[1009] Abkürzung oder Abzweigung [Lorenzo, Seresa]

[Seresa]

„Ich weiß nicht, was er Euch angeboten hat.“

Ihre Stimme klang ebenso ruhig und entspannt, wie auch ihr Blick war, der auf der Rose lag.

„Bibelkenntnis, die Beantwortung Eurer offenen Fragen, sowie das Lernen des Lesens der heiligen Schrift wird Euch wahrlich nicht davon abhalten, Eure Menschlichkeit zu Erhalten und auf der Via Humanitatis zu verweilen. Doch Titus selbst folgt dieser Via nicht und letzten Endes ist und bleibt er ein bemerkenswerter Mann. Einer, welcher trotz seines Stoizismus weiß, Herzen zu berühren.“

Seresa schwieg für einen kurzen Moment.

„Womöglich auch gerade deshalb.“

Die Brujah zuckte leicht mit den Schultern. Dass der Kappadozianer auch andere Seiten hatte, darüber schwieg sich Seresa aus.

„Was die Harpyie ihrer Majestät angeht, so ist sie bei Zeiten temperamentvoll, doch auch verständnisvoll. So Ihr sie Freundin nennt und weiter nennen wollt, solltet Ihr Euch mit Ihr aussprechen. Freundschaften sollten nicht zerbrechen nur weil womöglich ein Missverständnis vorliegt. Dafür sind sie in unserer Welt hinter der Welt zu kostbar.“

Dann zuckte sie erneut mit den Schultern. Mit Sousanna zu sprechen war wie ein Spießroutenlauf, das wusste sie selbst. Doch war es so mit allen Neugeborenen, die sich aufschwangen und meinten durch ihr Amt besser zu sein. Sie mussten nach unten treten, waren es schließlich die Anderen, welche bereits an ihren Stühlen sägten, um sie erneut zu Fall zu bringen.

„Was Eure Projekte angeht…“

Seresa schwieg für einen kurzen Moment, während sie hin und her zu überlegen schien.

„Wie gedenkt Ihr es umzusetzen?“

[Lorenzo]

Lorenzo nickte, „Ich stimme euch zu, dass Lesen der Heiligen Schrift wird nicht das Problem. Allerdings hat Titus das Ziel mich auf den Weg des Himmels bringen. So wie ich euch verstehe muss ich dafür die Menschlichkeit hinter mir lassen. Das wäre ein für mich unerträglicher wie auch gefährlicher Umstand, ich kenne die Bestie in mir und ich will nicht dass Sie wieder hervorbricht, und genau das Fürchte ich, wenn der Preis den Verlust meiner Menschlichkeit bedeuten würde.

Lorenzo lauschte dem Rat bezüglich Sousanna, vieles war kompliziert zwischen Ihnen geworden seid damals, als die Harpyie aus seiner Sicht über die Strenge geschlagen hatte.

„Nun dann werde ich mit Sousanna das Gespräch suchen, denn ihr habt recht, Freundschaften sind so selten in unserer Welt und die Möglichkeit Sachen in Ordnung zu bringen, oder zu klären sollte man umso mehr einräumen.“ Man konnte sehen wie schwer es der Rose viel dies sich einzugestehen und dazu zu stehen.

Was mein Projekt betrifft, ich bin gerade dabei ein großes Netzwerk an Lebensmittellieferanten aufzustellen um regelmäßige Lieferungen zu garantieren. Auch kann ich diesbezüglich schon die ersten Erfolge verzeichnen.“

[Seresa]

„Das freut mich zu hören.“

Seresa schwieg für einige Augenblicke. Sie hoffte für die Rose, dass diese alle Unwegsamkeiten bei seinem Projekt bedacht hatte. Doch was, wenn nicht?! Wollte sie ihm helfen?! Konnte sie ihm helfen?! Bohrte sich der Keil zwischen Ajax und Titus nun auch zwischen Seresa und Lorenzo?! Selbst wenn ihre Hilfe redlich war, würde sie als solche wahrgenommen werden?!

„Ich werde Augen und Ohren offenhalten und Euch Bescheid geben, sollte ich Möglichkeiten sehen, welche Euch nutzen könnten.“

Mehr konnte sie derzeit nicht zusichern. Sie würde dafür einige Gespräche führen müssen, doch das würde Zeit in Anspruch nehmen und einige Nachforschungen erfordern. Darüber hinaus war unklar, ob ihre Hilfe überhaupt angenommen und willkommen geheißen würde.

„Was die Harpyie ihrer Majestät angeht, so sehe ich sie regelmäßig. Sofern Ihr es wünscht, kann ich versuchen mich vorab zu erkundigen, wie es um Eure Freundschaft Ihrerseits bestellt ist. Sofern Euch dies von Nutzen wäre.“

Ihr Blick war fragend auf die Rose gerichtet. Mehr als anbieten konnte es Seresa nicht, auch wenn sie nichts über die Freundschaft der Beiden tatsächlich wusste. Sie vermutete jedoch, dass es um Handel ging, schließlich hatte sie den Toreador einst selbst an Sousanna und Acacia verwiesen.

„Was die Via Caeli - den Weg des Himmels - beziehungsweise jeden Wechsel auf eine andere Via angeht, so werdet Ihr nicht umhin kommen Taten zu begehen, welche Euch derzeit womöglich unbegreiflich vorkommen müssen. Die Eure Menschlichkeit in Frage stellen werden. Geplanter Mord oder andere unvorstellbare Grausamkeiten.“

Seresa schwieg für einige Momente und gab ihren Worten den Raum, damit der Toreador verstand, was der Preis sein würde.

„Ihr werdet darunter leiden und Zweifel werden an Euch nagen wie Ratten, welche in einem Käfig auf Eure Brust gesetzt wurden und die vor Angst nur einen Weg kennen, nämlich sich in Euren Körper hinein zu fressen. Doch das ist der Preis, welchen Ihr zahlen müsst um die Via Humanitatis hinter Euch zu lassen. Etwas, was die Meisten Euch nicht sagen werden, denn sie haben den Preis schon vor langem bezahlt und sind so sicher auf ihrer Via, dass sie vergessen haben, was dieser Schritt einst für sie bedeutete. Ihr werdet Euer jetziges Leben hinter Euch lassen, tun was Ihr einst für unvorstellbar hieltet und neue Wahrheiten lernen, welche Euch Halt in dieser unserer Dunkelheit geben. Auf dem Weg des Himmels ist es der Glaube, welcher Euch Schutz und Halt gibt. Die Gewissheit dem Herrn zu dienen und gegen das Böse zu kämpfen.“

Erneut pausierte die Brujah für einen Augenblick.

„Für mich ist es der falsche Weg. Ich sehe zu viel Böses, weshalb mein Tier nicht ruhen könnte auf der Via Caeli. Es würde sich unweigerlich gegen die Ketten auflehnen, in welche ich es zwingen müsste. Für Titus ist die Via Caeli der einzige Weg, um dem Herrn wahrlich zu dienen. Er ist der Überzeugung, dass für jemanden der wahrhaft glaubt, es nur diesen Weg gibt.“

Seresa zuckte leicht mit den Schultern.

„Ich bin noch jung im Vergleich zu ihm. Habe nicht gesehen, was er gesehen hat. Nicht erlebt, was er erlebt hat. Womöglich werde ich eines Nachts feststellen, dass ich mich geirrt habe. Womöglich nicht. Wir werden es sehen. Für den Moment gibt es für mich wahrlich keinen Grund für einen Wechsel. Dies ist meine Entscheidung und ich stehe zu ihr. Wenn es Eure Entscheidung ist, auf die Via Caeli zu wechseln, solltet Ihr Euch von mir nicht abhalten lassen. Ich zweifle nicht daran, dass Titus Euch stark machen wird. Euch auf die Qual, welche mit dem Wechsel unweigerlich einhergeht, bestmöglich vorbereiten wird. Er wird Euren Willen härten und Euch beistehen, so sehr er es vermag. Er wird Euch ein guter Lehrer sein, doch im letzten Kampf wird er Euch nicht beistehen können. Dieser wird einzig zwischen Euch und Eurem Tier ausgefochten.“

Wiederholt schwieg die Brujah. Es war ein schwieriges Thema und keines in welchem sie sich deutlich gegen Titus positionieren wollte. Die Situation war so schon schwierig genug. Man musste sie nicht noch schwieriger gestalten. Und dennoch gab es dort noch eine unausgesprochene Wahrheit. Eine Wahrheit, welche auch der Toreador kennen sollte, bevor er sich auf den Wechsel begab.

„Was geschieht, wenn Ihr dabei scheitert, habt Ihr bei Hofe gesehen.“

Ob Seresa nun meinte, dass Titus Lorenzos Schwester im Blute den Kopf von den Schultern getrennt hatte oder die Lasombra, welche angeblich dem Tier anheimgefallen war, ließ Seresa bewusst offen. So oder so. Asche würde regnen, wenn er scheiterte.

[Lorenzo]

Kaum hatte Seresa zu reden aufgehört, konnte man deutlich sehen wie es in Lorenzos Kopf zu rattern begann und instinktiv stellten sich ihm sämtliche Nackenhaare auf. Es waren keine schönen Gedanken die in seinem Kopf herumgeisterten. Dann hörte man ihn mit mahlenden Kiefer murmeln.

„Alles nur Lügner, alle wollen nur meine Seele für sich gewinnen und spielen mir was vor. Bei Sousanna weiß ich wenigstens das ich verarscht werde. Bei Ihr wusste ich meist woran ich bei Ihr bin. Dieser Heuchler.“

Dann von einem Moment zu anderen, hatte er wieder seine Maske des Lächelns, wieder aufgesetzt.

„Es wäre mir eine Freude wenn wir einen Weg zur Zusammenarbeit finden würden. Was die Harpyie betrifft, was der letzte Stand der Dinge war sind wir noch freunde. Sie sagte sie will unsre Freundschaft von neuen Entfachen lassen, wir hatten die eine oder andere kleine Differenz.“

Dann wurde sein Blick ernst, „Ich will meine Menschlichkeit nicht opfern, weder für jemanden als Person noch für einen Pfad. Allerdings hat er mich gewarnt, sollte ich Gefahr laufen abtrünnig zu werden, wird er mich an sich Binden mit der Roten Fessel an sich binden. Ich stecke, wen wundert es, mich jedenfalls gar nicht mehr, wieder mal in der Scheiße und das Buchstäblich im wahrsten Sinne des Wortes.“

Es war deutlich zu sehen, dass nicht mehr viel Fehlt und Lorenzo in eine regelrechte Panikattacke verfallen würde.

[Seresa]

Seresa ging schweigend neben der Rose. Den Blick nach vorne auf den Weg gerichtet. Sie schien über das Gesagte nachzudenken. Es zu ordnen. Eine einfache Lösung schien es hier nicht zu geben, denn sie vermisste Details und sie war sich selbst im Klaren, wie einfach es gewesen wäre Titus zu verteufeln. Innerlich aufzuschreien und zu jubeln. Stattdessen war sie ruhig. Äußerlich, wie auch innerlich. Nachdenklich und besonnen. Schließlich blickte sie zu Lorenzo und schien die Frage zu stellen, welche ihr Mosaik zusammensetzen sollte.

„Welchen Grund hätte Titus Euch gegen Euren Willen zu binden?“

Auf Sousanna oder auf die gemurmelten Worten Lorenzos schien Seresa derzeit nicht näher eingehen zu wollen. Stattdessen schien sie die gestellte Frage zu beschäftigen und dessen mögliche Antwort.

[Lorenzo]

Die Rose ging kurz in sich um die richtigen Worte zu finden, während er den Weg mit Seresa weiter fortsetzte.

„Nun ich hatte Titus einen Blutschwur geleistet, und er hatte unmissverständlich klar gemacht, sollte ich Gefahr laufen, auf den Weg der Sünde zurück zu verirren und er es mitbekommen, wird er die rote Fessel vollenden. Der Schwur an sich beinhaltete, dass ich meinem alten Leben abschwöre um ein neues im Dienste des Herrn Jesus zu beginnen.“

[Seresa]

Seresas Hände hatten sich unter ihrem Umhang zu Fäusten geballt. Blutschwur. Dieser seltendumme Toreador. Die Brujah sog langsam die Luft in ihre untoten Lungen und versuchte sich zu beruhigen. Sie war selbst in der Vergangenheit gegenüber dem Kappadozianer nicht besser gewesen. Auch sie hatte ihr Wort gegeben. Sie wusste, wie einnehmend und zwingend Titus sein konnte. Dennoch…

„Ein Blutschwur ist bindend.“

Es war eine schlichte Darstellung der Tatsachen. Es gab wenig Spielraum diesbezüglich. Ihre Stimme klang sachlich und ernst. Da sie jedoch seine Verzweiflung mitbekommen hatte fuhr sie ruhig fort.

„Wie waren die exakten Worte des Schwurs, welchen Ihr Titus geleistet hattet?“

[Lorenzo]

Lorenzo nickte, „Nun dann gibt es wohl keinen Ausweg für mich, denn ich habe nicht vor Wortbrüchig zu werden.“ Man konnte sehen, dass es die Rose damit ernst meinte.

Dann schien die Rose nochmals nachzudenken.

„Was den Schwur betrifft, er beinhaltete folgendes.
Ich schwor im Namen Gottes, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, im Namen seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herren und im Namen des heiligen Geistes, der Sünde zu entsagen und mich auf den Weg zu Gott zu begeben? Weiteres schwor ich mein altes sündiges Leben hinter mir zu lassen und nie wieder danach zu streben zu diesem zurück zu kehren? Ich schwor meine Sünden zu bereuen und für diese Buße zu tun und das Werk des Herren zu vollbringen als sein Werkzeug, die Christenheit zu stärken und für meine eigene Seele nach Erlösung zu suchen. Dann trank ich als Zeichen meiner Ehrerbietung von seinem Blut als zukünftiger Wandler auf der Via Caeli.“


Lorenzo wandte mit einem Blick der Hoffnungslosigkeit den Blick zu Boden.

[Seresa]

Seresa sog langsam und tief die Luft durch die Nase in ihre untoten Lungen, bevor sie sie unverbraucht wieder ausatmete. Die Brujah schloss für einen kurzen Moment die Augen. Sie wollte ihn schelten dafür, dass er einen Blutschwur geleistet hatte, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein. Doch wer wäre sie? Sie hatte aus ähnlich dummen Gründen ihr Wort gegeben, ohne sich über die tatsächlichen Konsequenzen im Klaren zu sein. Bei ihrem gegebenen Wort würde man sich durchaus herauswinden können auf die eine oder andere Art und Weise und indirekt tat sie dies noch immer. Bei einem Blutschwur war die Sache jedoch eine andere. Eine weitaus kompliziertere und doch fiel ihr sofort auch hier ein Schlupfloch auf.

„Es gibt immer einen anderen Weg, werter Lorenzo.“

In ihrer Stimme lag Überzeugung.

„Es ist einzig die Frage, ob wir gewillt sind ihn zu begehen und den entsprechenden Preis zu bezahlen.“

[Lorenzo]

Lorenzo legte den Kopf schief während er nachzudenken schien.

„Das ist schwer zu sagen, wenn ich genaueres Über den Weg den es zu begehen gilt wüsste und den Preis den es zu entrichten gälte kennen würde, dann könnte ich die Frage beantworten.“