[1014] Küsse, Bünde, Blut (Roger, Livia)

[Livia]

Livia grinste. Dann schüttelte sie ihr Haupt.
"Einer meiner Miles.
Ein wahrer Prachtkerl.
Er ist... elegant. Das mögen viele junge Frauen.
Nicht so harsch und hart wie das restliche Kriegsvolk hier."
Prüfend lag ihr Blick auf Angelique.

"Aber auch Roger hat da seine Wirkung entfalten können, er mag aussehen wie ein Bär - aber er ist eloquent und kennt die Gebräuche wie ein Fuchs."
Fast huschte ein Hauch der Eifersucht oder zumindest Sehnsucht durch ihr Gesicht.

"Was glaubst du, ist er glücklich... mit unserer Entscheidung?"
Fast klang sie mütterlich - irgendwie waren sie doch Wesen anderer Welten und doch tat Livia genau das, was auch die Sterblichen taten... gut, das was alte, männliche und machtvolle Sterbliche taten... aber dennoch.

[Angelique]

"Er ist glücklich mit jeder meiner Entscheidungen und er wird ein guter Ehemann sein. Wenn sie mit dem Miles durch die Betten hüpft, wäre ihm das recht. Er hüpft ja auch mit mir. Er ist der Meinung eines jeden Edelmannes, eine Ehe diene der Linie und der Familie. Wenn es mit Sympathie oder gar Liebe einhergeht, um so besser. Aber eine Frau sollte soviele Galane haben, wie sie mag. Die Männer halten es ja genauso. Nur dezent sollte es sein und keinem die Ehre verletzen."

Sie kicherte. "Ich würde gerne Mäuschen bei ihnen sein, wenn sie einander erkennen. Leider weiß ich nicht, wieviel sie weiß. Ist Judith dein Blutvasall?"

[Livia]

Livia grinste breit. "Als ob dich irgendwer davon abhalten könnte.
Sie sind sicherlich furchterregend süß."

Angeliques Frage schüttelte sie grinsend ab. "Gebunden ist sie selbstverständlich, aber eingeweiht nicht... sie ist unberührt wie eine weiße Blüte."
Feierlich formte sie einen Kelch mit den zarten Fingern in die Luft.

"Sie wird ihn sicher sehr glücklich machen..." Das Lächeln hatte etwas melancholisches in sich.

[Angelique]

"Nur ich kann ihn wirklich glücklich machen", seufzte Angelique ebenso melancholisch.

Sie grinste. "Laß uns der Hochzeitsnacht beiwohnen. Dann können wir auch eingreifen, sollte einer oder gar beide von der Leidenschaft des Blutes übermannt werden und den Fluch von Kains Zorn auslösen."

Listig wie ein Füchslein sah sie Livia an. "Und ich weiß, wie gern du Zeuge des Erkennens bist."

[Livia]

Erneut bekam sie ein verschämt lüsternes Grinsen zur Antwort.

"Was meinst du diesbetreffend zu wissen?" Fragte sie dann mit einem herausfordernden Schmunzeln.

Dann würde sie mit dem Pagen zurück auf die Feier gehen, ehe wahre Gerüchte aufkommen würden! Noch ein wenig Feiern und Freude, ehe das Brautpaar in Richtung des Zimmers getragen würde... und zwei unsichtbare Geister bei ihnen in ihrer Hochzeitskammer zurückbleiben würden...

[Angelique]

Bei der eigentlichen Trauungszeremonie, die selbst wenn diesenicht in er Kirche stattfand - so war es in diesen Zeiten üblich - sondern der Eingangspforte, konnten die beiden Vamirinnen selbstverständlich teilhaben. Diese fand im Lichte des Tages statt. Erst gegen Abend des eigentlichen Hochzeitstages kamen auch die untoten Trauzeugen hinzu, ergötzten sich an der Feier und dem Frohsinn der Sterblichen und schließlich traten auch sie mit dem Priester und den Rechtsvertreter über die Schwelle des Turms, den Roger hatte errichten lassen, um am Ehebett dem Vollzug der beiden Augenzeuge zu sein. Peinlich achtete die unsichtbare Angelique darauf nicht vom Weihwasser, das die nackten Leiber benetzte getroffen zu werden.

[Livia]

Völlig gerührt stand auch die vorsichtige Livia an ihrer Seite. Sanft hielt sie die Hand und belielt damit auch im Schatten ihrer schrecklichen Gaben den Kontakt.

Sie beobachteten die zögerliche Judith und den erfahrenen Roger voller Spannung.

Wie ein Reh sah das verschüchterte Menschenkind den großen Ritter an. Er hatte so viel gesprochen, Reden gehalten, Witze gerissen, Ankündigungen gemacht... Ihr im privaten oder ihrem Vater im Jovialen zugeraunt.
Aber all die gute Laune und Leichtigkeit hatte sie nicht auf diesen Augenblick vorbereitet...

[Angelique]

Roger war sanft und behutsam, übereilte nichts und hatte die Erfahrung eines Jahrhunderts, sowie eine wirklich, wirklich anstrengende Unlebensgefährtin.

Er wusste, dass sein Engel seine schwarzen Schwingen über ihm halten würde und seinen besonderen Segen spürte er im Blut kochen.
Die Leidenschaft des Blutes würde auch in dem Mädchen Judith sein. Es würde sein, als erkenne seine Marie die edle Livia. Auch ihr musste er Ehre erweisen in seinem Tun. Und so tat er zuvorderst einen Minnedienst zarter Liebkosungen, viele davon erst, als die Zeugen bis auf die unsichtbaren Engel fort waren. Denn es waren Dienste, die der Fortpflanzung nicht dienlich waren.

Dann ließ er Judith Tempo und Weg bestimmen, während Liebesschwüre und Komplimente sie überhäuften.

War auch sie, wie er vermutete, ein Blutvasall, würde die Natur oder Unnatur der Leidenschaft ihr Recht fordern. Erst dann würde er seine Unermüdlichkeit unter Beweis stellen und am Morgen würde das blutbefleckte Laken als Fahne die Zinnen zieren, wie es Brauch war.

[Livia]

Die zarte Judith schien nicht in gleichem Maße korrumpiert zu sein. Zwar war sie auch mit Livia im Bund des Blutes vereint, doch blieb sie die schöne zarte und gebrechliche Menschenfrau - fast das Mädchen - welches sie zuvor auch war. Rogers wilde ungestüme Kraft brachte sie rasch an die Grenzen ihres Leibes - doch beheizt von der dunklen Macht Angeliques erreichte sie diese Grenzen, als habe die sündige Sousanna selbst ihre Hände über ihr.
Unbedarft und ungezügelt lies sie ihren geringen Kräften und Gefühlen freien Lauf, bis sie dem unmenschlichen Miles wehrlos und atemlos vor den Knien lag... Wohl hätten Manche um Gnade gebeten, doch der Wahnsinn der Lust hielt ihren Geist aufrecht - dort, wo ihr Körper zu versagen drohte.

Livia beobachtete die Szene... angeregt... ängstlich um ihr Geschöpf... aber auch irritiert angeregt.
Eine Erfahrung sehend, die ihr verwehrt geblieben war - all diesen Abend - sie hatten ihn miterlebt... er war auch ihre Hochzeitsnacht.

[Angelique]

Angelique lächelte leise. Die Emotionen der Menschen zu kennen und zu beherrschen, war ihre Stärke. Und die Macht, die ihr das gab, war euphorisierend.
Hier war sie die Erwachsene und alle anderen die unmünigen Kinder, beherrscht von ihren Trieben.
Ein Impuls von ihr gab Roger Ruhe und Judith ekstatische Erfüllung.

Das ewige Kind orchestrierte hier im Kleinen, was sie auch im Großen konnte. Selten war sie so zufrieden. So als sei in Wahrheit sie der Galan, der gerade zwei Frauen zugleich erobert hatte.