[1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

[September + Oktober '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Simon
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Simon »

In die Melodie, die Stadt und Wind spielten, mischte sich das leise Lacheln des früheren Sängers.

"Eine junge Dame aus dem Hause Malkav also." Simon blinzelte einmal - eher aus Gewohnheit denn Notwendigkeit - und sah Angelique beim Tanz zu, während er laut über etwas nachsann. "Immer spricht man von niederen und hohen Häusern, als sei der Fluch Kains nicht genug, um uns in unserem Elend zu einen", sagte er.

Bitterkeit und eine ebenso gallige Erinnerung lagen in seiner Stimme.
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Angelique
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Angelique »

Angelique seufzte melancholisch. "Noch jemand, noch dazu ein so gebildeter und charmanter Mann, der unser Dasein als Fluch empfindet und nicht als Segen GOttes. ER hat uns erwählt, SEin Werk zu tun und uns dafür stark und immun gegen Krankheit, Alter und Tod gemacht, den Engeln näher als den Menschen. Sieh doch die schönen Seiten des Lebens und nicht nur den angeblichen Fluch über Kain. Wir sind es, die den Menschen helfen sollen, ein besseres Dasein zu führen. Die Diener des Demiurgen und seiner Dämonen reden uns ein, wir seien verflucht, bis wir es selbst glauben und so handeln."
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Simon
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Simon »

Simon wollte darauf etwas erwidern, doch über sein halb geöffneten Lippen kam kein Ton. Lediglich seine Augen verrieten, was er dachte. Überraschung stand in seinem jungen und doch gezeichnetem Gesicht geschrieben, die aber kurz darauf wieder von einem Lächeln abgelöst wurde, das dem eines Seraphen glich.

"Angelique, ein Engelchen, eine schönere Antwort hätte ich zu dieser einsamen Stunde nicht erwarten können", sagte er sanft. "Ich danke dir." Er legte eine Hand auf die Brust und verneigte sich wie ein Gaukler vor einem wohlgesonnenen Publikum, ohne dass es lächerlich oder aufgesetzt wirkte.

"Vermutlich hast du recht: Irgendwann belügt man sich selbst, weil die Wahrheit zu gewaltig scheint, als dass man sie begreifen könnte." Wieder lachte er, erneut mit Bitterkeit, aber auch Ironie darin. "Meine Erzeugerin sagte einmal, wenn ich mich selbst gut genug belüge, würde ich zu dem werden, was zu sein vorgebe. Dies sei die höchste Kunst. Lächerlich."

Schließlich schwieg er und blickte aufs Wasser hinaus.
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Angelique
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Angelique »

Angelique setzte sich daneben, ließ die Beine über den Felsenrand baumeln und schwieg ebenfalls. Gemeinsam mit Simon schweifte auch ihr Blick in die Ferne.

Die wenigsten erlebten solche Momente, wo die quirlige und plappernde Malkavianerin einfach nur still war. Zumeist provozierten andere immer ein Gegenrede von ihr.

Und so starrten die beiden Vampire sinnierend über das Meer.
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Simon
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Simon »

Der Wind legte sich ein wenig. Simon stand da, blickte aufs Wasser hinaus, gelegentlich hinüber zu seiner neuen Bekannten, und legte einen Finger auf die Lippen, als würde er selbst dem Wind befehlen, still zu sein. Ihm war deutlich anzusehen, wie sehr er die Stille nicht nur genoss, sondern umarmte, sie liebte wie etwas, das er verloren geglaubt hatte.

Letzten Ende erschien er wie ein Junge, weniger wie ein Mann, der weiterhin auf der Suche nach etwas war, das sich ihm entzog. Der Blick, den er Angelique zuwarf, sprach von sanfter Neugier und einer Unvoreingenommenheit, die man unter den Kainskindern - erst recht denen der "hohen" Clans - selten sah. Seine ganze Haltung sprach von einer seltsamen Ehrlichkeit und sein Gesicht von einem Sehnen, das bisher unerfüllt blieb.

Er ließ den Arm sinken, trat hinüber zu Angelique, so dass er kaum einen halben Fuß neben ihr stand, und reichte ihr die Hand.

"Möchtest du mich zurückbegleiten? Es ist einsam in den Gassen."
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Angelique
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Angelique »

Angelique lächelte leise und ergriff die Hand. Die ihre war kühl wie die seine. Leichtfüßig sprang das Mädchen auf und setzte wieder den breitkrempigen Hut mit der Jakobsmuschel auf die wuscheligen, windzerzausten Locken.

"Gerne", sagte sie schließlich und wie ein kleines Kind an der Hand ihres Vaters ging sie hüpfend neben Simon her, zurück in das von dunklen Wundern umwaberte Genua.
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Simon
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Simon »

Er hatte nie ein Kind an der Hand gehalten (zumindest keines, das scheinbar nie wirklich eines gewesen war) und erfreute sich an dem Gefühl. Er war nicht einsam in dieser Stadt. Er konnte Freunde finden, auch lieben, wenn er wollte, und womöglich, sagte sein sanfter Blick, würde er irgendwann das Antlitz der Sofia schauen.

Nicht in dieser Nacht. Nicht in die Nächten, die womöglich noch folgten. Bald aber.
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Angelique
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Angelique »

Angelique war den blutigen Tränen nahe vor Glück. Simon war ein weiterer Vampir, der mehr sein wollte, als ein dummes, hedonistisches Tier, dass nur der Erfüllung seiner Begierden wegen existierte, oder ein scheinbar schlaues Monster, das gerne Spieler sein wollte ohne zu merken, dass es nur eine Spielfigur war.

Dieser hier wollte mehr sein. Dieser hier wollte weise sein und nicht nur stark oder schlau.
Mit ihm wuchs die Zahl der gutmeinenden Vampire an. Noch waren die zynischen Bestien in der Überzahl, aber der Funke der Hoffnung, der in Angelique flackerte und oft kurz vor dem Erlöschen war, loderte wieder heller.
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Simon
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Simon »

Simon hielt Angeliques Hand locker in seiner. Obwohl sie so kalt war wie seine, verspürte er doch eine gewisse Wärme. Eine Weile ließ Simon sich treiben, folgte einfach dem Gemurmel der Stadt, den Raunen der Gassen, dem Trippeln von Füßen groß und klein, bis es so aussah, als würden seine eigenen Schritte ihn in eine gewisse Richtung führen.

Er ging langsam, fast andächtig, wie jemand, der Genua atmen hörte und pulsieren fühlte, obwohl es Nacht war und kaum jemand unterwegs sein konnte als das Ungeziefer in den Rinnsteinen. Er hörte dem Traben von Angelique zu, blickte gelegentlich zu ihr herab mit einem Lächeln, das sagte, dass ihm das Glück einer Tochter verwehrt geblieben war.
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Angelique
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Re: [1012] Die Stimmen der Stadt [offen]

Beitrag von Angelique »

Den Blick mochte Angelique sehr, erinnerte er sie doch an den armen Salubri, der einst wie ein Vater zu ihr gewesen war. Ein liebevoller Vater, der einen Halt gab und Geborgenheit. Wieder machte sie den Fehler, ihr Herz an so einen Vampir zu verschenken. Wieder würde sie einst enttäuscht werden, wenn die Unmenschlichkeit des parsitären Daseins und der Ruf der politischen Macht ihn ihr entfremden würde.

Aber nun, in diesem Moment war sie glücklich und das Kind, das sie nie aufhören würde zu sein. Keine Sorgen, keine Intrigen, keine Angst. Ein Leben im Jetzt. Wahre Freiheit.

Sie summte selig ein Kinderlied, wie sie es vor hundert Jahren in einem namenlosen Dorf bei Arles gesummt hatte.
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