[1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

[November '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Livia
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[1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von Livia »

In einer regnerischen Nacht klopfte eine zaghafte Faust an die Tore des Klosters St. Agnese.
Der Wächter erblickte nach kurzem eine durchweichte Frauengestalt vor den Toren stehen. Sie trug eine matte Laterne und im Schein seines viel stärkeren Lichtes sah sie ihm etwas leidend entgegen.

„Zu solcher Stunde? Wer seid ihr, was wollt ihr, was ist geschehen?“
Fragte der Mann zwischen Misstrauen und Irritation. Seit er mit den ganzen Frauen hier arbeitete wusste er, dass auch kleine Damen im Ornat so einiges hinter den Ohren haben konnten… andererseits war er seine Beschützerinstinkte auch nie ganz los geworden.


„Ich bin für die Priora hier! Sagt ihr bitte es geht um die Hymne der gefallenen Frauen!“
Rief ihm das Frauchen entgegen, irgendwie bedeutungsschwanger, irgendwie flehend.

„Stellt euch erstmal unter, ich hole eine der Damen!“
Sagte der Mann dann schließlich. Er überreichte seine Hellebarde seinem Kameraden, um Schritt in das Kloster um eine der Zuständigen zu wecken… nächtlicher Besuch war selten geworden, gabs früher öfter, was es wohl diesmal sein würde? Fragte er sich noch…
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La Vedova
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von La Vedova »

Gefallene Frauen? Der Wächter schütelte irritiert den Kopf. Wahrlich kein angemessenes Thema für diese heiligen Mauern. Auch war es ihm gar nicht recht, die Priora in ihren emsigen und sicherlich äußerst wichtigen Studien zu unterbrechen, von denen er zwar nichts verstand, die jedoch von großer Bedeutung sein mussten...

Livias Wartezeit ließ ihr die Möglichkeit, sich ein wenig auf der Klosterinsel umzusehen und die Bauarbeiten zu begutachten, die an dem Gemäuer stattfanden. Scheinbar wurde die Außenmauer verstärkt und ein neues Gebäude befand sich in Aufbau oder Renovierung, so genau war das nicht auszumachen.
Nach einer Weile kam der erste Wächter mit neugierigen Gesichtsausdruck zurück, öffnete ihr und ließ sie herein. "Die Mutter Oberin scheint erfreut", meinte er und Erstaunen schwang in seiner Stimme mit, so als wäre das keine sehr häufige Emotion der Priora. Er führte LIvia über den Hof ein Treppchen hinauf bis zu einer schweren Holztür, die nur angelehnt stand. Im Zimmer stand auf einem völlig überladenen Tisch ein Lämpchen, das beschriebene Papiere gerade ausreichend beleutete, dass die kleine Schrift darauf zu erkennen war. Weiterhin hing von den Decken und standen in Regalen allerlei Krempel, der auf Tisch, Stühlen und Boden keinen Platz mehr gefunden hatte. EIn schmaler Pfad führte durch den Raum hinüber zu einem Pult mit einem aufgeschlagenen Stundenbuch.
"Guten Abend", erklang eine schmale Stimme aus einer der dunklen Ecken des Raumes, wo sich tatsächlich die fahle Gestalt Seinfredas verborgen hatte, gebeugt über irgendein seltsames hölzernes Instrument, das sowohl dem Pflügen eines Feldes dienen könnte als auch der Berechnung von Sternbewegungen. Wer wusste schon, womit die Kappadozianerin sich nun schon wieder beschäftigte?
Mit langsamen Bewegungen trat Seinfreda auf LIvia zu, nickte freundlich und ihre tiefliegenden Augen musterten die Merkurianerin lauernd und neugierig. "Wann wird aus einem Fall ein Flug?", fragte sie leise, legte den Kopf schief und schien kurz in Erinnerunen zu schwelgen. "Schön dich zu sehen, Schwester", meinte sie dann schließlich und räumte einige mit Asche gefüllte Schalen von einem Sessel, den sie Livia anbot.
"Was gibt es Neues?", wollte sie dann wissen.
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Livia
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von Livia »

Livia war erfreut die - auf ihre Art - so schöne Kappadozianerin wieder zu sehen. Erneut waren Jahre vergangen in denen sich jene wohl auf Reise befunden hatte, aber jetzt war ein Treffen zustande gekommen!

"Es ist mir eine große Freude dich zu sehen, geehrte... Schwester." Die Ansprache hatte sich gewandelt, Livia zögerte kurz, zum letzten Treffen hatte sie Seinfreda noch als Mutter bezeichnet, was hatte sich geändert?

"Ein Flug?" Die Frage hatte kurzes Zögern ausgelöst.
"Ah...
Ich werde darüber nachdenken, und es dir später beantworten?" Bot sie ehrlich an, auf solch eine Frage wollte sie keine überstürzte und oberflächliceh Antwort geben... oder war es ein Rätsel?

"Neues... neues gibt es schier unendlich und zugleich doch wenig.
Ich war nicht so viel unter Kainiten wie sonst, die letzten Jahre, aber uach sonst scheint sich weniger bewegt zu haben, als üblich... einzig einige ausgewählte Vertreter unserer Art scheinen ihren Höhenflug fortzusetzen." Sie lächelte bitter.
"Aber gerne will ich dir alles berichten..."
Und so begann die Merkurianerin zu sprechen.
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Livia
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von Livia »

"Die letzten Jahre waren von großen Freuden und großen Qualen begleitet... Doch sie waren leise." Hauchte die Merkurianerin irgendwie.

"Der ehrenwerte Roger hat Judith, die Tochter eines meiner reichsten Ritter, geehelicht... sie haben ihren schönen Turm gebaut und leben nun Glücklich dort."
Die Menschliche sprach jenen Bericht voller ehrlicher Freude aus - etwas daran bereitete ihr nicht nur einfaches Vergnügen. Ob es Roger, das Wohlergehen ihrer eigenen Blutsdienerin oder Etwas ganz anderes war, blieb offen.

"Was mich auch auf die Idee brachte... ob dein geliebter Sohn." Sie schmunzelte kurz.
"Nun, er ist Priester aber hat kein Weib, soll er Bischof werden?
Ich wüsste wohl eine hochadlige Braut, die seinem Charakter entsprechen könnte... zurückhaltend, selten zu Gesicht zu bekommen, nicht zu persönlich leidenschaftlich aber gut vernetzt und im Notfall eine sehr gute Sicherung." Sie lächelte Charmant. "Und naja... ganz zur Not auch schnell in den Hintergrund zu bringen, falls er eine Andere heiraten soll."

"Mir geschah im letzten Jahr deiner Abwesenheit eine grausame Verleugnung. Jemand verbreitete ein Gerücht, welches man mit mir in Verbindung bringen könnte, womöglich nahm man sogar... meine Gestalt... oder zumindest offensichtliche Züge wie das Haupthaar... an und ließ sich beim Jagen sehen." Livia wirkte erbost.
"Nahm dabei eine Gefahr für die Stille billigend in kauf, hätte ich das ganze nicht Glattgebügelt!" Kurz verharrte Livia.
"Auch dir könnte der Anschlag natürlich gegolten haben, aber wer eine Abwesende mit solcher Dummheit angreift, muss wahrlich dreist sein...
Auch mir gegenüber ist das Gerücht höchstens ein Affront... wer auch immer es tat kennt meine Jagdmöglichkeiten wohl nicht gut genug und ich kann sie zur Not auch leicht belegen." Sie schüttelte den Kopf. "Aber ich hoffe, es wird mir dennoch nicht zu schlechtem Ruf gereichen." Livia seufzte.

"Weißt du..." Setzte sie dann langsam und vertraut wieder an.
"Wir sprachen ja schon oft von diversen Operationen. Und zwei davon sind kurz vor dem Abschluss. Eventuell bräuchte ich dabei sogar noch etwas Unterstützung... eventuell aber auch nicht." Sie grinste. "In jedem Fall teilte ich einen bereits verfügbaren Erfolg gerne mit deinem fast verehrten Blutsbruder Titus... Die Geißel weiß nun also um meine Bemühungen um die Sicherheit der Domäne.

Ich bin mir zwar noch nicht sicher, ob ich den großen Schritt wagen sollte...
Aber zumindest ein Amt wüsste ich gerne mit mir in Verbindung stehend, nachdem ich nun eine Dekade die Aufträge ihrer höchst verehrten Majestät aufs Eifrigste erfülle."

"Nur wie? Derzeit scheint man für alle Anfragen über den Kastellan gehen zu müssen... aber dieser. Ach... Naja, er wirkt fast zu anständig." Livia lächelte fragend.
"Und welches Amt... ist auch eine Frage...
Ich wäre sicherlich eine gute Liktorin. Aber will man in diesen Nächten Liktor sein?
Herold oder Elysiale könntest du wie ich sicherlich gut sein, geliebte Schwester, doch wie werden, ohne die bestehende zu brüskieren? Und welchen Nutzen hat es?
Was ist diesbetreffend denn mit dir... Könntest du es dir mittlerweile vorstellen? Du bist so lange hier und versuchst stets der Herde ihrer Majestät zu helfen, aber um ein Amt hast du dich nie beworben?"

"Harpye, könnte man einer noch denken... aber wüsste ich nicht, neben der schönen Sousanna zu glänzen und ich respektiere sie zu sehr... auch weiß ich nicht, wie sie reagieren würde, auf eine Amtskollegin." Wie sie bei Seinfreda reagieren würde, konnte sie sich hingegen denken.

Livia ließ Seinfreda viel Zeit zu antworten.

"Was den wohlwerten Kastellan angeht... diese Geschichte mit der Senatswahl war für mich wirklich nicht leicht anzusehen. Hast du ihn gewinnen lassen?
Ich hätte so gerne eingegriffen... die Mittel welche alleine ich von dir in Domus kenne sind umfassend! Kirche, Garde, Senat, Geld, Volk, Tavernen, Huren..." Sie schüttelte den Kopf. "Es war als würden es deine Männer nicht einmal probieren. Als hättest du sie nicht angewiesen, sondern einfach ein wenig spielen lassen?"
Sie hob die Braue. "Drum wollt ich mich auch nicht einmischen, womöglich ja eine Absprache?
Aber sonst... hätte ich dir in deiner Abwesenheit diesen Platz mit deinen Mitteln mit Leichtigkeit besorgen können.
Glaube ich zumindest.
Man weiß ja nie, bei den Magistern..."

Livia überlegte eine Weile, blickte Seinfreda an, sie hatte wohl eine Idee. Das Lächeln zeigte Schwesternschaft, enges Vertrauen, das Band des Vertrauens, des Blutes, der Zuneigung, es war wach und warm.
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La Vedova
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda lauschte Livia interessiert und warf Ihren Ausführungen immer wieder einige Nachfragen dazwischen.

Dass Livia rogers freudige Nachrichten vor allen anderen nannte quittierte sie mit einem amüsierten Lächeln „dass mir dies entgangen ist, tut mir leid. Ich werde dem braven Ritter ein Glückwunschschreiben zukommen lassen und ein Geschenk natürlich, wie es sich gehört ...“, etwas fahrig blickte sie sich in ihrem Zimmer um, als suche die etwas passendes in ihrem Chaos. Ihr Blick glitt über verschiedene Gegenstände, dann schüttelte sie jedoch dem Kopf „ich werde mir wohl noch etwas einfallen lassen müssen...“ im nächsten Moment schön dieser Gedanke schon wieder vergessen, als livia Georg ansprach. „Mein Sohn will sich keine Frau nehmen“, sagte sie mit Bedauern in der Stimme „das einzige weibliche Wesen, für das er sich jemals interessierte war die kindliche Angelique...er sah in ihr soetwas wie ein Abbild der heiligen Agnes....“ sie zuckte mit den Schultern „ natürlich hatte ich mich vor einigen Jahren schon einmal um eine Vermählung bemüht, aber damals machte mir jemand gehörig einen Strich durch die Rechnung, Georg und ich wären damals fast vernichtet worden. Seitdem habe ich kein Interesse mehr an solchen Dingen. Georg schien erleichtert, sich auf seine Aufgaben konzentrieren zu können- warum sollte ich ihn in seiner heiligen Pflicht stören?“ sie sah ein wenig missbilligend aus, als Livia so von der Auswechselbarkeit der Braut sprach, ging jedoch nicht darauf ein. „Natürlich wäre ein Bischofsamt meinen Sohn angemessen, er ist so ein begabter Prediger... aber es würde ihn auch einer Gefahr aussetzen und damit mich. Neid und Missgunst gehen hier mit einer solchen Ehre Hand in Hand...Livia, ich bin diese Ränke schon müde, bevor ich so richtig mit ihnen begonnen habe. Deshalb Habe ich auch den Sitz im Senat nicht weiter verfolgt. Ich will nicht um Ämter schachern wie ein Jude. Ich bin eine Frau Gottes und will der Domäne und der Herde eine gute Hirtin sein- egal in welchem Amt- doch nicht zu jedem Preis. Schon die ersten Schritte brachten mich in einen Gewissenskonflikt, den ich nicht mit meinen Grundsätzen vereinbaren möchte. Ich überlasse die Eitelkeiten wie Titel und Nennungen lieber anderen und kümmere mich um die Dinge, die wirklich wichtig sind...“

Sie betrachtete Livia Liebevoll als diese Laut zu einem Amt für sich überlegte. „siehst du dich wirklich als Harpye? Schwester, ich glaube, dass die aktuelle Amtsträgern dem Abbild des garstigen Vogels viel besser entspricht als du. Such dir lieber eine anständige Aufgabe, die sich geziemt. Orientiere dich besser an der Harpyen Schwester, die über den Regenbogen wacht..“
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Livia
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von Livia »

Livia grinste gewinnend, als die schöne Todesbotin ihr einen Moment der Unmenschlichkeit vorwarf. "Keine lebende Braut, meine geehrte Schwester...
Er könnte, so du es willst, von meiner menschlichen Persona erwählt werden...
Denn wie du stamme auch ich aus gutem Hause und bin noch so jung..." Sie schüttelte grinsend den Kopf. "Ein oder zwei Waisenkinder könnte man aufnehmen... weder er noch meine Persona müssten sich dann um lästige menschliche Dinge wie Fortpflanzung und Tarnung kümmern." Sie lächelte gewinnend. Sie hatte Georg immer einen sympathischen jungen Mann gefunden - wenig Weiteres, aber genau darum würde es ja gehen - wenig Weiteres.
"Und wenn er eines Nachts doch ein besseres Angebot bekommt oder doch noch eine Frau findet..." Sie hob die Schultern. "Irgendwann endet jedes Menschenleben, auch das fiktive." Und grinste.

Als Seinfredas Erzählungen über ihren Sohn jedoch in Richtung eigener Trauer wechselten, sah Livia sie eine Weil an. Mit Zuneigung und Schmerz im Blick. Auch hier spürte sie Wahrheit - weit mehr als nur Blut.
"Oh geehrte Schwester...
Du sprichst voller Trauer und Gram? Schmerzt dich der Gedanke?
Sorge dich nicht um mich... ich denke nur laut, weil ich es in deiner Nähe kann und es liebe. Doch will ich dein Herz nicht belasten!
Ist es auch die Welt der Sterblichen, der du dich fern fühlst, oder sind es nur die Ränke der Kainskinder?
Ich sehe so viele Blutsdiener, Einflüsse und Bauten von dir - aber wenig, wohin du sie lenkst? Oder willst du sie wenig lenken, sondern nur hüten, deine Aufgabe von alter Zeit erfüllen... jene, mit den Kranken, wie du es in Quinto al Mare versucht hast?" Lange versuchte die Merkurianerin die Gedanken und Wege der Todesbotin zu durchblicken.

"Aber du liebst sie auch irgendwie... wie es meiner Via entspräche." Ihre Braue hob sich.
"Seinfreda... darf ich dich fragen... was ist dein Ziel, dein Wunsch... hier in Genua? In deiner Existenz schlechthin."
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La Vedova
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von La Vedova »

Wie versteinert hörte die Witwe dabei zu, wie Livia um die Hand ihres Sohnes anhielt. Kein Blinzeln verriet ihre Gedanken zu diesem seltsamen...Angebot?
Stille erfüllte den Raum, denn Seinfreda antwortete nicht auf Livias freundliches Geplapper, bis diese schließlich ihren Wasserfall an Fragen mit der einen Frage beendete, die die Nonne aus ihrer Starre auffahren ließ.

"Du erdreistest dich?"
Mit langsamen, bedächtigen Schritten kam sie Livia näher. In dieser bedachten Langsamkeit lag etwas viel Bedrohlicheres als wäre sie auf die Händlerin zugesprungen. Schließlich kam sie nur wenige Hand breit vor der Merkurianerin zum Stehen, starrte ihr in die Augen.
"Zu mir zu kommen und solche anmaßenden Fragen zu stellen?"
Die graue Iris um die tiefschwarzen, geweiteten Pupillen der Kappadozianerin zog sich zuckend zusammen, während das restliche Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske geworden war.
"Habe ich dich nicht immer gut behandelt, Livia? War dir eine verlässliche Verbündete? Habe dich an meinen Erfolgen teilhaben lassen? Ich streckte beide Hände aus, um dich hier in Genua willkommen zu heißen...Doch, sprich nun, was willst du mit meienem Sohn! Was hast du mir ihm vor? Keiner wird Georg von mir trennen, hast du das verstanden? Solltest du es versuchen, solltest du ihm auch nur ein Haar krümmen, wirst du Asche sein, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen auch nur die Gelegenheit haben werden, selbiges zu verursachen!"

Ehrlicher Zorrn hatte die mütterliche Gestalt in Wallung gebracht. Nur schwer gelang es Seinfreda, klare Gedanken zu fassen. Georg war alles, was ihr geblieben war, alles andere war längst zu Staub zerfallen. Keiner erinnerte sich mehr an sie, keiner war mehr übrig. Und hatte sie, hatte Georg nicht schon genug ertragen müssen? Nein, keiner würde ihr den geliebten Sohn nehmen! Nur über ihre eigene kalte Asche!
Keiner würde ihn ihr entfremden, keiner ihn nehmen! Weder zum Manne noch fort von ihr!
Ihr Zorn entfachte weitere Wut über sich selbst, die dieser Schwäche erlag, genau wie Benedetto vorhergesagt hatte, der elendige Besserwisser! Was wusste er schon von Liebe, von wahrer wahnhafter Liebe? Nichts, wusste er!

Wutschnaubend stieß die Kappadozianerin eine Schüssel voller Asche vom Tisch, um ihre Wut nicht gegen Livia zu lenken. Die tönerne Schale zerbarst am Boden, während die aufstäubende Asche sich im gesamten Raum verteilte, kurz die Sicht erschwerte und dann auf allen Möbeln und Gegenständen niederließ wie deine seidene Schicht von grauem Schnee. Er rieselte vom Tisch, setzte sich auf die schwarze Robe der Nonne und auf ihr rotes Haar. Alles wurde grau und fahl wie ihr Gesicht...
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Livia
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von Livia »

Livia wich verängstigt und überrascht einen halben Schritt nach hinten, als die Kappadozianerin ihre kalte Wut zeigte. Sie zuckte zusammen, beugte sich etwas - wie um ihren Blicken auszuweichen. Behielt sie jedoch im Auge, nicht, dass das Tier überhand nehmen würde. Irgendwie wirklich verängstigt.

Livia sprach nicht, sie unterbrach die Furie nicht, wagte es nicht.
Klirrend regnete die Asche vergangenes Lebens über beide Kainitinnen, tauchte ihrer beider rotes Haar in Grau - machte sie beide alt und... eins.

"Ich..." Zögerlich antwortete Livia.
"Nein, Seinfreda. Ich will nichts von deinem Sohne und nichts zwischen euch sein! Niemand würde diese Stelle je erwünschen - sie wäre das sichere Ende!"
Livia nickte respekt- und furchtvoll.

"Du warst immer großzügig, wie eine Schwester, wie eine Mutter. Ich wollte dich nicht verärgern, verzeih!
Ich wollte dir etwas deiner Last und dunklen Gedanken nehmen.
Ein schönes Fest.
Ein wenig Ruhe, eine Angriffsfläche weniger an deinem Sohne.
Ein weiterer Bund zwischen uns..."
Den halben Schritt kam sie vorsichtig wieder näher an Seinfreda.

"Ich meinte nicht viel mehr, als eine schöne Vorstellung.
Dein Sohn wird sich als italienischer Adel bezeichnen können, meine Persona wird fränkisch-normannische Verbindung erreichen.
Wir beide können ausgewählte Kinder, jene die klug und kutig oder uns gefällig sind als ihre Kinder ausgeben.
Dafür würde niemand näher an deinen Sohn heran.
Du könntest dir ein Menschenkind suchen und es zu deinem Enkelkinde im Geiste und mit deinem Blut zu deinem Kind im Blute machen..." Erklärte sie emotional.
Dieser Vorschlag... er hatte mehr als nur eine politische Komponente für die Merkurianerin. Auch in ihr war der Schmerz der gefallenen Frauen zu spüren.

Livias Augen hatten sich etwas beruhigt und fixierte Seinfreda vorsichtig. Eine Hoffnung lag darin. Auch eine Sucht. Nach ihrer Anerkennung, ihrem Schutz, ihrer Nähe... geradezu wie eine vorlaute Tochter blickte sie zu ihrer Mutter, erwartend, ob sie gescholten, gar geschunden, werden würde - oder jene ihre Mühen mit einem Schmunzeln anerkennen könnte.
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La Vedova
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von La Vedova »

Noch immer zornig funkelte Seinfreda Livia an, zog die Lippen zurück und entblößte ihre spitzen Reißzähne, ein völlig ungewohnter Anblick für die Merkurianerin. Ein bedrohliches Knurren drang aus ihrer Kehle, als sie der zurückweichenden Livia folgte.
"Ja, das wäre es...", zischte sie "Das sichere Ende, da kannst du dir sicher sein..."
Unwirsch betrachtete sie ihr Gegenüber mit zusammengekniffenen Augen. Sprach die Setitin die Wahrheit? War ihre Angst echt, war der Respekt gespielt? Was führte die Schlangentochter nun schon wieder im Schilde?
"Keiner wird mir Georg entfremden,keiner!", rief sie Livia entgegen, obwohl diese nur wenige Schritte von ihr entfernt stand. "Keiner wird...", sie verstummte als sie reine Vorstellung an den Verlust ihres Sohnes ihr das Weitersprechen unmöglich machte. Sie gab damit Livia die Gelegenheit, zu reagieren.

Langsam legte sich die Asche und auch Seinfredas Wut, als sich Livia so mit Worten vor ihr wand. "Keiner kann mir die dunklen Gedanken nehmen, wozu auch?", erwiderte sie bissig, ohne zugeben zu wollen, dass Livias Worte verlockend klangen. Ein Fest, wie albern! Die frohen Tage waren längst vergangen! Es gab nichts zu feiern, nichts zu betrauern, bloß zu akzeptieren...Seinfreda fuhr ihre Fänge wieder ein, presste die Lippen verbittert zusammen. Die Merkurianerin war völlig realitätsfremd! Sie würde die Härte der Welt schon noch zu spüren bekommen...und würde sie dann noch immer von freudigen Feiern sprechen? Wohl kaum...

Da wagte Livia es, sich ihr wieder vorsichtig anzunähren. Sie sprach von Kindern und Enkelkindern... Zornig zog Seinfreda ihre Brauen zusammen "Du willst keine Kinder, keine Enkelkinder!", brauste sie wieder auf "Wie töricht kannst du eigentlich sein, Livia?! Es würde bloß Schmerz bereiten, nichts hättest du davon, außer Schwäche und Schmerz! Hör auf, von Kindern zu sprechen! Keine Kinder, keine Enkel, diese Dinge sind uns verwehrt, versteh es endlich! Unser Schicksal ist es, keine Nachkommen aufwachsen zu sehen. Alles was uns umgibt, wird vergehen und nur wir bleiben zurück- einsam. Versteh es endlich! Willst du Kinder, nur um sie sterben zu sehen? Erspare dir diese Misere! Und erspare mir diese törichten Worte der Hoffnung! Erspare mir diese...", sie stockte kurz und wirkte zerrissen "Erspare es mir!"
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Livia
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Re: [1013] Die Hymne der gefallenen Frauen (Seinfreda)

Beitrag von Livia »

Livia war sichtlich beruhigt, als Seinfreda ihre Fänge einfuhr - als sie diese verbal jedoch wieder aufbrausen ließ schauderte sie... Sie wich nicht erneut zurück, kam aber auch nicht näher.

Doch dann wandelte sich ihr Blick - merklich - Angst wich nicht hinaus, doch Sorge, nein Mitgefühl, trat herein.
Die Menschliche erkannte den Kampf der Kainitin vor ihr, der Schwester und Mutter...
Livia wartete. Ließ Seinfredas Worten Raum und Klangesmacht.

Gerne hätte sie sie in den Arm genommen. Doch sie wagte es nicht.
Gerne hätte sie sie getröstet. Doch sie wusste nicht wie.

"Deine Wut ist deine Liebe. Niemand kann dir das, kann sie dir nehmen. Es ist das Menschlichste und Stärkste und Wahrhafteste, was ich je in Genua sah...

Du liebst ihn, keiner kann es auch nur bezweifeln. Diese Liebe wiegt sicherlich mehr, als jeder Schmerz und jede Schwierigkeit, die dir diese Liebe bereiten könnte. Sie zeigt dir, dass du ein Wesen mit Seele bist...
Ich bin keine Seherin, Mutter. Doch selbst ich spüre deinen Schmerz und deine Angst...

Aber sei unbesorgt und ohne Angst... niemand wird dir deinen Sohn entreißen können...
Ich liebe dich wie eine Mutter und ich werde dir helfen ihn zu schützen!
Das zu schützen was wir lieben..." Versprach sie ihr gerührt und innig.

"In dir ist die Liebe einer Löwin zu spüren." Sprach sie final, tief gerührt.
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