[1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

[Januar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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La Vedova
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[1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Stille lag über dem Bau, der sich dunkel in Domus erhob. Nur am Hintereingang war leises Stimmengewirr zu hören, wo einige Handwerker ihr letztes Bier leerten.
Der Gast war jedoch gebeten worden, das Gebäude durch einen der Eingänge am Platz zu betreten und so hatte er nun die Qual der Wahl:
Das hübsche steinerne Doppelportal bestand aus schweren Eisentüren, kunstvollen Arbeiten voller Pflanzen- und Tierschmuck aber auch Szenen aus der Stadthistorie, die schon manchem Besucher den Atem zum Stocken gebracht hatten- und jene, die nicht mehr atmeten zumindest beeindruckten. Es war bekrönt von steinernem Figurenschmuck und erinnerte an ein Kirchenportal. Allerdings erhob sich über dem Portal keine Kirchenfassade, dahinter war kein mehrschiffigr Sakralbau auszumachen, sondern zwei Gebäudeflügel, die seitlich fortliefen und den schrägen Straßenfluchten des Viertels folgten, statt sie zu brechen. Zwei Flügel, zwei Flügeltüren...und zwei Heilige, zwei Schutzpatrone: Der Heilige Martin und die Heilige Agnes, wie für einen Mann, der des Lesens und Schreibens mächtig war, mühelos über den Toren abzulesen war.
Zwischen beiden Portalen war mittig ein Steinrelief angebracht, das die Erweckung des Heiligen Lazarus zeigte. Eine Metapher für die Heilkunst des Gebäudes? Ein Bekenntnis dazu, dass zuletzt das Leben in Gottes Hand lag, der als einziger darüber entschied, wer gesundete und wer starb? Der Glaube als die den Tod überwindende Kraft?
Was auch immer die Botschaft hinter dem Hauptpotal war, vermutlich verstand jeder, der hindurchtrat sie anders.
Hinter den Türen verbargen sich zwei kleine Kapellen, jeweils einem der beiden Schutzpatrone gewidmet.


Sixtus war mit dem Verweis zurück zum Bischofskastell geschickt worden, dass die Schwester den Gast gerne kurz nach Mitternacht empfangen werde. Er würde sie betend in der Kapelle finden. Auf dem Weg zum größten Gebäude des Viertels begegneten nächtlichen Wanderern kleine Gruppen von Rittern und Nonnen, vielleicht Hebammen, die zu solch später Stunde noch im Dienste der Heilkunst auf den Beinen waren. Bewaffnete wurden kritisch gemustert, jedoch nicht aufgehalten.
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Gasparo
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von Gasparo »

Der Winter war relativ milde in Genua angekommen. Die Zugvögel hatten bereits ihre Reise gen Süden angetreten und kein Baum trug mehr Laub, aber der Biss der Kälte war auch nach Sonnenuntergang noch nicht so scharf, dass die Menschen sich vor ihr verbargen.

Dennoch waren Gasparo di Como und sein gedrungener Diener Crispianus in Mäntel und Kapuzen gehüllt, als sie durch die Gassen zum Domus Medicorum marschierten. Gasparo war bewusst, dass die Ritter, die durch das Viertel patrouillierten, unter dem Befehl eines anderen Kainiten stehen könnten, vielleicht sogar Ihrer Gastgeberin. Crispianus wich den Blicken dieser Wachen aus, so wie es ihm schon vor Jahren gelehrt wurde, aber seine Hand war nie weit vom Griff seines Schwertes entfernt und er war froh, unter dem Mantel seinen Lederharnisch zu tragen.

Als sie an dem Gebäude ankamen betrachtete der Ventrue mit Wohlwollen die prächtigen Türen. Er war bereits, vor einigen Monaten, hier gewesen. Damals war in ihm der Entschluss gereift, diesen Ort besuchen zu wollen, aber auf die Art, wie es sich geziemte.

Er betrat das Domus Medicorum durch das Tor der Heiligen Agnes mit hoch erhobenem Haupt und warf die Kapuze nach hinten. Mit einer fast unbewussten Geste richtete er sein Amulett, das er um den Hals trug. Ansonsten trug er ein teures Gewand, in schwarz und rot gehalten und in makellosem Zustand. Der Ghul dagegen zog sich seine Kopfbedeckung noch etwas tiefer ins Gesicht, während er sich aufmerksam umsah.

Das ungleiche Paar schritt zur Kapelle, Crispianus nun seinem Herrn folgend. Der Gelehrte musste sich eingestehen, dass Ihm die Geschichte der Heiligen Agnes nicht vertraut war. Warum wurde diese Frau mit dem Lamm an Ihrer Seite von diesem Orden und den Bewohnern Genuas verehrt? Er würde es herausfinden müssen, da die Wahl dieser Schutzpatronin wohl kein Zufall war.

In der Kapelle angekommen hielt er Ausschau nach der Person, mit der ein Treffen vereinbart hatte.
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La Vedova
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Die Nonne kniete in der Kapelle der Heiligen unbewegt. Doch sie hatte die Schritte gehört und die schwere Tür, sodass nun Bewegung in ihre Glieder kam und sie sich in einer eleganten Bewegung erhob und gleichzeitig zu ihrem Gast umdrehte. Die Hände hatte sie weiterhin wie zum Gebet vor ihrer Brust aneinandergelegt.

Die Kapelle war nicht sehr groß, vielleicht vier Schritt lang und drei Schritt breit und hatte keine Sitzgelegenheiten. Die Wände waren aus Stein, die Decke in einer normalen Höhe. Auf dem Altartisch stand neben einem schlichten hölzernen Kreuz und einer dicken Kerze eine Marienikone. Überhaupt war dies eine sehr schlichte Kapelle im gegensatz zu dem moumentalen repräsentativen Doppelportal hin zum großen Platz. Doch vielleicht war auch dies erneut eine Botschaft an den Gast. Anspruch und Würde nach Außen, Konzentration auf das Wesentliche im Inneren.
Erst auf den zweiten Blick fielen die Wachen an den Eingängen auf. Zwei Am Hauptportal, einer an einer weiterführenden Tür. Junge Männer, gerüstet und bewaffnet und mit dem Zeichen des Ordens des heiligen Martin auf ihrem Rock. Sie standen dort still und unbeteiligt, neigten höflich das Haupt als der Besuch eintrat.

Die Nonne trug den dunkelgrauen Habit der Agneserinnen, unter dem das weiße Untergewand deutlich hervortrat. Auch der Kopf war von diesem weißen Stoff umhüllt, die Haare verborgen, wodurch das blasse, lange Gesicht mit den hohen Wangenknochen und elegant geschwungenen roten Augenbrauen deutlich hervortrat. Die Haut war gräulich blass, die meeresgrauen Augen saßen in tiefen, ungesunden Höhlen, blickten jedoch äußerst lebhaft und neugierig dem Gast entgegen. Volle Lippen und eine schmale Nase vervollständigten das feine Gesicht. Diese Frau gab sich keine Mühe, ihre Todesblässe zu überschminken oder im Schatten zu verbergen und das war auch nicht nötig, denn eine eigenwillige Schönheit hatte sie sich erhalten.
Die trug einen dicken dunkelbraunen Wollmantel, der von einer hübschen nordischen Fibel geschlossen wurde, sonst aber schmucklos und schlicht ihre hochgewachsene, schmale Gestalt umgab.

Gemessenen Schrittes kam sie die kurze Distanz zu dem Magister und seinem Diener zugeschritten, beugte ihren Kopf zu einem höflichen Nicken und begann erst zu sprechen, nachdem die schwere Eisentür hinter ihm ins Schloss gefallen war und sich ein kurzer Moment der Stille über die Kapelle gelegt hatte.

"Willkommen im Domus Medicorum in der Kapelle der Heiligen Agnes, werter Magister.", sie nickte auch Crispianus knapp zu, sprach ihn aber nicht direkt an.
"Da Ihr Euch vielleicht fragt, mit wem Ihr es zu tun habt, möchte ich etwas Licht ins Dunkel bringen- und ich hoffe darauf, nun auch endlich Euren Namen zu erfahren, nachdem Euer Bote sich so geheimnisvoll gegeben hat- ", fuhr sie fort. "Ich bin Schwester Agnes, Patronin des Ordens Sant Agnese fuori le mura und wenn Ihr so wollt Herrin dieses Hauses, denn das ist es doch, nach dem Ihr gefragt habt?" Kurz blitzte etwas in ihren Augen auf, war sie amüsiert?
Ihr Blick ruhte jedoch auf dem Amulett auf Gasparos Brust "Ihr seid also der Neue Leiter der Priesterschule, von dem mir berichtet wurde.", sagte sie so als würde das Amulett zu ihr sprechen- doch natürlich hatte sie das nicht aus dem Amulett geschlossen sondern zuvor von Sixtus erfahren. Dann blickte sie auf und ihm ins Gesicht "Wie gut, dass der Posten neu besetzt wurde. Es braucht dafür jemanden, auf den Verlass ist..."
Schwarz und rot, ging es ihr durch den Kopf. Ein gepflegtes Äußeres, gelehrt und höflich. Einer der ihren? Wahrscheinlich aber nicht sicher. Ein durchsetzungsstarker Mann sicherlich. Ein verlässlicher? Womöglich...verlässlicher als sein Vorgänger hoffentlich.
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Gasparo
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo war überrascht, wie klein die Kapelle war. Während die Fassade des Gebäudes und die Doppeltore große Aufmerksamkeit erregten war dieser Raum schlicht, fast bescheiden. Der Ventrue konnte diese Zeichen deuten. Offensichtlich war diese Kapelle den Herren des Gebäudes nicht allzu wichtig, ein Teil eines Versteckspiels, vielleicht ein Lippenbekenntnis für die Öffentlichkeit.

Oder gab es hier doch mehr, als man mit bloßem Auge erkennen konnte? Er betrachtete kurz die nackten Wände und den kleinen Altar, bevor seine Augen zurück zu der Nonne wanderte, die ihn begrüßte.

Crispianus zog sich einige Schritte zurück und blieb an der Tür der Kapelle stehen während Gasparo langsam und tief seinen Kopf senkte.

„Es ist mir eine Freude, Eure Bekanntschaft machen zu dürfen, werte Schwester Agnes.“ Er hob seinen Kopf wieder. Seine Miene war ernst und humorlos.

„Ihr müsst Sixtus verzeihen. Leider verhält er sich manchmal etwas … dramatisch.“ Gasparo legte die Hand auf seine Brust und senkte erneut sein Haupt. „Mein Name ist Gasparo di Como, aus der Familie der di Comos, aus Lucca. Ich darf mich Magister Trivium nennen.“ Der Lehrer kehrte in seine kerzengerade Haltung zurück und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken.

„Seit ich von diesem Ort erfahren habe hoffte ich, die Person zu treffen, der wir das Domus Medicorum zu verdanken haben. Dieser Ort ist einzigartig in Genua … und der ganzen Region … wie es mir scheint. Ein Platz, an dem Kultur, Wissen und Handwerkskunst sich vereinen und an dem die Bürger beginnen, diese Dinge zu schätzen. In dieser Zeit, in der wir wandeln, sind diese Werte unschätzbar wertvoll … und viel zu selten.“

Der Ventrue lies diese Wort kurz wirken bevor er fortfuhr. Eigentlich waren die Anzeichen eindeutig. Schwester Agnes' Gesicht trug die Merkmale des Clans des Todes und die Tatsache, dass sie dem nächtlichen Treffen zugestimmt hatte, schien wenig Zweifel über ihren gemeinsam Hintergrund zuzulassen. Dennoch würde Gasparo weiterhin behutsam vorgehen. Außerhalb des Elysiums reagierten Kainiten oft empfindlich auf direkte Ansprachen.

„Leider war es mir nicht vergönnt, meinen Vorgänger im Kastell kennenzulernen. In den wenigen Monaten meiner Anwesenheit wurde mir aber bereits schmerzlich bewusst, dass die Bibliothek dort eher als ungenügend zu bezeichnen ist. Dies ist ein Grund warum ich Euch heute … Nacht … begegnen wollte.“ Die Betonung des Zeitpunktes war sicherlich auffällig.

„Aber lasst mich nicht gleich wie ein schäbiger Bettler um Gefälligkeiten bitten. Ich hoffe mehr über Euch und diesen Ort zu erfahren. Sagt, wie gelang es einer Nonne diese Stätte der Bildung ins Leben zu rufen und wie erklärt sich die Präsenz all dieser Ritter?“ Gasparo wandte sich kurz in Richtung des Eingangs der Kapelle. „Es ist auffällig, wie gut dieses Viertel beschützt wird. Mir war nicht bewusst, wie gefährlich meine neue Heimat zu sein scheint.“
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La Vedova
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

„Magister Trivium…“, wiederholte Seinfreda „ Wo habt Ihr gelernt, in Lucca oder Como? Wichtige Fächer, grundliegende Fächer gar. Welches der drei Werkzeuge ist Euch am liebsten, werter Magister? Die Rute, der Griffel oder der logische Geist?“, Fragend sah sie ihn an, legte leicht den Kopf schief. Wartete, was er dazu sagen wollte.
Dann fuhr sie leise fort mit ihren Fragen: „Und wie steht Ihr zum Quadrivium? Ich persönlich interessiere mich in letzter Zeit sehr für die Musik und die Astronomie, habe aber zu letzterem bisher keinen geeigneten Lehrer finden können…doch momentan ist mein Werkzeug eher der Schlangenstab.“, sanft winkte sie ihn in Richtung der Tür „Vielen Dank für Euer Kompliment, dieses Haus betreffend. Wirklich ernst meinen, werdet Ihr es vielleicht erst können, wenn Ihr es tatsächlich gesehen habt. Ich kann Euch gerne eine kleine Führung geben, wenn Ihr wünscht. Noch ist alles neu und noch nicht gänzlich fertig eingerichtet, verzeiht also bitte nackte Wände und fehlende Teppiche. Doch für die wesentliche Arbeit im Dienste der Kranken reicht es mehr als aus.
Handwerk, Kunst, Glaube und Hoffnung, Wissen und Wissensdurst sollen Gast in meinen Hallen sein. Bis die Bürger diese Dinge wahrlich zu schätzen lernen, kann Zeit vergehen…doch an Zeit mangelt es mir nicht.“
Aufmerksam besah sie sich Gasparos Reaktion auf diese deutliche Aussage, hob leicht eine Braue. Noch immer war sie sich nicht sicher, wen sie hier vor sich hatte. Ein von Aurore persönlich bestellter Gelehrter? Ein Kind der Nacht oder nur ein treuer Diener der Prinzessin? Hätte Aurore ihn dann nicht eingeweiht und ihm deutlicher gesagt, mit wem er es in dieser Stadt zu tun haben würde?
Während sie sich ihren Gast also weiter aufmerksam besah, sprach sie weiter.
„Wie es mir gelang, diese Stätte zu errichten? Danach hat bisher noch keiner gefragt. Mir gefällt Euer Wissensdrang und nichts liegt mir ferner, als diesen nicht zu befriedigen. Lasst mich etwas ausholen. Dieses Haus, Ihr sprecht von einem Geist, der ihm innewohnt…von seinem Erzeuger könnte man gar sprechen. Seht, es ist wie ein Kinde aus der Vision zweier verwandter Geister entsprungen. Wenn kein Wunder geschieht, werde ich Witwe, doch ich liebe diese Idee wie ein Kind. Und aus meiner Vision wird es weiter erwachsen…in dieser Stadt, vielleicht einst in diesem Landstrich oder weiter.
An genau diesem Ort, an dem wir jetzt stehen stand vor einiger Zeit ein sehr viel älteres und kleineres Haus, eine Taverne. Der Besitzer entschloss sich eines Tages dazu, diese zu einem Badehaus auszubauen und traf damit den Wunsch der Bürger nach einem Ort der Hygiene und des Beisammenseins gepaart mit einfachen medizinischen Eingriffen aber auch Klatsch und Tratsch und anderen…körperlichen Annehmlichkeiten. Das Haus gedieh, wurde größer, es kamen Handwerksstätten hinzu. Innerhalb weniger Jahre genoss es eine solche Beliebtheit und guten Ruf, dass sein Besitzer zum Senator des Sestieres gewählt wurde. Doch während des Krieges…kamen die Sarazenen.“, Seinfreda schüttelte den Kopf „Seht, Neid und Missgunst wachsen gut im Schatten von Erfolg. Das Haus wurde bis auf die Grundmauern abgebrannt, viele starben. Doch nach dem Krieg ließ sich das Viertel nicht unterkriegen. Mit den beiden Orden als Geldgeber bauten die feinen Leute von Domus das Haus wieder in Eigenarbeit auf…es dauerte beinahe zehn Jahre, doch nun steht es, schöner und stärker als jemals zuvor. Und natürlich gibt es weiterhin….sarazenische Gesinnungen, doch die frommen Ritter von Sankt Martin schützen Domus vor Angriffen. Und es ist ja auch nicht mehr Krieg. Nicht hier in den eigenen Mauern jedenfalls.“
So hob sie ihre Hände und lächelte dem Gast entgegen „Ihr seht, es war nicht eine einzelne Nonne, die dieses Haus errichtet hat. Es waren Visionen, Hoffnung und Glaube, hunderte Hände und handfeste finanzielle Unterstützung.“
Schwester Agnes beäugte ihren Gast weiterhin neugierig „Nun habe ich Euch einiges erzählt, erlaubt mir nun ebenfalls Fragen zu stellen. Wer hat Euch nach Genua geladen und wem dient Ihr?“
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Gasparo
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von Gasparo »

Gasparos Miene verzog sich nicht, als Schwester Agnes Ihre Frage stellte. Allein die Tatsache, dass sie seine Bezeichnung verstand, zeichnete sein Gegenüber in seinen Augen bereits aus. „Wenn Ihr diese Metaphern wählt, werte Schwester, dann die Rute.“ Sein Mundwinkel zuckte kurz, was vielleicht schon eine Art Lächeln darstellte, auch wenn der Gesichtsausdruck keine Spur von Humor zeigte. „Ohne die grundlegende Beherrschung der Sprache und Ihrer Regeln ist ein tieferes Verständnis jedweder Literatur und der darin enthalten Lektionen und Weisheiten aussichtslos. Kein Bildhauer kommt ohne einen Hammer aus, kein Maler ohne Pinsel … kein Gelehrter ohne Grammatik. Meine Ausbildung genoß ich in Lucca und in meinem Heimatort, Pietrasanta, von verschiedenen Lehrmeistern. Meine Familie stammt ursprünglich aus Como aber das ist lange her. Kennt ihr Pietrasanta?“

Erneut nickte er aufmerksam, als sein Gegenüber fortfuhr. „Geschichte und Kunst gehören ebenfalls zu meinen großen Vorlieben. Die Sterne ...“ Der Ventrue richtete seinen Blick kurz in Richtung Decke. „Mein Fokus liegt auf greifbareren Dingen.“ Er betrachtete wieder die Nonne. „Eine Qualität, die auch Ihr zu schätzen scheint, wie dieses Projekt eindrucksvoll beweist.“

Gasparo entging die Bemerkung über die Zeit nicht und quittierte die Anmerkung mit einem weiteren, deutlichen Nicken des Kopfes. In seinem Hinterkopf überlegte er, wie wer weiter mit dieser Situation umgehen sollte. Er war sich sicher, ein Mitglied des Clans des Todes vor sich zu haben und er wartete nun auf eine Gelegenheit, seine Natur offenzulegen, auch wenn das Wesen vor ihm zweifellos schon lange die gleichen Schlüsse gezogen hatte.

Ihr Vortrag über die Entstehung des Domus Medicorum beeindruckte ihn. Ihre Gedanken und Motivation schienen seinen sehr ähnlich zu sein, auch wenn sie öfter Floskeln benutzte, die mehr als irritierend waren. Glaube, Frömmigkeit … gehörte dies zu ihrer Maske, mit der sie die Stille bewahrte?

Schließlich sah er die Möglichkeit, das Gespräch auf eine andere Eben zu hieven.

Manus manum lavat, Eure Fragen verdienen Antworten. Wem ich diene? Ich sehe mich gerne als Diener unserer Ideale, als Bewahrer von Wissen und Kultur, als jemand, der … den Menschen … das Wissen lehrt das sie benötigen, um nicht in dunklen Abgrund zu stürzen.“

Diesmal legte er den Kopf etwas zur Seite, um die Reaktion seiner Gesprächspartnerin genauer einzuschätzen. „Aber natürlich ist die Wirklichkeit profaner als das Bild, das wir gerne darstellen würden. Wem ich diene … gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr die Dame kennt, die in der Villa Illuminata verweilt?“
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La Vedova
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

"Leider sagt mir Petrasanta nichts. Gibt es dort einen heiligen Fels?", fragte sie interessiert nach. Dass es lange her war, dass seine Familie aus Como gekommen war, glaubte sie ihm sofort.
Sanft nickte sie, auch schon als er von dem dunklen Abgrund sprach, hatte sie aufgehorcht. Ein Diener die Ideale, wie elegant er ihrer Frage ausgewichen war. Seine geschlilffenen Worte gefielen ihr. Vielleicht konnte sie tatsächlich etwas von diesem Magister lernen.
"Ein wunderbares Anwesen. Natürlich ist es mir bekannt und ich verehre die Dame in der Villa sehr, ist sie doch so schön wie die Morgenröte selbst. Seid ihr...verwandt?", tastete sie sich vorsichtig weiter voran, abwartend.
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Gasparo
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von Gasparo »

„Tatsächlich gibt es dort etwas steinverarbeitendes Gewerbe, aber es liegt noch in den Kinderschuhen. Meine Familie hoffte, es auszubauen …“ Er machte eine streichende Bewegung mit der rechten Hand. „Aber das ich mich mit Steinen befasste ist schon lange her.“

Gasparo nickte und ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Es war ein Ausdruck von Stolz, so als ob einer seiner Schüler ein besonders schwieriges Wort dekliniert hätte.

„Sehr gut, die Morgenröte, sehr gut.“ Sein Nicken wurde langsamer und tiefer, bis es in einer leichten Verbeugung endete.

„Werte Dame, erlaubt mir mich erneut vorzustellen. Ich bin Gasparo, Neugeborener des Clan Ventrue, Kind von Majorianus, Ancilla des Clans der Könige.“

Er richtete sich wieder auf und seine Haltung verlor etwas von ihrer vorigen Neutralität. Stattdessen wirkte der Kainit aus Lucca nun selbstbewusster, oder war es arrogant?

„Ihr müsst meine Zurückhaltung verzeihen. Ich bin erst seit sehr kurzer Zeit in Genua und meine Kontakte zu den Mitgliedern unserer Gesellschaft waren begrenzt. Ihr kennt die Prinzessin. Sie war mit Details über die Bewohner ihrer Domäne … sparsam. Deshalb habe ich vor allem diese Begegnung gesucht.“ Seine Finger glitten kurz über sein Amulett bevor er die Hände wieder hinter dem Rücken verschränkte. "Es fällt mir nicht leicht, Fremden mit dieser Wahrheit gegenüberzutreten. Die Warnungen, was passiert, wenn man sich dem Falschen offenbart, sind mir sehr präsent."

„Meine bisherigen Aussagen haben weiterhin Bestand. Ich bin in Pietrasanta aufgewachsen und die Domäne meines Erschaffers war in Lucca. Mir wurden dort alle Möglichkeiten gegeben, meinen Wissensdurst zu stillen aber … es ist nicht Genua. Als mir die Möglichkeiten von meinen Gönnern gegeben wurde, hier die Priesterschule zu leiten, wusste ich, dass ich sie ergreifen musste. Der Ruf der Prinzessin geht über die Grenzen der Stadt weit hinaus und die Chance aus dem Schatten meines Schöpfers zu treten und hier etwas eigenes aufzubauen … welcher Neugeborene wünscht sich das nicht?“ Das Wort „Neugeborener“ schien ihm nur schwer über die Lippen zu gehen.
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La Vedova
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Die Nonne beobachtete aufmerksam die Veränderung in Gasparos Haltung und quittierte seine Vorstellung mit einem eleganzen Knicks nach Art der Franken. Diese Bewegung mochte nicht ganz zu ihrem Aufzug passen, schien ihr jedoch fließend und ohne Zögern die natürlichste Reaktion zu sein.

"Seinfreda Gunnhildsdottir, Neugeborene des Clans des Todes, Vasallin Ihrer höchst verehrten Majestät Aurore von Genua, Tochter der Kassia von Byzanz, Ancilla des Clans des Todes aus der Linie der Heiligen Agnes von Rom, Ahnin des Clans des Todes."
Sie wusste, dass sie einer angesehenen Linie entsprang und dass die vielen Namen manchmal kurz brauchten, um zu sacken. So wartete sie kurz ab, dass er verstehen konnte, weshalb die Verehrung der Heiligen Agnes hier mit solcher Emsigkeit betrieben wurde.

"Demnach besteht also tatsächlich ein Verwandtschaftsverhältnis...", sagte sie zufrieden. "Das vorsichtige Wandeln im Dunkeln,um die unsrigen aufzusuchen, unter Wahrung unserer Gesetze ist eine Art erste Prüfung in dieser Domäne. Wenn Ihr wünscht, kann ich Euch gerne einige hilfreiche Hinweise zur Orientierung geben? Mein Credo ist, keinem auf dem Weg zur Erkenntnis im Wege zu stehen, außer natürlich Ihr entscheidet Euch bewusst dafür, alles alleine herausfinden zu wollen.."

Sie lauschte seinen Ausführungen zu seiner Berufung mit Interesse und nickte zustimmend. "Ich wünsche Euch viel Erfolg bei dieser ehrenwerten Aufgabe. Es würde mich sehr freuen, wenn es zu einer Zusammenarbeit kommen könnte..."
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Gasparo
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Re: [1015] In Asklepios Hallen [Gasparo, La Vedova]

Beitrag von Gasparo »

„Seinfreda? Was für ein ungewöhnlicher Name. Ihr stammt also nicht aus unseren Landen? Und zähltet Ihrer gerade die Heilige Agnes als Eure Ahnin auf? Eine christliche Märtyrerin trug unseren Fluch?“

Schon alleine Seinfredas Vorstellung hatte genügt, um Gasparos Gedanken wie ein Rennpferd rasen zu lassen. Eine Kainitin fremdländischer Herkunft, mit Verbindungen nach Byzanz und Rom, machte die diese Begegnung noch um ein Vielfaches interessanter. Eine Spur von Erleichterung schlich ebenfalls durch seine Brust. Sie hatte sich ebenfalls als Neugeborene bezeichnet, also hatte er nicht versehentlich hochrangige Würdenträgerin beleidigt.

„Eure Großzügigkeit ist ein willkommenes Geschenk, werte Seinfreda. Wenn Ihr Eure Erkenntnisse über Genua mit mir teilen würdet wäre dies eine Gefälligkeit, die ich sehr zu schätzen wüsste.“

Gasparos Zeigefinger rieb kurz über sein Kinn. „Eine Zusammenarbeit wäre mehr, als ich zu hoffen wagte. Es beginnt schon damit, dass die Bibliothek im Bischofskastell … endlich ist in Ihrer Auswahl. Ein Austausch von Schriftrollen und Büchern mit dem, was Euren Heilern hier zur Verfügung steht, würde mir schon sehr entgegenkommen. Ansonsten wäre es auch interessant zu hören, welche anderen Gelehrten Ihr in Genua kennt, mit denen ich mich ebenfalls austauschen könnte. Schon Plato wusste schließlich, dass dialogos der Pfad zur Erkenntnis ist.“

Nun streckte er den Zeigefinger vor sich aus und schwenkte ihn einige Augenblicke stumm, um sich zu bremsen.

„Verzeiht meinen Übereifer. Oft denke ich noch in den Perioden der Menschen und vergesse die Zeit, die wir uns eigentlich geben sollten. Ich will nicht wie ein Bettler oder Schädling vor Euch auftreten. Vielleicht habt Ihr unter Euren Gefolgsleuten Getreue, denen einige Lektionen von mir weiterhelfen würden? Meine Gabe als Lehrer ist der einzige Pfand, mit dem ich in diesen Nächten handeln kann.“
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