[1011] Das Goldlöckchen des Teufels [Alain, Seresa]

[Seresa]

Seresa zuckte leicht mit den Schultern.

„Ich nehme an in diesem Punkt seid Ihr weitaus erfahrener. Es gäbe doch wohl ohne jedweden Zweifel einige Hurenhäuser in Genua, welche dunkelhäutige Schönheiten feilbieten, oder nicht? Doch womöglich solltet Ihr zuerst noch einige weitere Worte lernen. Es sei denn, Ihr seid des Würfelspiels und meiner bereits überdrüssig?“

Ihr Blick war fragend auf den Drachen gerichtet, bevor sie sich ohne größere Schwierigkeiten ihren Oberkörper etwas zurücklehnte, um die Würfel auf dem Holz aufzunehmen.

„Zumal es äußerst unhöflich wäre eine interessante Geschichte über Knochenwürfel zu unterbrechen, welche jedoch nicht geschnitzt wurden.“

Die Brujah richtete ihren Oberkörper erneut langsam auf, drehte ihre Hand, öffnete sie und bot dem Tzimiscen somit die Würfel und eine erneute Spielrunde an.

[Alain le Beau]

Wieder klackern die Knöchelchen auf dem Holz und Alain nickt. "Wobei man dieser Tage vorsichtig sein muss in den Hurenhäusern. Narren und Heuchler wollen alle Freude verbieten, nach dem, was man so hört." Er kichert, teils wohl über den Wurf, teils über den Gedanken. "Meiner Erfahrung nach werden die Exzesse um so wilder, je mehr man sie zu unterdrücken sucht. Der Reiz des Verbotenen und Geheimen."

Dann lehnt er sich zurück, während er Seresa die Schale mit den Würfeln hinhält. "Hatte ich schon von der Kuh und dem Helm der Stadtwache erzählt? Ah, nein. Die Geliebte. Nun, er begann zu betteln, da er sich denken konnte, was ich mit ihr vorhatte. Das war natürlich eine Fehleinschätzung seinerseits. Der Gute hat nicht die Fantasie, um sich den Ausmaß meiner Kreativität auszumalen. Aber nun gut. Ich erklärte ihm, dass er zwei Möglichkeiten hatte. Er konnte entweder seine Geliebte zu mir bringen oder..." Alain grinst, wie ein bösartiger Nachtmahr "...mich zum Lachen."

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[Seresa]

Seresa hatte die Würfel entgegengenommen, als der Drache sie ihr angeboten hatte. Dann hatte sie ihm weiter aufmerksam zugehört. Auf Alains Grinsen hin, schmunzelte Seresa leicht und sie stieß einen kurzen Laut aus, welcher amüsiert, jedoch von einer dunklen Vorahnung geprägt klang.

„Lasst mich raten, werter Alain, er wollte den einfacheren Weg wählen und versuchen Euch zum Lachen zu bringen?“

Die Knochen klackerten leise auf dem Holz.* Seresas Blick verzog sich leicht, als die Würfel zu wenig Augen zeigten.

„Es scheint, das Glück ist nunmehr auf eurer Seite.“

Dann zuckte sie leicht mit den Schultern.

„Was die Exzesse angeht, so weiß ich nicht, in wieweit die Unterdrückung oder die Entfachung dieser durch Vertreter unserer Art beeinflusst werden oder nicht. Es würde mich nicht verwundern, so die eine oder andere Person oder gar Partei hierbei ihre Finger mit im Spiel hätte. Die Wenigsten unserer Art würden sich in diesem Falle wahrlich um die Menschen scheren. Um deren Bedürfnisse oder gar Wünsche. Die Sterblichen sind oftmals nicht mehr als stumme und wertlose Spielfiguren in einem tödlichen Spiel hinter verborgenen Schleiern.“

Die Brujah schwieg einen kurzen Moment.

„Nun, wie dem auch sei. Wollen wir fortfahren?“

Seresa blickte fragend auf den Tzimiscen, um dessen Einverständnis abzuwarten. Dann hätte sie sich dem Drachen entgegen gebeugt und ihm eine kurze Geschichte über einen Schmetterling ins Ohr geflüstert, welcher sanft über die Fingerspitzen, die Finger selbst, sowie über den Handrücken und die Handfläche wanderte. Sie widerholte dabei die Worte, zeigte auf die entsprechenden Stellen und gab den streichenden, reibenden, massierenden, gleitenden und tippelnden Bewegungen einen Namen. Die Brujah ließ sich und ihrem Schüler dabei Zeit, bis sie am Ende der Übung zufrieden über die Fortschritte ihres derzeitigen Lehrlings nickte und sanft lächelte.

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*Würfel zeigen:
[2] [4] [3] [5] [5] -> 19

[Alain le Beau]

"Natürlich. Er erzählte mir also das, was er für seine besten Witze hielt und ich kann euch versichern, sie waren so platt und engstirnig wie sein Verstand. Dann machte er ulkige Verrenkungen und Grimassen. Zu guter Letzt, in seiner Verzweiflung, wollte er mich sogar kitzeln." Der Tzimisce schüttelt den Kopf. "Spätestens da wurde es mir zuviel."

Er macht eine Pause. "Nun, ich gab ihm den Rest der Nacht Zeit, etwas zu finden, das mich zum Lachen bringen..." Die Würfel klackern und Alain grinst. "Auf jeden Fall, lasst uns fortfahren."

Der Geschichte folgt er mit regem Interesse, ebenso wie den Gesten Seresas. "Ihr wärt eine exzellente Sünderin", sagt Alain dann leise. "Eure Geschichten haben das gewisse etwas. Ah, die Herzen, die ich damit brechen werde!"

[Seresa]

„Ich danke Euch für Eure äußerst charmanten Worte.“

Seresa lächelte und senkte kurz den Blick, bevor sie wieder aufsah.

„Als Schreiberin ist es bei Zeiten von Nöten mit meinen Worten Dinge in den Vorstellungen Anderer zu erschaffen oder gar sie in ihrem Geist zum Leben zu erwecken. Für die Umsetzung dieser in unserer Welt außerhalb der Worte bin ich jedoch wahrlich nicht gesegnet genug. Mir fehlt schlicht die erforderliche charmante Art, das ansprechende Äußere, das entsprechende Feingefühl und Einfühlungsvermögen oder das Vergnügen daran, mich menschlich wirken zu lassen, so ich es nicht unbedingt muss.“

Ihre Worte waren gedämpft und ihre Hand beschrieb eine abweisende, wegwerfende Bewegung. Sie schien es nicht zu bedauern, dass sie dies alles nicht war oder gar besaß.

„Missversteht mich nicht. Ich bin der Überzeugung ein Jeder muss selbst wählen, was ihm Halt und Trost spendet in der Dunkelheit. Entsprechend verurteile ich Euch oder Euren gewählten Weg nicht, doch ich würde auf ihm schlicht keinen Halt finden. Ich hatte mich einst mit Sousanna darüber unterhalten, waren die Wege der Nacht etwas, was mich seit meiner Anwesenheit in Genua durchaus begleitet hat.“

Die Brujah schwieg für einen kurzen Moment, bevor sie den Tzimiscen neugierig anblickte und sie weiterhin gedämpft zu ihm sprach.

„Was bedeutet es für Euch auf der Via Peccati zu wandeln?“

[Alain le Beau]

"Für mich? Vergnügen ohne Ende, reuelose Freuden weit jenseits der Vorstellung der Sterblichen. Und zugleich die Einheit mit dem, was in mir ist, mit der fleischgewordenen Verkörperung reiner Begierde." Alains Augen sind leicht geweitet und er leckt sich über die Lippen. "Kurz gesagt: Die volle Akzeptanz dessen was ich bin, seiner Andersartigkeit, seines Wesens. Und zugleich mehr als nur bestialische Existenz, mehr als tierische Lust. Die Gabe menschlicher Vernunft gepaart mit der reinen Begierde des Tiers: Das ist mein Weg."

[Seresa]

Seresa betrachtete den Tzimiscen einen Moment schweigend und mit fragendem Blick.

„Was meint Ihr mit der fleischgewordenen Verkörperung reiner Begierde?“

[Alain le Beau]

"Ihr nennt es... das Tier? Oder vielleicht euren Inneren Dämon?" Alain zuckt mit den Schultern. "Ich finde beide Bezeichnungen seltsam. Das was in uns ist besitzt mehr Intelligenz als ein simples Tier. Und ein Dämon verleitet dazu, Böses zu tun, um des Bösen willen. Das in uns? Es ist Begierde, Lust - aber es ist nicht böse. Gläubige verdammen es, da sie ihre Begierde unterdrücken, knechten, quälen, bis sie hervorbricht und ihre Rache nimmt. Dann stehen sie in den blutigen Resten ihrer Liebsten und das Heulen und Zähneklappern ist groß. 'Dämon, Dämon!' Jegliche Schuld darauf zu schieben, das ist einfach. Damit zu leben, das ist schwer. Aber - wenn man es richtig anstellt - auch wundervoll."

Er schaut in die dunkle Nacht. "Welcher Sterbliche kann so intensiv fühlen, erleben wie wir? Wir mögen jenseits der Grenze des Todes sein, aber das bedeutet auch, dass wir umso stärker nach den Freuden des Lebens greifen. Diejenigen, die diesen Teil von sich unterdrücken, sich dem Vergnügen verweigern - in meinen Augen sind sie fehlgeleitete Narren."

[Seresa]

Die Brujah hörte dem Tzimiscen aufmerksam zu. Seinem Blick auf das, was er selbst Begierde nannte.

„Man sollte seine Bedürfnisse immer beachten.“

Seresa nickte zustimmend, bevor sie sich etwas zurücklehnte und nach den Würfeln griff.

„Ob der richtige Umgang mit dem Tier, Dämon, dunklen Kern, Begierde oder wie auch immer man es nennen möchte wäre, es zu unterdrücken oder zu versuchen es zu reiten, vermag ich wahrlich nicht zu beurteilen. Einerlei wie wir es benennen wollen, ist es ein Teil von uns und unserem Wesen. Entsprechend wäre es wahrlich fahrlässig seine Macht und seine Stärke zu unterschätzen.“

Die Gelehrte schwieg einen kurzen Moment.

„Ich wünsche mir einen Weg zu finden, welcher mir einen ausgeglichenen Umgang mit ihm erlaubt. Ich möchte mein Tier nicht in Ketten legen müssen, doch ebenso wenig kann oder will ich es gar akzeptieren, dass es sich unangemessen benimmt.“

Ihre Hand öffnete sich vor dem Drachen, welchem sie die Würfel erneut anbot.

[Alain le Beau]

"Begierde und Tier sind völlig unterschiedliche Dinge", sagt Alain und nimmt die Würfel. "Ein Tier ist etwas anderes, ein anderes Wesen. Begierde ist Teil von uns. Was euren Wunsch angeht: Stellt euch einen Menschen vor, der täglich mit Frauen schläft, feinste Speisen zu sich nimmt, sich in edle Stoffe kleidet, Geselligkeit und Tanz schätzt. Nun stellt euch einen Menschen vor, der sich täglich kasteit, nur den fadesten Brei isst um seinen Hunger zu stillen, seine Lust unterdrückt, in Haarhemden schläft. Welcher dieser Menschen wird wohl eher gereizt sein, sich eher unangemessen benehmen?"

Die Würfel rollen. Der Tzimisce lacht. "Ha! Ich will ja nicht zu früh jubeln, aber... ich freue mich schon auf eure nächste Geschichte." Er grinst Seresa an, mit einem vielsagenden Blick auf deren Finger.

"Jedenfalls", fährt er dann fort, "wird ein Mensch sich vielleicht zu kontrollieren wissen. Seine Begierde ist vergleichsweise schwach. Unsereins? Bei uns bricht sich die Begierde irgendwann derart mächtig Bahn, dass sie auf den unbedarften Kainiten wie ein eigenes Wesen wirken kann, ein Tier, wie ihr sagt. Auch mich überkommt sie des öfteren. Aber indem ich sie annehme, als Teil meiner selbst, kann ich dafür sorgen, dass ich nicht unter Leichenbergen aufwache. Zumindest, wenn ich das nicht will."

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