[1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

[September + Oktober '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Sousanna
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[1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Sie hatten nun schon einige Jahre friedlich zusammen gearbeitet und Seresa würde die Harpyie von so ziemlich allen Seiten kennengelernt zuhaben, die ein wildes, freies Ravnosherz zu bieten hatte. Blutige Tränen, geworfene Messer und wilde Feiern hatte sie begleiten können. Die Abgründe und Hoheiten des Gossenlebens hatten sich vor der Schreiberin eröffnet, doch an einem Abend geschah etwas seltsames.

Obwohl Seresa ins Alla Murra bestellt worden war, wartete dort nur der Scherge der schönen Hehlerin. Mit einem breiten Grinsen würde er ihr mitteilen, dass sein Rehlein den Treffpunkt spontan verlegt hatte. Wenn das Fräulein ihm vertraute, würde er sie dorthin bringen. Der grobschlächtige Herr einer Räuberbande würde der Schreiberin sogar den Arm anbieten, doch nicht wirklich erwarten, dass sie ihn nahm. Ebenso wie die Brujah einige Marotten des Ghuls kennengelernt haben dürfte, hatte auch er zumindest ihre unterkühlte Art kennengelernt - und immerhin innerhalb der letzten Jahren seine grimmige Verbissenheit ihr gegenüber verloren.

Schließlich würde er sie in Hafen bringen und schnurstracks auf eins der prächtigsten Schiffe dort hinführen. Ein fremdes, dunkles Schiff. Bauchig und geheimnisvoll.
Tiziano grinste zu seiner Begleiterin herunter. "Sie hat in letzter Zeit ein neues Prachtstück erworben.", verkündete er mit unverholenem Stolz in der rauen Stimme und wies dann die Planken empor. "Nach dir kleine Schreiberin."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
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Friedrich Hölderlin
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Seresa
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Sousanna dürfte nebst Ajax jene Person gewesen sein, welche die Veränderungen - welche die Brujah in ihren zehn Jahren, seit denen sie nun in Genua verweilte - mitunter am deutlichsten mitbekommen hatte.

Aus der unterwürfigen Gelehrten, welche viel zu oft um Erlaubnis fragte, die zu viel redete und zu wenig sagte oder gar fragte, ob sie überhaupt etwas fragen durfte, war über die Jahre eine selbstbewusste junge Frau geworden. Seresa stand inzwischen aufrecht und leistete dennoch den Wünschen ihrer Herrin Folge ohne großes Zögern. Einzig dann und wann hatte sie die Ravnos höflich auf einen anderen Weg hingewiesen oder ihre Bedenken geäußert, um Sousanna nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten.

Die Zeit bei Ajax und die Nähe zu ihm, hatte der Gelehrten anscheinend gut bekommen. Was auch immer ihr Clansbruder mit Seresa angestellt hatte, so wirkte sie inzwischen deutlich entspannter, ruhiger in ihrer Art und mit sich im Reinen. Einzig ihre braunen Augen strahlten über die Jahre immer mehr eine innere Kälte aus. Etwas, was sie bei ihrer Ankunft noch menschlich und freundlich wirken lassen hatte, war in den zehn Jahren offenkundig in ihr erloschen, ganz so als hätte die Domäne Genua sie ihrer Unschuld beraubt.

Auf Tizianos Worte hin, hatte Seresa geschmunzelt und dem Ghul versichert, dass das Fräulein keinerlei Bedenken hätte, ihm zu vertrauen, so es der Wunsch Sousannas sei, sie zu ihr zu bringen. Es mochte Tiziano überrascht und zugleich verwundert haben, als Seresa just in diesem Moment dann den angebotenen Arm angenommen hatte und sich bei ihm - ganz wie selbstverständlich - eingehängt hatte. Ganz so, als wollte sie mit dieser schlichten Geste ihren Worten noch mehr Nachdruck verleihen. Tiziano damit signalisieren, dass sie ihm tatsächlich vertraute, auch wenn seine Worte nur im Spaß gemeint waren. Was auch ihm über die Jahre aufgefallen war, war dass je mehr er seine grimmige Verbissenheit ihr gegenüber verloren und abgelegt hatte, sie umso entspannter im Umgang mit ihm geworden war.

Im Gegensatz zu Sousanna wirkte Seresa an seiner Seite für ihn jedoch kalt und tot. Die Brujah besaß anscheinend keinen Grund ihren Körper falsche Wärme verströmen zu lassen. Und so würde die Schreiberin sich von dem Ghul von einem Ende der Stadt, zum anderen führen lassen, wobei Seresa einzig darauf achtete, dass Tiziano sie nicht versehentlich in die Domäne von Godeoc hineinführte auf ihrem Weg in Richtung Hafen.

Am Hafen angelangt, wanderten ihre Augen über das dunkle Schiff und für einen Moment hielt sie sich noch immer am Arm des Mannes fest, bevor sie seine Stimme neben sich hörte und sie damit jäh aus ihren eigenen Gedanken gerissen worden war. Es war nicht das erste Mal, dass sie auf ein Schiff ging, doch ähnlich wie die Martinsfeste in Genua bargen Schiffe für sie keinerlei gute Erinnerungen.

„Eindrucksvoll.“

Sie nickte bestätigend, während sie zögerlich die Planke hinaufblickte. Mit einem etwas gefestigteren Blick sah sie dann zu dem Ghul und ließ ihre Hand von ihm sinken.

„Ich danke für das sichere Geleit.“

Seresa nickte leicht und zupfte ihre Kleidung zurecht, während ihr Kopf weiter im Nacken lag, um zu dem Mann aufzusehen.

„Gibt es noch etwas, was die kleine Schreiberin über diesen Ort, den Grund unseres Besuchs hier oder die zu erwartenden Personen wissen müsste?“
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Sousanna
Ravnos
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Er lächelte nur und tätschelte kurz ihre Hand. Vielleicht hätte der Bluthund noch etwas sagen wollen. Doch es blieb bei dem schiefen, narbigen Lächeln, das stets den Anklang einer Drohung besaß.
"Brauchst dich nicht sorgen.", blieb die schlichte Erwiderung und für den Bruchteil einer Sekunde entstand einer der kurzen Momente, in denen man erahnen konnte, weshalb eine Kantakuzenos schon vor langem eine unheilige Alianz mit diesem Herrn einer Bande gefährlicher Bastarde eingegangen war. "'s ist ihr kleines Heiligtum." Tiziano vergrub die Hände in den Taschen und grinste noch etwas breiter. "Da gibt's nix Böses. Nix, was du nicht schon kennst." Kurz zogen sich seine buschigen Brauen zusammen und eine winzige Narbe knapp darüber. Es schien noch etwas hinter seiner Stirn vorzugehen, dann schüttelte er den Kopf, als sei es doch nicht wichtig.
Eine überraschend galante Verbeugung komplimentierte sie nach oben, dann würde er sich schließlich wieder trollen und seinen eigenen düsteren Geschäften nachgehen.

Sobald Seresa aber den Fuß auf die Planke setzte, würden sie die schmeichelnden Düfte des Schiffes umwehen. Zitrusdüfte, warmer Zimt und einiges, das nur schwer einschätzbar war. Doch alles war ruhig. Die Santa Theodora schaukelte leicht, doch das Schiff wirkte verschlafen. Und wenn die Brujah ihrem Pfad weiter folgte, würde ihr doch eine Pracht entgegenschlagen, die vor allem in ihrer Stille den Atem rauben mochte.
Mosaike zeigten von der Außenwelt ungesehen die Schönheit der Heimat der Harpyien. Der Orient schien hier allgegenwärtig. Selbst in der Nacht waren die Farben prächtig und die Formen schlicht bezaubernd. An Bord bildete sich ein Garten. In prächtigen Kübeln wucherten Palmen und andere, noch rätselhaftere Gewächse, die sich sacht im Seewind neigten.

Zwischen ihnen wartete Sousanna und empfing ihre Schreiberin mit einem strahlenden Lächeln. Grüne Seide umspielte den nahezu perfekten Leib und das lange Haar war ungewöhnlicher Weise völlig offen. Die Wogen aus Mahagonie reichten bis zur Hüfte. Hier im Mondlicht mochte man beinahe meinen, ein Wesen aus purer Unschuld und Zerbrechlichkeit vor sich zu haben.
"Es ist schön dich zu sehen.", erklärte sie und neigte sacht den Kopf. "Geht es dir gut?"
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Seresa
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresa blickte Titziano für einen Moment fragend an, als hätte sie etwas anderes als Antwort erwartet. Dann zuckte sie leicht mit den Schultern. Die Schreiberin hatte keine Ahnung, warum sie Sousanna hierher bestellt hatte und was sie hier für sie tun sollte. Sie würde sich einfach darauf einlassen und spontan entscheiden, was sie tun musste.

„Dann lassen wir sie besser nicht warten.“

Die Brujah nickte kurz und blickte noch einmal unschlüssig die Planke hinauf. Dann raffte sie die Seiten ihres langen Umhangs mit der Hand, um sich beim Übersteigen nicht im Stoff zu verfangen und einen ungalanten Abgang hinzulegen. Schritt um Schritt ging sie mühelos über die sich mit dem Wellengang bewegende Planke. Den Blick stehts auf die Holzdiele und das bedrohlich wirkende Wasser unter sich gerichtet. Als sie auf der anderen Seite angekommen war, seufzte sie innerlich erleichtert auf.

Sie ließ den Umhang sinken und schlug die Kapuze zurück. Wie von Zauberhand gefangen blickte Seresa auf die Mosaike und den Garten, welcher sich vor ihr so plötzlich aufgetan hatte. Unsicher sah sie zurück zur Planke und zum Hafen hinunter. Hin und her wanderte ihr verwirrter Blick zwischen Schiff und Steg. Palmen. Warum hatte sie sie von dort unten nicht gesehen?! Wie war das möglich?!

Dann wanderten ihre braunen Augen weiter über all die Schönheit, welche sich vor ihr offenbart hatte. Ungläubig und mit vor Staunen geöffnetem Mund versuchte sie so viele Details wie möglich aufzunehmen. Erst nach einem viel zu langem Moment des Staunens erinnerte sich Seresa daran zurück, warum sie überhaupt hier war. Jäh, wie aus einem allzu schönen Traum gerissen, blickte sie dann auf die Harpyie und wartete bis diese geendet hatte.

„Sei gegrüßt, Sousanna.“

Seresa nickte dieser höflich zu.

„Es ist mir eine Freude dich wiederzusehen. Hättest du mich vor wenigen Momenten am Hafenbecken gefragt, hätte ich gesagt, die Nächte sind dunkel, doch noch bin ich am Leben. Wenn ich mich nun jedoch hier umblicke, bin ich mir dessen nicht mehr gänzlich sicher.“

Ihr Blick wanderte für einen Moment von Sousanna ab, um alles um die Ravnos herum noch einmal in sich aufzunehmen, bevor ihre Hände unter dem Umhang auftauchten und sie eine öffnende, haltende Geste machen.

„Ich könnte ohne es zu wissen im Paradies gelandet sein.“

Ihre braunen Augen wanderten zur Harpyie zurück, bevor sie fast hilflos den Kopf sanft schüttelte, den Mund noch immer leicht geöffnet.

„Als Titziano meinte du hättest dir in letzter Zeit ein Prachtstück erworben, dachte ich an einen wohlhabenden Handelspartner. Das hier aber ist…“

Seresa schüttelte erneut ungläubig den Kopf, bevor sie sich umblickte, ob nicht doch noch ein wohlhabender Gönner sich hinter einem der Büsche versteckt hatte. Das hier war jenseits von allem was sie erwartet und für möglich gehalten hatte. Leise seufzte sie über ihre eigene Unfähigkeit und dennoch voller Bewunderung.

„Mir fehlen die Worte.“
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Sousanna
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Das sachte Lächeln glitt über die schönen Züge der Hehlerin und während sie sich das lange, dunkle Haar aus dem Gesicht strich, hätte man meinen können, dass sie dabei errötete wie ein stolzes Kind.
"Es freut mich, dass es nicht nur meine Verblendung ist, die mich das fühlen lässt.", gab sie zu und ließ auch ihren Blick noch einmal über das paradiesische Schiff gleiten. Für einen Moment hob und senkte sich ihre wohlgeformte Brust in einem zufriedenen Seufzen. Offensichtlich genoss sie den Anblick obwohl sie ihn selbst geschaffen hatte.

Dann aber lachte sie leise. Hier auf dem Schiff klang es sogar noch schöner. Noch mehr nach Wellen aus Mondlicht. "Wer weiß schon, ob dahinter keiner steckt?", schmunzelte Sousanna und winkte ihrer Schreiberin mit einer ruhigen Geste näher zu sich heran. Ihre Stimme hatte einen verschwörerischen Tonfall angenommen. "Wie sollte eine Ravnos an so etwas kommen?"

Dann sah die Harpyie direkt an. "Freust du dich schon auf die Feierlichkeiten?"
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresa war auf den Wink von Sousanna hin zur Ravnos getreten. Als diese von den Feierlichkeiten sprach, legte sich die Stirn der Brujah in Falten.

„Feierlichkeiten?!“

Ihre braunen Augen musterten die byzantinische Schönheit nachdenklich, unsicher worauf diese wohl anspielte. Seresa schüttelte leicht den Kopf.

„Ich bin mir nicht sicher, was du damit meinst, Sousanna. Was deine Frage indes angeht, wie eine Ravnos an so etwas kommen sollte, so müsste meine Antwort lauten, dass ich die Antwort nicht kenne. Wenn deine Frage jedoch lautet, wie du an so etwas kommen solltest, so denke ich gibt es wahrlich mehr als eine treffende Antwort dafür. Ich nehme an, du wirst mir das Geheimnis deines Erfolges nicht verraten.“

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, bevor sie ihrem Gegenüber zunickte. In ihren Worten waren keinerlei Spitzfindigkeiten zu hören und auch ihre Körpersprache signalisierte, dass die Gelehrte ernst meinte, was sie sagte. Seresa hielt inzwischen offensichtlich viel von Sousanna und ihren Talenten und wusste sie anzuerkennen.
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Sousanna
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Sousannas mildes Lächeln ließ erahnen, dass die Ravnos eine solche Unwissenheit zwar nicht übel nahm, sie sie aber doch zumindest als amüsant empfand. Vor allem von jemanden, für den diese Angelegenheit von derart atemberaubender Wichtigkeit war.
"Feierlichkeiten", wiederholte sie ruhig und lehnte sich gelassen an die Rehling dieses prächtigen Schiffes. "Zu Ehren der beiden höchstverehrten Herrschaften, die uns besuchen werden." Ein leises, wissendes Lächeln huschte zu der Schreiberin hinüber. "Ich dachte vielleicht würde die Neugier doch die Sorge etwas besiegen."

Der Blick der Ravnos dann erinnerte an eine Hüterin tausender Geheimnisse, die aber Gefallen an einer Unwissenden gefunden hatte und deshalb zu teilen bereit war. Allerdings, wer hatte je von einer teilenden Ravnos gehört? "Die Santa Theodora ist der Preis harter Arbeit, die vor Jahren gemacht wurde. Ich konnte sie endlich in diesen Hafen heimholen." Etwas lag in diesen Worten. Der Anklang einer Erzählung und vor allem aber hunderte weitere Geschichten, die nur danach lechzten weiter getragen zu werden.
Da die Schöne aber die Schultern zuckte, war die mögliche Schwere der Aussage in den Hintergrund getreten und die Leichtigkeit eines Sommertags auf einer blühenden Wiese lag erneut in der Luft. "Aber genug von meinen Eitelkeiten, was hast du in den letzten Nächten getrieben?"
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Das Übliche.“

Seresa zuckte leicht mit den Schultern.

„Ich versuche ein wertvoller und dienlicher Teil der Gemeinschaft zu werden. Einen Platz in ihr zu finden, um weiterhin gnädige Duldung und eines Nacht Akzeptanz zu erfahren. Wir werden sehen, ob es mir gelingen mag.“

´Oder ob andere Komplikationen mich bereits zuvor aus dem Spiel nehmen.´ Ihre eigenen Gedanken blieben stumm in ihrem Kopf, während ihr Blick von Sousanna ab auf das Meer in Richtung Nordwesten wanderte. Dann zuckte sie erneut mit den Schultern.

„Was die Feierlichkeiten angeht, so kennst du die Antwort. Solange nicht erwartet wird, dass es mein Kopf ist, welcher auf einer silbernen Platte dargereicht werden soll, habe ich vor fern alledem zu bleiben.“

Ihre Stimme klang hart und wenig amüsiert. Ihre Augen fanden kalt und distanziert zu Sousanna zurück. Schweigend verweilten sie beinahe unangenehm lange auf ihr. Für einen Moment mochte sich die Schönheit an die Nacht vor zehn Jahren zurückerinnert fühlen, denn der Blick der Brujah wanderte von ihren Augen nach unten und ruhte einen Wimpernschlag zu lange auf dem Hals der Ravnos, bevor sie wieder zu Sousanna aufblickte, um weitaus milder, wohlwollender und interessierter weiterzusprechen.

„Doch weshalb fragst du, Sousanna? Was denkst du könnte mich an diesem Treffen neugierig gemacht haben?“

Fragend blickte sie auf ihr Gegenüber, bevor sich Seresas Blick erneut von Sousanna löste und sie auf die Hafeneinfahrt in der Dunkelheit sah. Für einen kurzen Moment nickte sie stumm, bevor sie entspannter fortfuhr.

„Es freut mich aufrichtig zu hören, dass du dieses Schiff heimholen konntest. Ich bin mir sicher, du hast es dir mit deiner getanen Arbeit mehr als verdient.“

Die braunen Augen der Gelehrten fanden zurück zu Sousanna und ein Lächeln fand auf ihre Lippen.

„Aber sag Sousanna, was ist der Grund, dass wir uns hier treffen und ich dein Heiligtum betreten durfte? Ich nehme an, du wolltest nicht einzig von mir bestätigt wissen, was du bereits selbst über die unsagbare Schönheit dieses Ortes weißt.“
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Sousanna
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

"Stell dein Licht nicht unter den Scheffel." Ein sanftes Lächeln untermalte den zarten Tadel. Für einen Moment mochte man erahnen, dass sie vielleicht liebevoll über den Schopf der Brujah gestrichen hätte, wären sie beide Menschen gewesen. Vielleicht auch so, hätten sich nicht schon einmal Fänge in ihren Hals gebohrt und sie beinahe von ihrem Unleben geraubt hätte.
"Du bist eine derjenigen, die sich am härtesten um ihre Stellung in der Gesellschaft bemüht. Und um den Nutzen in ihr." Die dunklen Augen funkelten voller Geheimnisse und Andeutungen. Doch nichts davon schien bösartig. "Vor allem aber bist du die einzige, die es geschafft hat, sich von der völligen Ächtung nach oben zu arbeiten."

Der düstere Blick Seresas aber brachte die Harpyie Genuas zu einem hellen, entschuldigenden Lachen. Für einen Augenblick neigte sich ihr Kopf zu Seite und sie lächelte zu ihr empor. "Das ist eine gute Strategie." Das Lächeln wurde zu einem dunklen Grinsen. "Vor allem bei einem derartigen Fest. Das Publikum könnte explosiv werden." Einer der zarten Mundwinkel hob sich leicht. "Aber auch bedeutsam."
Dann zuckte sie die Schultern. "Ich dachte nicht, dass du unbedingt nackt vor den höchstverehrten Prinzen auf der Tanzfläche tanzen möchtest.", gab sie zurück und neigte galant den Kopf. "Aber ich dachte, dass es dich zumindest interessiert. - Immerhin geht es um deinen größten Feind. Vielleicht war ich auch nur neugierig, was du oder die deinen ihm getan habt." Etwas entschuldigend zierte das Schmunzeln die feinen Züge.

"Es geht darum", erklärte sie schließlich in alter Geschäftsmäßigkeit. "Dass hier wichtige Gespräche stattfinden werden - und dass auch dir das Wissen darum zu Gute kommen wird. Außerdem frage ich mich, was aus deiner Geschäftsidee geworden ist."
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Seresa
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Sei unbesorgt, Sousanna, ich habe nicht vergessen was ich dir zugesichert habe, was ich dir verdanke und was geschieht, wenn ich auf den mehr als einfältigen Gedanken käme, dich zu hintergehen. Ich hätte es mir einfach machen können und dir die sechs Menschen liefern können. Ich hätte es mir einfach machen können und dich nicht um deine Fürsprache bitten können. Ich hätte es mir einfach machen können und fliehen können vor all der Gefahr, der Strafe und der Verantwortung, welche mich in Genua erwartete.“

Seresa blickte ruhig auf die Ravnos neben sich.

„Dennoch bin ich noch immer hier. Ich unterwerfe und unterwarf mich der Gnade und Güte derer, welcher über mir stehen. Ich beuge und beugte mich ihrem Richterspruch und versuche trotz dem wenigen was ich bieten kann, langsam innerhalb der Domäne Genua etwas aufzubauen, was von dauerhaftem Wert ist. Ohne Zweifel hätte ich Jemanden bitten können, mich aus meiner Schuld gegenüber dir freizukaufen. Doch ich tat es nicht. Ich bin Niemand, der den einfachen Weg geht und ich vertraue darauf, dass sich meine harte Arbeit eines Nachts auszahlen wird.“

Dann wandte sich ihr Körper zum Meer hin und ihre Augen auf das Meer zurück.

„Aber ich verstehe deine offenkundige Besorgnis auf Grund des Henkerbeils, welches derart bedrohlich und offen sichtbar über meinem Nacken schwebt.“

Sie schloss für einen Moment die Augen und seufzte leise aber schwer, bevor sie sich zu Sousanna zurückwandte.

„Du missverstehst eine Sache, Sousanna. Ihre Majestät Blandus ist nicht grundsätzlich mein Feind.“

Seresa pausierte für einen Moment, bevor sie fortfuhr.

„Er soll meines Wissensstands nach aus der Massinissa Linie entstammen, während - wie Ihre Majestät Aurore selbst bei Hofe sagte - das kochende Blut Syphax meine Adern verdirbt. Wie die meines Bruders im Blute Ramon im Übrigen auch. Ich bin mir sicher, dass du dies nicht vergessen hast. Ich weiß nicht, ob Ihre Majestät Aurore oder Ihre Majestät Totila einst oder derzeit ebenfalls schützend ihre Hände über ihn legten. Mir selbst bleibt nichts anderes übrig, als für ihn zu hoffen. Ob Ramon etwas von Ihrer Majestät Blandus und der Gefahr wusste, in welcher er womöglich schwebte ist mir nicht bekannt. Auch weiß ich nicht, was ihn einst nach Genua führte. Er schien jedoch - im Gegensatz zu mir - ein anderes Verhältnis zu Blutlinie der Syphax zu haben.“

Die Brujah schwieg für einen Augenblick, während sie mit den Schultern zuckte.

„Zumindest führte er seine Abstammung offen an, während ich diesen Bezug stehts vermeide. Wie Ramon letzten Endes wahrlich dazu stand aus dieser Blutlinie abzustammen ist mir nicht bekannt. Bei unserem ersten Treffen kamen wir nicht darauf zu sprechen und kurz darauf verlor ich meine Kontrolle dir gegenüber.“

Ihr Blick wanderte von der Ravnos ab, bevor in ihrem Gesicht die unangenehme Erinnerung an jene schicksalsschwere Nacht zurückgekommen schien und sie den Kopf schüttelte, um diese zu vertreiben.

„Danach war an ein Gespräch mit ihm nicht zu denken. Wir sind zu leidenschaftlich bezüglich Dinge, welche uns wichtig sind.“

Ihre braunen Augen fanden zurück zu Sousanna und sie schenkte der Ravnos ein Lächeln, bevor sie selbst den Kopf schüttelte und seufzte.

„Dann kam dieser leidige Krieg, danach der Hof und danach die scheinbare Entscheidung Ramons sich letzten Endes dem Willen seines Lehnsherrn ihrer Majestät Totila zu unterwerfen. Ich wünschte ich hätte die Möglichkeit gehabt mit ihm darüber zu sprechen. Womöglich hätte er mir mehr über unsere Vergangenheit erzählen können, denn für mich ist alles einzig eine Geschichte längst vergangener Tage, auf welche ich keinen Einfluss hatte und welche ich nicht verändern kann. Für Andere vererbt sich die Sünde mit dem Blut weiter und nichts Gutes kann jemals daraus entstehen. Ich kann dir darüber nicht viel erzählen, Sousanna. Nicht weil ich es nicht möchte, sondern weil ich schlicht nichts Genaueres weiß. Es handelt sich dabei um eine Geschichte aus den Zeiten Karthagos. Eine alte Feindschaft zwischen den Methusalems Syphax aus dem Clan der Gelehrten, sowie Masinissa aus dem Clan der Könige. Ich bin zu jung und habe die Eskalation zwischen den Methusalems nicht selbst miterlebt und mir ist es nicht möglich, die Wahrheit zu erkennen, weshalb ich mir diesbezüglich nicht anmaße ein Urteil zu fällen.“

Seresa schwieg für einen kurzen Moment.

„Ich sehe jedoch, dass der Hass weiter lodert und brennt. Fürwahr, die Könige haben mir selbst mehr als genügend Gründe gegeben sie zu hassen.“

Sie schüttelte leicht den Kopf.

„Ich kann nicht verhindern, dass sie versuchen werden mich umzubringen auf Grund meines Blutes. Ich kann auch nicht verhindern, dass sie mir weitere Gründe liefern werden sie zu hassen. Jedoch ist es an mir zu entscheiden, wie ich damit umgehe. Ob ich mit Hass auf Hass reagiere oder ob ich versuche den Kreis des Hasses zu durchbrechen. Ob ich den einfachen Weg wähle und mich hinreißen lasse Rache zu üben wie mein Erzeuger oder ob ich den steinigen Weg auf mich nehme und versuche zu belegen, dass nicht alles verdorben ist, was aus dieser Linie stammt.“

Die Brujah schwieg erneut für einen kurzen Moment.

„Ich will nicht hassen, Sousanna. Mir ist bewusst, dass es mir nicht möglich ist, die Vergangenheit zu ändern. Mir ist es nicht möglich zu ändern, wessen Blut in meinen Adern fließt. Mir ist es nicht möglich zu verhindern, dass es immer Jene geben wird, die nach meinem Unleben trachten werden. Das Einzige, was ich tun kann, ist gebührenden Respekt aufzubringen und zu beweisen, dass meine Absichten redlich sind. Der Rest liegt nicht in meinen Händen.“

Sie blickte einige Momente stumm in die braunen Augen der Ravnos, bevor sie den Kopf schüttelte.

„Wie ich bereits sagte, Sousanna, es ist nichts, was zwischen Ihrer Majestät Blandus und mir selbst direkt steht. Sofern ein Abkömmling Masinissa jedoch in die Domäne käme mit der Absicht ein Zeichen zu setzen…“

Seresa sprach nicht weiter, doch ihr Blick wurde verbittert und ihre Augen wanderten auf das Meer zurück.

„Ich bin unendlich dankbar für das, was Ihrer Majestät Aurore tat, weshalb ich versuche mich für die Domäne Genua einzusetzen und mich in sie einzubringen, auch wenn ich Ihrer Majestät Aurore wie du oder so viele andere bei Hofe keine Vasallität schwören kann. Ich gebe mir Mühe die Möglichkeiten zu nutzen, welche mir großzügiger Weise gewährt wurden. Entsprechend liegt es nicht an mir, sondern viel an der Gnade anderer, dass ich nicht völlige Ächtung erfuhr. Es ist an mir, meinen Wert zu beweisen und dass ich mich ihrem Wohlwollen erkenntlich zeige. Ich will beweisen, dass ich anders bin als meine Vorfahren. Dass auch aus scheinbar verdorbenem Blut etwas Gutes erwachsen kann. Ich bin mir über die Schwere der Aufgabe wohl bewusst und im Klaren darüber, dass meine Anwesenheit in der Domäne Genua ebenso Gefahren mit sich bringt. Ebenso bin ich mir über die starke Hierarchie unter den Königen nur allzu sehr bewusst und darüber was mit mir geschehen wird, so ich eines Nachts scheitern sollte.“

Ihre braunen, toten Augen senkten sich auf das Wasser direkt unter dem Schiff, bevor sie einen falschen, tiefen Atemzug nahm und die fremdländischen Gerüche sie aus ihren dunklen Gedanken über ihre eigene Vernichtung zurück in die Gegenwart rissen.

„Verzeih, ich bin abgedriftet. Ich wollte dich wahrlich nicht mit meinen Gedanken und Sorgen langweilen.“

Sie lächelte unvermittelt und sah um Entschuldigung bittend zu Sousanna.

„Lass es mich wissen, so du eines Nachts begründete Sorge hättest, dass ich in Bälde meinen Kopf verliere, denn ich würde ungerne meine entstandenen Schulden unbeglichen lassen.“

Dann beschrieben ihre Hände und ihr Gesicht eine wegscheuchende Geste.

„Doch genug von mir und Dingen, welche ich nicht verändern kann. Was genau meinst du damit, dass hier wichtige Gespräche stattfinden werden und dass auch mir das Wissen darum zu Gute kommen wird? Vor allem aber was meinst du damit, dass das Publikum eines derartigen Fests explosiv werden könnte?“

Fragend blickte sie auf die Ravnos vor sich.
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