[Mai '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Sousanna
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[1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Sousanna »

Da klar gewesen war, dass der König der Könige, der Herr aller Gossen und dreckigen Geschäfte, sie empfangen würde, war Sousanna immer stummer geworden. Sie hatte aufgehört zu sprechen und zu lächeln. Und wenn sie es doch tat, dann brach sich ihr Zorn so heftig Bahn, dass sogar die vorlautesten der Schläger, die sonst immer noch alles überstanden hatten, die Köpfe zwischen die Schultern zogen und mit einem Mal sehr kleinlaut würden. Still war es im Alla Murra geworden.

Und am Abend besagten Tages, hätte man sogar eine Stecknadel hören können, die auf den Dreck überzogenen Boden fiel.
Sousanna hatte all ihren Mut zusammengenommen und war in die Gassen hinaus getreten. Dieses Mal wieder in den Kleidern ihrer Ankunft. Schlichte, praktische Reisekleidung in gedeckten Farben, die zwar ihren Leib nicht ganz versteckten, doch heute Nacht war die Schönheit nicht mehr in der vollen Pracht dargeboten, die sie sonst inzwischen so freigiebig darbot. Keinen Schmuck, keine unnötige Zierde trug die Wanderin an sich. Sogar ihr Haar war streng zurückgekämmt und nass geflochten worden, so dass es in einem strengen Kranz das edle Gesicht umrahmte.

Es hatte einige gegeben, die sie selbst in den Augenblicken ihres Aufbruchs noch anflehten, sie zu begleiten, doch die Tochter der goldenen Stadt hatte darauf bestanden, diesen Weg alleine zu gehen. Es war der ihre - und niemand sollte sehen, dass ihre Hände unter dem grob gewebten Umhang bebten. Niemand sollte sehen, dass sie unter der Kapuze blass geworden war. So blass wie eine Leiche. Wenn sie das hier überleben sollte, dann würde sie strahlend zurück kehren. Wenn nicht, ersparte sie sich wenigstens die Schmach, einer Erzählung. Außerdem konnte sie, wenn es dazu kommen würde, ohnehin niemand retten.
Erst in den letzten Momenten, ehe sie den in ihrer Botschaft genannten Platz erreicht hatte, schaffte die Ravnos es, sich zusammenzureißen und das höfliche Lächeln auf die Lippen wieder zu erwecken. Interessiert ließ sie den Blick über jenes Viertel schweifen, in dem sie noch nie gewesen war.
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Il Canzoniere
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Sie hatte nicht viel verpasst.

Soviel stand fest. Niemand der einmal hier gewesen war vermisste die langsam die Rinnsteine hinabsickernden Flüssigkeiten voller aromatischen Miasma. Niemand vermisste die zahlreichen hungrigen Gesichter, die Bettler, Diebe, Banditen, Halunken, Räuber, Tagediebe, Verbrecher, Huren oder gar jene die versuchten zwischen all diesem Elend ein Geschäft zu betreiben. Die Schläger und Mörder, Bandenkämpfer und geschmierte Stadtwächter. Die Leichensammler, Scheißekarren oder Todkranken. Der allgegenwärtige Geruch den man, viel weniger deutlich, auch im Rest der Stadt wahrnehmen konnte, war hier so konzentriert das er Milch schlecht werden lassen konnte.

Und Nachts war es sogar noch schlimmer. Wenn die dubiose Lieferanten "frischen Fleisches" zwischen den Schlafenden herumstrichen, räudige Katzen voller fleckig ausgefallenem Fell ihre Unzufriedenheit in den Himmel miauten, wenn die Stille immer wieder von Husten, Röcheln und Hilferufen durchbrochen wurde. Und niemand etwas tat. Wenn die schäbigen Kneipen Claviculas schwallweise betrunkene Männer ausspieen die entweder so Betrunken waren das sie selbst zu Opfern würden oder so stark angetrunken das sie loszogen um andere dazu zu machen. Clavicula war der schlimmste Teil der ganzen Stadt. Und wie auch Sousanna, war niemand freiwillig hier.

Auf ihrem Weg zum piazza dei gatti neri, dem Platz der schwarzen Katzen, dem dunklen Herz Claviculas, ja sogar Genuas, sah Sousanna eine ganze Reihe Dinge die sie zuletzt in den dunkelsten Slums Konstantinopels erblicken musste. Diebe, mit schwärenden Handstümpfen, die bald ihren Leiden erliegen würden, bettelten um Gnade. Kinder, abgemagert, verwildert und verhärmt, versuchten alles zu stehlen was nicht niet und nagelfest war und erst als sich zwei Stadtwächter der claviculanischen Wache wortlos an ihre Verfolgung machten, hörten die Versuche mit ihr Kontakt aufzunehmen auf. Als ob diese Markierung all jene kleineren Übel von ihr fern halten würden.

Der piazza selbst lag ruhig dar. Das einzig schöne an ihm war der klare Sternenhimmel über ihnen, den sogar jemand wie Godeoc nicht einfach so erreichen konnte.
Anders als alle anderen Plätze und Gassen die sie passiert hatte, vorbei an hohen Mietskasernen im römischen Stil und hastig zusammengezimmerten Bretterbuden, war der Platz wie leergefegt. An einigen Zugängen drucksten sich dubios aussehende Gestalten herum, jedoch schienen sie eher dafür zu sorgen das kein Betrunkener im falschen Moment auf den Platz stolperte als das sie Sousanna oder den Platz selbst beachteten. Auch warum der piazza ausgerechnet diesen Namen trug war schnell ersichtlich: Katzen. Dutzende. Vielleicht hunderte. Sie fläzten sich im Mondlicht, als ob der piazza ihnen gehören würde und niemandem anderen. Kleine und monströs große, hässliche, verkrüppelte, alte, junge Kätzchen und gelangweilt dreinschauende Katzenmütter. Sie alle tummelten sich auf diesem Platz. Die allermeisten schwarz... oder grau, so genau war das bei Nacht kaum zu sagen. Einige wenige etwas heller... grau. Oder waren Nachts einfach nur alle Katzen grau?

Fauchend wichen einige vor Sousanna zurück, in ihr das Raubtier sehen was Menschen und sogar einige Kainiten nicht konnten. Einige rannten, flohen entweder ganz vom Platz oder zogen sich in eine etwas weniger gefährliche Ecke zurück. Ein paar jedoch, hoben kaum den Kopf, so gewöhnt schienen sie an solcherlei Präsenzen zu sein. Eine dicke Katze, alt und humpelnd, gezeichnet von mehr Narben als sie jemals einen Kriegsveteranen gesehen hatte, hob hingegen den Kopf und kam argwöhnisch auf sie zu, strich um ihre Beine wie eine alte Freundin.
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Sousanna
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Sousanna »

Diese Nacht gehörte zu einem jener Momente, in denen Sousanna sich in ihre Traumwelt flüchtete. Wie schön wäre es jetzt durch einen Rosengarten zu wandeln? Bei mildem Mondlicht mit einer sanften Briese und vor allem mit dem Wissen, dass in den marmornen Hallen hinter ihr nur Freuden auf ihre Rückkehr warten. Tanz, Musik, Bäder, Geliebte... Blut und die Möglichkeit zu Hehlen.
Ach, was wäre das für ein Leben? Nun ja, eines Tages würde es kommen. Und heute tat sie einen weiteren Schritt in Richtung dieses Daseins. Dieser Gedanke ließ die Schöne tapfer fortschreite. Noch nicht einmal ihr Gesicht verzog sich so angewidert, wie sie es hätte ton wollen. Aufmerksam, aber doch gelassen schritt sie durch das Elend... Sie war geschaffen für diese Momente. Erschaffen, um diese Welt des Schmutzes und die der funkelnden Diamanten zu vereinen. Auf gewisser Weise war ihr Platz genau auf solchen Wegen.

Ruhig und seltsam ungerührt glitten ihre Blicke über das Elend. In für eine Dame unschicklichem Geschick wich sie den Übeln dieses Ortes aus. Als ahne ein Teil ihres Geistes wo sich der nächste Dreckhaufen befand. Welche widerwärtige Hand als nächstes nach ihr greifen würde, sie zu besudeln. Beinahe als wäre ihr Geist selbst so eins mit dem Schmutz dieser Orte, dass sie sich darin zu bewegen vermochte, wie ein Fisch im Wasser.

Schließlich trat sie auf diesen Platz der Katzen. Es hatte bereits einige gegeben, die sie mit diesen Tieren verglichen hatten. Doch Sousanna selbst hatte ihnen nie viel abgewinnen können. Eingebildet waren sie und selbstsüchtig. Nicht, dass sie das nicht war, doch etwas an dem Fauchen ließ sie selbst im Inneren zurückfauchen. Schon als sie noch gelebt hatte, waren Katzen ihr misstrauisch begegnet und so hob sich doch eine der Augenbrauen der Ravnos, da die Katze um ihre Beine strich.
In einer für diesen Ort zu anmutigen Geste ging Sousanna in die Hocke, die Katze genauer zu betrachten. Schien arglos abzuwarten, was hier geschehen würde.
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Il Canzoniere
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Guck dir das an." erklang, wie aus dem Nichts, eine Stimme die zu keinem Körper zu gehören schien, jedoch wohlbekannt war.

"Schleicht sich so dicht an n größ'res Raubtier ran. Ziemlich tapfre Mietze, hm?" ein amüsiertes Glucksen erklang aus... welcher Richtung eigentlich? Zumindest die Lautstärke konnte darauf schließen lassen das er nah war. Hatte da jemand ihr Haar berührt?

"Sie is ne Bettlerin. Passt gut hierher. Stiehlt Blut von Leutn dies nich schaffn s bei sich zu haltn. Würd eingehn, wennses nich täte. Is ziemlich ausgefuchst, auch wenn mans ihr nich ansieht. Pass bloß auf. Erst lässtse sich streichln, dann beisst se zu. Hat ziemlich spitze Zähne, das Ding." das Amusement über seinen grausamen Witz war deutlich in seiner Stimme zu hören. Offenbar waren die Gerüchte über die Natur des Nosferatu keinesfalls erlogen.

"S wird auch Zeit dassde dich ma blickn lässt, Frollein. Was haste mir n mitgebracht?" offenbar begann er sie auf Herz und Nieren abzuklopfen, damit er sich ein Bild von dieser neuen Harpye machen konnte. Zumindest fand sich in der kaum greifbaren Stimme keine besondere Abneigung zu finden. Über das normale Maß hinaus.
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Sousanna
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Sousanna »

Wenn Sousanna zucken wollte, dann hatte sie sich in diesem Augenblick sehr gut unter Kontrolle. Ihre einzige Reaktion war es, zu erstarren und den Blick nachdenklich von der Katze nach vorn zu richten. - Auch wenn die Vorstellung von dieser Bestie berührt worden zu sein, tiefe Übelkeit in ihr auslöste.
Ihre Verneigung auf dem dreckübersähten Boden, auf dem sie ohnehin schon gehockt hatte, war tief. Tiefer als sie hätte sein müssen. So tief, dass sie in jedem Fall ihr Kleid nach diesem Besuch würde verbrennen müssen, da der Gestank nie wieder herausgehen würde.

"Ich danke euch, dass ihr mich empfangen habt, in diesen Zeiten", erwiderte sie der Stimme, ohne den Fehler zu machen sich umzublicken. Es wäre wohl ohnehin nirgendwo etwas zu sehen gewesen. Und so ersparte sie sich die Peinlichkeit etwas zu suchen, das sie ohnehin erst sehen würde, wenn dieses Etwas es wünschte. "Was ich euch bringe, ist meine tiefe Ehrerbietung und meine Dienste als Wanderin wie als Harpyie. Durch meine Hände fließen viele Informationen über das Unleben der Neugeborenen. Ich biete sie euch, hochverehrter Godeoc, exklusiv und ohne Verzug."

Einen Augenblick zögerte sie. Dann hob sich ihr Blick etwas, schien doch nach Augen zu suchen, in die man blicken könnte. "Und ich kann euch noch etwas bieten, auch wenn es zu groß war, es euch hier direkt mitzubringen: Meine Heimat ist bekannt für ihre ausgefeilte Kriegskunst. Ich habe dort Waffen gesehen, die unsere Träume übersteigen. Waffen, die die stärksten Mauern schleifen können. So ihr es wünscht, werde ich euch eine solche Maschine für euch besorgen."
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Während Sousanna sprach, würgte die Katze geräuschvoll etwas hervor. Es nahm ihrer kunstvollen Präsentation ein wenig den Glanz und hätte auch ohne dieses Szenario nicht sonderlich appetitilich geklungen, wenn man jedoch hinsah.... wurde es noch schlimmer.
Sicher dauerte es beinahe drei Minuten. Und sicher gab das räudige Ding Geräusche von sich als würde es ersticken, aber was es da hervorwürgte, das lenkte unweigerlich davon ab. Ein Finger. Genauer ein Ringfinger. Einen einfachen kupfernen Ring noch darauf steckend, etwas schwielig und mit Magensäure, Blut und Speichel verklebt. Hier und da mit kleinen Bisswunden bestückt. Wie eine Verzierung.

Godeoc spielte währenddessen sein grausames Spiel weiter. Er antwortete Sousanna nicht und machte damit klar das er nicht mit ihr gesprochen habe. Wieso sie das nicht gesehen habe und stellte gar sie als unhöflich dar. In einer solch abstrusen Logikkette das nur jene die die Etikette über Menschenverstand stellten dies tatsächlich Ernst nehmen konnten. Trotzdem hatte er natürlich alles Recht auf seiner Seite. Und wie die Katze mit dem Finger zu spielen begann, begann er mit Sousanna zu spie...rechen.

Trotz allem hatte er wohl doch zugehört: "So Schätzchen? Dann biste eher ne Fee als ne Harpyie, wennde meine Wünsche erfülln kannst, hm? " die Stimme kam etwas näher, als ob er sie genau betrachten wollen würde. "Wieviel Wünsche hab ich n'?" stellte er dann eine mit bösartigem Amüsement verzerrte Frage "Wie wärs mit...vier? Für jedn Flügel ein'n? Und wenns mir nich passt, rupf ich einen raus. Wie bei Spatzn." offenbar fiel ihm nicht einmal auf das normale Leute Spatzen keine Flügel ausrissen.

"Wennde die erfülls, dann biste frei. Un alle wissn dasde ne Fee... oder Harpyie bist, j'nachdem wiede dich ebn nenn wills. Dann kannste überall rumflattern und Wünsche erfülln. Ich pass dann auf das dir nix passiert." erzählte er sein abstruses Märchen zu Ende. Das schäbige Grinsen auf seinem Gesicht musste man nicht einmal sehen. Man konnte es sich auch so sehr lebhaft vorstellen.
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Sousanna
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Sousanna »

Es war überraschend wie übel einem werden konnte, selbst wenn man eine Leiche war. Hätte Sousanna sich nicht schon seit Nächten mental auf diesen Augenblick vorbereitet und wäre sie nicht eine verfluchte Meisterin der Lügen, wäre sie in diesem Augenblick sicher grün um die Nase geworden und hätte das Gesicht angewidert abgewandt. Doch wer allerlei Männern und Frauen Begierde nach ihren stinkenden, hässlichen Leibern vorspielen konnte, der ertrug auch diese Aneinanderreihung an Widerwärtigkeiten.
Starr aber entschlossen haftete ihr Blick weiter an jener Stelle, nur einmal abgelenkt von dem übelkeitserregenden Anblick einer Katze, die einen Finger heraufwürgte.

Dann verneigte sie sich erneut. "Gewiss kann ich eine Fee für euch sein", erwiderte die Ravnos. Dafür, dass sie stets wie eine hohe Dame schien und vor ihren Augen gerade ein Körperteil erbrochen wurde, während man ihr damit drohte, Gliedmaßen abzureißen, wirkte ihre Stimme noch überraschend fest. "Für gewöhnlich sind es zwar nur drei Wünsche, die eine Fee erfüllt, doch da ich eine untote Fee bin, sind vier vollauf angemessen."
Auch wenn sie sich im Griff zu haben schien, schluckte sie bei diesen Worten doch schwer, ehe sie sich zu einem Lächeln zwang. "Habt ihr denn schon einen oder mehr Wünsche an mich?"
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Die Katze begann gerade mit dem Finger zu spielen, schubste ihn nach links und rechts, wie Katzen das einmal mit ihrer Beute taten. Skurill rollte er in einem imaginären Kreis herum zu rollen. Sie kaute darauf herum, versenkte ihr spitzen Krallen darin und begann zu schnurren. Ein lautes, unangenehmes Schnurren das vor Bösartigkeit triefte. Dieses Ding war seinem Herren nicht ganz unähnlich wie es schien.

Schließlich hatte es den Ring vom Finger heruntergespielt. Klimpernd fiel er zu Boden. Sie roch noch einmal vorsichtig daran, dann begann sie den eben hervorgewürgten Finger wieder herunter zu schlingen. In einem Stück. Ein Menschenfresser. Durchfuhr Sousannas Gedanken wie ein Schlag.

Den schnöden Ring nicht weiter beachtend warf sie noch einen arroganten Blick zu Sousanna, ehe sie mit hoch erhobenem Schwanz von dannen stolzierte.
Die körperlose Stimme indes hatte eine Weile innegehalten, als ob sie ihrem kleinen Monstrum verträumt beim zerfleischen der menschlichen Extremitäten zugesehen hätte, ehe sie sich erinnerte das Sousanna ja ein Gast war.

"Dann isses jetz so. Vier Wünsche. Im Gegenzug schenk ich dir den Ring da. Den trägste ab jetz immer. Passt sicher an deinen linken Daumn. Das öffnet n paar Türn und hält Probleme fern. N Wunschring." ein scharrendes Lachen zeigte, dass er dies für einen wirklich gelungenen Witz hielt. "N Wunsch hätt ich schon... bring mir diesn Roger. Diesen Aufschneider der ein auf Beschützer un so macht. Hamse grad begnadigt, die Pisser. Jetz muss ich den selber aufknüpfn." das gehässige Grinsen konnte man sich im Geiste sehr gut vorstellen.

"Ich sorg im Gegenzug dafür dassde richtig arbeitn kanns? So brav wiede mitspieln wills, hasse dir das verdient... hasse noch was? " offenbar schien er da konkrete Punkte im Auge zu haben, aber hatte seinen Spaß daran Sousanna raten zu lassen. Gab ihr die Chance ein paar Fehler zu machen.
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Sousanna »

Wie gut, dass ihr Magen in keinster Weise mehr funktionstüchtig war. Sonst hätte er sich in diesem Augenblick wohl oder übel umgedreht. Beeindruckend war das Schauspiel dennoch wie die seltsam lebendige Leiche, die sich Sousanna nannte, blass, beinahe grünlich um die Nase wurde und wie sie beim Herunterwürgen des Fingers schwer schluckte, als hätte sich mit einem Mal zu viel Speichel in ihrem Mund gebildet, und den Blick etwas abwandte.

Bei der Aufforderung des Herrn der Verborgenen aber straffte sich etwas in ihren Schultern. Beinahe als hätte diese Anweisung des Verrats, sie daran erinnert, wer sie war und dass sie gewissermaßen prädestiniert für derlei Aufgaben war.
Überraschend entschlossen für eine Dame, kniete sie sich in den Dreck, nahm den Ring in die Finger und wischte die stinkende, klebrige Masse, die ihn benetzte ohne viel Federlesen an ihrem Rock ab, ehe sie ihn wie angewiesen an den linken Daumen steckte. Kurz musterte sie das Kleinod als versuche sie sich vorzustellen, dass es sie nun immer begleiten würde, ehe sie allerdings die Schultern zuckte. Es hätte schlimmere Arten der Zeichnung geben können.
"Roger wird euer sein.", erklärte sie dann mit fester Stimme, nachdem sie sich erhoben hatte und ihre Augen kurz nach der körperlosen Stimme gesucht hatten. "Ich gehe davon aus, dass er leben soll, damit ihr ihm seine Strafe zuteil werden lassen könnt?" Kein Mitleid oder irgendeine Form der moralischen Zweifel klangen in ihrer Stimme. Was scherte schon eine Sünderin, ob man einen Beschützer der Armen und Schwachen aufknüpfen wollte? Wer einem Monster wie Godeoc auf die Nerven ging, musste weg. So war das eben.

Ergeben neigte sie noch einmal tief das Haupt. "Ich danke euch dafür", erwiderte die Schöne in Mitten dieser Hochburg der Abscheulichkeiten und verharrte in ihrer demütigen Geste.
Erst nach einer Weile brachte sie ihre letze, ihre einzige Bitte vor: "Es gibt nur eine Sache, die eigentlich auch mit meiner Arbeit zusammenhängt. Ich besitze ein Schiff, das ich für meine Arbeit als Harpyie einzusetzen gedenke. Dort sollen Zusammenkünfte und Feierlichkeiten der unseren stattfinden können, um meine Netze weiter zu weben. Es wäre mir eine große Hilfe, dieses Schiff im Hafen anlegen lassen zu dürfen."
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Re: [1008] Schöne besucht Biester [Godeoc (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Türlich lebnd. Tote hamwa schon genug oder?" beinahe konnte man hören wie er dabei den Kopf schüttelte, ob soviel Begriffstutzigkeit. Das es nicht unbedingt daran lag. Als ob es jetzt aber nicht schon klar genug gewesen wäre, fasste er, wohl aus seinem ureigenen abgründigen Humor heraus, noch einmal nach: "Ne Leiche zu häutn is auch nur so spannd wien Apfel zu schäln. Aber haste das ma mit nem Ghul probiert? Das kann Wochn gehen wenn man sie füttert. Danach isser mir. Un das sieht dann auch jeder." gab es vielleicht, trotz der in der Luft hängenden Androhung unvorstellbarer Gewalt etwa noch ein schrecklicheres Schicksal was der Älteste der Nosferatu plante? Ein Schmerz der über das hinausging was Menschen begreifen konnten? Ein Kloß mochte sich denen auf den Hals legen die diesen Gedanken bis zu Ende gingen.

Nach einigen Augenblicken der Stille, nur unterbrochen von den entfernten Geräuschen des nächtlichen Claviculas, antwortete die subkutane Stimme als hätte sie sich bereits von der nächtlichen Besucherin abgewandt: "Soll mir rech' sein. Wenns Schwierigkeitn gibt stehstde grade. Un keine Geschäftsausweitung oder son Mist. Dann hab'ch nix gegen. Falls Acacia kein Veto einlegt." ein spöttisches Schnauben folgte, als ob er das selbst für einen Witz halten würde.

Dann kam nichts mehr von ihm. Ob er einfach gegangen war oder wartete was sie jetzt tun würde und wie eloquent sie sich von ihm verabschieden würde, wenn er gar nicht mehr da wäre, das ließ er im Raum schweben wie einen seiner Witze über die immer nur er lachte.
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