[1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

[Juli '18]
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Sousanna
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

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Die ersten Worte schien Sousanna noch nachvollziehen zu können. Mit geschlossenen Augen und einem leisen Lächeln hatte sie genickt. Sogar ein "Ich weiß, was du meinst.", war über die vollen Lippen gekommen. Genau wie ein Seufzen.
Wieder schüttelte sich der hübsche Kopf. "Ich habe nicht vor jemanden zu verteufeln, der mich oder die meinen in Ruhe lässt. Man mag es kaum glauben" In ihren dunklen Augen funkelte der ganz sanfte Anklang von Amüsement. "Aber mir liegt mehr an Freude als an Qual. Und wenig am Krieg. Aber wenn ich es tun muss, werde ich nicht wehrlos alles ertragen."

Dann aber ging eine Veränderung durch den Leib der Ravnos. Jeder einzelne Muskel in dem zierlichen Leib fand eine Anspannung. Die mit einem Mal zu ihr gefundene Kraft schien ein Sitzen nicht mehr zuzulassen. Denn ohne Mühe, ja beinahe ohne sichtbare Bewegung erhob sie sich.
"Ich frage mich hin und wieder, was du von mir hälst." Da hatte sich ein Zischen in ihre Stimme gestohlen. Ein kühles, seltsam tierisches Zischen. Für einen Augenblick hatten sich die Finger verkrümmt, beinahe als wünsche sie sich, Krallen mögen daraus vorschießen.
Heiße, unerbittliche Flammen lagen in ihrem Blick. Den Bruchteil eines Moments schien sie mit sich zu hadern. Dann wandte sich die Harpyie ruckartig ab.

Sie tat einige Schritte, ehe sie zu einem Tischlein gelangte, auf das sie sich lehnte. Den Blick starr auf einen Gegenstand gerichtet, der dort aufgebahrt lag. Noch immer verriet ihr Rücken, dass sie jene unheilige Wut in sich brodeln fühlte. Dass sie sich nur ihrer Schwester zuliebe beherrschte. "Du musst mich für eine selbstverliebte, dumme, blinde Ziege halten, die sich ihren Stand durch Bluthurerei oder dergleichen erschlichen hat." Dafür wie sehr ihr Rücken zitterte, war die Stimme überraschend ruhig. Zu ruhig. Um sie herum schien die Luft zu knistern. Schien sich seltsam zu verdichten.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
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Livia
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Livia »

Zuerst wirkte Livia ganz zufrieden, sie nickte zustimmend, sah es wohl ähnlich wie ihre Schwester - auch wenn sie den letzten Ausspruch im Kontext nicht ganz verstand. Sousanna würde schon ihre Gründe haben, dies so zu betonen.

Als sie dann jedoch - Livia war nicht in der Lage zuzuordnen, wann genau dies geschah - plötzlich in Wut geriet wirkte die Merkurianerin mehr als verwirrt. Ihre Augen weiteten sich unruhig und sie beobachtete das seltsame Gebahren der gewissermaßen drohenden Katze vor sich.
"Was ich von dir halte?" Wiederholte sie die Frage verwirrt. "Ich liebe dich. Mehr als die meisten meines Blutes in ganz Italia, mehr als jene, die meine Via mit mir teilen, mehr als die Menschen meiner Umgebung und die Kainiten dieser Domäne." Langsam wurde Livias Stimme leiser, unsicher, vor allem langsamer... Sie schluckte.

"Du bist mein größtes Vorbild, egal ob du deine Stellung durch Bluthurerei, geniale Pläne oder harte Arbeit erlangt hast - du hast sie erlang. Du bist
meine stärkste Freundin und..."
Sie blickte nun auch finster zu Boden. "Offensichtlich wohl auch meine mächtigste Konkurrentin.
Was ist es denn, was du von mir denkst?
Auch ich frage mich jene Frage... Wieso du mich als Bedrohung wahrnimmst?!" Ein Hauch purer Verwunderung und sanften Verzagens schlich sich in Livias Stimme.
"Weil ich es einmal wagte, gegen einen deiner Weggefährten zu sprechen, der sich so harsch an einer unserer Schwestern vergriffen hatte?" Sie atmete durch. "Weil ich deinen Launen nicht gut folgte und dich nur schlecht tröstete, sondern statt dessen tat, was das Sicherste und Vielversprechendste für dich war, als ich die Aussöhnung mit der Kappadozianerin einleitete?"

"Was um alles in der Welt bringt dich dazu, mich nicht als die Chance zu sehen, die ich für dich darstelle - offensichtlich genährt davon zu sehen, welche Chance du für mich darstellst?" Sie schüttelte sanft den Kopf. Keine Träne floss über ihre Wangen, sie waren keine Menschen mehr und brauchten es auch nicht zu spielen.

"Wenn dann bin ich die dumme Ziege, die sich nicht getraute diese Frage schon viel früher zu stellen...
Aber ich fürchte deine zornige Leidenschaft und hasse es, dich im Unglück zu sehen..." Die Stimme war wieder leiser und schwächer geworden.
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Sousanna
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Sousanna »

Noch immer blieb der schöne, schlanke Leib regungslos. Aufgerichtet wie eine Gerte. Der Körper einer Tänzerin. Beherrscht in seiner scheinbarer Unbeherrschtheit.
Lange herrschte Stille, dann durchschnitt ein leises Lachen die Stille. Ein Lachen süß wie ein Apfel, der mit Honig überzogen war und in dem sich Gift verbergen mochte - oder nicht.
"Weil ich weiß, dass es jemanden gibt, der Handelspartner davon überzeugen will, dass meine Handel ihnen nicht die erhoffte Sicherheit bringen würde.", wisperte sie und die Worte klangen doch hörbar an Livias Ohr, als stünde die Ravnos direkt hinter ihr. "Weil ich weiß, dass mich jemand bei den Liktoren anzuschwärzen versucht. Weil man mich nach meiner Aussage am Hofe eine Lügnerin schimpft. Weil ich die Macht aus Wissen und Worten kenne und nicht so dumm bin, an Liebe unter Toten zu glauben."

Leicht schüttelte sie das Haupt, dann erst drehte sich die Sünderin um. Ihre Augen schienen in das Herz ihres Gegenübers sehen zu können und nun war ihre Stimme weicher als Samt. "Wenn du mir zeigen kannst, dass nichts von dem stimmt, dann werde ich dich auf Knien um Verzeihung bitten. Das ist es, was ich mir wünsche." Was geschehen würde, wäre dem nicht so, davon sprach nur ein dunkles Glimmen in den Augen. "Ich will mit dir zusammenarbeiten. Ich will dir Chance und Schwester sein."
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Livia
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Livia »

Livia hatte viel offenbart, das erste Mal ihre Sorge zu Sousannas Verhalten ihr gegenüber geäußert und war entsprechend angespannt. Nicht unerwartet überschüttete die Sünderin sie kurz danach mit Vowürfen... und Livia sah sie nur fragend und verwirrt an.

"Du glaubst..."
Sie stockte direkt wieder. Sousannas Nachtrag war tiefgehend, wahrhaft bedrohlich und doch schwer zu lesen...

"Du glaubst ich würde dich verleumden?" Ihre Stimme war fassunglos.
"Sie vom Handel mit dir abhalten wollen?
Geschichten über irgend einen Kerl, den ich in meiner Zeit hier nie gesehen habe, verbreiten?
Wie um alles in der Welt kommst du darauf das ich das wäre?
Was um alles in der Welt hätte ich davon?" Sie schüttelte nur den Kopf.

"Ich... ich weiß gar nicht... also..." Erneut schüttelte sie den Kopf verwirrt.
"Sousanna... ja, ich will dir zeigen, dass nichts davon stimmt und uns wieder in unseren Armen sehen." Zunehmend schwang sich die Weichheit in ihre Worte zurück,a uch wenn sie anders klang... verwundet.
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Sousanna
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Sousanna »

Ein undeutbares Lächeln lag auf den Lippen der Harpyie. Es war schlimmer als jeder Schrei und jeder Fluch. Es war ein Lächeln, das von den dunklen Waffen sprach, die der Tod der Schönen einst geschenkt hatte, und zum ersten Mal offenbarte, dass sie in mindestens einem Krieg eine entscheidende Rolle gespielt haben musste.
"Ich glaube, du wärst dumm, würdest du so etwas tun." Noch immer war die Stimme leise, weich. Schmeichelte um Haut wie Samt. "Und ich will dich nicht für dumm halten. Deshalb habe ich dich hierher gebeten. Um die Vorbehalte, die sich gegeneinander aufgestaut haben, ein für alle Mal auszuräumen, anstatt einen törichten Streit so weit zu schüren, dass daraus ein Brand wird."

Scheinbar etwas gelassener lehnte sich die Hehlerin an das Kissen. "Fakt ist, dass all diese Dinge geschehen sind. Fakt ist auch, dass du mich gut kennst - und dass du zwischenzeitlich vermutlich wohl durchaus wütend auf mich warst.", seufzte sie und wandte ihren Blick zur Decke, als gehe sie die Angelegenheit noch einmal im Kopf durch. "Es läge in jedem Fall nahe. Und es hätte unleugbare Vorteile, Harpyie und byzantinische Händlerin aus dem Weg zu räumen, wollte man etwas erreichen. Findest du nicht?"
Kurz schüttelte sie den Kopf, als wolle sie diesen Gedanken nun endlich loswerden. Der Freundschaft willen. "Aber gut, natürlich, du warst es nicht und du wolltest mir zeigen, dass dem nicht so ist. Kannst du mir denn sagen, wer es dann vielleicht war?"
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Livia
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Livia »

Zuerst war Livia ihrer wankelnden Freundin kritisch aber schlicht gefolgt, doch in letzter Satz schien sie stärker aufzubringen.

"Du willst mich verhören?
Du könntest mich auch einfach fragen, ob ich wüsste, wer etwas gegen dich täte." Sie schnaubte, sich ausgenutzt fühlend.

"Ja, es wäre dumm, gegen dich vorzugehen...
Denn ich könnte daraus nichts profitieren... ich habe keine Seehandelskapazitäten, um deine Handelsrouten zu übernehmen.

Ich habe lange nicht ausreichend gesellschaftliche Bedeutung,
um mich um dein Amt zu bewerben.

Ich habe kein Interesse daran, dass der verrückte Ferrucio unsere höchst verehrte Majestät von meinen Wegen auf die Wege des Himmels bekehrt
und du bist seine lauteste Gegenstimme.

Nein... bei allem was Intrige und was Liebe, was Vernunft und was Plan ist. Deine Schwäche ist niemals meine Stärke.

Auch wenn deine Stärke nicht meine Stärke geworden ist und durch mich noch weiter blühen konnte... wie wir es am Anfang erhofften."
Resignativ wandte Livia den Blick zu Boden.

"Ich weiß nicht, wie ich dir beweisen sollte, dass ich etwas nicht getan habe... Aber ich glaube du siehst, ich habe kein Argument gegen dich vorzugehen.

Auch die Ideen wie ich es getan haben sollte sind abwegig.
Es kümmert mich nicht, ob dein Zeugnis über Seresas Bruder wahr ist oder nicht... Wie um alles in der Welt sollte ich deine Zeugenaussage in Zweifel stellen, wenn ich zu dem Zeitpunkt der Taten nicht einmal in der Domäne war? Wie sollte ich Gegenzeugnis begründen? Woher sollte ich inhaltliche Gegenargumente nehmen, wenn es eine Tat zwischen ihm und dir war und er jetzt in Mailand in Starre liegt?" Sie schüttelte den Kopf.
"Das ist wahrlich abwegig..."

"Was deinen Handel angeht ist es im Gegenteil so, dass ich gerne bald viel mehr deiner Waren beziehen will und gerne bald selbst Schiffe entsenden möchte, wofür ich mich mit dir zusammentun möchte! Nicht ohne dich als Kleinhändler untergehen." Sie schüttelte energisch den Kopf.

"Wer hat dir diese Flausen denn alle in den Kopf gesetzt, da muss doch jemand seine Einflüsterungen wirken gelassen haben!" Fast schmollend fragte Livia, Sousanna könnte doch gar nicht auf so viel Unfug gekommen sein.

Sie schnaubte.
"Ja... wir sollten das klären und zwar richtig.

Aber ich habe leider keine Ahnung, wer dich bei den Liktoren angeschwärzt hat. Ich habe seit Jahren nicht mit Ajax gesprochen, bei Amalia habe ich mich ein einziges Mal über Alain ausgekotzt und mit dem verehrten Blutvogt habe ich kein Wort über dich gesprochen... Du kannst sicher verstehen wieso." Zischte sie.

"Ein Motiv gegen dich vorzugehen haben viele... aber eins müssen wir klar sehen... dein Kreuzzug gegen die Heiligen den du vorher angedeutet hast, er klingt bereits total übertrieben, als habe dich jemand aufgestachelt.
Und jetzt wendest du dich auch noch mit solchen Vorwürfen gegen mich?
Wer auch immer etwas gegen dich hat, der agiert nicht nur über Verleumdung... der bringt dich auch dazu viel zu sehr in alle Richtungen zu schlagen und potentiell gute Verbündete, wie Angelique oder mich, zu deinen Feinden zu zählen!" Die Empörung wich langsam dem Entsetzen und der Sorge durch jene Worte. Allerdings langsam...
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Sousanna
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Sousanna »

Das Schweigen hing lange in dem Raum. Wurde greifbarer und greifbarer. Die Stille schien Stacheln zu entwickeln, die sich in die Haut eines jeden zu bohren drohten, der lauschen mochte.
Ewigkeiten lang schien die Schöne eine Statue geworden zu sein. Eine Statue voll strahlender Schönheit und doch so dunkel. Voll düsterer Vorahnungen und unheilvoller Gedanken.

Dann schüttelte sie heftig den Kopf und in der Bewegung schwand das sirupartige Unbehagen, dass sich um die schlanke Gestalt herum ausgebreitet hatte wie verschüttetes Gift. "Einflüsterungen haben mich nicht erreicht.", erwiderte sie ruhiger. War da Müdigkeit in dieser Stimme? Ihr Blick lag immer noch fest auf Livia. Doch der Zorn schien verraucht. Im Gesicht der Ravnos lag nur mehr bittere Enttäuschung. "Dinge, die ich erfahren habe, aber umso heftiger. Was ist es zum Beispiel, das du mit diesem Rosenhändler gesprochen hast?"
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Livia
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Livia »

Livia hatte das Schweigen voller Pein ertragen. Hatte Sousannas Reaktion abgewartet. Hatte ihre emotionale Kälte gespürt und geschluckt... wie konnte sie ihr nicht zustimmen? Weiter lag Verwirrung, aber auch ein Hauch von Furcht, auf ihren Zügen.
Bis Sousanna dann mit dem ersten Beispiel hervorkam.

"Meinst du Lorenzo?" Sie hob die Braue.
"Du willst es wissen? Gut... ich sage es dir...
Ich habe dir dein Unleben gerettet, in meinen Gesprächen mit ihm.
Gut?" Der Blick hatte sich etwas geklärt, wirkte kurz erbost.

"Wie auch zuvor wenn ich dir Dienste erwiesen habe, bin ich nicht zu dir gerannt und habe deinen Stolz in deinen schlimmstenfall tödlichen Fehler gedrückt, habe nicht um eine Belohnung gebettelt oder sonst etwas... ich hoffte es würde sich nicht wiederholen und falls es das du es je erfahren würdest, dass du bemerken würdest, was ich für dich getan habe... in schwesterlicher Liebe." Ein Hauch Resignation sank in Livias Worte.

"Wieder versuchst du mich zu provozieren, damit ich dich in Wissen einweihe... Lass uns das Spielen beenden. Du siehst, ich bin gewillt offen zu sein, dich nicht mit leeren Floskeln abzuspeisen oder einzulullen. Aber ich werde selbiges auch nicht mit mir machen lassen.
Ich kann dir nie widerlegen, was du gehört hast, wenn du es mir nicht mitteilst...
Berichte mir, was du gegen mich im Herzen trägst, ausführlich, ehrlich und konkret. Versuche nicht, Wissen aus mir herauszulocken. Ich brauche ja nicht die Namen deiner Spione und Intriganten, aber ich möchte wissen, was man dir über mich sagt und was du davon für Überprüfenswert befindest. So sehr, dass du fast wirkst, als sei dein Urteil längst gebildet...
Ich werde dir danach zur Gänze und ehrlich darauf Antwort geben...
Wir haben uns einen Schwur als Schwestern gegeben, lass ihn uns ehren."

Kurz atmete sie durch.

"Und danach kannst du meine guten Intentionen und Gefühle dir gegenüber eben erkennen und mich in deine Arme schließen, oder negative Schlüsse ziehen und reagieren, wie du es eben gedenkst." Ein Hauch Hilflosigkeit war nicht zu leugnen, im Ausdruck der Merkurianerin, aber auch ein Hauch Hoffnung.
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Sousanna
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Sousanna »

In den Augen aus Mahagoni blitzte kurz Schreckliches auf. Die Spannung erfüllte den schmalen Leib erneut. Wie jene knisternde Atmosphäre, die sich kurz vor einem Gewitter übers Land spannte. Die Grausamkeit der heidnischen Wüste blitzte in ihrer Miene auf. Wann würde sie sich entladen? Und was würde sie alles mit sich reißen, wenn dieses Wesen aus wildem Wüstenfeuer sich völlig entfesselte.
Waren dort in den Ecken nicht Schatten, die sich wanden? Sah man nicht im Augenwinkel, wie Dinge vor sich gingen? Oder war es nur ein Streich überreizter, toter Augen?

"Anstatt mit mir darüber zu reden, hast du mir eigenmächtig etwas genommen, das mir gehörte." Ein kaltes Zischen kam über die sonst so warmen Lippen. "Du hast mich nicht gerettet, sondern mich beraubt."
Die Worte verharrten in der dichten Luft, während sie einen Schritt nach dem Andern auf die Tochter zu schritt. Nein, es war kein Schreiten mehr. Es war das lauernde Schleichen einer Katze.
"Hättest du davor ein Wort gesagt, ein einziges - ich hätte dir vielleicht gedankt. In jedem Fall hätte ich mich erklärt." Leiser wurde die Stimme, während sie näher kam. "Du sprichst von der Ehre eines Schwurs. Ich ehre ihn. Ich war offen zu dir und jeder unserer Schwestern. Du nimmst mir hinter meinem Rücken etwas weg und erwartest, dass ich dir danke?! So dumm es dir erscheint, was ich tat, du hattest kein Recht dazu. Du hast den Schwur zur Offenheit gebrochen."

Die zierliche Gestalt vor Livia fauchte. Ihre Blicke schienen Feuer zu speihen. Zwischen ihnen schien die Luft zu lodern.

Doch dann schüttelte sie den Kopf und wandte sich abrupt ab. "Es ist mir egal, dass du ihn an die Heiligen verkauft hast. Soll er sehen wo er bleibt. Und dass sie noch verräterischer sind als meinesgleichen.", knurrte sie. Immer noch hatte sie die Zähne gebleckt. Zumindest klang es so. "Es ist mir egal, dass er den Handel von einer Händlerin ermutigt, die ich für ehrhaft gehalten habe, gebrochen hat. Er ist ein Idiot und wäre nie wertvoll geworden."
Wieder wandte sie sich zu Livia um. In ihren Augen stand tiefere Ehrlichkeit als jemals dort zu sehen gewesen war. Noch immer war ihre Stimmer leise, doch sie schien brüchig. Beinahe verletzlich. "Aber von einer Schwester hintergangen zu werden... Von jemanden, der den Handel ebenso pflegt wie ich... Das ist der Dorn in meinem Herzen. Wie soll ich dir glauben, dass du all das andere nicht warst, wenn du noch nicht einmal über Lorenzo mit mir hast sprechen wollen?"
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Livia
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Re: [1010] Was sich liebt, das neckt sich [Livia]

Beitrag von Livia »

„Ich habe dir nichts genommen, Sousanna…
Als Lorenzo zu mir kam, war sein Entschluss lange gefallen.
Er war auf den Spuren deines Pfades gefallen, und damit auch dein Bann über ihn…
Ich habe ihn zu nichts überredet, nicht in seiner Abkehr von dir bestärkt und ihn bestimmt nicht auf den Weg der Himmel geführt…“ Sie schüttelte den Kopf, es klang wahrlich abstrus.
„Ich habe dein Leben in einem Detail gerettet… ich bat ihn, zu seinem und zu deinem Schutz, zu schweigen… nicht über all den Rest, sondern über deinen Wunsch, seine Geheimnisse des Blutes zu erlernen.“ Sie sah Sousanna eine Weile an, atmete durch.
„Dass er den Handel nicht halten konnte, war ihm bereits zuvor deutlich gewesen… Lorenzo ist kein Idiot. Warum er nicht auf meinen Rat hörte, dir einen anderen Preis anzubieten, weiß ich nicht… Viel hatte er zwar nicht zu bieten, aber etwas wäre mit Sicherheit dabei gewesen.“ Livia hob die Schultern. „Was dich angeht waren seine Handel wohl immer von Emotionen gelenkt, sowohl zu deinem Guten, als auch zum Schlechten.“

Nach einer Weile begann Livia weiter auszuholen. Ein trauriger Unterton lag in der Erzählung.
„Ich traf ihn auf dem ersten Weg in die Stadt… und führte ihn zu deiner Tür. Wie eine treue Katze stolz ein Geschenk bringt…“ Kurz lachte Livia über sich selbst, kopfschüttelnd.
„Ich sah, wie deine Via ihn strapazierte und wie deine Angebote ihn aussaugten…
Wie du ihn fortführtest, von unserer Via…
Aber mein Respekt dir gegenüber und meine schwesterliche Loyalität verbat mir, zu intervenieren. Ich ließ dich gewähren, gänzlich.
Ich weiß nicht, womit du ihn verloren hast… es hat mich auch nicht bekümmert, ihn zurück zu locken wäre anmaßend deiner Verführung gegenüber gewesen… so viel meine ich von deiner Via zu verstehen.

Sein Weg führte ihn zu den Heiligen. Erneut intervenierte ich nicht… Ich wusste, dass Lorenzo nicht auf unserer Via gehalten werden kann und dass ich ihn sicher nicht dort führen kann, wo es dir nicht gelang…“ Ein weiterer Hauch Traurigkeit war in ihren Worten. Zwar hatte die Niedere wenig Skrupel, ihre eigene Schwäche einzugestehen, aber sie so offen zu kommunizieren… gerade vor einem anderen Mitglied der niederen Stände.
„Nein, das Einzige wo ich Einfluss auf seine Entscheidungen nahm, da war es was deinen ‚Handel‘ mit Blutsgeheimnissen anging… und das zu deinem Schutze und ohne Eigennutz, außer womöglich närrische Gier nach deiner Liebe.“

Ein längerer Blick der Sorge lag auf Sousanna. „Ich verstehe gut, wieso manch ein schwacher Handelspartner den Eindruck erweckt, man könnte ihn Ausnehmen, wie eine Weihnachtsgans… und wäre es um seine Waren und Verbindungen und sein Wissen gegangen, ich hätte geschwiegen, wie auch zuvor.
Aber seine Blutsgeheimnisse wären eine vergiftete Beute, die du ihm rauben wolltest. Sie hätten dich zu Fall gebracht. Allein wenn mehr Leute um dieses deutliche Bestreben wüssten, wäre die Gefahr immens…“
Der Blick lag wieder auf Sousanna.
„Du bist stark und du weißt es. Aber du bist auch eine von uns und wirst es immer sein… Du wirst immer Ziel der Angriffe der Hohen Clane sein. Nicht derer aus dieser Domäne womöglich, sie haben besseres zu tun – noch. Aber die Anderen werden nicht anerkennen, dass das Wort einer Niederen über das Schicksal ihrer hohen Abkömmlinge entscheidet, dass das Amt der Harpye nicht von einer der Ihren besetzt ist… sie werden dein Amt beanspruchen und alles gegen dich suchen, was du zu finden lässt…
Und diese Blöße… die hättest du ihnen auf dem silbernen Tablett serviert. Direkt nachdem die Prinzessin eine Präzedenz geschaffen hatte.“ Livia blickte trüb zu Boden, sie wollte Sousanna keine Vorhaltungen machen.
„Deswegen werde ich auch nie versuchen, deine Position zu übernehmen… du bist zum richtigen Zeitpunkt für die richtigen Leute wichtig und selbst mächtig geworden, du hast dir deine Position erstritten, erlitten und erobert… du hast eine Chance.
Jede andere von uns wäre leichte Beute…
Das ist auch ein Punkt, weswegen ich dich als Schwester als so machtvoll sehe… und weswegen du eine so große Chance für uns Andere wärst… Du bist in der Schlüsselposition die Unterschiede zwischen hohen und niederen Clanen in dieser Domäne weiter gering, gar noch geringer, zu halten. Final bist du in der Position, uns andere Niedere zu erheben, was in meiner Sicht auch deine Position bestärkt… wenn es mehrere Amtsträger aus den nicht hohen Clanen in der Domäne gibt.“ Livia seufzte.

„Deswegen, und weil ich dich als Schwester nun doch liebe, versuchte ich dich zu stärken und zu schützen… und wenn ich in meiner Einschätzung anmaßend und dumm oder falsch liege… dann bin ich wohl zurecht eine Niedere oder zu Unrecht übervorsichtig.“ Livia seufzte.
„Und da du alle Gelegenheiten dazu passieren ließest, mich in eine Position an deiner Seite kommen zu lassen, mir auch nur einen Hauch wahren Vertrauens zu schenken, dass du meine Hilfe wirklich annehmen würdest… musste ich hoffen, dass ich in meinen eigenen Möglichkeiten dazu in der Lage bin.“ Diese Gedanken schienen die Merkurianerin wahrlich zu bedrücken.

„Ich verstehe nicht wieso…
Entweder musst du mich für eine schlimme Konkurrentin halten, die dich wirklich ersetzen könnte – dann überschätzt du meine Macht und unterschätzt meinen Verstand.
Oder du musst mich für eine Idiotin halten, die selbst als nahe Hilfe mehr Ärgernis, als Chance ist…“
Livia schüttelte den Kopf betrügt.

„Nun, das ist meine Wahrheit und Offenheit als Schwester… was du aus ihr machst, muss ich dir überlassen… solange du nur nicht schweigst.“ Sie erhob dabei ihren Blick zu Sousanna hinauf.
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