[1015] Die Audienz des Magisters [Gasparo, SL]

[Januar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Gasparo
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[1015] Die Audienz des Magisters [Gasparo, SL]

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Der Tag im August war lang und die Bewohner Genuas gingen ihren Geschäften nach, faul oder eifrig, rechtschaffend oder gesetzlos. Es war ein sonniger Tag, den die Menschen auf Ihre Art genossen … die sterblichen Bewohner. Erst, nachdem die Sonne im Westen ihren Lauf beendete und die letzten Strahlen natürlichen Lichts verschwanden, begann eine andere Art von Einwohnern sich zu regen.

In einem Gewölbe im Bischofskastell schlug Gasparo di Como die Augen auf. Wie zu Beginn jeder Nacht fiel es ihm schwer, sich aus der Umarmung des Tages zu befreien. Seine Glieder schienen bleiern und der geschärfte Geist, auf den er so stolz war, regte sich nur langsam. Es wartete eine wichtige Aufgabe auf ihn, ja, eine Vorlesung? Nein, ein Treffen. Eine Audienz, auf die er monatelang gewartet hatte.

Der Ventrue setzte sich auf. Es war eine besondere Nacht. Er würde seine Ahnen nicht enttäuschen.

Als er die schwere Türe öffnete warteten Sixtus und drei andere Diener bereits auf der anderen Seite. Sie verbeugten sich tief. Gasparo fragte sich nicht, wie lange die Sterblichen schon dort verharrt hatten. Sie erfüllten Ihre Aufgaben, wie er es verlangte. Einer der Diener trug seine besten Kleidungsstücke herein, die bereits in der Woche zuvor ausgewählt wurden. Die Dienerin begann, seine Haare zu kämmen während ihr Mann den Ventrue und seine Kleidung vorsichtig mit etwas Lavendelwasser besprenkelte.

Währenddessen unterrichtete Sixtus ihm die Geschehnisse des Tages. Es waren Details und Tratsch aus der Priesterschule. Während sich Gasparo darauf konzentrierte, dass sein Amulett perfekt zentriert auf seiner Brust ruhte, machte er eine gedankliche Notiz, den jungen Bernardo für seinen derben Scherz über das Verhältnis von Julius Caesar und Marcus Antonius zu züchtigen und Fulvio einer erneuten Prüfung im Deklinieren zu unterziehen. Dies würde aber bis zum nächsten Tag warten müssen.

Bevor Sie das Kastell verließen stillte der Magister seinen Durst an dem dritten Diener. Das Tier in ihm jaulte auf vor Freude und kurz stellte er sich vor, wie es wäre, sich der Prinzessin heute nicht zu stellen und stattdessen seine Diener und seine Schüler bis auf den letzten Tropfen Blut zu leeren. Blut war Macht und er würde diese dummen, quälenden Stimmen endlich zum Schweigen bringen. Keine ignoranten Fragen mehr, keine Fehler, keine …

Die Gedanken verschwanden mit einem kurzen Protestheulen der Bestie. Wenige Schlucke würden genügen. Es wäre seiner unwürdig dem primitiven Hunger zu erlauben, sein Handeln zu bestimmen.

Flankiert von Crispianus, ebenfalls in ihre beste Kleidung gehüllt, machte sich Gasparo auf dem Weg zur Villa Illuminata. Sein Leibwächter hatte sich in den Tagen zuvor bereits mit dem Weg vertraut gemacht. Sixtus blieb zurück. Sein Bein wäre bei dem zügigen Marsch ein zu großes Hindernis gewesen.

Der Weg führte durch die Porta Superana, vorbei an Hügeln und Weinfeldern in Richtung Norden.

Gasparo vermutete, dass es bereits kurz vor Elf war, als sie ein Portal mit 2 Wachposten erreichten. Crispianus schritt auf die beiden zu, die Hand zum Gruß erhoben.

„Hey, werte Hüter dieses feinen Anwesens. Dies ist der edle Gasparo di Como, Magister Trivium! Wir werden erwartet!“

Crispianus hielt den Wachen die zusammengerollte Schriftrolle entgegen. Zwar würden diese Gardisten kaum lesen können aber vielleicht erkannten sie das Papier ihrer Herrin? Reste des Siegels waren auch noch zu sehen.

Der Ventrue überließ seinem Gaul den Umgang mit den Sterblichen und betrachtete die Villa in der Distanz aufmerksam.
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Il Canzoniere
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

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Der Sitz der weißen Prinzessin war ein altes, eher unauffälliges, römisches Landgut welches nun immer näher rückte. Anscheinend bestand es aus einem Hauptgebäude das von mehreren Wirtschaftsgebäuden umringt wurde. Als der Ventrue und sein Diener sich näherten, konnte man auch bereits die bewaffneten Posten vor den Toren ausmachen.

Die geharnischten Wachen salutierten, indem sie ihre Handschuhe an die Brust schlugen und aus voller Brust tönten:
"Ihre Majestät heißt euch willkommen."

Der Name schien tatsächlich als Türöffner zu wirken, denn man hörte wie innen ein shcwerer Riegel beiseite geschoben und die beiden Gäste eingelassen wurden. Innen erstreckte sich ein eher spärlich ausgeleuchteter Innenhof. Über losen Kies an einigen Ställen und Weinpressen vorbei führte der Weg geradewegs zu einem großen, einfach gehaltenen Portal. Vor dieser wartete bereits ein Mann auf sie. Er war kleiner als jeder der beiden Gäste, dafür aber sicher schwerer als beide zusammen. Eine monströse Lorica Squamata bedeckte seine Fülligkeit und ein Eisenhelm klemmte ihm in der linken Armbeuge, der als Kessel hätte dienen können. An seiner Seite hing ein Schwert, länger und massiger als das gewöhnliche Gladius. Ein leichter Schweißfilm glänzte auf seinem kahlen Schädel und sein Gesicht wirkte durch vereinzelte, rote Flecken auf Stirn und Wange noch etwas fahler.
Die Gestalt schob sich die wenigen Treppen vom Eingang herunter, sodass er mit den Neuankömmlingen auf einer Höhe stand.
Sie ließ ihre glasigen Schweinsäuglein über Gasparo streifen, ehe sie sich vor ihm verneigte und auch Crispianus begrüßte.

"Seid gegrüßt, werter Gast, und tausendfach willkommen im Heim meiner Herrin! Ich bin Lucio, genannt Il Onnivoro. Bitte tretet ein", sagte er mit einer einladenden Handbewegung in Richtung des leicht geöffneten Portals, "Sie erwartet euch bereits." dabei schien er Crispianus nicht mitanzusprechen. Offenbar hatten Bedienstete keinen Zutritt. Oder heute zumindest nicht.

Den Diener zurücklassend schloß Lucio das Portal umsichtig wieder und schritt dann neben Gasparo her. Ihn offenbar zum Thronsaal führend. "Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Reise, Herr Gasparo? Die Straßen sind eine Zumutung und voller sächsischer Söldner, die Seewege voller Piraten und Strandräuber. Seid ihr etwas derartigem unterwegs begegenet?" begann er ein wenig zu plaudern.
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Gasparo
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

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Gasparo nickte Lucio deutlich zu, als dieser ihn begrüßte.

„Habt Dank für die Einladung in die Villa Illuminata, Lucio. Ich bin mir bewusst, was für eine Ehre mir zuteil wird.“

Crispianus fragte nicht einmal mit einem Blick, ob es für ihn einen Platz im Haus gab. Er hatte genug Erfahrung mit den Kainiten um zu bemerken, wenn seine Anwesenheit weder nötig, noch erwünscht war. Als sein Herr in dem Gebäude verschwand, rieb er seine Hand über den kahlen Schädel und sah sich nach einem passenden Warteplatz im Hof um. Gasparo würde ihn nicht benötigen. Der Ventrue hatte von seinesgleichen nichts befürchten … oder?

Der Lehrmeister selbst begutachtete Aurores auffälligen Diener neugierig. 'Il Omnivoro' schien ob seines Aussehens eher eine spöttische Bezeichnung zu sein als ein Ausdruck des Respektes. Gasparo fragte sich, ob dies dem Humor der Prinzessin entsprach.

„Nun, werter Lucio, das Reisen ist für unsere Art immer eine Strapaze. Außer dem Clan der Tiere findet wohl kaum einer von uns Gefallen daran, bei Nacht durch die Wildnis zu streifen. Aber die Wanderschaft von Lucca nach Genua ist, den Ahnen sei Dank, eine kurze und erträgliche. Einen Zwischenfall gab es nicht, wobei Crispianus ein fähiger Beschützer ist.“

Der Lehrer bemühte sich, im Gleichschritt mit dem Allesfresser zu bleiben.

„Aber sagt, wie kommt es zu einer Plage von Sachsen in dieser Region? Waren es Begleiter des Kaisers auf seinem Weg nach Rom?“
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Il Canzoniere
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

Beitrag von Il Canzoniere »

Sie durchquerten das Atrium welches viel mehr hergegeben hätte als es das tat. Aus irgendeinem Grund war es sehr schlicht gehalten. Lediglich das große Becken, wohl eine Art Springbrunnen, mochte auf die einstmalige Pracht verweisen. Leicht hallten die Schritte der beiden. Es war hier wirklich sehr leise.

"Ah, ja wenn ihr von Lucca her kommt habt ihr noch eine gute Straße erwischt, diese bin ich selbst ebenfalls schon einige Male gereist. Tatsächlich beinahe ein Segen zu vielen der anderen Strecken. Auch wenn ich selbst heutzutage gerne mit dem Schiff fahre. Es geht gleich um ein vielfaches schneller. Und ich habe mich mittlerweile sogar an den Seegang gewöhnen können." schob er, mit ein wenig Amüsement hinterher.

"Bezüglich der Sachsen trefft ihr den Nagel auf den Kopf. Sachsen und Schwaben stellen den größten Teil des kaiserlichen gefolges. Und hier im Norden gibt es eine Reihe aufständischer Grafen hinter Arduin von Ivrea. Naja zumindest bis letztes Jahr. Die verbliebenen sächsischen Verbände hier sind sicher eher als deserteuer zu sehen als als alles andere. Aber sie machen das Reisen auf den Straßen dennoch teilweise ziemlich unangenehm."

Nachdem sie das Atrium passiert hatten erreichten sie ein weiteres hölzernes Portal, welches er jedoch einfach aufschob. Er verneigte sich leicht als er den Gast zuerst eintreten ließ und folgte dann, das Portal hinter den beiden wieder schließend. Vor ihnen lag nun der große Saal der Villa, dominiert von einem Podest auf dem ein großer, schwerer Stuhl Platz hatte. Ein Thron, geschnitzt aus dunkelstem Holz, verziert mit edelster Kunst und getragen von zwei wildesten Löwen, auf denen sie die Arme ausruhen konnte. Vom Eingang, wo sie nun standen waren es sicher zehn oder gar fünfzehn Meter hinüber.

Und außer der darauf sitzenden, recht zierlichen Gestalt war der saal leer. Dennoch füllte sie ihn vollends aus. Wie aus lunensischem Marmor geschlagen wirkte sie, deren Haut von ungezählten Jahrhunderten unter dem Licht des Mondes weiter gebleicht worden waren. Ihr Lächeln war noch immer das eines Mädchens, das sich den Sitten der Väter entsprechend vor dem Mann und seinen Blicken beugte. Aber auch dieses Lächeln stand an der Schwelle und mit jedem Augenaufschlag, mit jedem Blick aus ihren blauen Augen nahm sie das Mädchenhafte zurück, warf unter kokett verbergenden Wimpern ein Versprechen, das noch jedes Blut zum Kochen brachte.
Ihr Lachen – das hell und klar, wie das Öl frisch gepresster Oliven, über den ganzen Körper seines Opfers floss – zeigte deutlich die Zähne, rein und eben, und eine romantische Freude am Leben und der Lust, die zu bewahren ihr gelungen war.

Das Haar trug sie züchtig. Es war braun, so braun wie Herbstlaub und die Sommerhitze, doch bis auf einige Broschen schmucklos. In voller Haltung, kerzengerade dasitzend blickte sie anmutig zu den beiden eintretenden hinüber.

Sie war Prinzessin Genua.
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Gasparo
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

Beitrag von Gasparo »

Gasparo bemühte sich einen Moment, sowohl seinen Geist als auch seine Haltung zu straffen, als er die Herrscherin Genuas sah. Weder sein Herzschlag noch sein Atem konnten sich beschleunigen, aber innerlich war er dennoch in Aufruhr, als er einen Ahn seines Clans sehen durfte. Aurore verkörperte viel von dem, was Gasparo verehrte, und ihr Anblick in all ihrer Pracht vermochte es auch den disziplinierten Lehrmeister zu berühren.

Es verging nur ein Augenblick, aber dieser schien ihm schon viel zu lange anzudauern. Mit geradlinigen, schnellen Schritten drang er etwas tiefer in den Saal vor. Nachdem er die halbe Distanz zur Prinzessin überbrückt hatte sank er, langsam und würdevoll, mit beiden Knien zu Boden und verbeugte sich tief, die Arme gegen seine Seiten gepresst.

Er hielt den Blick gegen den Boden gerichtet als er begann zu sprechen.

„Höchst verehrte Prinzessin Aurore ...“ Gasparos Stimme klang für einen Moment etwas heiser aber schon seine nächsten Worte waren wieder die dunkle, feste Stimme des Dozenten, die jede Silbe die richtige Betonung gab. „ … höchst verehrte Prinzessin Genuas, Enkelin des höchst verehrten Alexanders, Ahnherr und Kind des Ventrue …“

„Ave, mater Genuae. Es ist eine besondere Ehre in dieser Nacht vor Euch zu treten. Euer blendendes Antlitz ist Testament für Euren Ruhm und Eure Schönheit.

Mein Name ist Gasparo di Como, Neugeborener des Clan Ventrue,
Kind des Majorianus, Ancilla des Clans der Könige,
Kind des Desiderio, Ancilla des Clans der Könige und Primogen in Lucca,
Kind der Brutia Livia, Ahn des Clans der Könige, Primogen in Siena und Bezwingerin der Lingonen,
Kind des Caracallas, Ahn des Clans der Könige und Herrscher der 12 Städte,
Kind des Lucius Tarquinus Priscus, Ahnherr des Clans der Könige und Kind von Ventrue selbst.“


Seine Ahnenreihe war ein Gebet für den Ventrue, vielleicht die wichtigste Lektion, die er seit seiner Umarmung gelernt hatte. Stolz und Bewunderung schwangen gleichermaßen mit, als er die Namen beschwor.

„Freigesprochen wurde ich von der höchst verehrten Karkana mit dem klingenden Schritt, Prinz von Lucca. Ich komme in Eure Domäne, da Genua im ganzen Land eine Reputation als Zentrum des Wissens und der Kultur entwickelt und ich hoffe, hier meine Fähigkeiten als Lehrmeister und Magister zu vervollkommnen. Mein bescheidenes Ersuchen ist es, Euch zum Wohlgefallen und Nutzen, als Gast in Genua wandeln zu dürfen.“

Gasparo hatte lange überlegt, welche Worte er an Aurore richten wollte. Er hatte Rede um Rede entworfen und verworfen. Würde ein epischer Vortrag über seine Vorfahren die Aurore beeindrucken oder langweilen? Wäre ein pragmatischer Ansatz, der nicht ihre Zeit verschwendet, eine Beleidigung oder eine Wohltat?

Diese und mehr Gedanken spukten durch seinen Kopf während er, unbeweglich wie eine Statue, in der knienden Verbeugung verharrte.
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Il Canzoniere
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

Beitrag von Il Canzoniere »

Ihr Thron stand erhöht und war aus fast schwarzer Eiche gezimmert, die Armlehnen endeten in Löwenköpfen, die das Maul aufrissen und jeden Bittsteller vor ihr zu verschlingen drohten.
Es kostete die weiße Prinzessin auf ihrem Thron nur einen Wink, einen kleinen Fingerzeig mit ihrer rechten Hand, um dem neugeborenen Blut vor sich die Erlaubnis zu erteilen, sich zu erheben. Da Gasparo diese Geste schwerlich sehen konnten, ließ Lucio der Allesfresser den schweren Vorhang mit einem Rascheln zurückgleiten und ging an dem Bittsteller vorbei, um sich seitlich am Raum auf halber Strecke zwischen ihm und seiner Herrin zu positionieren.

Erst dann, als er den Blick von den Stufen des Podestes erheben durfte, wurde die wahre Schönheit der Ahnin offenbar und der Grund, warum sie sich selbst hinter einem Tuch und filigranen Ritualen verbarg: Ihr Anblick konnte Herzen stoppen.
Ihre nackten Beine, die wohl nur der Gewohnheit halber in Sandalen steckten, endeten in schlanken Fesseln, die heute abend in einer Art von ernsthafter Haltung fest auf dem Boden standen.
Kleine, feste Brüste zeichneten sich unter einer locker fallenden Tunika ab, die große Teile ihrer Schultern, ihres schlanken Halses und ihres Dekolletes freiließ, aber bis zur Mitte ihrer Waden reichte. Weiß zeichnete sich ihr Fleisch vor dem dunklen Holz ihres Thrones ab, von feinen, blauen Äderchen gezeichnet, die ins Dunkelblau hinüberglitten und ihr eine subtile Marmorierung gaben. Wie die ganze Linie des Alexander von Paris zeichnete auch sie sich durch einen auffallenden Schimmer, einen Glanz ihrer braunen Haare und blauen Augen, ihres ganzen Wesens aus. Wie die ganze Linie ihres Großerzeugers war sie eine antike Statue, der ein Gott Leben eingehaucht und das der Menschen zu trinken befohlen hatte.
Nur die purpurne Palla, die sie um die Oberarme gewunden hatte und deren Zipfel sie nun gelangweilt zwischen den Fingern ihrer linken Hand drehte, brachte Farbe auf die Statue, die die Prinzessin von Genua war.
Ihr Gesicht, das gleichgültig und kühl von oben herab das Jungblut betrachtete, war ebenmäßig und schön, das Gesicht einer jungen Frau, die eben erst die Tollheiten der Jugend hinter sich gelassen hatte. Blutrote Lippen pressten sich aufeinander, noch unentschieden, ob sie lächeln oder maulen sollten. Ihre Wangen erglühten zart von einem sanften Rosa, als atme sie noch, als pumpe keine verfluchte Vitae sondern echtes Leben durch ihre Adern.

Ihre Stimme, die auf Latein zu ihm gesprochen, war süß wie Honig. Ein Engel war vom Himmel gestiegen und hatte Nektar in Gasparos Ohr geträufelt, war mit heiligen Klängen zu ihm gekommen, um sein Elend zu versüßen mit einer Stimme so rein, so weich und so edel, dass sie unmöglich von dieser Welt sein konnte. Melodiös und klar schwangen sich die Worte der Ahnin durch die Nacht, der Inbegriff alles Weiblichen.

Dazu das Gasparo ungefragt das Wort an sie richtete sagte sie nichts weiter. Es schien sie nicht weiter zu kümmern.
"Salve, Gasparo di Como aus der Linie des Soldatenkaisers. Da bist du ja. Dein Cousin kündigte dich bereits an. Ich hoffe du machst mir weniger Schwierigkeiten als er."

Sie legte den Kopf ein wenig schief um ihn aus diesem Winkel zu begutachten dann seufzte sie. "Bist du deswegen hier? Damit Maximinianus unseren Chronisten im Auge behalten kann? Es wäre mir überaus lästig. Ich kenne deine Linie. Habe mit Brutia Livia recht viel lachen können, auch wenn das schon lange her zu sein scheint. Es wäre Schade wenn sich jemand aus ihrer Linie unter den Scheffel von Gildos Linie stellen würde. Er ist so humorlos." sie schüttelte ein wenig misslaunisch den Mund, dann betrachtete sie Gasparo noch etwas genauer.

"Du bist Lehrmeister und Magister? Was lehrst du? Nicht zufällig griechisch? In der Mundart von Byzanz? Du musst Wissen, Lucios griechisch ist so schlecht, das letzte mal hat es beinahe Krieg deswegen gegeben." neckte sie ihren, nun rot anlaufenden, Ghul zwischen ihnen.
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Gasparo
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

Beitrag von Gasparo »

Gasparo war weiterhin um Kontrolle bemüht. Er atmete für einen Moment tief ein, nur um sich dann zu erinnern, dass er das schon seit Jahren nicht mehr nötig hatte. Es fühlte sich anders an, als er seinen ersten Kainiten traf, oder als sich sein Schöpfer ihm offenbart hatte. Die Ausstrahlung der Prinzessin hatte etwas Verführerisches, nein, Erhebendes.

Innerlich konzentrierte sich der Ventrue wieder auf seinen ungebrochenen Kern. „Otho, Vitellius, Vespasian, Titus, Domitian ..“ Die grundlegenden Lektionen seiner Kindheit, die Namen der römischen Kaiser, in seinem Geist aufzuzählen half ihm, wieder den Boden unter seinen Füßen zu finden, seinen Platz in diesem Saal, seine Stellung vor der Prinzessin von Genua.

„Höchst vereehrte Majestät, lasst mich Euch versichern, dass der verehrte Maximinianus mir ermöglichte, in der Priesterschule den Unterricht zu führen. Dies ist mein Fokus und Bestreben und dafür bin ich ihm dankbar. Ich wurde nicht entsandt, um Euch oder Euren Vasallen in irgendeiner Form zu schaden. Nicht, dass das als in meiner Macht liegen würde. Es liegt mir fern einen Groll, den das Kind des Giacomo di Camaore hegte, weiterzuführen.“

Er legte sich die rechte Hand auf seine Brust, wo er vor Jahren noch einen Herzschlag gespürt hätte. „Im Gegenteil. Ich hoffe, der Domäne von Nutzen zu sein. Eine klügere Herde wird sicherlich die Lebensqualität in Genua vergrößern und, zu Eurer Gloria, das Wachstum der Stadt weiter beschleunigen.“

Aurores Bemerkung über Humorlosigkeit ließ er im Raum stehen. Wortwitz war gewiss nicht seine Stärke wenn es nicht um scharfen Spott ging, und dieser war vor dem Prinz und Ahn sicherlich für einen Neugeborenen nicht angebracht.

„Es liegt durchaus in meinen Fähigkeiten, die Kenntnisse der griechischen Sprache Eures Dieners zu vertiefen. Vielleicht würde es ihm helfen, über reine Vokabeln und Grammatik hinaus sich mit der Kultur und der Geschichte der Griechen zu beschäftigen? Dieses bessere Verständnis hilft und erleichtert Konversation in der Fremdsprache. Των φρονίμων τα παιδιά, πριν πεινάσουν μαγειρεύουν.

Ich könnte ihm auch die Sprache der Franken näherbringen, oder hebräisch wenn Ihr Kontakte mit der Levante pflegt.“


Würde die Prinzessin sich wirklich für seine Talente interessieren? Ihm war bewusst, dass für die Ahnen ein Krieger oder ein General wichtiger schienen, da man diese eindeutiger in den Konflikten einsetzen konnte. Seine Arbeit, zumindest der offensichtliche Aspekt, war langfristiger ausgerichtet und oft mit den Sterblichen eng verbunden.

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*Die Kinder der Vernünftigen kochen, bevor sie Hunger haben
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Il Canzoniere
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

Beitrag von Il Canzoniere »

"Nein." sie seufzte und winkte ab. "Maximinianus würde nie jemanden schicken der der Domäne schadet, sicher. Aber ich habe vielseitige Interessen. Und dein Freund fördert stets immer nur jene bei denen auch etwas für ihn abspringt." nun musterte sie Gaspard nachdenklich. Als ob sie schauen würde wieviel etruskisches an ihm sein möge.

"Aber genug von ihm. Erzähl mir etwas von dir. Deinen Beruf kenne ich nun ja bereits."
Das Gasparo ihre spöttischen Worte über etwas das ihr Ghul vor langer Zeit getan hatte aufgegriffen und weiter genutzt hatte kommentierte sie nicht weiter. Aber Il Carnivore blickte einen Moment zu Boden ehe er sich straffte und stoisch geradeaus blickte.

Mit einer langsamen, streichenden Bewegung schlug sie die Beine übereinander und lehnte sich leicht zurück, während sie die arme rechts und links auf die Lehne legte, ihren Neffen nun von oben anstarrend wie eine Katze ihre Beute.

"Der hiesige Adel besteht aus Krämern. Genua benötigt jedoch Kapitäne und Navigatoren. Wie steht es um deine nautischen Kenntnisse? Auch etwas Sternenkunde könnte sicher nicht schaden. Kannst du aus einer Bande feilschender kleinlicher Despoten eine tüchtige Truppe Seefahrer formen die die genuesische Expansion sichern und die Hoheit über die genuesische See sichern können? Dann bist du herzlich willkommen."
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Gasparo
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

Beitrag von Gasparo »

Gasparo verbeugte sich erneut tief. „Mein Beruf ist das Herz meiner Existenz, höchst verehrte Majestät. Ich bewundere die Geschichte unserer römischen Vorfahren und hoffe, elementare Grundsätze Ihrer Gesellschaft wiederzubeleben, um die Sterblichen aus dieser dunklen Periode der Ignoranz zu zerren. Neben den Gaben, die unser Blut uns bringt, ist die Möglichkeit, Wissen anzusammeln und zu bewahren das größte Geschenk, das mir von meinem Schöpfer und meinen Ahnen gemacht wurde.“

Er wollte nicht prahlen aber ein gewisser Hochmut schwang in seiner Stimme mit. Auch wenn ihm sein Schöpfer Respekt und Gehorsam gelehrt hatte so war Bescheidenheit eine Eigenschaft, die ihm nicht zu eigen war.

„Ich hoffe auch etwas für das Priestertum in Eurer Domäne tun zu können. Wie ich verstehe wirft das Erzbistum von Mailand einen großen Schatten. Besser ausgebildete, ambitionierte Geistliche werden die Reputation Genuas verbessern, nicht wahr.“

Seine Finger glitten einen Moment nervös über sein Amulett, als er den letzten Punkt der Prinzessin ansprach. Er sehnte sich sehr danach, das Wohlwollen dieses wunderbaren Geschöpfes zu erlangen, doch die Forderung stellte ihn vor ein Problem. „Nun, ich muss zugeben, meine Kenntnisse über den Beruf des Seefahrers beschränken sich auf Erfahrungsberichte und Heldengeschichten. Wobei ich Euch nicht mit Geschichten über Jason und Odysseus langweilen möchte. Habt Ihr bereits Männer, die ein Schiff steuern und bewirtschaften können, so bin ich in der Lage ihnen grundlegendes Wissen über die Sterne näherzubringen. Für Reisen insbesondere im Tyrrhenischem Meer sollte dies genügen.“

Gasparo blieb vorsichtig, nicht zu viel zu versprechen. Die Ausbildung von Matrosen lag sicherlich außerhalb seiner Fähigkeiten und er beabsichtigte nicht, seine wertvolle Zeit mit dem Erlernen von Knoten zu verbringen. Aber Sternbilder sollten auch genügen, um auch Seefahrer-Novizen die Navigation zu ermöglichen. „Welche Art von Expansion schwebt Euch vor, höchst verehrte Majestät? Ich könnte die Büchereien, die in uns in dieser Region zur Verfügung stehen, nach Kartenmaterial durchsuchen. Das Steuern von Schiffen anhand der Küstenbeschaffenheit scheint, besonders für unerfahrene Kapitäne, eine empfehlenswerte Methode zu sein. Das Bischofskastell hat einige Illustrationen in seiner Bibliothek und Euer Chronist, der verehrte Benedetto, wird sicherlich auch Zugang zu einer Vielzahl von Informationen haben. Ich könnte diese Suche mit ihm koordinieren.“
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Il Canzoniere
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Re: [1015] Die Audienz des Magisters (Gasparo, SL)

Beitrag von Il Canzoniere »

Sie musterte Gasparo einen Moment und nickte dann leicht, als ob sie ihm in einem der genannten Punkte durchaus zustimmen würde. Dennoch spezifizierte sie sich nicht weiter, blickte ihn stattdessen weiter an während sich ihre Stirn runzelte.

"Benedetto hat tatsächlich eine recht ansehliche Sammlung an Wissen angehäuft. Leider ist er kein Lehrer. Zumindest keiner der sich dafür eignen würde Sterbliche zu unterrichten. Er kann gut recherchieren, aber ich benötige jemanden der Wissen vermittelt. Wenn du behauptest das dies dein Beruf sei, dannwill ich dich prüfen und sehen was du für Genua tun kannst. Ich werde Benedetto instruieren dir einige nautische Werke zur Verfügung zu stellen. Du hingegen wirst dich darum kümmern das dieses Wissen vom Pergament in die Köpfe der Leute gelangt. Genaue rder Kapitäne, der Steuermänner und Navigatoren. Jeder Fischer kann sich anhand der Küstenlinie orientieren solange er in heimischen Gewässern ist. Ich benötige Kapitäne die sich abseits der Küstenlinien zurecht finden. Anhand der Sterne oder anderen Berechnungen. Ich benötige außerdem solche die sich in einem Seekrieg behaupten können. Taktisch und strategisch. Ich brauche eine disziplinarisch organisierte Marine, keine Flotte starrsinniger Freibeuter. Setz dich zu diesem Zweck mit Acacia della Velanera auseinander. Ihr unterstehen einige der Kapitäne. Und sie beansprucht einen gewissen Einfluss auf die Flotte. Ich möchte allerdings das du alle meine Männer ausbildest. Nicht nur jene unter ihrem Banner." dann folgte ein fragender Blick Kümmerst du dich darum? Sollte er wohl heißen.

"Du kannst daneben deinen eigenen Aktivitäten nachgehen. Ich werde jedoch dann und wann auf deine Fähigkeiten als Lehrer zurückgreifen, halte dich also zu meiner Verfügung." zur Art der Expansion sagte sie erst einmal nichts weiteres, musterte ihren jüngeren Verwandten vor sich nur weiterhin mit dem kalten Blick den sie in ihr Anlitz aufgenommen hatte wie der Winter den Frost.
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