[1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

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Seresa
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Grausame Herrschaft.“

Nachdenklich wiederholte Seresa die Worte des Schattens neben sich, auf dessen noch immer ihre Augen ruhten.

„Was ist in Euren Augen grausam, wohlwerter Ilario?“

Seresa pausierte für einen kurzen Moment und gab ihrer Frage bewusst die Zeit nachzuschwingen, bevor sie ihre gesprochenen Worte weiter konkretisierte.

„Das Aufschlitzen des Bauches einer Mutter und das Ersticken oder Ertränken ihres Kindes darin? Das Drücken von Augen in den Kopf eines alten Kerls? Das am eigenen Blut verrecken lassen an einem Lungenstich? Das Beschießen eines Dorfes mit Brandpfeilen, um sie rauszutreiben und kalt zu machen? Das Zerhacken und durcheinanderwerfen der Toten?“

Die Worte waren offenkundig nicht ihre eigenen, denn manche der Begrifflichkeiten, hätte die junge Brujah in dieser Form wohl nie selbst verwendet. Dies dürfte auch Ilario nur allzu bewusst sein. Zumal dem Lasombra wohl die Beispiele zu bekannt vorkommen mussten, hatte er sie selbst gehört, wenn auch wohl etwas vulgärer in ihrer Aussprache und bereits einige Jahre in der Vergangenheit liegend. Erneut schwieg Seresa für einen Augenblick, bevor sie deutlich zu entspannt dafür fortfuhr, betrachtete man die anscheinenden Grausamkeiten, welche sie ihm aufgezählt hatte.

„Was Ihr beschreibt klingt ohne Zweifel nach einem Zustand wie er sein sollte, wohlwerter Ilario. Einem Idealbild der Welt und der Welt hinter der Welt. Doch was, so dieses sich nicht durch sachtes Lenken erreichen lässt? Wo ist die Grenze dessen, was noch vertretbar ist und wo wird sie deutlich überschritten? Ist es grausam zu tun was nötig ist und zu beseitigen was diese Herrschaft stört - sie gar in Frage stellt - oder ist es schlicht ein notwendiges Übel - gar Bürde und Pflicht - das zu tun was getan werden muss zum Wohle aller?“
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Ilario
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Ilario »

„All das was ihr anführt ist grausam. Und unnötig gewesen in diesem speziellen Fall, zumindest in meinen Augen. Ich verabscheue solch unnötige Taten. Immer wenn das rechte Maß verfehlt wird, wenn Kolleteralschäden den Weg pflastern, wenn schlicht die nötige Präzision fehlt… zeugt dies von Unbedachtheit, Dummheit oder eben gewollter Grausamkeit um ihrer selbst willen. Ein charakterlicher Makel in jedem Fall.“ Er dachte zurück an diese ferne Nacht und was aus ihr erwachsen war. Seresas Fragen machten ihn nachdenklich. Hätte er damals das rechte Maß gefunden? Was hätte er getan wenn nicht Gottes Zorn ihn erschüttert hätte?
„Die Grenze… verschwimmt und bewegt sich stets. Nichts ist in Stein gemeißelt. Ihr verkennt mein Naturell, wenn ihr denkt sachtes Lenken wäre alles… Solches Lenken kann auch die brutale Ermordung von Schlüsselfiguren beinhalten. Doch würde ich diese eher in ihrem Bett oder auf dem Abort erdolchen lassen, sie notfalls auf offener Straße von Armbrustschützen niederschießen lassen, als beispielsweise sie samt ihrer Familie und Dienerschaft in ihrem Haus zu verbrennen. Grausamkeit mag bisweilen nötig sein um ein Zeichen zu setzen, um Furcht zu säen, dann sollte sie aber stets mit ruhiger Hand und kaltem Gemüt ausgeführt werden. Und nicht mit einem Lächeln im Gesicht, solches bringt uns schließlich auch dem Tier näher. Wenn also jemand eine Störung darstellt oder gar die gute Herrschaft meiner höchstverehrten Herrin infrage stellt, ist es selbstverständlich meine Pflicht und Bürde diese Störung zu beseitigen. Mit allen nötigen Mitteln, doch ohne das Maß zu verlieren.“ Er würde tatsächlich alles nötige tun und tun können, auch Dinge jemandem versagt blieben der noch ein menschliches Gewissen besaß. Eben weil sein Weg es verlangte.
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Seresa
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresa nickte. Bewusst oder unbewusst teilte sie viele seiner Ansichten. So sehr und in einem derart starken Umfang, dass es sie beinahe beunruhigte. Sie innerlich daran zweifeln ließ, ob der Schatten es wahrlich redlich meinte oder ob dieser sie gerade geschickt manipulierte. Zwei Namen kamen der jungen Brujah bei seinen Worten in den Sinn. Den eines Vaters und dessen Sohn. Ein Mittel zum Machtausbau hatte Seresa es einst genannt. Unwissend, dass sie in diesem Moment womöglich von seinem Werk sprach. Sie es innerlich dennoch in einer gewissen Art und Weise vermutet hatte und nun war es naheliegend, nach allem was die Zeit offenbart hatte. Ihre braunen Augen wanderten schweigend auf die See ab. Für einen Moment genoss sie einzig die ruhigen Klänge der Natur, dann sprach sie mit warmer Stimme an Ilario gewandt.

„Subtil.“

Das Wort, welches sie ausgesprochen hatte, klang sanft nach und die Gelehrte schwieg für einen weiteren Augenblick, während das Rauschen des Meeres erneut, das einzige Geräusch war, welches die Stille zerschnitt.

„Ich würde Euer Naturell und Vorgehen als subtil - nicht zwangsweise als sanft - einschätzen, wohlwerter Ilario.“

Seresas Augen ruhten auf dem Lasombra.

„Wobei man wohl ohne jedweden Zweifel überaus vortrefflich darüber streiten könnte, ob ein schneller, mit Präzision geführter, scharfer Dolch oder gut gezielter Schuss aus dem Verborgenen nicht eine gewisse Sanftheit und Gnade beinhaltet, womit die Begrifflichkeit einer brutalen Ermordung ihre offenkundige Schärfe verlieren - und sie ad absurdum führen - würde.“

Dann zuckte sie leicht mit den Schultern.

„Ich denke, ich verstehe in gewisser Weise durchaus, was Ihr meint und ich danke Euch entsprechend für Eure gewährte Offenheit. Ebenso, wie ich Euch für das wahrlich aufschlussreiche und anregende Gespräch in der heutigen Nacht danke, sowie Eure damit verbundene Zeit, welche Ihr geneigt wart, mir zu schenken.“

Erneut schwieg sie und senkte tief ihr Haupt vor Ilario. Dann blickte sie stumm auf seine noch immer schwarzen Augen, senkte die ihrigen anscheinend betreten, bevor sie ihn wieder anblickte. Eine Frage auf den Lippen, bei welcher sie sich sichtlich unsicher war, ob sie angemessen war zu fragen. Entsprechend vorsichtig und mehrdeutig sprach sie das Thema an.

„Ich hoffe sehr, der Grund meines Wunsches Euch zu sprechen und meine offenen Worte, führten in dieser Nacht zu keiner bleibenden Veränderung bei Euch. Bitte seid versichert, es wäre wahrlich nicht meine Absicht gewesen, diese bei Euch auszulösen.“
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Ilario
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Ilario »

Ilario neigte huldvoll das Haupt, nahm den Dank entgegen und tat ihn nicht ab. „Subtilität gehört zu den Tugenden meines Pfades durch die Nacht. Ohne sie wäre ich den Anforderungen meines sehr verehrten Erzeugers nie gerecht geworden und Asche im Wind…“ Wie oft hatte er Galba schon gleichermaßen bewundert und war an dessen überaus subtiler und geheimniskrämerischer Art verzweifelt. Mit ein Grund für die gefahrvolle Queste zu der Ilario demnächst aufbrechen würde.
Hatte sich etwas verändert durch Seresa, durch ihr heutiges Gespräch? Sicherlich, allerdings nicht so wie sie fürchtete. Ilario hatte ihren Blick zu seinen Augen durchaus bemerkt.
„Alles ist stets im Wandel, doch nicht so wie ihr fürchtet. Ein Ergebnis meiner Studien, mehr nicht.“ Langsam schloss und öffnete Ilario seine Augen. Und siehe da: Das Schwarz war der Farbe stürmischer See gewichen.
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Seresa
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Seresa »

Die Faszination und Neugierde blitzte kurz in den braunen Augen der jungen Gelehrten auf und sorgte dafür, dass sie größer wurden. Die Körperbeherrschung der Brujah verhinderte dann jedoch, dass dieser Effekt weitaus stärker ausfiel und sie somit nicht mit vor Staunen aufgerissenem Mund neben dem Lasombra kniete. Stattdessen erschien ein wohlwollendes Lächeln auf ihren Lippen und sie nickte dem Schatten erneut zu.

„Sofern Eure überaus beeindruckenden Studien eines Nachts von Erfolg gekrönt sein werden, würde es mir eine Ehre sein, so Ihr Teile Eurer Nachforschungen mit meinen eigenen - bis dahin entstandenen - Erkenntnissen abgleichen würdet.“
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Ilario »

Genauestens zuhörend und zwischen wen Zeilen lesend sah Ilario die junge Gelehrte an und nickte schlicht. „Ein Austausch von Erkenntnissen. Einverstanden werte Seresa. Wir werden sehen was wir bis dahin an Erkenntnissen gewonnen und zu berichten haben. Ich freue mich darauf, denn die Nacht verbirgt so viele Geheimnisse die zu erkunden sich lohnen mag.“ Der Schatten erhob sich, machte sich langsam bereit aufzubrechen. Ein respektvolles Nicken folgte. „Es war mir wie stets ein Vergnügen.“
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Seresa »

Auf seine Aussage hin, dass die Nacht so viele Geheimnisse verbirgt, hatte die junge Brujah kaum merklich genickt und als der Lasombra aufgestanden war, sich ebenso zeitlich erhoben.

„Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.“

Ihr Haupt senkte sich noch einmal langsamer, respektvoller und tiefer, bevor sich ihre Hände in gewohnter Geste vor ihren Körper legten. Für einen Moment schwieg sie, dann schien ihr noch etwas eingefallen zu sein.

„Würdet Ihr mir wohl noch eine Frage erlauben, bevor sich unsere Wege in dieser Nacht trennen?“

Ruhig wartete die Brujah auf eine bestätigende Geste, anderenfalls hätte sie geschwiegen.

„Vor vielen Jahren - so hieß es - hätte Marcello Embriaci nach dem Krieg auf den Felsen zerschollene Tote bergen lassen. Da dieser Sterbliche wohl unter Eurer Hand steht, würde mich eine Sache an diesem Vorfall interessieren. Diese Toten…“

Seresa schwieg für einen kurzen Moment, bevor sie eher zögerlich fragte.

„Waren darunter Frauen oder gar Kinder?“
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Ilario »

Schon fast im Gehen begriffen, hielt Ilario inne und legte den Kopf schief. Betrachtete Seresa einen Moment, und einen Moment länger. Undurchschaubar wie die Nacht selbst. „Eure Informationen sind nicht ganz korrekt. Es hieß Marcello Embriaci hätte jemanden geschickt um zu helfen. Es war ein Priester aus Venedig der damals dem alten Priester San Nazareths half… Aber auch dieser half nur die Leichen zu verbrennen. Was jedoch kaum jemand weiß… Ich selbst war es der die verwesenden Leichen von den unzugänglichen Klippen barg und hinaufschaffte, die Gefahr einer Seuche bannte.“ Seresa als geübte Kletterin würde diese Klippen als lebensgefährliches Wagnis einschätzen, so steil und schroff waren sie. „Es waren hauptsächlich Männer, auch wenn einige Frauen darunter waren. Unter den Toten befanden sich keine Kinder. Warum fragt ihr? Wisst ihr etwas darüber?“
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Seresa »

Anstatt dem Schatten zu antworten, verzog sich ihre Stirn nachdenklich in Falten, während sie zu Boden blickte. Mehr zu sich selbst, als zu ihm gerichtet, sprach sie vor sich hin.

„Keine Kinder.“

Ein nachdenklicher Laut bildete sich hinter verschlossenen Lippen und es verging ein Moment, bevor sie leicht nickte, als hätte sie eine denkbare Lösung hierfür gefunden, die ihr passend erschien. Ihre braunen Augen wanderten zu Ilario zurück.

„Möglich, doch dies hinge davon ab, ob es sich bei den Toten um Frauen aus Mascarana handelte.“
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Re: [1012] Woran wir glauben [Ilario, Seresa]

Beitrag von Ilario »

„Möglich…“ meinte Ilario mit leiser Stimme. „Wenn es so wäre, welche Relevanz hätte dieser Umstand für euch?“  Derweil kramte Ilario in den Räumen, den Schubladen, seines Gedächtnispalastes. Waren Frauen aus Mascharana darunter gewesen? War dies angesichts der fortgeschrittenen Verwesung überhaupt noch erkennbar gewesen? Aber das war vorerst auch nicht so wichtig wie die Antwort der jungen Gelehrten.
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