[1015] Der Springquell [offen]

[Sousanna]

Sie nickte und zeigte das sanfteste, strahlenste Lächeln, das ein jahrzehntealtes Monster aufbringen konnte. Dennoch kopierte es den Blick ganz gut, mit dem eine Enkelin für gewöhnlich ihre Großmutter ansah. Das Monster war noch immer begabt im Schauspiel.
"Sicher, Mutter, sicher - und es freut mich sehr, dass ich dich einmal wieder sehe."

Dann aber überzog Betrübnis die schönen Züge wie eine Regenwolke über eine lebendige Wiese zu.
Leicht senkte sich ihr Blick und die vollen Lippen kniffen sich zusammen bis sie ganz farblos wurden. "Caterina" Die byzantinische Schönheit seufzte schwer. "Ist vor einigen Jahren gestorben. Eine Krankheit hat sie gepackt und nicht mehr losgelassen. Am Ende war sie nicht mehr hübsch..."

[La Strega]

"Oh..." Scheinbar betrübt sah sie gen Boden. "...ein Jammer."

Dann blickte sie wieder neugierig auf.

"Ich hörte, dass Du zu einer wahren Königin der Nacht aufgestiegen bist, hier in der Sistiere. Beeindruckend für eine Frau...beeindruckend. Ich wollte Dich sprechen, da wir beide doch nun eine ganze Weile hier in Ravecca...leben...werden."

Sie machte mit ihrer freien Hand eine bedeutungsvolle Geste.

"Und mir ist an einer...freundlichen Nachbarschaft gelegen."

[Sousanna]

Sousanna besaß den Anstand rot zu werden. "Es ist eine große Ehre, das von einer so weisen Dame zu hören.", lächelte sie - und doch, widersprach sie nicht.
Stattdessen lehnte sie sich an die nahe Hauswand und lächelte die alte Hexe an. Der grüne Mantel klaffte auf und ließ erahnen, dass sie darunter praktische Kleider trug, die aber in keinem Fall aus Italien stammten.
Ihr Lächeln sprach immer noch von sanfter Freude, eine so alte Bekannte wieder getroffen zu haben.

"Ich halte es mit Leben und Leben lassen, liebe Mutter.", erklärte sie ruhig. "Und wenn man offen miteinander spricht, findet man doch immer eine Einigung. Das ist das, was wir den Mannsbildern voraushaben. Wir schlagen uns für gewöhnlich nicht erst einmal die Köpfe ein."

[La Strega]

Die alte Hexe lachte spitz und gehässig und zwinkerte der augenscheinlich jüngeren Frau mit ihrem Silberblick zu.

"Oh ja. Die meisten Männer denken mit ihren Striegeln und wenn sie alt genug sind damit zu spielen werden sie sehr anstrengend."

Sie gluckste.

"Gibt es was, wo ich meine schrumpligen Finger auf keinen Fall hin ausstrecken sollte?"

[Sousanna]

Die Ravnos lachte leise und schien sich noch etwas mehr zu entspannen.
"Dann halten sie sich für allmächtig und vergessen, wie leicht man ihnen ein hübsches Halsbändchen umlegen kann.", sinnierte sie und strich sich gelassen etwas Dreck aus dem Mantel.

Dann aber grinste sie sehr unfein. "Wer ist ein junges Ding wie ich einer Matrone wie dir etwas zu verbieten?", fragte Sousanna und in ihren Augen funkelte etwas sehr düsteres. "Für gewöhnlich ziehen weise Frauen wie du, junge Dinger wie mich an den Zöpfen durch die Gassen und schelten sie eine Hure."
Sie kicherte vor sich hin, ehe sie ernster wurde. "Lass mir nur das Alla Murra, die Wache und meinen guten Tiziano. Der Rest kümmert mich nicht."

[La Strega]

"Tatsächlich?"

Die Alte wirkte im ersten Moment tatsächlich ein wenig verblüfft, überspielte das aber wieder mit ihrem Kichern.

"Für gewöhnlich ja. Doch weiß ich, dass Du nicht so jung bist, wie Du erscheinst, wenn ich mal so uncharamant sein darf, das zu sagen."

Sie zwinkerte Sousanna zu.

[Sousanna]

Auch Sousanna grinste leise vor sich hin.
Scheinbar geschmeichelt steckte sie sich die duftenden Haare zurück in den Haarkranz.
"Naja, über alles andere kann man jederzeit sprechen.", meinte sie scheinbar gleichgültig und zuckte die Schultern, ehe sie die Hexe noch einmal charmant anlächelte. "Wir Frauen müssen zusammenhalten, nicht?"

Dann vertiefte sich ihr Grinsen noch weiter. "Ich? Ich bin doch noch ein Küken. Jung und dumm."

[La Strega]

Die Hexe lachte gellend und spitz los, so unangenehm wie Nadelstiche auf der Haut.

"Oh mein Kind, die, die das behaupten sind meist die schlimmsten und die, auf die die Männer am häufigsten reinfallen. Aber ja..."

Sie machte vergnügt glucksend eine kurze Pause.

"Wir Frauen müssen zusammen halten. Deshalb wollte ich mit Dir reden, da ich nun auf der gleichen Seite des Schleiers stehe, wie Du. Und ich habe weder Grund noch Interesse an einem Konflikt mit Dir."

[Sousanna]

Offensichtlich schien die junge Schönheit Nadelstiche auf der Haut zu mögen. Oder aber schlicht sehr gut lügen zu können, denn sie lächelte nur scheinbar geschmeichelt und lehnte sich in jener Art und Weise an die Hauswand wie es die Huren taten, wenn sie auf Freier warteten. Unwillkürlich musste man die Makellosigkeit ihres Leibes bewundern.
"Na dann beherrsche ich meine Kunst wohl", schmunzelte sie.

Schließlich aber sah Sousanna die Hexe ernst an. "Dann lass uns einen Bund schmieden. Bist du noch im Gewerbe?", fragte sie mit einem Mal recht geschäftsmäßig - und man mochte zum ersten Mal darüber nachdenken, ob sie auch mit anderen Qualitäten als nur der Verführung Tizianos das Vertrauen seiner Bande gewonnen hatte.

[La Strega]

"Ohooo...!?"

Die überzogen gespielte Reaktion der Überraschung verwandelte sich in ein kichern. Gierig glotzte die Alte die verführerische Schönheit an.

"Du traust Dich einen Pakt mit einer Hexe einzugehen...mutig mutig..."

Merkte sie anerkennend an. Schmatzte ein paar mal mit den ekeligen Mund und den spröden Lippen.

"Nun ich gehe meinem früheren Gewerbe noch nach...ja. Was ist Dein Vorschlag?"

Konzentriert, blinzelte die Hexe Sousana mit ihrem Silberblick an.