[1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

[November '18]
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Simon
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Simon »

Er ließ sich fangen.

Er ließ alles zu, ließ sie in sein Herz, soweit er es vermochte, und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Seine Augen wirkten noch dunkler, als die Tropfen sich dort bildeten und die Wangen herunter rannen.

"Cara ...", flüsterte er und legte alle Gefühle, deren Echo er noch versrpürte, in dieses eine Wort.
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Sousanna
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Sacht hielt sie ihm. Streichelte weiter sein Haar und wartete ab.
Dann begann sie zu singen, ein leises Kinderlied, das seit Jahrzehnten selbst in der Goldenen nicht mehr gesungen wurde. Sousanna war nun wirklich keine geborene Sängerin, doch es besaß die beruhigende Kraft des Gesanges einer Mutter.

Eine Weile noch ließ sie ihm die Ruhe, die er brauchte. Dann aber lächelte sie ihn an und das Lächeln erinnerte an eine jener schalkhaften Elfen. "Nun lass uns versuchen, das Leid in Freude zu ertränken. Welche Sünde darf ich dir anbieten?"
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
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Simon
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Simon »

Er genoss ihre Berührungen, lauschte dem Lied, schien darin tatsächlich Trost zu finden.

Als das Lächeln auch in sein Gesicht zurückfand, war es das gleiche, wie sie es bei ihrer ersten Begegnung gesehen hatte: offen, aber ebenso schalkhaft wie das eines Gauklers.

Ohne ein Wort legte er wieder eine Hand auf ihre Wange und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. "Ich glaube", sagte er und wechselte in das melodische Griechisch der antiken Dichter, "ich würde liebend gerne wieder alle Vorzüge genießen, die du zu bieten hast, meine Sofia."

Diesmal stimmte er ein leises Lied an, das vom Verlangen sprach, von ewiger Hingabe und nichts als Freude und Lust, und er wusste, es war nur für ihre Ohren bestimmt.
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Sousanna
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Ein Grinsen wie von einer Sphinx spielte über die Züge der Ravnos. "Alle Vorzüge sollst du haben.", schmunzelte sie.
Dann erhob sich die Königin der Sünde ihn, den Spielmann, mit all ihren Künsten vergessen zu lassen - und ihn vor allem mit sachten Fäden näher an sich zu ziehen. Ihm die Welt der Sünden, in der man alles vergessen und alles möglich machen konnte, als jenes Traumland zu zeigen, dass es war.
Wie es der Teufel mit dem Herrn getan hatte, führte Sousanna ihn in Versuchung. Immer und immer wieder. Auf dass er den Verstand und alle trüben Gedanken verliere.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
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Simon
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Simon »

Was an Verstand und Gedanken blieb, versank in den Armen der Schönen, ertrank im Moment der Lust und des Vergnügen und verging in der Glut eines kalten Herzens.

Es gab keine Fragen mehr. Nichts zu erzählen: Was einst Geschichte war, war nicht einmal mehr eine blasse Erinnerung. Was einst Absicht war, war nur noch Instinkt.

Er umarmte Sousanne, seine Sofia, nahm und gab und liebte und vergaß ...

Wie nur hätte es jemals anders sein können?
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Sousanna
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Sie blieb bei ihm und schien ganz sacht die richtigen Stränge zu ziehen. Verführte ihn zu Wollust. Zur Freude an seinem eigenen Tod und zu seiner Majestät. - Und wenn er ihr nicht Einhalt gebot, so würden sie immer tiefer hinab sinken in die düsteren Freuden der Sünden.
In jenes Tal, in dem sie herrschte und Erlösung bringen konnte.
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Simon
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Simon »

So sehr er sich auch fallenließ, wie sehr er hinabglitt in jenes Tal, blieb ein Gedanke wie ein Lichtschein in seinem Kopf und glitt - während Haut auf kalter Haut lag - immer wieder durch seine Augen. Er war nicht sicher, welcher Teil in ihm das war, aber etwas sträubte sich plötzlich gegen die Erhabenheit.

Die Lust genoss er, wie jedes andere Mal auch, doch mit dem Auftauchen jenes Gedankens, jenes merkwürdigen Funkens, verspürte er plötzlich nicht den Drang nach Leere und Vergessen. Wollte sich erinnern, wollte sich wieder zu einem Ganzen zusammenfügen.

Hätte dieser Wunsch eine Gestalt besessen, so sähe er aus wie ...

"Nein ...", flüsterte er in die Stille hinein und öffnete die Augen.
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Sousanna
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Überrascht und beinahe empört sah die Herrin der Sünde ihn an.
Verwirrung lag im Blick der unschuldigen Rehaugen. Sie schien nicht im Geringsten zu wissen, was sie nun falsch gemacht hatte.
"Aber", flüsterte sie und die Augen wurden noch etwas größer. "Was ist denn?"
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Simon
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Simon »

Hätte Simon atmen können, sein gesamter Körper hätte gebebt. Er betrachtete die Rehaugen seiner Sofia, suchte in den Tiefen von Sousannas Blicken nach sich selbst oder einem anderen Abbild, das längst vergessen schien. Kälte und Schmerz lagen in seinen Augen, als hätte sein Innerstes plötzlich etwas aus einem tiefen Grab geholt, und er erbebte tatsächlich unter jenem Gedanken.

"Set still mein Herz", sagte er leise, doch ob nun zu seiner Geliebten oder ihm selbst, war nicht zu erkennen. Er legte die Hand aber auf ihre Wange. Sie fühlte sich heiß an unter seinen Fingern, doch zögerte er, noch etwas zu sagen, wohl aus Furcht, er würde das zarte Band zwischen ihnen zerrissen.

"Nur eine Erinnerung, nur ein Fehler von vielen", sagte er nach langer Zeit tonlos, schloss die Augen und ließ sich zurücksinken.
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Sousanna
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Re: [1013] "Hier sind wir ohne Titel..." [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Wie Federn strichen ihre Finger über seine Wangen, suchten ihm Wärme und Frieden zu spenden.
"Dann lass sie fahren.", flüsterte Sousanna dicht an seinen Ohren. "Die Erinnerung ist vorbei. Schon lange vergangen." Ein sachter Kuss traf seinen Wangenknochen. "Lass dich fallen."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
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