[1012] Wenn die Nacht noch dunkel ist [Titus, Seresa]

[September + Oktober '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1012] Wenn die Nacht noch dunkel ist [Titus, Seresa]

Beitrag von Seresa »

Die Gelehrte nickte leicht, bevor sie begann mit ruhiger und sanfter Stimme zu sprechen.

„Wir alle leben in einer Welt hinter der Welt, welche geprägt und durchzogen ist von Misstrauen, Zweifeln, Argwohn und Bedenken. Entsprechend sind gegebene Versprechen, Worte und Schwüre oftmals ein bewährtes Mittel zum Zweck. Doch gerade unfreiwillig gegeben, zwingen sie häufig einzig den Willen des Gegenübers auf, welcher selbst - meist aus einer fälschlichen Vorstellung des Glaubens an ein vorhandenes Ehrgefühl oder des Anstands heraus - hofft, dass der Geber oder die Geberin dies erduldet und sich an diesen hält. Doch der Nehmer oder die Nehmerin ist sich dieses Zwanges zu jederzeit bewusst und so ist es über kurz oder lang unausweichlich, dass er oder sie beginnt zu zweifeln. Das Schlimme daran ist, dass nicht einzig der Nehmer oder die Nehmerin zweifeln mag, sondern auch der Geber oder die Geberin, was zu einem beidseitigen Problem führen mag. Bedauerlicherweise ist dies ebenfalls bei freiwillig gegebenen Versprechen, Wörtern oder Schwüren der Fall, denn wir wissen alle, dass diese unsere Welt hinter der Welt durchzogen ist von Intrigen, Lug, Betrug und Verrat. Entsprechend beginnen wir erneut trotz eines Versprechens, Wort oder Schwurs zu misstrauen und zu zweifeln. Sind argwöhnisch und haben bedenken, denn wir sind uns nicht sicher, wieviel dies alles wahrlich wert ist, sobald es eine Prüfung erfährt, denn wir haben zu oft erlebt, wie sich herausgewunden wird, denn über Bedeutung und Wortlaut lässt sich bekanntlich gar vortrefflich streiten. Zumal Jemand mit einem gewissen Verstand immer einen Weg heraus finden wird, ohne sich selbst dabei zu beschmutzen. Die Folge sind weitere Versprechen, Wörter und Schwüre einzig in der Hoffnung endlich die eigenen Zweifel zu besänftigen. Ein Teufelskreis, welcher niemals ein Ende finden mag.“

Seresa pausierte für einen kurzen Moment und blickte für einige Momente stumm in die stahlgrauen Augen des Kappadozianers.

„Hier sehe ich den entscheidenden Unterschied zu den Wandlern auf dem Weg der Könige. Weshalb ihre Schwüre untereinander als besonders heilig angesehen werden könnten.“

Die braunen Augen lagen stumm einen Moment auf Titus, als wollte sie prüfend fragen: ´Ihr seid jedoch kein Wandler auf der Via Regalis, oder?´. Weshalb ihr dieser Gedanke gekommen war - welchen sie wissentlich nicht aussprach - war ihr selbst nicht gänzlich bewusst. Wahrscheinlich war der Kappadozianer zumindest in manchen Dingen ihrem Bruder im Blute Ajax einfach viel zu ähnlich.

„Ihre Überzeugung basiert für mein Verständnis auf Vertrauen. Nicht zwangsläufig dem anderen Wandler an sich gegenüber, denn dagegen spricht unzähliges. Von politischen Gründen, über religiöse Meinungen, hin zu sozialen Ständen oder philosophischen Ansichten. Es ist ihre Überzeugung, dass trotz allem was zwischen ihnen stehen mag und einerlei wie groß die Zweifel an ihnen auch werden mögen, ihr gegebenes Wort zwischen einander immer bestand haben wird.“

Wieder folgte eine Sprechpause.

„Was Gaius angeht, so bin ich selbst einigen Wandlern auf der Via Regalis begegnet, doch nur er - welcher angeblich auf einem Unterpfad dieses Weges der Nacht wandelte - forderte je einen Schwur, so ich seiner Via hätte nachfolgen wollen. Womöglich war dies etwas, was seinem Unterpfad eigen ist. Womöglich wollte er diesen Schwur auch einzig, da es die Arbeit im Martinsorden mitbetroffen hätte.“

Sie wirkte nachdenklich, als sie diese Worte aussprach. Ganz so als wäre es eine Überlegung, die ihr erst in diesem Moment selbst gekommen wäre. Dann zuckte sie leicht mit den Schultern.

„Womöglich irre ich mich mit meinem Blick auf die Via Regalis. Zwar wurde mir durchaus der Wert und die Bedeutung von einem gegebenen Versprechen, Wort oder gar Schwur weit vor meinem Übertritt in die Welt hinter der Welt beigebracht und gelehrt, doch ist dies nichts, was auf diesen Weg der Nacht letzten Endes wahrlich zutreffen muss. Ich bin jung und bezüglich den Wegen der Nacht nicht erfahren genug, beschäftige ich mich erst damit, seit ich in Genua verweile.“

Schweigend blickte sie für einen Moment auf den Kappadozianer, bevor sie kurz ihre Augen senkte, nur um ihn wenig später erneut mit einem eher bittenden Blick anzusehen.

„Würdet Ihr mir Eure Sicht auf gegebene Versprechen, Wörter und Schwüre erläutern, wohlwerter Titus? Euch scheinen die Worte Eures Ordensbruders einst genügend überzeugt zu haben, um auf Schwüre wert zu legen. Um auf sie zu bauen und ihnen vertrauen schenken zu wollen.“
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1012] Wenn die Nacht noch dunkel ist [Titus, Seresa]

Beitrag von Seresa »

Nach einigen weiteren Worten, welche hinter den schützenden Mauern der Martinsfeste verborgen blieben, verließ die Brujah den Kappadozianer in dieser Nacht.

Zusammenfassung:
Seresa ersuchte Titus um ein Treffen, um mit ihm über etwas zu sprechen, was ihr auf der Seele lag. Der Kappadozianer lud die Brujah auf die Martinsfeste ein, wo diese wenige Nächte später erschien. Schnell wurde klar, dass sich manche Dinge zwischen ihnen verändert hatten. Seresa überreichte Titus einen kunstvollgearbeiteten Auszug aus der Heiligen Schrift, bevor die beiden sich darüber unterhielten, wie Titus zu dem einstmals von Seresa gegebenen Wort stand, dem Martinsorden beizutreten. Der Kappadozianer wollte wissen, ob Seresa durch einen Schwur an Ajax gebunden sei, was diese wahrheitsgemäß beantwortete. Er selbst forderte daraufhin einen erneuten Schwur, sofern Seresa in den Martinsorden eintreten würde, woraufhin es zum Gespräch über den Wert von Schwüren in ihrer Welt hinter der Welt kam. Ob die Brujah letzten Endes Teil des Martinsordens wurde oder nicht, blieb hinter den schützenden und schweigenden Mauern der Martinsfeste verborgen.
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Gesperrt

Zurück zu „1012“