[1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

[Juli '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Avelina di Braida
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[1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Es war eine finstre Nacht. Wolken schoben sich schon seit Tagen immer wieder über den Himmel, und nur hin und wieder blitzten Sterne auf. Eine Hünenhafte Gestalt in schwarzem Umhang lief eilig durch Ravecca, offensichtlich ein genaues Ziel vor Augen. Und so steuerte die Gestalt wenig später auf die Tür des Alla Murra zu, und verschwand in den Rauchschwaden der lärmenden Kaschemme.

In der klammen Atmosphäre schob der Hüne die Kapuze des Umhangs vom Kopf. Das blonde Haar mochte sofort auffallen, ebenso wie der bohrende Blick aus graublauen Augen. Er sah nicht aus, als sollte man ihm zu nahe kommen, und so machten sicher einige der Besucher automatisch Platz, als er sich gen Tresen wandte. Die anderen Anwesenden schienen ihn nicht zu kümmern, er machte auch nicht den Eindruck, als wolle er lange hier verharren.
„Ich suche einen Tiziano.“ brummte er die erstbeste Gestalt an, die er hinter der Theke finden würde.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
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Sousanna
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Es war ein zweiter Hühne, der dem Blonden da entgegentrat aus einer Gruppe widerwärtiger Räuber. Mit ähnlicher Ausstrahlung, wenn auch wilder, bösartiger als der Fremde. Dem muskulösen Mann hing eine Spur der Gewalt und der Zähigkeit an, die man selten in hoher Gesellschaft, dafür umso öfter bei Kampfhunden sah.
Über seinen Körper zog sich eine Landkarte der Gewalt und des Hasses. Schnitte, Rissen, Prellungen, Brüche und Schlimmeres. Es gab wohl nichts, dass er noch nicht ausgehalten, was er noch niemandem zugefügt hatte. Das Leben unter Hurensöhnen hatte ihn gezeichnet, hatte den einstmal sogar ansehnlichen Körper zu etwas irritierend angriffslustig Kaputtem werden lassen.
Im Gegensatz zu seinen Kumpanen allerdings war er halbwegs vom Schmutz der Straßen verschon und seine Kleider weniger abgetragen und von besserer Qualität. Gemeinsam mit den unterwürfigen Blicken, die ihm die anderen zuwarfen, ließ das darauf schließen, dass er der Anführer dieser Gruppe war.

Funkelnder Spott lang in seinen dunklen Augen, während er den anderen Mann musterte. Ein leichtes, alles andere als freundliche Grinsen hob einen Mundwinkel und verzog die definierten Lippen zu einer Grimasse, die man mit gutem Willen als Lächeln interpretieren konnte.
"Was willst du, Blondchen?", fragte er im verwaschenen Italienisch der niedersten Gossen.
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Avelina di Braida
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Nun, Bernardo war ziemlich vieles, aber sicher nicht harmlos. Zwar war der blonde, breitschultrige Hüne wohl sichtlich nicht aus der Gosse, das verriet schon die Qualität seiner Kleidung, doch auch ihm stand eine gewisse Brutalität ins Gesicht geschrieben. Die Augen verengten sich auf die Worte seines Gegenübers hin bösartig, doch nach ein paar Momenten schob sich der Mundwinkel in der Höhe – was dem Blick aus den verengten Augen keinen Abbruch tat.

„Eine Nachricht an Sousanna. Man sagte mir ich solle sie hier an einen gewissen Tiziano übermitteln.“ meinte er schließlich knapp und musterte den anderen Hünen aufmerksam.
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Sousanna
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Für einen Moment schien der Kampfhund nachzudenken. Tatsächlich blickte er genauso drein wie ein Hund, den man eben vor ein schwieriges Problem gestellt hatte und der nun überlegte, wie er an sein Leckerchen kommen würde, auch wenn er den ersten Teil der Aufgabe schon damit vermasselt hatte, dass er sein Bein an einer Vase gehoben hatte.
Sein Kopf legte sich leicht zur Seite. Er kratzte sich am Kopf, wobei auffiel, dass das braune Haar des Unholds überraschend gewaschen war und nach etwas angenehm würzigen roch.

"Hmmm", machte er schließlich und musterte den Fremden erneut. Wohl aus einem anderen Blickwinkel, denn zumindest verzichtete er bei seinen Worten auf herabsetzende Kosenamen. "Das bin ich. Was soll ich ihr ausrichten? Und von wem?"
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Avelina di Braida
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Das Grinsen Bernardos wurde zufriedener als er die Wandlung beobachtete, die in seinem Gegenüber vor sich ging. Allerdings fragte er sich schon, mit was für Leuten Avelina zu tun hatte, dass er den Brief einem solchen... Gossenschläger überbringen sollte. Er müsste besser auf sie aufpassen.

„Die ehrenwerte Signora Sousanna Kantakuzenos wird in die Villa di Fiori in Mascharana geladen, ehemals die Villa Bianchi. Wenn es ihr beliebt kann sie sich in drei Nächten dort einfinden, oder einen anderen Termin nennen.“
Er erwähnte keinen weiteren Namen, keinen Gastgeber und grinste sein Gegenüber nur weiterhin an, als er geendet hatte. Wohl um zu sehen, ob Tiziano verstanden hatte, oder ob er seine Worte wiederholen müsste.
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Sousanna
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

"Wer will sie da sehen?", hakte der Gossenschläger schroff nach und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Er mochte ein einfacher Geist sein. Er mochte sich für gewöhnlich lieber mit Wein, Weib, Gesang und Prügeleien beschäftigen, doch Tiziano hatte eines Verstanden: Sein Rehlein war wichtig unter diesen Blutsaugern. Und er würde sie nicht einfach ins offene Messer laufen lassen - oder zulassen, dass ein dahergelaufener Wicht sie durch die Gegend bestellte wie eine billige Straßenhure.

Mit einem hämischen Grinsen musterte er sein Gegenüber noch einmal abfällig. Er kannte die Boten der meisten Toten hier - und der hier gehörte nicht zu den bekannten Gesichtern. Sein freches Auftreten war also nicht durch besonderer Wichtigkeit gerechtfertigt.
Also galt für ihn die selbe Regel, wie für alle: Wer nicht nach der Nase des Kampfhundes tanzte, bekam höchsten Schläge. Sonst nichts.
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Bernardo entging die abermalige veränderung in Tizianos Haltung nicht, und auch der blonde Hüne schien ein Stück zu wachsen, und verschränkte die Arme. Was für ein Gossensohn, für wahr. Warum nochmal wollte seine Herrin jemanden sprechen, den man über diese Absteige erreichen konnte? Das konnte nicht gesund sein. Sollte er einfach gehen und das ganze auf sich beruhen lassen? Es lag schließlich nur in seinem Interesse seine Herrin zu schützen.

Er lachte leise schnaubend auf, kein sonderlich belustigtes Lachen, zudem war es begleitet von einem Kopfschütteln.
„Sie muss ja nicht kommen, es war lediglich eine höfliche Einladung, keine Vorladung. Wenn sie die Leute in Mascharana nicht interessieren...“ er zuckte mit den Schultern, und ein Grinsen legte sich auf seine Lippen.
„Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass die Dame für die die Nachricht bestimmt ist sicher mehr weiß als du, hm? Oder willst du ihr unterstellen, dass sie sich in Mascharana nicht auskennt?“

Ja, er hätte einfach sagen können, dass die Viscontessa die Dame erwartet, aber dieses Ambiente lud nicht einmal dazu ein ihren Namen laut zu nennen. Er nickte dem anderen zu und wollte sich umdrehen und gehen, sollte ihn Tiziano nicht aufhalten.
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Das ohnehin schon hässliche Grinsen wurde breiter. Noch eine Spur hässlicher und vor allem aber zufriedener.
In einer einzigen, provozierender Bewegung schob er sich in den Weg des Blonden. Er machte keinerlei Anstalten, ihn gewaltsam aufzuhalten. Alles, was er tat, war ihn kühl und hämisch zu mustern.
Dann legte er ihm eine der Pranken auf die Schulter.
"Zu wem auch immer du gehörst, der ist nicht wichtig genug, als dass dein Herr glücklich darüber sein dürfte, sie zu verärgern.", raunte er ihm vertraulich zu. "Und du hast ganz offensichtlich keine Ahnung, wer sie ist. Ich geb dir also einen Rat von Mann zu Mann: Du sagst mir, wer sie sehen willst, du wartest brav und sagst es ihr selber. Oder du haust jetzt ab wie eine Schlampe nach ner versauten Nacht und die Signora wird dafür sorgen, dass dein Herr dir für deine Unverschämtheit den Arsch aufreißt."
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Sein Gesicht verzog sich ein wenig, als die Pranke auf seiner Schulter landete. Er packte sie, und schob sie hinunter.
„Mir geht es rein gar nicht darum deine Herrin zu verärgern.“ meinte er trocken, „Ganz im Gegenteil, ich halte sie für eine informierte Frau, die sich in gewissen Kreisen auskennt. Weswegen ich diese Information für völlig irrelevant halte.“
Er lächelte dem Hünen entgegen, scheinbar völlig entspannt.

„Aber gut. Dann sag ich es ihr selbst. Wir werden sehen, wie sie darauf reagiert, dass du ihr so viel Unwissenheit unterstellst.“ meinte Bernardo mit einem Schulterzucken.
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Tizianos Grinsen wurde etwas breiter. Er zeigte eine Verneigung, die in ihrer ganzen ungehobelten Art nur so von Spott triefte. Ein Zeichen dafür, dass dieser raue Kerl wohl inzwischen auch eine Art von Benehmen gelernt hatte.
"Dann nach mir, werter Herr." Sein Tonfall triefte vor tiefer Verachtung.
Dann würde er sich ohne ein weiteres Wort rücksichtslos durch die Menge drängen, um dem Fremden den Weg eine schmale Stiege empor zu führen.

Dort oben wirkte das Alla Murra so viel mehr wie eine ernstzunehmende Herberge. Das Brüllen der Menge war hier kaum mehr als ein Rauschen und das Holz verströmte einen betörenden Duft.
Der Kampfhund brachte den Boten zur dritten Tür auf der linken Seite und klopfte.

Es war eine weibliche Stimme, die ihn schließlich hereinrief und so der Blonde das Zimmer betrat, würde er eine Szene zu sehen bekommen, wie sie sich nur in kühnen Träumen bot.
Dieser Raum schien das Tor in den Orient zu sein. Kunstvolle Teppiche schmückten die Wände und seiderne Kissen bedeckten den Boden. In der Mitte des Raumes war eine jener mysteriösen Pfeifen aufgebaut, mit denen die Söhne und Töchter der Goldenen duftendes Wasser zu rauchen vermochten.

In den Schwaden des Dampfes zeichnete sich die Gestalt einer Frau ab. Eine Frau, von außergewöhnlicher Schönheit. Sie strahlte die Exotik dieses Raumes aus, nein, sie versammelte sie in sich, wie sie dort wie hingegossen ruhte und zu dem fremden Mann aus großen, braunen Augen aufblickte, ohne unter ihm zu stehen.
"Wer bist du, Fremder?", fragte sie mit sanfter Stimme, von der man tausende und abertausende Geschichten hören wollte, und pustete ihm einen Rauchkringel entgegen. Ihr Lächeln hätte Königreiche erbauen und zerstören können.
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