[1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

[September + Oktober '18]
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Sousannas zuvor so verzaubertes und verzauberndes Lächeln gewann eine Note tiefer Bitterkeit. Einen Ausdruck, den man nur denen kannte, denen das Herz entzwei gerissen worden war. Eine Wunde, die nie geschlossen werden konnte. Nicht nach Jahrzehnten und gewiss durch keinen heilenden Balsam dieser Welt.
"Weil die Welt viel ist, aber nie einfach.", erwiderte sie und die dunklen Augen wanderten über den verschwommenen Horizont.
Einige ewige Augenblicke lang schwieg die Harpyie. Ihr Schweigen lastete schwer auf dem Schiff. Für einige Atemzüge schien sogar ihr Nacken die feine, stolze Linie ihres Genicks fallen zu lassen.

Dann aber schüttelte sie des Haupt und wieder stieg der Duft der Früchte des Orients auf aus dem glänzenden Haar.
"Gerade die niederen Blute haben und hatten nie ein einfaches Unleben." Die warme Stimme klang tiefer, rauer als gewöhnlich. Erinnerte daran, wie alt dieses junge, zerbrechlich scheinende Wesen wohl sein musste. "Ihre Kriege sind bitterer und verborgener als jeder der großen. Und sie zwingen uns zu entschiedenen Maßnahmen."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Wir haben immer eine Wahl, Sousanna. Wir müssen einzig bereit sein mit den Konsequenzen zu leben.“

Seresas Stimme war ruhig als sie sprach und sie ließ ihre Worte für einen Moment schweigend nachklingen.

„Dennoch denke ich, verstehe ich nicht was du damit meinst, wenn du von den Kriegen der Wanderer oder den Konflikten derer, welche gemeinhin - von manchen unserer Art - als niedere Clans bezeichnet werden, sprichst. In wieweit binden dich diese an Genua oder halten dich davon ab zu reisen?“
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Einen Augenblick lang starrte die Harypie noch in die Nacht hinein. Schien die Worte zu überdenken oder ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Dann aber schüttelte sie das schöne Haupt und schenkte der Brujah ein halbes Lächeln.

"Wäre ich frei, könnte ich sie in Worte fassen.", erwiderte sie schließlich mit einem getragenem Seufzen und senkte den Kopf als drückte die Last ihrer eigenen Geschichte sie nieder. "So bleiben dir nur die Rätsel der unfreien Freien." Ein warmes und doch wehmütiges Lachen floss in Wellen durch die Nacht. "Jeder hat da eigene Geheimnisse und Rätsel, nicht liebe Schwester in den Nächten?"
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresa blickte noch einmal auf den dunklen Abgang in den Bauch des Schiffes, bevor sie schließlich mit den Schultern zuckte und Sousanna ein Lächeln schenkte.

„Wie schrecklich wäre doch die Welt ohne Geheimnisse und Rätsel. Den Blick auf die ungeschönte Wahrheit würden wohl nur die Wenigsten ertragen, ohne dabei gänzlich verrückt zu werden. Doch ich danke dir für den Einblick, welchen du mir in dieser Nacht gewährt hast.“

Die Brujah nickte der Ravnos leicht zu. Nach einigen weiteren Worten gingen die beiden Frauen jenen Dingen nach, welche zum Wohle aller, besser ihm Geheimen blieben.


Zusammenfassung:
Seresa hatte mit einer gewöhnlichen Tätigkeit gerechnet, welcher sie in ihrer Funktion als Schreiberin für Sousanna nachkommen sollte. Stattdessen brachte Tiziano die Brujah von Ravecca aus in den Hafen und dort zu einem Schiff, welches sie betreten sollte. Überwältigt von dem was Seresa sah, fehlten ihr die Worte über das neue Heiligtum der Ravnos. Sie unterhielten sich kurz über das anstehende Prinzentreffen, die Geschäftsidee welche Seresa für Sousannas Fürsprache verfolgte, sowie Erkenntnisse welche Seresa in ihrer Zeit in Mailand gefunden hatte. Als Sousanna Seresa weiter das Schiff gezeigt hatte, erschreckte diese sich in dessen Bauch und rannte nach draußen. Die Ravnos versuchte herauszufinden, was der Grund dessen war, doch die Gelehrte hüllte sich in Schweigen. Die beiden ungleichen Frauen unterhielten sich noch über ihre gemeinsame Liebe des Reisens, bevor sie die Nacht geschäftig ausklingen ließen.
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Gesperrt

Zurück zu „1012“