[1016] Vom Irrlichtern [Alain]

[Sousanna]

Die Dienerin hatte begonnen duftendes Öl auf der Stirn ihrer Herrin zu verreiben. Mit einem genüsslichen Stöhnen gab die sich der wohltuenden Berührung hin.
"Weniger Narben, mehr Stil?", brummte sie und räkelte sich wie eine junge Löwin. "Ein bisschen weniger das Aussehen einer Trauerträgerin?" Halb interessiert schielte sie zu ihrem Gast hinüber und beobachtete, was er mit dem Jüngling anstellte. "Hast du denn bestimmte Ideen?"

Eine Weile ließ sie sich das Genick massieren und ließ dann zu, dass die Blonde die Seide von ihren Schultern hinab schob.
Dann sah sie ihn beinahe empört zu Alain hinüber. "Aber natürlich funktioniert es im großen Stil!", stellte sie mit fast schon gekränktem Stolz fest und sogar Goldlöckchen sah den unwissenden Gast vorwurfsvoll an.
Doch Sousanna war keine Sünderin, die lange etwas nachtrug. So fragte sie bald: "Was hast du denn vor mit der Vermengung unserer Künste?" Die Neugier in ihrem Gebaren war nur schlecht verborgen.

[Alain le Beau]

"Oh, da fallen mir eine ganze Menge Dinge ein", sagt der Tzimisce grinsend. "Auch wenn ich deine Spielereien nicht ganz verstehe." Sich das Kinn reibend, beginnt er aufzuzählen: "Wir könnten ihr zum Beispiel ein hübsches Gesicht verpassen, aber es so wirken lassen, als sei es hässlich. Oder andersherum. Oder grüne Haare, die erst am nächsten Tag sichtbar werden... geht das? Oh, oder Körperverzierungen..."

Dann runzelt er die Stirn. "Dieser Pfirsich schmeckte wie echt. Was passiert, wenn du einen Holzpfahl aus der Luft zauberst und ihn jemandem in die Brust rammst? Oder Feuer - was ist mit Feuer?" Offenbar ist auch in Alain der Forscherdrang seines Clans nicht völlig ausgestorben. Tatsächlich ist sein Gesichtsausdruck nun ebenso begierig, wie wenn er sich mit jemandem vergnügt.

[Sousanna]

Langsam und wie der Teil einer Choreographie überschlug die Ravnos die Beine und grinste zu der prunkvoll bemalten Decke des Schiffes empor. Genüsslich streckte sie den Arm aus und strich ihrem Spielzeug sacht über die Wange.
"Es wäre möglich", raunte sie und sah den Drachen dann mit einem Blick wie Honig an. "Anstrengend aber möglich." Leise lachte sie in sich hinein. "Es müsste sich nur lohnen und ich würde es mir überlegen."

Dann schmunzelte Sousanna leise. "Es würde weh tun.", grinste sie und eine gewisse Schadenfreude lag in ihren dunklen Augen. Eine leise Grausamkeit schien den Schleier der Unschuld zur Seite zu schieben. "So wie die Wirklichkeit... Vielleicht ist es dann auch die Wirklichkeit...", orakelte sie.

[Alain le Beau]

Der Tzimisce grinst ein kleines, gemeines Grinsen. "Nun, es ist natürlich deine Entscheidung. Ein solcher Scherz könnte nützlich sein. Unter den richtigen Umständen. Aber damit wäre er kein Scherz mehr." Er verschränkt die Arme. "Je mehr ich über dich und deine Familie lerne, desto verwirrter siehst du mich. Wirklichkeit, Schein... Das erscheint mir sehr nützlich, in vielerlei Hinsicht." Er blickt auf seine Hände, liebevoll. "Was ich schaffe, das ist wirklich - doch ich weiß, wie sehr die Menschen den Schein schätzen."

[Sousanna]

Die Blüte Byzanz' seufzt theatralisch. Jemand der dümmer wäre, hätte ihre gespielte Besorgnis für bare Münze genommen. So blieb es einfach ein beeindruckendes Schauspiel.
"Ein guter Scherz hat immer einen Nutzen, aber ich glaube, dass in dem Fall die Dankbarkeit mehr Nutzen hat.", warf sie ein und ein gewisser Ernst lag in der warmen Stimme. Beinahe als hätte sie bereits Netze gesponnen, von denen der Drache nichts ahnte.

Dann aber kicherte sie. Und es war so warm, so zart wie das Meer im Sommer, wenn es über den weichen Strand streichelt. "Meine Familie hat viel gelitten, aber dafür viele Geschenke bekommen." Leicht schüttelte sie den Kopf und schien etwas zu verwerfen. "Der Schein ist oft die mächtigste Waffe, die die Menschen kennen... Aber man muss ihn beherrschen können. Sonst landet der Pfahl im eigenen Leib."

[Alain le Beau]

"Ein sehr nützliches Geschenk", nickt Alain anerkennend. "Was nun die Gefahr angeht, so gibt es wohl keine Gabe unseres dunklen Vaters, die frei davon ist. Und das ist gut so. Nur diejenigen, die ihre Geschenke klug und maßvoll verwenden, verdienen sie." Er lacht. "Also zum Beispiel, um einer Salubri Streiche zu spielen."

Schließlich legt er den Finger ans Kinn. "Amalias Dankbarkeit... Nun, warum nicht. Wir werden sehen, ob sie ihre Aufgabe erfüllt. Ob sie nützlich sein kann."

[Sousanna]

Ernst nickte Ravnos und unterdrückte dann ein leises Lächeln. "Das klingt überraschend fromm für einen Sünder.", wieß sie gelassen hin und drehte sich mit einem Gähnen in seine Richtung.
"Immerhin versucht sie es mit ganzer Kraft. Sogar bei mir war sie schon. Und bei den Verborgenen, so ich höre." Sousanna schmunzelte weiter vor sich. "Also sei gewiss, dass du da ein fleißiges Bienchen angeworben hast."

Schließlich sah sie den Bruder im Geiste aber ernst an. "Hast du eigentlich eine Ahnung wie man Blutsauger auf andere Wege bringt?", fragte sie interessiert.

[Alain le Beau]

Der Tzimisce runzelt die Stirn. "Nun, man lässt einen Aschepriester kommen, vermute ich. Wenngleich es natürlich einfacher ist, einem frisch gebackenen Kainskind seine Möglichkeiten darzulegen, möchte ich meinen." Er reibt sich mit Daumen und Zeigefinger über die Wangen. Die feine Seide schmiegt sich dabei perfekt an seinen Körper an. "Ältere Vampire sind meist schon recht eingefahren in ihren Gewohnheiten. Da würde es wahrscheinlich ein sehr drastisches Erlebnis erfordern, um das gewünschte Ziel zu erreichen." Ein Schulterzucken. "Derlei war für mich bisher nicht wirklich von Interesse."

Er verschränkt die Arme. "Aber ist dein Erzeuger nicht erfahren in diesen Dingen, nach dem, was du über ihn berichtet hast? Wen willst du denn von seinem Weg abbringen - und wohin soll die Reise gehen?"

[Sousanna]

Die Harpyie nickte leicht. Die Antwort schien sie wenig zufrieden zu stellen, doch was half es schon. Mit einem schweren, diesmal echten Seufzen setzte sie sich auf und stützte mit einem Schmollmund den Kopf in die Hände.
"Ach ist das alles ärgerlich.", stellte sie fest und schien nachzudenken. "Und so viel Arbeit." Leises Fluchen in ihrer Muttersprache. "Ich wollte den Fürsten nicht stören. Er ist sehr beschäftigt, das weißt du ja. Aber es nutzt wohl nichts."

Immer noch ein wenig trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. Ihre Dienerin war klug genug, die Ravnos in diesem Augenblick vor sich hin schmollen zu lassen. Es hätte das Bild zerstört.
Dann aber schüttelte sie den Kopf. "Natürlich auf den einzig erfüllenden Weg. Zur Sünde." Sousanna klang ungeduldig. "Aber ... ach" Dramatisch fuhr sie sich durchs Haar. "Es ist alles so riskant und ich will keinen Fehler machen."

[Alain le Beau]

Alain hebt die Hände. "All das klingt furchtbar dramatisch, aber sieh es doch einmal so: Wenn dein Objekt dir entgleitet, kann es immer noch in Wahnsinn und Tod enden. Wäre das nicht ganz herrlich? Ein wunderbares Spektakel." Er knabbert an seinem Gespielen, der offenbar bereits ziemlich weggetreten ist angesichts der Berührungen des Tzimisce. "Was meinen konkreten Rat angeht: Ich bin zwar recht geschickt darin, Menschen - und Kainskinder - zu lesen, aber ich kann dir nicht helfen, ohne mehr zu erfahren." Er verbirgt die Neugierde auf seinem Gesicht nicht. Wozu auch?

Nach einer kurzen Pause stiehlt sich ein Stirnrunzeln auf sein Gesicht. "Und wer ist dieser Fürst, von dem du da sprichst?"