[1023] Alte und neue Masken [Achilla]

[Februar '19]
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Ihre Worte machten ihn nachdenklich. Er hatte das nie so gesehen, dass es eine herausforderung für sie war. Ein Beweis von Stärke, trotz des Mangels überleben zu können und auch ihre anderen Worte schienen etwas in dem Tzimisce auszulösen. Für einen Moment hielt Toma in der Bewegung inne, starrte sie einfach nur an, oder durch sie hindurch, versunken in Gedanken.

"Entweder, wir überstehen dies und erstarken daran… oder nicht." ... "dass keine Veränderung am Körper unmöglich ist"

Er erinnerte sich an vergangene Gespräche, die ähnliches gesagt hatten und es stimmte. Er war auch daran gewachsen, irgendwie, auch wenn es zu lange so schien als hätte er sich verloren. Aber er war noch immer da.

Für einen Moment presste er die Lippen zusammen, dann sah er sie wieder klarer an. Das war jetzt nicht der Moment...

Er betrachtete die Motte auf ihrer Haut. "Ja, die kenne ich. Ich entnehme dem, ihr beherrscht diese?"
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Signora Achilla
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Signora Achilla »

“Es ist eine ähnliche Sache. Eine Einzelne...” Sie machte eine kleine Geste und ein paar der Motten flatterten darum her, wohl aufgeschreckt durch die jähe Bewegegung. “...ist etwas anderes als alle zusammen. Sie sind auch nicht gewöhnlich - wie könnten sie das sein, so wie sie geboren werden und leben? Ha.”

“Schwarm oder der Einzelne? Wo beginnt das eine oder hört das andere auf? Sind wir selbst mehr als Blutegel an der lebendigen Brust der Welt? Oder mehr als ein geistloser Schwarm unwürdiger Insekten unter dem Blick und Bewusstsein jener, die älter und mächtiger sind als wir begreifen können?”

Das wären philosophische, schwere, tiefe Fragen gewesen, wären sie mit der dazugehörigen Würde und bewussten Schwere vorgetragen worden. Doch die Signora lächelte mit ihren entblößten Lippen und irgendwie klangen diese Fragen vorgetragen, wie ein Spott über diesen Ernst. Sie erklärte es selbst:

“Ich habe zu oft selbst darüber nachgedacht. So oft, dass es in meinem Kopf schon wie der Trott auf ausgetretenen Pfaden ist. Wir alle sind zu unterschiedlich und bei meinem Blut sind die Einzigartigkeiten nur überdeutlich gezeichnet, so dass man sie klarer und mit bloßem Auge sieht.”
Sie hielt einen Augenblick inne, überlegte wohl spontan etwas und griff dann das verrottete Fleisch ihrer Hand hinein, um den gesamten, zartgesponnenen Kokon hervorzuziehen. Behutsam küsste sie das kleine, zerbrechliche Ding und reichte es dann auf der anderen Hand dar.

“Ich schenke Euch dies.” Oberflächlich klang es leichthin geplaudert, eine kleine Geste am Rande. Doch mit dem Verlauf des Gespräches war recht klar, dass die Gabe durchaus Bedeutung für die Signora besaß. “Eigentlich wollte ich Euch die Maske lassen, ist sie doch von meiner Hand. Ich hatte vermutet, dass ein Herold, der die Fremden empfängt, dahinter sehen will. Es wäre eine elegante Geste gewesen, dachte ich mir.” Sie lächelte, mit einem eher milden Vorwurf in der Stimme - wohl weil er darauf zuvor nicht einmal eingegangen war.

“Doch Ihr scheint eine andere Lust zu haben als die an verzierten Äußerlichkeiten. Ganz ohne ein Geschenk sollte und will ich nicht bleiben. Es gehört sich so.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Ihre plötzliche Verbindung von Motten und Ahnen kam für ihn unerwartet und nicht ganz nachvollziehbar, aber er mochte es zu hinterfragen und er konnte Fragen auch nicht unbeantwortet lassen. Zumindest für sich selbst. Auch wenn sie es nicht völlig ernst gemeint hatte, so würde sie nun merken, dass Toma alles ernst nahm.

Während er die dargebotene Mottenlarve entgegen nahm, die sie ihm reichte und sie betrachtete, antwortete er ihr:
„Das Eine beginnt und endet nach dem was wir sehen, da wo sein Körper endet. Der Schwarm ist ein Zusammenschluss aus mehreren. Doch sie sprechen miteinander, also könnte man annehmen, wenn alle dem selben Impuls folgen, dass sie dann eins sind?

Davon unabhängig. Wir sind mehr als das. Schon gar nicht sind wir ein geistloser Schwarm. So verhasst wie die Kinder Kains untereinander mitunter sind, so wenig können wir ein Schwarm sein. Wir sind in den Augen der Alten womöglich Insekten, aber dann wäre das eine falsche Annahme. Denn jeder von uns kann wachsen und selbst irgendwann zu den Alten gehören. Gott hat uns eine Willen, ein Streben zu mehr gegeben, ein Potential und ein Schicksal. “


Dann sah er der Signora wieder direkt in die Augen.
„Habt Dank für dieses besondere Geschenk. Eure Maske...“ Er stockte kurz und seine sich hochziehenden Lippen entblößten seine Fänge. „...die Motte ist eine bessere Idee.“ hielt er es diplomatisch, doch die Spannung war spürbar. Sie konnte es ja nicht wissen, dass ihn das entgegen ihrer Annahme sehr beleidigt hätte.
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Signora Achilla
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Signora Achilla »

Dieser Anblick seiner Fänge und seine Wortwahl ließen die Signora innehalten. Sie sah ihn aufmerksam an und machte einen Schritt zurück, um kurz zu der Maske hin zu deuten. “Es ist seltsam, was in den Jahren für uns Bedeutung erhält und was sie bekommt. Diese Maske wurde gefertigt, um sie abzulegen. Für heute Nacht.”

Sie ging herüber dorthin, wo sie die Maske hatte liegen lassen und hob die beiden Teile davon auf. “Kein anderer Zweck.”
Es war eine Geste, die harmlos und sanft wirkte, nur leicht aus dem Handgelenk heraus. Doch unter den Händen der Signora brach das bemalte Holz der Maske wie trockener Reisig.

Die nächsten Worte klangen kalt und scharf. “Wille und Schicksal sind große Worte. Ob wir den Schatten unserer Ahnen je ausfüllen oder jemals über ihn hinauswachsen können, weiß ich nicht.”
Mit diesen letzten Worten war der Tonfall milder geworden, dann sanft. Man könnte fast meinen, das letzte Eingeständnis klänge in seiner Ratlosigkeit hilflos ...oder hilfesuchend. Aber dann wieder war der Wechsel der Tonart zu schnell gekommen.

Plötzlich lächelte die Signora wieder. “Wie ernst wollt Ihr dieses Gespräch führen? Wie tief? Ihr habt mich bereits überrascht. Eine Vorstellung sollte seichtes Gewässer sein, Floskeln, Etikette, Höflichkeiten, Fassaden. Masken. Ihr habt recht, wenn Ihr sagt, dass wir nicht gemacht sind, um im Schwarm zu fliegen oder im Rudel zu laufen. Darum gibt es all diese Dinge, die festen Rahmen, harten Regeln und zarten Gesten. Auf die Weise laufen wir auf Bahnen, die uns davor bewahren sollen, zu tun, was unter alledem unsere Natur ist.”

Das letzte unterstrich sie, indem sie mit einem Splitter der Maske kurz an die scharfen, verrottenden Splitter ihrer Zähne tippte. Dort, wo ihr Gegenüber seinerseits Fangzähne gezeigt hatte.
“Doch ich will nicht darauf bestehen. Im Gegenteil: Mir gefällt, wohin Ihr mit Euren Fragen führt. Habt Ihr noch mehr?”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Als sie die Maske zerbrach, sah er sie überrascht an, aber lauschte weiter ihren Worten, während er die Motte auf dem Tisch ablegte.
"Floskeln und seichte Gewässer langweilen mich. Dann verschwendet ihr meine Zeit und ich verschwende ungern meine Zeit. Also ja, lasst uns fortführen wofür ihr hier seid." stellte er klar und lächelte. Langsam kam er ihr wieder näher und griff erneut nach ihrem Gesicht. Berührte ihr Kinn und ihre Wangen, mit den Fingerspitzen, während seine andere Hand ihre umfasste, die noch das zersplitterte Holz hielt, im Versuch es ihr abzunehmen.
"Ich habe einige Fragen, aber zu erst fragte ich euch wo ihr euch sehen würdet...Willig oder wehrend?" fuhr er fort und sah ihr eindringlich in die toten Augen.
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Signora Achilla
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Signora Achilla »

Für einen Moment schmiegte die Signora ihre Wange in seine Hand. Ihre Haut fühlte sich tatsächlich trocken an, in Teilen wie Pergament oder altes Leder, in anderen schon so sehr im Verfall, dass sie unter der Berührung brüchig und pudrig wurde. Die Signora schien die Berührung dennoch zu genießen, mit halb geschlossenen Augen und einem feinen Lächeln.
“Willig”, sagte sie leise. Dann jedoch sah sie ihn direkt an und griff nach seinem Handgelenk. Ihre Fingerspitzen fanden ganz selbstverständlich die Stelle im Inneren seines Handgelenks und Arms, unter der bei einem Sterblichen das Blut pulsierte.

“Zwei Bedingungen. Drei, vielleicht.” Es waren drei Finger, die dort auf seiner Haut ruhten. Verborgen unter dem Stoff von Handschuhen sahen sie normal aus. Sie hob den ersten an.
“Was Ihr erfahrt, das teilt mit mir. Ich will erfahren, was Ihr erfahrt. Vielleicht kann ich daraus lernen.”

Sie hob den zweiten Finger an. Die Berührung war kaum mehr als ein Hauch. “Ich kam her, um darum zu bitten, in Genua bleiben zu dürfen. Helft mir - oder, wenn Ihr das nicht könnt, so legt mir doch keine Steine in den Weg.”

Dann zog sie ihre Hand fort. “Und zuletzt lasst es einen Genuss sein. Für Euch, für mich. Ihr wollt die seichten Gewässer hinter Euch lassen und tun, was Ihr müsst? Seid mir willkommen, doch langweilt nicht. Teilt Euren Genuss und mehrt ihn.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Mit sanften Berührungen fühlte er ihre Haut unter seinen Fingerspitzen. Das pudrige und bröcklige. Die so tote und verfallene Haut. Wie vielfältig doch Gottes Schöpfung war...dann griff sie nach ihm und er ließ es geschehen. Wartete und sah sie aber herausfordernd an. Hinter den blauen Augen lauerte das Tier, auch wenn es seine Fratze nicht zeigte, war es beinahe spürbar.

„Fordernd“
erwiderte er halb amüsiert halb empört, nachdem sie ihre Bedingungen genannt hatte. Dann schüttelte er den Kopf, während seine andere Hand ihre andere fester umschloss und beinahe schon unangenehm zudrückte.
„Direkt drei Dinge...für eins? Nein. Eines davon.“ Entschied er. „Wobei ich mich frage welche Erfahrungen ihr euch erhofft. Kennt ihr euren Körper nicht bereits am besten? Und was ist für euch ein Genuss?“ Leicht löste sich der Druck wieder.
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Signora Achilla
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Signora Achilla »

Das bereits ließ sie lachen. Das Geräusch war absonderlich schön, perlend und leicht. Und dann verstummte sie unter dem Druck seiner Hand. Ihre eigene schnellte im ersten Impuls wieder hoch, um seine zu greifen und zu lösen, aber sie hielt mitten in der Bewegung inne.
Irgend etwas brach unter dem Druck seiner Hand. Ein paar Schichten Haut blätterten ab und ein paar Larven flohen tiefer in das Fleisch hinein.

“Genau dies genieße ich wohl”, gab sie zu. “Ich will sehen, was die Nacht mir zu bieten hat. Die ganze Welt. Das kann ich schlecht, wenn ich nicht danach greife, wenn ich es nicht erprobe oder meine Kraft damit messe. Es schmecke.”

Sie hob die Hand, die er umgriffen hielt etwas an und begann wieder, um ihn her zu gehen. Die Nosferatu war alles andere als schwächlich, so zerbrechlich sie auch wirken mochte. Es wirkte wie die ersten, langsamen Schritte zu einer Sarabande.

“Wenn ich wählen muss, von diesen drei Dingen, dann wäre natürlich Eure Unterstützung das klügste. Das ebnet Wege, ja?” Sie lächelte und dann schüttelte sie den Kopf. Halb spöttisch und halb verächtlich meinte sie: “Wer ebene Wege braucht und sie mit Speichelleckerei schmiert, der kann darauf auch gleich zur Hölle rutschen.”

“Bleiben zwei übrig. Geteiltes Wissen? Das ist verführerisch, weil Ihr es wollt. Versteht Ihr das? Ich will sehen, was Euch daran so gefällt, dass Ihr über die Grenzen von Form und Pflicht hinaus tanzt und weiter ausgreift, erprobt und Eure Kraft damit messt. Es schmeckt.”
Sie neigte den Kopf ein wenig. “Also sind die beiden übrigen Auswahlen in Wahrheit eine. Und das macht es einfach genug.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

"Ausprobieren, wagen, ein Risiko eingehen, um etwas zu erfahren. Eine Einstellung die ich zu schätzen weiss." Erwiderte er und sah sie begeistert an, bevor sein Blick auf ihr Handgelenk fiel, dass seinen Fingern so leicht nachgegeben hatte wie Reisig.
Immer noch hielt er sie an der Hand, während sie sich langsam bewegte und ließ sie nur so weit fort, wie zu einem Tanz, verfolgte sie mit den Augen aber ließ sich nicht von ihr führen. Lauschte ihren Worten dann zog er sie plötzlich wieder heran. umfasste ihre Taille, fühlte ihren Körper unter dem Stoff und sie spürte den Druck seiner Hände.
"Verführerisch." wiederholte er und sah aus als würde er erst einmal darüber nachdenken was dieses Wort bedeutete. "Was mir daran gefällt. Ich lerne etwas neues, etwas nie gesehenes kennen. Etwas was nach den Vorstellungen der Sterblichen nicht existieren dürfte und es doch tut. Ich sehe eine Form der Schöpfung, die völlig neu und besonders ist. Die lebt und existiert obwohl jeder Kenntnisstand über die Funktionalität des Körpers dagegen spricht." erklärte er in Eifer die seine Augen leuchten ließ. Seine Hände wanderten ihren Rücken hinauf berührten ihren Nacken und Hals und krümmten sich leicht, als er vorsichtig darüber kratzte.
"Spürt ihr eigentlich Schmerz? Tut es nicht weh, wenn sich eure Haut so ablöst, wie sie es in eurem Gesicht tat?" Zu eben jener Stelle an ihrem Mund und Augen wanderte sein Blick.
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Re: [1023] Alte und neue Masken [Achilla]

Beitrag von Signora Achilla »

Irgendeine gierig zugreifende Hand im Marktgetümmel hätte es wahrscheinlich nicht sogleich bemerkt, doch in dieser Lage, jetzt, fühlte sich dieser Körper unter dem Stoff seltsam an.
Die Taille war glatt und fest wie die einer Jungfer. Oder auch ein wenig fester. Zu glatt, zu geformt.. nicht echt. Womöglich war der ganze, so wunderschön geformte Körper unter dem Stoff nicht echt? Vielleicht war das alles eine einzige, große Maskerade, die Kleidung ein Kostüm, Rosenduft über Leichengestank.
Als sie sich unter seiner Hand bewegte, um mit seinen Schritten zu tanzen, wurde es spürbarer. Wahrscheinlich war wenig von dem, was er tastete, tatsächlich die verfallende Haut oder der verrottende Körper. Leder vielleicht, oder feste Stoffe, geschickt vernäht und zusammengeschnürt.

Die Signora lauschte ihm und sie spürte diese tastende Hand auf ihrem Körper. Es ließ sie lächeln. Nein, sie schämte sich nicht.
Der Nacken und der Hals, sonst besser verborgen unter Tuch, Schal und Mantel waren nicht auf so eine Weise geformt oder geschützt. Hier und da fühlte die Haut sich perfekt an, wunderschön und seidenweich - und das erhöhte nur den Kontrast zu dem fauligen, pudrigen Verfall darum her. Teile fühlten sich brüchig an wie jene Stelle am Handgelenk, vielleicht? In der Schulter der Signora, eingebettet am Schlüsselbein, nistete ein ganzes Knäuel von Larven, miteinander versponnen und wie ein Geschwür im toten Fleisch.

“Ich verstehe wenig von dem gelehrten Wissen, das sie sonst in den Klostern und Bücherhallen verschließen”, gab die Signora zu. “Säfte und Kräfte und wie die Glieder und Innereien zusammen gehören.”

“Doch ich glaube, dass wir diese Dinge hinter uns lassen, wenn wir sterben und wiederauferstehen. Wir werden etwas gänzlich anderes und für die meisten von uns ist der hübsche Körper nur ein weiteres Werkzeug zur Jagd. Sich unter die Beute mischen zu können ohne erkannt zu werden ist sein Nutzen. Doch der Rest… .”
Sie zuckte mit den Schultern und fügte ein wenig kühler hinzu:

“Nein, es schmerzt nicht. Was Ihr gerade zerbrecht, das ist schon tot. Morgen Nacht wird es wieder da sein oder auch nicht. Dieser Körper verfällt. Und gleichzeitig enthält er mehr Leben als der anderer Kainiten. Und ich? Ich bin vielleicht nur die Summe aus alledem. Oder vielleicht werde ich in irgendeiner Nacht ganz zerfallen sein und es bleibt nichts übrig außer einem Schwarm von Nachtfaltern mit einem Geschmack für Fleisch und Blut.”
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