[1013] Düstere Kunde [Angelique,Ilario]

[November '18]
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Ilario
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[1013] Düstere Kunde [Angelique,Ilario]

Beitrag von Ilario »

Ein nicht mehr ganz junger Priester, um die dreißig Sommer und Winter hatte er wohl gesehen, klopfte an einem spätherbstlichen Nachmittag an die Pforte des neuen Turms am Hafen. Wer sich in den klerikalen Kreisen Genuas oder in Mascharana bewegte kannte ihn als Marco, Priester der Gemeinde von San Nazaret und wer sich erinnern mochte würde ihn erkennen als den Mann der eigenhändig die verwesenden Leichen von den Klippen geschafft hatte. Damals nach dem Krieg, als die miasmischen Ausdünstungen derer hinaufstiegen die von den Heiden dahingeschlachtet worden waren. Er klopfte und wollte den Herren Roger d’Arles sprechen, umgehend.
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Angelique
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Angelique »

Der Priester hatte einen beschwerlichen Weg die schroffen Felsen am Ende des Hafens hinauf hinter sich und stand nun vor einem Wunderwerk mordenster Wehrtechnik. Ein wahrer Meisterarchitekt hatte es geschaffen und alle Errungenschaften byzantinischer, arabischer und normannischer Turmbaukunst in ein Bollwerk verwandelt, dass funktional und erhaben zugleich wirkte. Der Turm stand optimal und Fenster und Schießscharten waren so verteilt, das praktisch keine toten Winkel existierten. Im normannischen Stil hatte man erst eine schmale Treppe zu überwinden, um die wuchtige, eisenbeschlage Tür zu erreichen. Absolut gefeit gegen Rammbockattacken.

Die Basis des Turms war leicht schräg in den Felsen gesetzt, um mehr Stabilität gegen Italiens häufige Erdbeben zu schaffen und zugleich auch hier Belagerungswaffen nicht heranzulassen. Es schien, als kenne der Architekt die alte Kunst der Römer und Griechen, Festungen zu ersinnen. Die vier monolithischen Seiten erhoben sich phallisch in die Höhe und die Zinnen deuteten an, dass man vielleicht dereinst ein weiteres Stockwerk dauraufsetzen konnte, so wuchtig war der Turm.
Nicht nur ein Wachturm, sondern auch ein Wohnturm, eines Adligen würdig. Und durch den Felsen - auch ein Zeichen der Begnadetheit des Architekten- seiner Zeit voraus hoch erhoben über alles in der darunter liegenden Stadt.

Als der Priester an die eisenbeschlagene Eichentür klopfte, öffnete man ihm sogleich. Gepanzerte Krieger standen Wache. Ihre großen Drachenschilde und die modernen Kettenhemden normannischer Machart genügten wohl, dieses Tor zu halten, selbst wenn es Feinden gelänge es, die Tür einzuschlagen. Der Bär mit der Armbrust prangte stolz auf den Schilden. Rogers Söldnerkompagnie.

Zudem stand ein gewaltiger schwarzer Hund mit wildem Feuer in den Augen neben den Männern Wache. Und schnüffelte argwöhnisch.

Kaum hatte der Priester seine Bitte geäußert, eilte auch schon Roger, der Hausherr, herbei. "Hier bin ich! Ihr verlangtet nach mir!"
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Ilario
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Ilario »

Als Mann des Geistes und der Kirche, selbst zur gehobenen Schicht gehörig, schüchterten ihn die martialischen Männer nicht ein. Allenfalls diese infernalisch wirkende Töle war dem gebürtigen Venezianer nicht geheuer. Denn Hausherrn selbst grüßte Marco mit einer kleinen Verneigung. Ein hoher Herr und wenn er seinen Herrn richtig verstanden hatte nicht nur ein einfacher Blutdiener. Zudem hieß es dieser Roger sei ein Held, habe die Waisen aus Sarazenenhand befreit. „Hoher Herr, ich bringe Kunde aus der Villa des Konsuls zu Mascharana.“ Er zögerte, schließlich wusste er nicht ob die Waffenknechte Eingeweihte waren. Vielleicht erinnerte sich Roger ja, dass es eben jener Konsul gewesen war der den Bau dieses Turmes im genuesischen Senat angeregt hatte. Kein Unbekannter also. Leicht angespannt fuhr Marco fort, der venezianische Akzent schien leicht durch. „Bitte richtet der ehrenwerten Signora Angelique aus, dass im Hause des Konsuls gastierende Magister gern mit ihr sprechen würde. Nach alter Sitte sei sie Gast in seinem Haus."
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Angelique
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Angelique »

Der blonde Hüne mit den grauen Strähnen im Bart nickte. "Das werde ich sogleich tun, Hochwürden", sagte er. Hinter sich rief er in den Turm hinein: "Macht dem geistlichen Herrn ein Mahl und holt Wein aus dem Kellergewölbe!"

"Seid auch Ihr mein Gast, Vater... Marco, richtig?", fragte er, wieder an den Priester gewandt. "Erholt Euch vom anstrengenden Aufstieg. Soll die Dame Euch zurückbegleiten oder wünscht der Magister einen anderen Termin?"
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Ilario
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Ilario »

„Habt Dank, gern bin ich euer Gast.“ Bis zum Einbruch der Dunkelheit blieb sicher noch genug Zeit für ein Mahl in des Herrn Rogers Turm. „Es bleibt selbstverständlich der Dame überlassen ob sie mich begleiten möchte oder zu anderer Zeit den Magister aufsucht. Er wird das Haus vorerst nicht verlassen, zumindest einige Wochen noch.“ Marco wirkte besorgt, ganz so wie es wohl einem jeden Gebundenen ginge dessen Herr ihn einigermaßen gut behandelte.
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Angelique
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Angelique »

Roger nickte, während er sich selbst auf den Stuhl mit hoher Lehne am anderen Ende des wuchtigen Tisches setzte. Trotz der Lage des zugigen Gemäuers am Rand der See war es hier durch den geschickt im Turm platzierten Kamin angenehm warm. Ein sommersprossiges junges Mädchen brachte alsbald eine gedrechselte Holzschüssel mit dampfender Suppe und einen Krug Wein. Der riesige Hund -vampirisches Blut machte Hunde zu solchen Monstren, sagte man - legte sich neben den Stuhl Rogers. Ein Mann mit schußbereiter Armbrust und dem Tellerhelm eines Sergeanten stand wachsam neben ihm.

"Wir warten, schlage ich vor, bis der Abend hereinbricht. Dann begleitet die Dame Euch zum Magister. Spielt Ihr Schach?"
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Ilario »

Bescheiden lächelte der Priester und antwortete dem Krieger: „Das Spiel der Könige, ja ich spiele es ein wenig. Mein Herr hat mich darin unterwiesen, doch wirklich gut bin ich nicht darin.“ Wieder lächelte Marco sacht. „Doch ich will mich gern darin üben.“

Mit leichter Sorge wanderte sein Blick zu der Bestie von Hund, dann hinüber zu dem wachsamen Armbrustschützen. „Steht euch Ärger ins Haus, erwartet ihr Feindseligkeiten? Ich dachte diese Fehde mit dem Senat wäre im Guten beigelegt?“ Marco war zwar nicht mehr so naiv wie zum Zeitpunkt da er Venedig verlassen hatte, doch noch immer sah mehr das Gute im Menschen als das Schlechte. Ilario hatte ihm das scheinbar nicht nehmen wollen.
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Angelique »

Roger lachte fröhlich. "Ich bin Miles, war es immer. Ich konnte kaum laufen, da lernte ich, ein Schwert zu führen und warum. Ihr als zweiter Stand und die Massen der Arbeiter und Bauern als dritter müssen doch von jemanden beschützt werden, nicht wahr? Da wäre es doch falsch, nicht immer wachsam zu sein."

Er schwenkte den Wein in seinem Pokal nachdenklich. "Zudem ist der gesichtslose Hurensohn noch immer da draußen, der mir den Mord angedichtet hat. Wenn er keiner der sogenannten Perfecti dieser Stadt ist, fress ich einen Besen. Und die haben bekanntlich immer Zeit für neue Ränke. Ich habe jetzt Familie und muß diese beschützen. Daher auch der Turm."

Er überlegte kurz. "Na,ja, der Turm gefällt vor allem ihr. Sie liebt Türme wie eine kleine Fledermaus, sagt manchmal etwas von großen Türmen wie in Babel auf denen sich Perfecti einst wohlgefühlt haben, weil sie dem Himmel da nahe waren und über den Massen wohnen konnten, oder so ähnlich."
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Ilario »

„Eine Familie… möge Gott seine schützende Hand über sie halten.“ Dieser Miles und langgediente Diener Angeliques hatte eine Familie, das schien Marco bemerkenswert. Die Erste Klinge Ilarios konnte er sich überhaupt nicht als treusorgenden Ehemann oder gar Vater vorstellen. „Dieser Turm ist eine starke Feste, wenn ihr einmal San Nazareth besuchen solltet, so würde ich euch um eure Meinung bitten wie man die Kirche wehrhafter machen könnte. Ich will, dass sie der Gemeinde Schutz bietet sollten die sarazenischen Plünderer erneut über Genua kommen.“Oder andere.

Sie würden noch ein wenig plaudern, von Gottesmann zu Miles, und warten. Warten auf die Nacht, warten auf Angelique.
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Re: [1013]Düstere Kunde[Angelique,Ilario]

Beitrag von Angelique »

Roger gab dem Kirchenmann noch ein, zwei Tipps, erzählte von den Wehrkirchen und Festungsklöstern im Spanischen und der Provence, berichtete von fernen Inseln im Norden, deren Küsten auch heute noch von Wikingern bestürmt wurden und wo die Mönche hohe Steintürme bauten, in denen die Leute Zuflucht fanden, denn die Piraten verstanden sich nicht auf das Belagern.
Er erzählte von den Bollwerkkirchen Byzanz, die im Süden noch standen und von den Stiftskirchen, die wie Festungen in den Reichen der Slawen und Ungarn sich erhoben, uneinnehmbar in einem Meer von Heiden und diese beherrschten. Von vielen dieser Kriege erzählte er, als sei er dabei gewesen, selbst wenn sie Jahrzehnte zurücklagen, manche fast ein Jahrhundert.

Und so kam die Nacht. Die Lichter wurden entfacht und der Kamin flackerte fröhlich.

"Schiavo, Hochwürden", erklang das Stimmchen von Angelique aus den Schatten und das untote Mädchen trat ins Licht. "Ihr wollt, dass ich zum einen und einzigen Magister Genuas kommen soll? Dann lasst uns gehen."
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