[1008] Der Raubvogel [Sousanna]

[Mai '18]
Benutzeravatar
Ravunthu Velchai
Ventrue
Beiträge: 253
Registriert: Fr 11. Mai 2018, 17:41

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Ravunthu Velchai »

Die Ventrue nickte schmunzelnd. Sie ging zur Türe und öffnete diese. Sollte ihr Blick draußen nicht auf einen Diener der Sousanna fallen, würde sie eben die Treppe hinunter nach 'Milan' rufen.

Nachdem sie auf welche Weise auch immer erreicht hatte, dass Milan mitgeteilt wurde, Lunus sei hierher zu schaffen, wandte sie sich mit neugierig blitzendem Blick wieder der Harpyie zu. "Nun ist mir aber nach einem Wunder!"
"Chaos is not a pit. Chaos is a ladder."
- Littlefinger, Game of Thrones
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Es hatte niemand draußen gewartet. Nichts an diesem Ort hätte auch darauf schließen lassen, dass hier Personal irgendwo warten würde. Vermutlich war es das höchste der Gefühle, an diesem Ort nicht ausgeraubt oder geschändet zu werden. Doch Milan kam unbeschadet zu seiner Herrin zurück. Er würde, so er sich denn darauf eingelassen hatte, eine wunderbare Zeit mit Wein, Weib und Spiel erlebt. Sousannas Leute schienen raue Gesellen zu sein, doch wer "zur Familie gehörte" wurde offensichtlich mit der rauen Freundlichkeit von Brüdern im Elend empfangen.
Tiziano unterdessen würde noch einige Befehle in schnellem Griechisch erhalten, auf die er irgendetwas in der selben Sprache zu erwidern versuchte, das sie aber zum glockenhellen Lachen und zu einer halb strengen Verbesserung brachte, die ihn etwas verlegen schmunzeln ließ.

Schließlich, da alle Anweisungen gemacht und Milan von dannen gezogen war, würde ein wildes Lächeln auf Sousannas Lippen erwachsen. "Dann folgt mir, liebe Schwester.", wies sie die fremde Tochter Kains an und würde mit einer zum Folgen einladenden Geste voranschreiten. "Wunder weiß ich stets zu bieten."

Eine Türe würde sich am Ende des Flurs öffnen und noch bevor Ravunthu irgendetwas sehen würde, drangen die Düfte des Orients intensiver denn je zu ihr heran. Zimt, Muskat, Weihrauch, Orangen ... Alles vermischte sich zu einem betörenden Duft, wie man ihn nur auf den Märkten jener glorreichen Stadt wahrnahm.
Und dann drang das Licht an ihre Netzhaut. Es war das rosenmilde Licht, das für gewöhnlich nur entstand, wenn rötliche Vorhänge strahlenden Sonnenschein eindämmten. Doch es war tiefe Nacht draußen. Zumindest als die Ventrue das letzte Mal nachgesehen hatte, war es Nacht gewesen.
Die ersten Schritte in die Wunderkammer hinein ließen jeden Besucher sich in eine andere Welt versetzt fühlen. Purer Reichtum bot sich hier. Beste Seide spannte sich über Kissen, die den Boden bedeckten. Prächtigste Wandbehänge zeigten die Muster des alten Byzanz. Edelsteine, Schmuck und weitere Schätze schienen auf kleinen Tischchen verstreut als hätte sie eine kunstvolle Hand in achtloser Eleganz verteilt. Es gab nichts, was es nicht gab. Die Stoßzähne eines riesigen Tieres, verziert von wilden Stämmen aus dem Süden. Prunkvolles Geschmeide. Dinge, deren Zauber man erahnen, aber doch nicht wissen konnte. - Und in der Mitte des Raumes eine jener sonderbaren Pfeifen, mit denen man sich wohl vortrefflich berauschen konnte. Und immer mehr Wunder tauchten auf, wohin man auch blickte.

Ruhig trat Sousanna in den Raum und sah sich liebevoll um, als wäre dies hier die Stube ihres ersten Sohnes. "Ich hoffe, es sind Wunder nach eurem Geschmack.", lächelte sie schließlich zu ihrem Gast hinüber.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Ravunthu Velchai
Ventrue
Beiträge: 253
Registriert: Fr 11. Mai 2018, 17:41

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Ravunthu Velchai »

Geradezu misstrauisch, als wäre dies zu angenehm um wahr zu sein, würde Milan in Tizianos gastfreundlicher Runde wirken. Trotzdem nahm er den Wein an, um niemanden vor den Kopf zu stoßen, und nippte daran. Immer wieder würde er in Richtung der Treppe blicken, nervös, als könne derjenigen, die er dort droben zurückgelassen hatte, etwas geschehen.
Als Ravunthu sich an ihn wandte, sprang er schier von seinem Stuhl, und Wein und Gesellschaft waren auf den Ruf seiner Herrin hin scheinbar völlig vergessen. Sogleich machte er sich auf, den gewünschten Lunus heran zu schaffen.

Die Ventrue hob beim Eintreten in Sousannas Kammer der Wunder das Kinn, blickte in die Runde und dann an die Decke. Ein verblüfftes Lächeln öffnete ihre Lippen leicht, und sie drehte sich einmal um die eigene Achse. Ihre Brust hob und senkte sich dabei in Atemzügen, mit denen sie die Gerüche einsog. Mit den Fingern strich sie behutsam über Stoffe, sie sie bewunderte, und näherte sich mit dem Gesicht jenen wundervollen Stücken, die auf Tischen oder in Nischen untergebracht waren, schien auch an ihnen zu riechen.
Auf die Frage der Ravnos hin lachte die Ventrue auf und schüttelte dabei verblüfft den Kopf. "Bei den meisten dieser Stücke weiß ich nicht einmal, worum es sich handelt! Aber natürlich. Überraschungen, Geheimnisse mag ich. Und auch noch welche, die so wundervoll aussehen. Riechen. Sich anfühlen." Sie schnaubte, und ihre Zunge benetzte ihre Oberlippe, während sie den Stoßzahn betrachtete.

Milan war noch nicht wieder eingetroffen, aber es würde wohl nicht allzu lange dauern, den Gesuchten in die Wunderkammer zu bringen.
"Chaos is not a pit. Chaos is a ladder."
- Littlefinger, Game of Thrones
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Sousanna hatte ihrem Gast Zeit gelassen, sich umzusehen und war selbst auf ein mit edlen Stickereien verziertes Kissen gesunken, wo sie als Kunstwerk inmitten von Kunstwerken verharrte.
Sie hatte beinahe schon ernst gewirkt, dann langsam brach wieder ein Lächeln auf ihren Lippen empor. Strahlend wie die Sonne und erfrischend wie ein klarer Bergbach. "Das freut mich sehr.", hauchte sie und begann sich genüsslich zu räkeln wie eine Katze vor dem Ofen. "Solange wir warten, tobt euch aus. Meine Wunder seien die euren."

Mit einem Grinsen setzte sie sich aber auf, als wäre ihr eine Idee geradezu in den Kopf geschossen. "Sagt, habt ihr schon einmal die Wasserpfeife geraucht?", fragte sie.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Ravunthu Velchai
Ventrue
Beiträge: 253
Registriert: Fr 11. Mai 2018, 17:41

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Ravunthu Velchai »

Ravunthu hatte den Stoßzahn sanft wieder abgelegt und drehte inzwischen eine getrocknete Anisfrucht zwischen den Fingern, beschnupperte sie.

"Nein", sagte sie, "zumindest nicht selbst. Wirkt sie denn bei unsereins auch direkt?"
"Chaos is not a pit. Chaos is a ladder."
- Littlefinger, Game of Thrones
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Nun war Sousannas Lächeln das triumphierende Strahlen einer Frau, die wusste, dass sie ihrem Gast den Atem rauben konnte.
"Die Wasserpfeifen, die man an den Feuern meines Blutes raucht, vermögen das.", schmunzelte sie und würde dreimal kurz in die Hände klatschen. Ein blonder Jüngling, jünger und hübscher als ihr Kettenhund betrat die Kammer voller Wunder und würde sich sogar vor beiden Schönheiten verneigen, ehe seine zauberhafte Herrin ihm einen Befehl zuraunte und er sich mit einem breiten Lächeln, das von tiefer Verzauberung sprach, wieder davon wandte, das nächste Wunder vorzubereiten.
Die Sünderin unterdessen wandte sich mit einem leisen, hintergründigem Grinsen wieder an ihre Schwester. "Dieser Ort beherbergt nicht nur wundersame Schätze müsst ihr wissen."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Ravunthu Velchai
Ventrue
Beiträge: 253
Registriert: Fr 11. Mai 2018, 17:41

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Ravunthu Velchai »

"Wirklich?", schmunzelte die Ventrue auf die letzte Bemerkung der Ravnos und musterte sehr offensichtlich den jungen Mann - und dessen Hintern, als er sich wieder verabschiedete. Sie atmete tief ein und wandte sich mit einer Miene zu ihrer schönen Gastgeberin um, die nach wie vor große Zufriedenheit mit allem, was sie sah, zeigte. "Das vermag ich kaum zu glauben."
Mit unverhohlener Neugierde musterte sie die Pfeife.

Falls die Ravnos über ein gutes Gehör verfügte, würde sie nun die Schritte mindestens zweier Personen hören, die sich der Tür der Wunderkammer näherten.
"Chaos is not a pit. Chaos is a ladder."
- Littlefinger, Game of Thrones
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Der junge Mann schien sich nicht im Geringsten darüber zu grämen, dass er so beschaut wurde. Stattdessen musterte auch er die fremde Schönheit und schenkte ihr ein letztes, verwegenes Grinsen, ehe er sich trollte.
"Wunder sind dazu gemacht, nicht geglaubt zu werden und doch wahr zu sein.", sinnierte die Ravnos, während sie voller Muße mit einem kleinen Ball zu spielen begann. War es etwa geschnitztes Elfenbein mit Intarsien aus Gold?
Sacht hob sich dann ihr Blick, während sie mit nur halb verborgener Neugier im Blick auf die Tür sah.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Ravunthu Velchai
Ventrue
Beiträge: 253
Registriert: Fr 11. Mai 2018, 17:41

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Ravunthu Velchai »

Die Tür öffnete sich, und herein traten fast gleichzeitig zwei Gestalten. Der von frisch verheilten Schnitten entstellte Ghul der Ventrue führte eine zweite Gestalt am Arm, die ein hochgeschlossenes Gewand, eine tiefe Gugel und dazu einen Schal vor dem Gesicht trug. Die Hand, die aus dem Ärmel des Fremden gerutscht war und auf der Hand des Ghuls ruhte, war so weiß, wie es nicht einmal für einen Kainiten normal gewesen wäre.

Der Ghul stellte seinen Begleiter neben der Tür ab, schloss selbige und begann schließlich, den Anderen zu entkleiden. Als erst der Schal und dann die Gugel fielen, bot sich Sousanna ein erstaunlicher Anblick. Ein stattlicher Mann, Haupthaar, Wimpern, Bart und Haut weiß wie frischer Schnee, die Augen durchscheinend bräunlich, die Pupillen im Halbdunkel des Raumes der Wunder geweitet ... und blutrot. Der Mann hatte die Lippen leicht geöffnet und hob das Kinn in dem herrlichen Meer an Düften, das sich ihm darbot. Er würdigte die Einrichtung keines Blickes, nicht die Anwesenden, nicht die vielen Wunder. Es dauerte sicherlich nicht lange, bis Sousanna auffiel, woran dies lag.

Jacke, Hemd und Hose fielen schließlich ebenfalls. Er trug nur noch ein Lendentuch, gewickelt wie jenes des Herrn Jesus am Kreuze.

Lunus war schön. Und offensichtlich blind.

Falls Sousanna während des ganzen Vorgangs Ravunthu noch eines Blickes würdigte, konnte sie sehen, wie die Ventrue zwar verheißungsvoll lächelte, die Reaktionen der Ravnos aber nichtsdestotrotz beobachtete.

Herde_Lunus_0.jpg
Herde_Lunus_0.jpg (41.66 KiB) 1635 mal betrachtet
"Chaos is not a pit. Chaos is a ladder."
- Littlefinger, Game of Thrones
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1008] Der Raubvogel [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Der Blick der Ravnos war neugierig gewesen. Wohl aber bereits mehr gierig denn neu. Ihre Haltung war noch immer gelassen, ja beinahe lässig, doch eine prickelnde, fühlbare Spannung hatte den zierlichen Leib durchdrungen.
In ihren Augen lagen jene brennenden Flammen der Begierde, die sich nur in Augen ihres Blutes finden ließen. Man hätte meinen können, dieser Blick wäre ebenso intensiv wie eine Berührung. Jemand der sich so sehr auf seine anderen Sinne verlassen musste, wie Lunus, würde sie wie sachtes Streifen über seine Haut fühlen. Noch immer sanft und liebkosend, aber doch präsent, als läge die menschlich warme Haut bereits auf der seinen.

Ein kurzes Lächeln traf Raventhu, während das ganze Gebaren der Harpyie verriet, dass sie gespannt darauf wartete, wie es weiter gehen würde.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Gesperrt

Zurück zu „1008“