[1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

[September + Oktober '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Sousanna
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Die Augenbraue der Wanderin war nach oben geschossen, da das Wort nein die Luft zerschnitt. Seresa mochte erahnen, dass sie in jeder anderen Situation erneut jene stolze Herrin aus dem Osten vor sich gehabt hätte, doch hier und jetzt blieb sie ruhig.
Gelassen nahm die Harpyie wieder neben ihrer Schreiberin Platz und schenkte ihr einen letzten scharfen Seitenblick.

"Es ist gleich wie man es nennt. Dämon, Narbe, schlechte Erinnerung.", erwiderte sie nachdenklich und doch mit seltsamer Bestimmung. "Wer es versucht zu vergraben wird früher oder später die Flut von Eiter und Schmutz nicht mehr aufhalten können." Irritierende Bitterkeit lag in diesen Worten vermischt mit dem Hauch eigener, nicht allzu angenehmer Erfahrungen.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
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Seresa
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresas braune Augen lagen weiterhin ruhig auf Sousanna.

„Deshalb behält man sie im Auge - so man ihnen gewahr wird - und entscheidet dann, - so sich die Dinge zum schlechten verändern - wie der beste Umgang damit wäre. Derzeit erachte ich die Dinge in aller Stille abheilen zu lassen als der Situation am angemessensten. Da ich dich inzwischen sehr zu schätzen weiß, bin ich mir sicher, du wirst mein ´Nein´ in diesem Punkt nicht als Kränkung auffassen, sondern zu respektieren wissen, dass es nun einmal Dinge gibt, welche wir zuerst mit uns selbst klären müssen, bevor wir uns Anderen anvertrauen können. Entsprechend danke ich dir aufrichtig für dein Angebot, verbleibe derzeit dennoch bei meinem ´Nein´.“
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
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Sousanna
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Leicht nickte sie. Dann strahlte ein Lächeln sanft zu ihr herüber.
"Seresa, ich akzeptiere so etwas nicht, weil ich jemanden schätze", erklärte sie ruhig. Kein Vorwurf lag in ihrer Stimme, selbst wenn die Worte hart klingen konnten. "Ich aktzeptiere es, weil die meinen sich der Freiheit verschrieben haben. Weil mein Weg unter dem Stern der Freiheit steht und weil ich jede Form der Fesseln verabscheue." Wie um es zu bestätigen tippte ihr Finger auf die Rehling.

Nun wandte sich der ganze Leib der Ravnos zu ihrer Schreiberin. "Weil ich dich schätze und respektiere und sogar gern habe, wird mein Angebot auch noch lange Zeit bestehen. Genauso wie meine Sorge um dich nicht versiegen wird."
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Seresa
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Sei unbesorgt, Sousanna. Ich werde auf mich achten und mich an dich wenden, so ich selbst keine Lösung finde.“

Seresa nickte der Ravnos zu, bevor sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen schlich.

„Zumal ich nicht vergessen habe, dass ich noch weitere sieben bis acht Jahre in deinen Diensten stehe. Entsprechend weiß ich durchaus, worüber ich dankbar zu sein habe und weshalb es in meinem eigenen besten Interesse sein sollte, dass ich nicht erneut ausfalle, sondern weiterhin dir meine Dankbarkeit beweisen darf für dein Verständnis und deine Geduld mit mir, sowie die gebotene großzügige Chance mit die Vergebung für mein einstiges Verhalten dir gegenüber zu verdienen.“
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Sousanna
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Das Lächeln der Sünderin war ehrlich herzlich und leicht nickte sie Seresa zu. Es war das Nicken zwischen Schwestern, die zwar nicht das Blut aber doch das Schicksal aneinander gebunden hatte.
Eine Weile lang herrschte Schweigen und nur das sachte Wogen der Wellen gegen den massiven Bug untermalte die Stille. In der Ferne mochte man den Gesang der Stadt vernehmen. Den rauen, harten Klang von Menschen, die aufgezehrt wurden von ihrer eigenen Hoffnungslosigkeit.

Schließlich wandte sich Sousannas Blick wieder der Schreiberin zu und leicht neigte sich ihr Haupt. Sacht flossen die duftenden Strähnen über die weiche, warme Haut. "Wie ist es dir auf deiner Reise sonst ergangen? Hast du viel sehen und erleben können?"
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Seresa
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresa nahm das Nicken dankend entgegen und hatte die Augen dann geschlossen, als Sousanna länger geschwiegen hatte. Die Brujah konzentrierte sich auf das Geräusch der Wellen und das leichte Schaukeln des Schiffes. Doch hier an der Oberfläche trat ihre Panik nicht erneut auf. Stattdessen schien sie sich vollkommen zu entspannen und so Sousanna einen Blick auf ihre Schreiberin geworfen hätte, so hätte sie gesehen, dass diese fast selig lächelte. Die Gelehrte schien den Moment in sich aufzunehmen und wahrlich zu genießen. Sich von der Illusion der fremdländischen Gerüche gefangen nehmen und wegtragen zu lassen.

So nickte sie einzig auf die Frage der Ravnos hin, bevor sie langsam - fast wie schlaftrunken - ihre Augen öffnete und zu Sousanna blickte. Sie nickte erneut und ihre Stimme war von Sehnsucht geprägt.

„Ich genieße es zu Reisen und die Welt zu sehen. Fremde Sprachen zu hören und zu lernen. Das habe ich schon immer. Hierbleiben zu müssen nach meinem Kontrollverlust dir gegenüber und auch durch die Dienste, welche mich an dich - und dadurch an die Domäne Genua - binden, das war wahrlich nicht einfach für mich.“

Seresa senkte kurz ihre braunen Augen und schüttelte leicht den Kopf. Dann erschien jedoch ein Lächeln auf ihren Lippen, bevor sie wieder die Harpyie anblicke.

„Ich bin dankbar, dass es mir gestattet wird zu reisen. Zum ersten Mal jedoch spürte ich seit so vielen Jahren, dass etwas Unerwartetes wohl mit mir geschehen war. Etwas, was ich zuvor in dieser Form noch nie zuvor gespürt hatte. Ich hatte die Sehnsucht nicht noch weiter wegzureisen, sondern zurückkehren zu wollen.“

Die Brujah lachte und schüttelte nur den Kopf.

„Ich weiß, Sousanna, das muss für dich ebenso verrückt klingen, wie es sich für mich angefühlt hatte. Ich bin überaus dankbar dafür hier sein zu dürfen, auch wenn ich nicht weiß, wie ich dem jemals nur im entferntesten genügenden Ausdruck verleihen kann.“
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Sousanna
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Das glockenhelle Lachen der Wanderin prickelte über den Rücken eines jeden Zuhörers.
Mit einem Mal erinnerte sie wieder an jene blutjunge Schönheit, die sie einst gewesen sein musste. Lange bevor sich Fänge in ihren Hals gegraben und sie getötet hatten. Lange bevor sie jede Moral vergessen hatte. Einst musste sie ein unschuldiges, zerbrechliches Wesen gewesen sein.

"Ich kann dich nicht für verrück halten, wenn du beschreibst, was mein Blut seit Ewigkeiten umtreibt." Ihr zartes Lächeln traf Seresa. Vertrautheit lag darin und ein alter, nie gestorbener Traum. "Mein Blut drängt seit Jahren danach wieder zu reisen und doch ist es still. Kurz nach meinem Tod sind wir gereist. Ich habe tausend Dinge gesehen."
Leicht schüttelte sie den Kopf, schien in Erinnerungen zu schwelgen. "Aber wenn das Herz schweigt, dann hat man seinen Hafen gefunden."
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Überrascht und neugierig zugleich blickte Seresa Sousanna an.

„Ich wusste nicht, dass du viel gereist bist. Wo warst du bereits überall? Was hat dir bisher am besten gefallen? Welche Orte willst du nie wiedersehen?“
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Sousanna lächelte in die Nacht hinein. Die Grübchen in ihren Mundwinkeln hatten sich vertieft und ihre Stimme den Klang der Verführerin verloren. Vielmehr schien jene Reisende zu sprechen, die einst an einem Fluss den Mond beschworen hatte.
"Thrakien", begann sie zu berichten. "Korsika, Ägypten, der Orient, Spanien, Griechenland..." Ihre sanfte Stimme schwelgte offensichtlich in Erinnerungen, war bereit eine Geschichte zu erzählen. "Wir haben Erddrachen gesehen und rote Tiger. Große Städte voller Glanz und Mythen. Die heidnischen Götzen. Weite Ebenen..."
Ruhig wandte sie den Kopf zu der Brujah. "Wir sind geritten. Mal mit Karavanen, mal allein. Haben immer gehandelt. Ich habe unter Adligen getanzt und mit den Banditen gehurt. Da war der Tanz der Sterne über uns und die Melodie der Wälder. Die Blutsauger vieler Länder kannten wir und mit den unseren sind wir gereist. Ich hatte Reichtümer in den Händen. Hundertfach so wertvoll wie dieses Boot. Über See bin ich gereist. Einmal haben wir die Wölflinge gesehen. Mit einem konnte man sprechen. Nie vergesse ich die Angst... Und doch es waren glorreiche Jahre, meine Lehrjahre."

Kopfschüttelnd fuhr sie sich durchs Haar. "Ich liebte die Wüsten und ihre Völker.", gestand sie dann schmunzelnd. "Die Kälte im Norden aber will ich nie wieder sehen. Ich liebe nur ihre Männer."
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Seresa
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Re: [1012] Mein Haus, meine Schreiberin, mein Boot [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Gebannt hatte Seresa der Reisenden und ihren Geschichten zugehört. Dann und wann hatte sich ein Lächeln auf ihren Lippen gebildet und als sie von reiten sprach, glomm ein entfernter - fast trauriger - Funke in ihren Augen auf.

„Das klingt so wundervoll, Sousanna. Weshalb hast du dieses Leben aufgegeben und hinter dir gelassen? Weshalb bist du stattdessen allein in einer Stadt wie Genua geblieben? Hatte es dich nicht gereizt weiter zu reisen und die Welt zu sehen?“
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