[1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

[August '18]
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Alain le Beau
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[1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Alain le Beau »

Der kleine Wegschrein zwischen Maddalena und Genua ist mit frischen Blumen geschmückt, Hyazinthen und Zitronenblüten, Wildblumen und einige wohlriechende Kräuter. Ein Dank der Bauern, vermutlich, oder eine Bitte um zukünftige Ernteerträge. Einige der Blüten liegen bereits am Boden. Andere werden von langen, weißen Fingern zu einem Kranz gewoben.

Der junge Mann in Mönchskutte pfeift ein leises Liedchen vor sich hin, während er eine weitere Pflanze in den Kranz hineinsteckt. Es ist eine in den übelsten Kneipen der Stadt bekannte Weise, in der recht anschaulich über den sexuellen Kontakt zwischen einem Gerber, seiner Frau und einem Stier berichtet wird. Aber das würden wahrscheinlich nur Eingeweihte erkennen, vor allem, weil der Pfeifende gelegentlich den Refrain mit einem gesungenen "Deo Gratias!" beendet.

Er hängt den fertigen Kranz mit einer schwungvollen Geste über den Kopf des Heilands. Dann küsst er dessen Stirn. Dessen Brust. Und noch etwas tiefer. "Das Leben ist zu kurz", erklärt er dem Gemarterten. "Schau dich an. Du..." Er unterbricht sich und runzelt die Stirn. Spitzt die Ohren. Und handelt.

Mit katzengleicher Schnelligkeit gleitet er neben dem Schrein in eine demütige Bethaltung, die Finger aneinandergelegt und das Haupt gesenkt. Doch unter seinen Augenbrauen studiert ein wacher Blick die Umgebung sehr genau.
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Avelina di Braida
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Re: Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Der lange Winter schien endgültig vorbei. Man konnte dem abgewinnen, dass es angenehmer sein würde vor den Toren zu jagen wo doch die jungen Maiden und Burschen länger draußen verweilen würden, dass man wieder die Natur genießen konnte, den freien Himmel, und natürlich den Duft der Blumen. Sie würde auch in besonders 'magischen' Nächten – wie sie sie nannte - zum Lyraspiel ihren kleinen Hain wieder besuchen können... doch es bedeutete auch, dass die Nächte zusehends kürzer wurden.

Derlei Gedanken im Kopf schritt sie an der Seite Bernardos die Straße in Richtung Maddalena entlang, als sie unvermittelt inne hielt und den Kopf zur Seite neigte. Sie schärfte die Sinne um in die Nacht zu lauschen. War es ein Lied welches sie dort hörte? Mit einem Schmunzeln auf den Lippen legte sie dem blonden Hünen eine Hand auf die Brust.
„In die Schatten, Bernardo. Ich denke wir sind nicht alleine auf dieser Straße.“ leise waren die Worte, und der Hüne nickte, und verschwand im Dickicht am Rande der Straße.

Die Signora flannierte eleganten Schrittes weiter, ohne sich zu verbergen. Ein dünner Umhang aus dunkelgrüner Seide war von der sanften Frühlingsbrise längst über ihre Schultern geweht worden. Darunter kam ein Gewand aus ebensolch feiner Seide zum vorschein, von strahlendem Grün wie die Augen der Frau, sollte man sie aus der Nähe sehen. Es schmiegte sich an ihren Körper, dazu trug sie auch ein raffiniert schlungenes Band um den Torso bei, welches die Figur betonte. Die Haut die man sah war blass, erinnerte an die marmornen Statuen alter Tage, der Körper war jedoch zierlicher, athletischer, mit schlanker Taille und langen Beinen.
Die Mähne gewellten, schwarzen Haares war lose zu einem Zopf gbunden, aus dem die ein oder andere widerspenstige Strähne entkommen war, was allerdings nicht unordentlich, sondern fast wie gewollt wirkte. Sie war äußerst hübsch, mit dunklen geschwungenen Brauen und vollen Lippen.
In der Rechten trug sie eine Lyra aus dunklem Holz.

Sie näherte sich dem Schrein, und ihre Schritte wurden langsamer. Den Kopf zur Seite geneigt warf sie einen Blick auf die Statue, ein Lächeln auf den Lippen als sie den Blumenkranz entdeckte. Schließlich sah sie zu der Gestalt in Mönchsgewand, doch sie schwieg zunächst. Womöglich mochte sie den Geistlichen nicht in seinem Gebet stören.
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Alain le Beau
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Re: Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Alain le Beau »

Gelegentlich findet ein glücklicher Mensch eine Perle in einem Misthaufen. Ebenso gibt es unter den Mönchen auch solche, deren Körper wie für die Lust geschaffen sind. Der Jüngling in seiner Kutte jedenfalls gleicht eher einen altgriechischen Statue, blondgelockt und schlank, als dem dicken Klosterbruder oder dem sauertöpfischen Prior, denen man sonst so oft begegnete.

Als er nun zu der Dame aufblickt, da wechselt auf seinem Gesicht Überraschung mit Enttäuschung und - als sein Blick über ihren Körper gleitet - noch etwas anderem, das man nicht unbedingt von einem Geistlichen erwartet hätte. Das alles währt nur Sekunden. Dann kommt er mit geschmeidiger Geste auf die Beine und neigt den Kopf der Schönheit zu. "Werte Schwester..." der Tonfall ist salbungsvoll, aber selbst das kann einen leichten, melodischen Akzent nicht verbergen "...ihr hier, alleine, um diese Zeit?"

Er faltet die Hände und schüttelt den Kopf. "Das ist gefährlich! Bitte, lasst mich euch zu eurer Bestimmung begleiten. Ich bestehe darauf!"
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Avelina di Braida
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Re: [1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Der Blick der Signora galt wohl im ersten Moment mehr den rosigen Wangen, als der Gestalt des Jünglings. Dann zauberte sich ein unschuldiges Lächeln auf ihre Lippen. Sie war kein junges Mädchen mehr, aber doch wirkte sie wie höchstens 20 Sommer. Das Lächeln unterstrich diese Jugend.

„Ich denke zur Schwester fehlt mir das Gewand der Klosterfrauen, werter Bruder, doch ich danke euch für eure Sorge. Sagt, was macht diese Straße so gefährlich um diese Zeit? Wird sie doch bewacht von einem Heiligen.“ Ihre stimme war sanft, samten konnte man behaupten, dunkel und weich. Ihr Blick wanderte zum Schrein.

Der hübsche Kopf neigte sich zur Seite, als sie wieder zum Klosterbruder sah.
„Ihr seid auch alleine hier. Fürchtet ihr euch nicht? Es ist eine solch wundervolle Nacht, und es gibt nichts schöneres als das Lyraspiel in einer solchen Nacht unter freiem Himmel zu genießen.“ sie legte den Kopf ein wenig in den Nacken und blickte zum Nächtlichen Firmament hinauf.
„Der Himmel voller funkelnder Sterne, das Rauschen des Windes in den Blättern, als Begleitung zu den sanften Tönen der Saiten...“
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Alain le Beau
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Re: [1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Alain le Beau »

"Oh!", sagt der Jüngling mit Insbrunst. "Das Lyraspiel? Oh, welch Jammer, dass ich solch weltlichen Freuden entsagt habe." Er schüttelt den Kopf, demonstrativ, leidend. "Und dabei liebe ich Musik doch so. Wenn ich gemeinsam mit den Brüdern im Gotteslob einstimme, oh, welche Klänge wir dabei erzeugen. Wir öffnen unsere Münder weit, auf dass der heilige Geist in uns hineinströme und manchmal spüre ich ihn auf meiner Zunge..." Verschüchtert unterbricht er sich.

"Verzeiht, Schwes... Signora. Unser Abt sagt immer, dass ich viel zu viel rede. 'Eine flinke Zunge ist des Teufels Schlüsselein', wie er es ausdrückt. Oh, aber das Lyraspiel..." Der Blonde sieht Avelina verträumt an.
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Avelina di Braida
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Re: [1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Verwirrt folgte Avelina den Worten des Jünglings. Für einen Mönch plapperte er wirklich außergewöhnlich viel... und vor allem außergewöhnlich viele seltsame Dinge. Ihre Braue wanderte in die Höhe bei seinen doch nicht ganz klösterlich klingen wollenden Schilderungen.
„Der heilige Geist strömt also in euch? Das... hört sich ja in der Tat nach einer sehr beglückenden Erfahrung an...“ sie blinzelte, eigentlich hörte sich das ganze eher falsch an.

„Das mit der flinken Zunge müsst ihr mir näher erklären, ich hörte diesen Ausdruck bisher nicht.“ sie sollte vorsichtiger sein mit ihren Wünschen, kam ihr im gleichen Moment in den Sinn, „Und sicher ist eine flinke Zunge nicht immer derart schlimm...? Aber... nun, ehm... der Herr hat uns die Musik gegeben, warum also lässt er sie euch als seine treuen Diener auf Erden nicht genießen?“

Der Blick wanderte verstohlen zum Hals des blonden Mönches. Warum nur musste sie ausgerechnet auf einen Ordensbruder treffen? Schon die letzte Begegnung mit einem Kuttenträger war... am Ende ein Desaster gewesen. Aber zumindest hatte dieser keine eingefallenen Wangen, keinen Begleiter den es abzulenken galt, und die Pflanzen welkten nicht in seinen Fingern oder unter seinen Füßen. Trotzdem, man musste sich an die Geistlichen immer derart vorsichtig herantasten, sie waren so schrecklich Verführungsresistent, wenn man zu schnell vorging... zumindest die, die nicht scheinheilig waren und deren Gedanken sich nur darum drehten ihr unter den Rock zu kommen. Ja, auch die hatte es bereits zu Genüge gegeben.
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Alain le Beau
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Re: [1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Alain le Beau »

"Ich will euch gerne meine flinke Zunge demonstrieren, werte Dame", sagt der Mönch mit unschuldigem Blick. "Sie ist im ganzen Kloster berühmt und einige Brüder wissen sie sehr zu schätzen. Ich für meinen Teil genieße sie - nur der Abt ist dagegen." Traurig blickt er zu Boden.

Dann schlägt er mit der Faust in die Hand und zieht sie sogleich zurück, so als habe ihn allein dieser Akt schon verschreckt. "Ihr habt Recht", sagt er dann. "Gott hat uns die Musik gegeben. Und es kann nichts Sündiges daran sein, wenn ich eurem Lyraspiel lausche!" Erwartungsvoll blickt er Avelina an.
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Avelina di Braida
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Re: [1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Avelinas Braue zuckte in die Höhe bei seinen ersten Worten. Er wäre sicher nicht der erste Mönch, der sich ihr gegenüber vergessen hatte, bei ihm wirkte es allerdings... wußte er wirklich nicht, wie seine Worte klangen?
Sie zuckte kurz zusammen, als er die Faust in die Hand schlug.

„Nun... ich schätze ich bin sehr gespannt auf diese Demonstration.“ meinte sie zögerlich, noch einen Moment in ihren eigenen Gedanken diesbezüglich, bevor sie die Augen kurz schloss und ihre Überlegungen abschüttelte.
„Ihr wollt, dass ich für euch spiele?“ wieder selbstsicherer legte sich ein Schmunzeln auf ihre vollen Lippen, „Dann lasst uns ein Plätzchen suchen, an dem wir uns niederlassen können. Wenngleich ich nicht weiß, ob euch meine Lieder zusagen werden. Sie unterscheiden sich doch sicher immens von den Chorälen des Klosters.“
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Re: [1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Alain le Beau »

"Geht voran, edle Dame, geht nur voran", sagt der Mönch mit scheinheiligem Tonfall. "Ich bin sehr gespannt darauf - wenn Gott sie euch eingegeben hat, so können sie nicht von Übel sein. Wie könnte es Sünde sein, wenn wir die Gaben nutzen, die uns der Herrgott verleiht?" Sein Blick streift Avelinas Brüste, ganz kurz.

Oder war es Einbildung?
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Avelina di Braida
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Re: [1011] Die Toten vor den Toren [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

An diesem Mönch war irgendetwas... seltsam. Oder bildete sie sich das nur ein? Mönche und sie waren an sich schon... zwei Welten? Und nach der Begegnung mit Galeno mochte sie übervorsichtig sein. Aber seit sie in Genua weilte, war der Hunger allgegenwärtig. Man konnte nicht wählerisch sein, und er hatte doch so verlockend rosige Wangen.

Und so ließ sie es sich nicht zweimal sagen, und schritt anmutig vorran, mit sehr damenhaftem Hüftschwung.
„Ihr seid der Mönch, sagt ihr mir, ob es nicht Gaben gibt, die uns der Herrgott verliehen hat, die wir aber Sünde nennen. Warum glaubt ihr ist das so? Ein Priester sagte mir einst, wir Frauen würden die Sünde verkörpern. Doch ich habe mir nicht ausgesucht, wie mich Gott auf die Welt schickte.“ erwiderte sie in unschuldigem Ton, während sie die Straße verließ, und sich zwischen zwei Büschen hindurchschlängeln wollte. In einiger Entfernung zur Straße war dort eine Ansammlung an Felsen auszumachen.

An einem besonders vorwitzigem Zweig verfing sich natürlich ausgerechnet jetzt ihr Gewand. Sie hielt seufzend inne und versuchte es zu lösen.
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