[1012] Ein unmoralisches Angebot [Alain, Seresa]

[Seresa]

„Wie ich Euch bereits bei unserem ersten Treffen erzählt hatte, verlor ich bei meiner ersten Begegnung mit Sousanna die Kontrolle. Wäre Gaius damals nicht wie ein rettender Engel aufgetaucht, so hätte ich sie wohl in Raserei vernichtet. Unabhängig dessen, was mir bei Hofe auferlegt wurde, ist und war es demnach immer in meinem eigenen Interesse diese Schuld bei ihr abzutragen. Was indes Amalia betrifft.“

Seresa schwieg für einen kurzen Moment.

„Das Recht der Vernichtung obliegt einzig in besonderen Situationen den Liktoren ihrer Majestät.“

Ihre Stimme klang ernst und doch schien sie mit diesem Satz bereits alles von ihrer Seite aus über das Thema der möglichen Vernichtung Alains für sie ausreichend erklärt zu haben.

„Ihr sagt, es wäre bewiesen, dass Amalia ihr Amt missbraucht? Was meint Ihr damit? Die schlichte Einladung einer Liktorin wäre in meinen Augen noch weit entfernt von einem tatsächlichen Amtsmissbrauch an sich, auch wenn Ihr befürchte sie könntet sich gegen Euch wenden.“

[Alain le Beau]

"Die Einladung nicht. Dass sie jedoch - wohl aus Abneigung gegen mich - behauptet hat, es sei das Gesetz der höchst verehrten Aurore, dass ich die Stadt nicht betreten dürfe? Das schon. Ganz abgesehen davon, dass sie sich nicht zu schade ist, mir mit Verfolgung und Jagd zu drohen. Was sie ohne ihr Amt kaum könnte. Ihr versteht also, warum ich vorsichtig bin, wenn mich so eine Einladung erreicht, wie höflich diese auch immer formuliert sein mag."

Alain reibt sich das Kinn. "Gaius? Dieses Mitglied unserer Gesellschaft habe ich noch nie getroffen. Wer ist das?" Er zieht den Mundwinkel hoch. "Was hat euch denn an Sousanna die Kontrolle verlieren lassen? Ich weiß ja, was bei mir dazu führt... sie hat wunderbar weiche Brüste. Und dieser Hintern!" Alain hustet. "Aber das wird wohl kaum euer Grund gewesen sein."

[Seresa]

„Weshalb nicht, werter Alain? Sousanna ist ohne Zweifel eine wahre Augenweide und eine überaus bezaubernde Frau.“

Ein kurzes Lächeln umspielte Seresas Lippen, bevor sie den Kopf schüttelte.

„Woran der Kontrollverlust letzten Endes exakt gelegen hatte, vermag ich nicht gänzlich zu beurteilen, hatte ich ihn in dieser Form und Unmittelbarkeit zuvor noch nie erlebt.“

Seresa zuckte leicht mit den Schultern.

„Doch ist dies ein Teil der Vergangenheit, welche ich nicht zu ändern vermag. Entsprechend bedauere ich aufrichtig mein Tun und trage die Konsequenzen meines Handelns. Was den Retter angeht, so ist sein Name Gaius Marcellus von Genua, Liktor der Domäne Genua und Mondsenator des Sestiere Domus, Neugeborener vom Clan Salubri, Kind von Matthias von Bath, Ahn vom Clan Salubri. Wo dieser sich derzeit befindet ist mir bedauerlicherweise nicht bekannt. Was Amalia indes angeht, so ist es sicherlich nie falsch vorsichtig zu sein, auch wenn man vieles in unserer Welt hinter der Welt als schlichtes Missverständnis auslegen könnte, so man dies wollte.“

[Alain le Beau]

"Ihr solltet das herausfinden!" sagt Alain mit Überzeugung. "Wenn ihr nicht versteht, warum euer Tier tut, was es tut, wie wollt ihr dann mit ihm leben?"

Er verschränkt die Arme. "Missverständnisse sind der Grund für vielerlei Streit. Ich weiß noch, wo mich dieser Bauer anklagte, mit seiner Frau geschlafen, seine Speisekammer geplündert, seine Geldschatulle ausgegraben und sogar seinem Sohn schöne Augen gemacht zu haben!" Ein Kopfschütteln. "Dabei war der junge Mann wirklich keine attraktive Gestalt. Und dennoch musste ich meilenweit vor diesem Kerl und seiner Mistgabel fortrennen."

Der Tzimisce grinst. "Wenn Amalia spielen will, dann soll sie ihr Spiel bekommen. Aber ich denke, ihr fehlt der Mut, diesen Streit bis zum Ende durchzustehen."

[Seresa]

Seresa zuckte leicht mit den Schultern.

„Ich kenne Amalia nicht gut genug, um dies beurteilen zu können. Auch Euch und Eure Vorgeschichte nicht. Doch worin ich mir recht sicher bin ist, dass ein Spiel niemals so eindimensional ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.“

Die Brujah pausierte für einen kurzen Moment und betrachtete den Tzimiscen von oben bis unten, bevor sie freundlich lächelte und erneut mit den Schultern zuckte.

„Gebt auf Euch acht, werter Alain und darauf, dass Ihr mit Eurem Tun nicht die Falschen verärgert. Es wäre bedauerlich einen derart redegewandten Vertreter unserer Art zu verlieren. Denn ein wütender Bauer - wie in Eurem genannten Fall - mag ein lästiges Übel sein, jedoch eines mit welchem man womöglich noch umgehen kann.“

Seresa betrachtete Alain noch für einen Moment nachdenklich, führte ihren aufkeimenden, weiteren Gedanken in diesem Augenblick jedoch nicht aus.

„Und was mein Tier angeht, so seit Euch versichert, ich habe dies im Blick. Nicht umsonst interessiere ich mich dafür, wie andere unserer Art auf anderen Wegen der Nacht mit ihm umgehen.“

[Alain le Beau]

"Eindimensional?" Alain kratzt sich den Kopf. "Nun, wie auch immer. Ich kann nichts dafür, wenn ich andere verärgere. Es ist ja ihre Entscheidung, an meinem Verhalten Anstoß zu finden." Er lacht. "Was ich persönlich höchst albern finde. Ich meine, nicht-leben und nicht-leben lassen, nicht wahr?" Plötzlich runzelt er die Stirn und spuckt trocken aus. "Das einzige, was ich gar nicht leiden kann, ist wenn mir jemand Vorschriften machen will. Ah, diese Gottlinge und ihre Sünden. Das, ja, das verärgert selbst mich friedliebenden Freigeist!"

Er schaut auf Seresas Brust, nachdenklich. "Ich würde euer Tier zu gerne einmal kennenlernen..."

[Seresa]

Der Blick der Brujah folgte dem des Tzimiscen. Wo zwei Erhöhungen auf Seresas Brust hätten sein sollen, sah Alain: nichts. Etwas, was dem Drachen bereits bei ihrem ersten Treffen im Elysium aufgefallen sein konnte, als er Acacias Brust mit der ihren verglichen hatte. Der Bereich war auch in dieser Nacht gänzlich flach und die wollene Tunika, welche ihren Oberkörper verdeckte, ließ wenig Raum für Spekulationen. Dann blickte sie erneut auf und legte ihren Kopf fragend zur Seite.

„Weshalb solltet Ihr dies wollen, werter Alain?“

[Alain le Beau]

"Weil ich glaube, dass ich euch nicht richtig kennenlernen werde, bis ich nicht auch einmal euer Tier erlebt habe. Meine Handlungen, mein Streben ist im Einklang mit meinem Tier, aber bei euch? Ein Teil von euch ist weggesperrt. Verborgen, tief in eurer Brust." Er schüttelt den Kopf. "Wie bedauerlich."

[Seresa]

Ein helles, gänzlich amüsiertes Lachen von Seiten der Brujah erklang, bevor sie sanft den Kopf schüttelte, ganz so als wäre sie eine Mutter, die wohlwollend auf ihr unerfahrenes, kleines Kind hinabblickte, welches gerade etwas gänzlich unangebrachtes und dummes gesagt hatte, die es aber in einer gewissen Art und Weise dennoch für seine Unschuld und damit verbundenen Naivität aufrichtig liebte.

„Ach, werter Alain, Eure Worte sind wie immer äußerst schmeichelhaft.“

Seresa nickte dem Tzimiscen kurz zu, bevor ihr Gesicht wieder etwas ernster wurde. Sie gar leicht seufzte.

„Bedauerlicherweise vergesst Ihr bei Eurem Anliegen womöglich, dass wir - die wir in der Welt hinter der Welt leben - nie jemanden richtig kennenlernen werden. Einerlei, ob wir ihr Tier jemals erlebt haben oder nicht. Zu vieles steht nur allzu oft zwischen uns.“

Dann wanderte ein Lächeln auf ihre Lippen zurück.

„Davon ab bezweifle ich redlich, dass ich manche unserer Art dadurch besser kenne, nur weil ich ihr Tier erlebt habe.“

[Alain le Beau]

"Mit dem Tier ist es wie mit dem Menschen", sagt Alain ungerührt. "Sperrt ihn in einen Käfig, irgendwo in der Dunkelheit - und ihr werdet nach einigen Jahren keinen besonders schönen Anblick haben, selbst wenn ihr ihn füttert. Aber ich habe Mitleid mit diesen armen Gefangenen, oh ja." Er zuckt mit den Schultern. "Das Tier ist jedenfalls ehrlicher als der Mensch. Es will, es nimmt, es täuscht nicht und zögert nicht."

Den Kopf leicht schiefgelegt, schaut er Seresa an. "Meint ihr nicht, dass ihr am Tier so einiges erkennen könnt? Ich denke schon. Etwa, wie jemand sein Tier behandelt. Und damit einhergehend, welche Überzeugungen er vertritt. Nimmt er das Tier an? Sperrt er es fort? Kein unwichtiges Detail, würde ich meinen."