[1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

[Februar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Der Nosferatu fluchte vor sich hin. Er schien ganz außer Atem, so oft wie er dazwischen Luft holen musste. Wenn er denn noch atmen würde - die Luft zum Fluchen brauchte er ja trotzdem. "Dieser verdammte Bastard, na warte...!"

Es tat einen gewaltigen Schlag und irgendwas größeres in Lumpen flog an der Öffnung im Schiff vorbei, Holzbersten und Wasserplatschen waren die unmittelbare Folge. Ein tiefes, blubberndes Grollen hallte lang und bedrohlich aus dem Dunkel, knochige, schuppenbesetzte Finger mit Schwimmhäuten zwischen ihnen legten sich um die Kante des Lochs in das Jacques zuvor allein gestiegen war. Sie griffen nach einem der Balken, bogen und brachen ihn schließlich heraus. Durch den entstandenen Riss, in dem Streifen Finsternis, blickten ein paar Augen in Seresas Richtung.

Offenbar hatte es sie gehört.
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Braune Augen blickten furchtlos und entschlossen auf den entstandenen Riss. Entweder rechnete Seresa mit Jacques oder aber die Brujah war sich ihrer selbst sicher. Der Tatsache, dass sie hier das größte anwesende Monster war. Schlimmer noch als die wirren Erzählungen der Menschen über Sirenen. Doch sie unterschätzte keinen Gegner. Sie wählte den Ort, an dem sie kämpfen wollte und das war nicht ein enger, dunkler Schiffsbauch, in welchem sie im Nachteil gewesen wäre. So das Ding sie haben wollen würde, würde es rauskommen müssen.

Der Stab lag ruhig in Seresas Händen, während sie ihr Gewicht zum Kampf bereit verlagert hatte. Aus den Augenwinkeln heraus, behielt sie die Lumpen im Auge, welche ihren Weg nach draußen gefunden hatten, um sich nicht von etwas unerwartetem überraschen zu lassen.

„Jacques!“

Ihre Stimme klang aufgeriebener. Gar gereizter. Es war nur schwerlich zu überhören, wie wenig ihr das Ganze hier gefiel. Ausgefahrene Fangzähne waren deutlich im Mondlicht zu sehen, als sie seinen Namen rief.
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Es war klug von ihr gewesen, nicht den Innenraum des Schiffes zu wählen. Kreaturen in ihrem eigenen Nest haben immer einen Heimvorteil. Was auch immer es war, trat näher an die Öffnung, den Blick fokussiert auf die Brujah. Und vermutlich war genau das ihr Fehler! Aus dem nichts, aus dem Dunkel hinter der Gestalt, griffen zwei Hände um ihren Kopf, in ihre Augen mit den langen und deformierten Fingerspitzen und zogen sie nach hinten. Das Etwas jaulte auf und das Wasser neben dem Schiff wurde unruhig, als die Leiber unzähliger kleinerer Kreaturen hinein in den Bauch des Wracks strömten. Ein dumpfer und schneller Schlagabtausch, ein halb panisch gestammeltes "Hab ich Dich, Du Bestie!" und der Geruch von Blut machte sich breit. Einen Augenblick des Tumults später, kämpfte sich Jacques gegen die Fluten von Muränen an nach draußen, im Hintergrund fauchte und zappelte etwas im Dunkeln als wäre es festgenietet am alten Holz. Der Schürhaken fehlte.

Der angeschlagen wirkende Nosferatu kam ihr entgegengehinkt. "Wir sollten verschwinden und mit ein paar Fackeln wiederkommen.", brummte er mit einem Seitenblick wie hinter sich. Doch daraus sollte nichts werden. Während die Raubfische sich über was auch immer dort drin war hermachten und das Fauchen von 'aggressiv' in Richtung 'verzweifelt' glitt, gaben nun die letzten Balken ihren Dienst auf, die das Schiff noch in einem Stück und an Ort und Stelle gehalten haben. Mit einem schaumigen Getöse rutschte es nach und nach vor ihrer beider Augen ins Wasser und würde bald nicht mehr zu sehen sein.

Jacques blickte hoch zu der kampfbereiten und entschlossenen Seresa. "Umh,... vielleicht solltest Du Deine Beißerchen wieder einpacken, bevor wir zurückgehen. Sonst sieht sie noch jemand. Und ich zieh inzwischen die hier wieder an.", sagte er und holte seine Maske hervor, um sie über das Dunkel unter seiner Kapuze zu stülpen.
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Seresa war zügig einige Schritte auf das Loch zugegangen und somit auch auf Jacques, bevor das Schiff sich mit einem heftigen Ruck losriss. Die schmächtige Brujah wankte und bohrte mit einem Stoß ihren Stab in den Sand, als die entstandene Strömung an ihrem Körper zog und drohte sie mit ins offene Meer zu ziehen.

Eine Verwünschung wanderte über ihre schmalen Lippen, als das unbekannte Wesen samt Schiff in die Tiefe gerissen wurde und erst Jacques Worte sorgten dafür, dass Seresa ihre Aufmerksamkeit wieder ihm zuwandte und weg von der Gefahr. Im jungen Gesicht spiegelte sich deutlich wider, wie wütend sie war, wenn auch nicht aggressiv oder gegen ihre Begleitung gewandt. Ihre Verärgerung war ob dem allem was geschehen war. Mit einem Laut ihrer gärenden Unzufriedenheit, riss sie den Stab mit einem Ruck aus dem Boden, als die Strömung leichter wurde und ihre Füße besseren Halt gefunden hatten.

Ihr Blick ruhte auf dem Gesicht, welches sich unter der Maske erneut verborgen hatte und die Anspielung auf ihre Fangzähne machten Seresa deutlich, dass er wusste was sie war und er den Unterschied zwischen einer Sirene und einem Kainiten durchaus kannte. Als sie sprach war ihre Stimme ungewohnt ernst und klang deutlich älter, als es ihr Äußeres vermuten ließ.

„Mein Name ist Seresa, Neugeborene vom Clan der Gelehrten, Kind von Fabrizio Piccolomini, Ancilla vom Clan der Gelehrten.“

Für einen Moment schwieg sie und ließ ihrem Gegenüber die Zeit die veränderte Situation zu begreifen.

„Als Herold im Dienste ihrer Majestät Aurore und der Domäne Genua muss ich Euch darum bitten, mich zum ´Nordisch Allerlei´ in der Stadt zu begleiten. Ich werde dem Blutvogt hierüber Bericht erstatten müssen und Ihr werdet ihm eine Möglichkeit nennen, wie er Euch erreichen kann, so er Euch selbst zu dem allem was geschehen ist befragen will.“

Ihre Worte klangen nicht wie eine höfliche Bitte, sondern wie eine Aufforderung, welche keinen Widerspruch dulden würde.

„Ebenso werdet Ihr Eure Vorstellung beim Herold vorziehen, anderenfalls würde ich mich gezwungen sehen, Eure unangekündigte Anwesenheit innerhalb der Domäne als Verstoß gegen die zweite Tradition werten und dies der Geißel melden zu müssen. Etwas, worauf ich gut und gerne verzichten würde, ist dies alles hier…“

Seresa deutete mit ihrem Stab auf die Dunkelheit, in welcher das Schiff verschwunden war.

„Bereits unangenehm genug erklären zu müssen.“
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques nickte wie ein leicht derangierter Geier es wohl würde, wenn ihm der Kopf zu schwer wurde. Dann begann er zu kichern, wobei im ersten Moment nicht ganz klar war, ob es aufgrund des plötzlich aufgekommenen Ernstes in ihrer Stimme, der Erleichterung ob des gelösten Mysteriums des davongerutschten Schiffes oder der Freude nicht von was auch immer dort war in Stücke gerissen worden zu sein. Es wurde jedoch recht offensichtlich, als er auf ihre Höhe aus dem Wasser herauswatete und - offenbar vergnügt - in ihre Richtung sprach.

"Ah, eine Offizielle. Auch gut! Freut mich nach wie vor, ob mit oder ohne Titel." Er kratzte sich am Kinn, wo die Maske wohl noch nicht richtig saß. "Aber das sagte ich ja bereits." Wieder dieses Kichern, diesmal aber freundlicher und eher der ungewöhnlichen Situation geschuldet. "Ich bin Jacques Bennoît aus dem Frankenland. Vom Clan der... ehm... 'Schönheit'. Ich wohne in Clavicula und bin dort auch gemeldet. Die restlichen Formalitäten können die hohen Herren gerne mit meinem Gastgeber besprechen, immerhin hat er mich eingeladen, das geht mich nichts an." Er machte eine wegwerfende Geste.

"Ich bin nicht wegen der Politik hier, Seresa. Deswegen hab ich bisher verzichtet die wichtigen Gesichter dieser Stadt mit meiner Anwesenheit zu langweilen." Ein Glucksen. "Aber wenn Du willst, komm ich mit zu diesem 'Nordisch allerlei'. Blutvogt oder was auch immer. Bei der Gelegenheit kann ich dann auch von dem Angriff letztes Jahr auf mich berichten, ich wusste bisher ja nicht an wen und wollte nicht den Weinerling machen." Er drehte den Kopf ein wenig schief. "Glaub' bloß nicht, daß ich meinen Platz unter den Blutsaugern nicht kenne, Seresa vom Clan der Beherzten! Ich weiß sehr wohl um ihn. Aber die Einsichten, die mit dem Tode kommen flüstern einem hin und wieder zu was wichtig ist und was nicht und das da...", er deutete mit seinem Daumen auf die Wasser, "...ist bloß ein weiteres Mysterium des Schnitters, daß gelüftet ist. Damit ist es nicht mehr ganz so fesselnd wie es zuvor war. Und ich bin um einen Schürhaken ärmer. Aber was solls. Weltlicher Tand." Er zuckte mit den Schultern und machte sich auf dem Weg zurück zur Stadt.
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

„Einer der unzähligen Boten Eures Ältesten muss wohl versehentlich zu viel getrunken haben und dabei seine ihm übertragene Aufgabe vergessen haben, als er mich über Euch und Eure Ankunft in Kenntnis hätte setzen sollte. Anders kann ich mir das Versäumnis darüber, welches beinahe einer Beleidigung gleichkommen mag, nicht erklären.“

Ein leises Knurren begleitete Seresas Worte. Offenkundig war sie alles andere als begeistert darüber und doch schien sie den Ältesten der Nosferatu aus irgendeinem Grund hoch genug zu schätzen, so dass sie jegliche Schuld von ihm nahm. Sie gar willentlich und wissentlich auf einen Sterblichen ummünzte. Dass das Thema für den Herold noch nicht gänzlich abgeschlossen war, war ohne Zweifel, doch für den Moment ging sie dem nicht weiter nach, besaß sie wohl aus irgendeinem Grund kein Bedürfnis daran. Ihre folgenden Worte, welche die Gelehrte inzwischen ruhiger sprach, gaben einen kleinen Aufschluss über das Warum.

„Da Ihr anscheinend von Godeoc selbst nach Genua geladen wurdet, werde ich den offiziellen Teil mit Euch im ´A Tarda Ora´ heute zügig abhandeln können. Was indes den Angriff auf Euch angeht, so nehme ich an, eines Eurer Geschwister im Blute hätte Euch darüber informieren können, an wen Ihr Euch wenden hättet können. Dass Ihr Euch zurückgehalten hattet, mag wohl der unglücklichen Tatsache geschuldet sein, dass Ihr auf Grund von Verständigungsproblemen noch keinen offiziellen Termin zur Vorsprache von den Herolden genannt bekommen hattet. Ich denke Ihr könnt dies nun ohne weitere Bedenken an die entsprechenden Stellen melden, bin ich schließlich über das unglückliche Missverständnis und Eure Anwesenheit im Bilde.“

Ihr Blick aus braunen Augen lag für einen Moment ernst auf Jacques, während sie die letzten Schritte zum trockenen Strand zurücklegten. Ihre Fangzähne waren inzwischen eingefahren und ihre Haltung war etwas entspannter geworden.

„Ihr mögt zwar in erster Linie nicht der Politik wegen hier sein, doch seid Ihr gekommen auf Grund des Rufens Eures Ältesten. Macht entsprechend nicht den Fehler und glaubt, Ihr würdet nicht auf die eine oder andere Weise in politische Machenschaften hineingezogen werden, denn dies werdet Ihr, ob Ihr dies nun wollt oder nicht. Dass Ihr Euren Platz unter den Blutsaugern kennt, daran hege ich keinen Zweifel und dass es manch andere Ansichten bezüglich der Etikette in Eurem Clan gibt, darüber bin ich mir im Klaren. Dennoch muss ich Euch fragen, welchen Rang Ihr offiziell bekleidet, könnte man fälschlicherweise annehmen, Ihr wärt nicht mehr als ein Kind, da Ihr unweigerlich eine Geübtheit in der Vorstellung, wie auch einen gewissen Respekt, durchaus schmerzlich missen lasst.“
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Der Nosferatu grinste hörbar, bei dem was er von sich gab als er begann zu sprechen. "Oh, weil ich also meinen Stammbaum nicht anpreise wie ein Marktschreier den seiner Zuchtbullen, bin ich ungeübt? Du bist schnell mit Deinem Urteil. Vielleicht zu schnell. Nur weil ich etwas nicht tue, heißt es nicht daß ich es nicht kann. Und nur weil ich etwas nicht zeige, heißt es nicht, daß ich es nicht habe. Alles hat seinen Preis, immer und ausnahmslos. Meine Abstammung öffnet mir nicht Tür und Tor, geschätzte Herold. Als ob es irgendwen jucken würde wenn ich den verdammten Judas persönlich in meiner Ahnenlinie hätte. Oder es einen Unterschied macht, wann ich aus der Brut von Macon freigesprochen wurde. Das ist alter Wein und Jahre her." Er machte einen amüsierten zischenden Laut.

Seine Stimme wurde danach aber wieder etwas ernster. "Aber sei's drum, weil Du's bist verrat ich Dir mal 'was. Etwas was nicht viele verstehen wenn sie mit meinesgleichen zu tun bekommen, vor allem nicht wenn sie gepuderte Manieren oder eine blaublütige Erziehung hatten: Wir haben über lange Jahre gelernt wichtige Informationen von unwichtigen zu unterscheiden und es ist eine Frage des Respekts die Zeit meines Gegenübers nicht mit Belanglosigkeiten zu verschwenden. Deswegen sagen wir den Leuten was sie wissen müssen. Nicht mehr. Nicht weniger. Das ist Respekt. Denn auch für Unsterbliche läuft die Uhr. Am Ende sind wir alle nicht mehr als eine Handvoll Asche."

Er blieb stehen und als er sich zu ihr wandte, machte sein Ton unmissverständlich klar, daß es ihm um weit fundamentaleres als gesellschaftliches Geplänkel ging. "Der Tod kam uns schon ein mal holen. Und er kommt wieder. Er wird immer gewinnen und was bis dahin geschieht sollten wir mit Achtsamkeit erleben, anstatt uns mit scheinbar wichtigen Ritualen aufzuhalten und Sterbliche zu imitieren. Er ist unter unserer Haut, er ist hinter unseren Augen, er trieft aus unserem Atem und er läuft uns die Kehle runter wenn wir uns nähren! Wir sind Monster, die die Antlitze von Verstorbenen tragen und nichts wird das ändern! Für uns und durch uns gibt es keine Heilung oder Erlösung, wir sind das Ende des Lebens, geronnen im Augenblick seines Niedergangs." Etwas kaltes schwang in seiner Stimme mit, mit einer Schwere und Überzeugung, die wie ein endloser Abgrund sich um die Seele legte, wenn man ihm zuhörte. Kalt, dunkel und gewiss - so gewiss wie das unausweichliche Ende selbst, würde es einem Sterblichen die Haare zu Berge stehen lassen.

Ein unangenehm langer Augenblick verstrich, während der gefühlte Abgrund, dieses fast greifbare Ende, die Finger langsam wieder zurückzog und das bleierne Gefühl etwas nachließ. "Mir mangelt es nicht an Respekt, verehrte Seresa. Ich habe bloß ein Übermaß an Einsicht."

Er drehte sich wieder zur Stadt und sie begannen wieder zu gehen. "Deswegen ergründe ich den Tod. Ich versuche durch ihn uns zu verstehen. Der Körper, der Geist, was es mit uns macht. Bader und Abdecker nennt man meine Berufe. Das ist was ich kann, das ist was ich tue und das ist, weswegen ich hier bin. Dafür bin ich zuhaus' bekannt. Wenn man mich in die Stadt ruft, erwartet man in naher Zeit tote Leiber die sich am Straßenrand türmen. Wenn man mich einlädt, will man das gemeine Volk gesunden lassen. Ich würde nicht davon ausgehen, daß meinem Ältesten das nicht klar ist. Er wäre nicht wer er und wo er ist. Ich bin nicht nur in erster Linie nicht wegen der Politik hier, sondern auch nicht in zweiter oder dritter. Ich bin hier wegen dem was von Menschen wegen Politik übrig bleibt." Wieder diese Kälte. Oder war es nur der Wind, der vom Meer herüberwehte? Sein Verhalten - in diesem Licht betrachtet - ergab nun mehr Sinn. Als zuvor, zumindest.

"Aber ich weiß es durchaus zu schätzen, daß Du dieses... Missverständnis... so behandelst wie Du es tust. Ich werd' Dir das nicht vergessen. Und wenn wir heute ins Ta-da-oh-ra geh'n, dann darfst Du Dir für Dein Begleiten hier gern was anderes aussuchen." Nun grinste er wieder hörbar. "Außer Du willst, daß ich zum vereinbarten Zeitpunkt trotzdem vorbeischaue. Ich bin ein Mann meines Wortes. Ich mach' das."
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Der Blick der Brujah war ziellos umhergewandert, als der Nosferatu derart offen über seine Einladung nach Genua gesprochen hatte. Dennoch war da keine Abscheu, Entsetzen oder gar Grauen in ihren braunen Augen zu lesen gewesen. Vielmehr schien es, als würde sie versuchen einen kleinen Teil eines weitaus größeren Bildes an den richtigen Ort zu platzieren. Viel Zeit blieb ihr jedoch nicht dazu, bevor Jacques weitergesprochen hatte und der Herold einzig stumm nickte, ob der Aussage bezüglich des Missverständnisses. Ob ihre darauffolgende Aussage dem aussuchen galt oder allgemein gültig war, war in diesem Moment nicht gänzlich eindeutig.

„Es würde mich freuen, so ich Euch eines Nachts erneut begegnen dürfte, doch müsst Ihr hierfür wahrlich nicht das ´A Tarda Ora´ aufsuchen. Ich wähle diesen Ort gewöhnlich einzig, um darin meinem Dienst als Herold der Domäne Genua nachzugehen.“

Seresa pausierte für einen kurzen Moment, bevor sie einige Worte erklärend hinzufügte.

„Mitunter der Grund, weshalb ich Euren Rang in unserer Gesellschaft erfragte, bin ich Ihrer Majestät Aurore zu Rechenschaft verpflichtet. Entsprechend ist diese Information weder unerheblich noch unerlässlich oder gar eine Belanglosigkeit.“

Ihre Stimme klang nicht belehrend, sondern ruhig und geduldig, als sie erklärte, weshalb sie danach gefragt hatte.

„Davon ab irrt Ihr Euch womöglich gibt es durchaus Geschichten, welche von einer Erlösung für Jene unserer Art sprechen.“
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques wirkte sichtlich amüsiert. "Es sind bloß Geschichten, die wir einander erzählen um dem Esel die Karotte vorzuhängen. Und selbst wenn, sind sie so rar wie Kaiser gesät - zu glauben jeder könnte Kaiser nur weil es Kaiser gibt ist ein schlechter Plan, meinst Du nicht? Bei den meisten reicht es ja nicht einmal zu einem König, oder? Ich möchte keine Karotte. Ich müsste ja zum Esel werden sonst. Und auf den Tod ist Verlass, ich verlass mich auf ihn und er verlässt sich auf mich, das ist der Pakt mit der kalten Nacht."

"Aber gut, wenn Du das brauchst, dann sollst Du es haben. Man soll über mich nicht sagen, daß man bei mir nicht bekommt was man für seine Arbeit braucht! Jedoch im Austausch dafür, hätte ich gern eine Geschichte aus Deinen jungen Jahren der Nacht. Irgendwas bedeutsames für Dich selbst." Er ließ es für einen Moment so stehen, setzte dann aber mit einer Stimme die offiziell und gleichzeitig doch wie ein Reibeisen klang nach:

"Ich bin Jacques Bennoît,
Kind des Carolus aus Mâcon,
Neonat vom Clan der Verborgenen,
Hüter des Übergangs zwischen dieser Welt und der Nächsten,
Scholar des Todes und ehemaliges Mündel des Rogér de Camden"

Ein tiefer Atemzug ein und wieder aus. "Langt Dir das für Deine Majestät? Ich kann mir noch ein paar Titel ausdenken, wenn es zu kurz ist." Er gluckste wieder zufrieden. "Man kann mich über mein Gefolge erreichen. Also wenn Du, der Blutvogt oder ihre Habseligkeit höchstpersönlich irgendwas mit mir besprechen möchte, gebt einfach Laut an den Badergesellen Baptiste am Piazza di San Giorgio. Er hat ein gutes Gedächnis und wird sie mir aufsagen."

Er schaute die Brujah aus dem Augenwinkel einen Moment lang an. "Und nun zu Deiner Geschichte über eine jüngere Seresa..."
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

„Irgendetwas Bedeutsames für mich selbst?!“

Seresas Blick ging knapp an Jacques vorbei, als sie seine Augen auf ihr spürte. Dann sah sie erneut geradeaus und zuckte leicht mit den Schultern, als sie aufrecht und mit erhobenem Haupt in einer angenehmen erzählerischen Stimme zu sprechen begann.

„So man mich in meinen jungen Jahren der Nacht gefragt hätte, so hätte ich wohl niemals damit gerechnet gehabt, eines Nachts - gerade als Jemand meines Blutes - in den Diensten einer Ventrue zu stehen.“

Die Lippen der jungen Gelehrten umspielte ein amüsiertes Lächeln, ganz so, als hätte sie in diesem Moment eine kurze, aber überaus witzige Geschichte erzählt, die sie selbst über alle Maße erheiterte und wohl nur Wenige wahrlich verstehen würden. Dennoch gefiel sie Ihr sichtlich und sorgte dafür, dass sie entspannter wurde, bevor ihre Hand eine leichte, wegewischende Geste beschrieb und sie wieder etwas ernster fortfuhr. Offenkundig etwas klarstellen müssend.

„Ihre Majestät Aurore ist eine weise, glanzvolle und gnädige Herrscherin, deren Ruf zurecht weit über die Grenzen der Domäne Genua hinauseilt. Ich bin zuversichtlich, so Ihr eines Nachts das Vergnügen haben werdet Euch persönlich vorstellen zu dürfen, so werdet Ihr sehen und verstehen, weshalb sie Respekt verdient und selbst - oder gerade Jemand wie - Euer Ältester ihrer Majestät Aurore bei Hofe die Vasallität geschworen hatte.“

Die Brujah schwieg für einen kurzen Moment, um die Bedeutung dessen entsprechend nachwirken zu lassen, bevor sie sanft den Kopf schüttelte und mit warmer Stimme geduldig weitersprach.

„Bezüglich Eurer Frage lautet die redliche Antwort jedoch nein, war Eure Aussage nicht eindeutig. Ihr könntet sowohl ein nicht freigesprochenes Kind sein, dessen Erzeuger ein Neugeborener vom Clan der Verborgenen ist. Auch könntet Ihr selbst ein Neugeborener sein, dessen Erzeuger vernichtet wurde. Oder aber Ihr selbst seid ein Neugeborener und Ihr hättet den Rang Eures Erzeugers vergessen. Im ungewöhnlichsten Fall könntet Ihr Euch selbst über Euren Erzeuger erhoben haben.“

Die Gelehrte zuckte leicht mit den Schultern, während sie Jacques in diesem Moment nicht weiter betrachtete.

„Da Ihr es jedoch ein Zeichen von Respekt nanntet, die Zeit Eures Gegenübers nicht zu verschwenden und gerade Ihr als Mitglied vom Clan der Verborgenen wisst, dass eine wichtige Information ihren Wert drastisch verliert, so sie nicht unmissverständlich ist, bin ich zuversichtlich, Ihr werdet verstehen, weshalb ich mir Eindeutigkeit hierin wünschen würde.“

Erneut ließ Seresa zu, dass ein Augenblick des Schweigens entstand.

„Und was den Rest angeht, so sagtet Ihr, Ihr wollt kein Esel sein, welcher vorgehaltene Karotten frisst. Dies ist ein überaus löblicher Gedanke, doch auf der einen Seite können wir uns in den meisten Fällen nicht aussuchen, vor welchen Karren wir letztlich von Anderen gespannt werden. Dies ist Teil des Spiels der Nacht, welches wir alle spielen, ob wir dies nun wollen oder nicht. Wir entscheiden einzig darüber, ob es uns wert ist, die unnachgiebige Peitsche auf unseren Leibern zu spüren oder gar Schlimmeres, so wir bocken, aufbegehren oder ungehorsam zeigen.“

Die Brujah zuckte leicht mit den Schultern, bevor sie ihren Kopf in die Richtung des Nosferatu wandte.

„Auf der anderen Seite jagt Ihr selbst Geschichten über Sirenen nach, wobei Ihr Eure eigene Unversehrtheit und Euer Dasein aufs Spiel setzt. Schließlich hätte ich Euch ebenso gut feindlich gesonnen sein können.“

Schmunzelnd sah sie zu dem Mann an ihrer Seite auf, bevor sie leicht den Kopf schüttelte und wieder vor sich blickte.

„Jede Geschichte birgt ein Körnchen Wahrheit in sich und so sie selbst keine Wahrheit in sich besitzt, so ist womöglich gerade das Gegenteil der Geschichte das Körnchen Wahrheit, welches wir im ersten Augenblick nicht sehen können. Die Frage ist stets, welche Geschichten wir selbst als wahr erachten, denn Wahrheit hängt stets von Demjenigen ab, welcher sie betrachten will und aus welchem Blickwinkel er dies tut. Ist eine Rolle nun einzig ein Kreis oder eine Murmel? Ein Viereck oder ein Quader? Gar ein regelmäßiges Viereck und somit womöglich ein Würfel?“

Die braunen Augen fanden erneut zu dem Nosferatu an ihrer Seite.

„Unsere eigene Sicht auf die Welt ist begrenzt und auf die Welt hinter der Welt noch deutlich begrenzter. Ob wir jemals eine Rolle als solche erkennen könnten ist äußerst fraglich. So wir jedoch stets alles von vorne herein bezweifeln, so mag dies sicher und angenehm für unser Weltbild sein, denn es bedeutet unweigerlich Vertrautheit und Bekanntheit. Es nimmt uns die Angst und doch schenkt es uns nicht mehr als einen trügerischen Schein von Sicherheit und Schutz. So wir unseren Verstand nicht öffnen und einzig stets auf das Vertrauen was uns bekannt ist - wir somit auf unserem Standpunkt verharren - lernen wir nichts dazu und entwickeln uns selbst nicht weiter. Dann sind und werden wir nie mehr sein, als ewigwährende, marmorne Statuen, dazu verdammt die Jahrhunderte zu überdauern und nicht zu verstehen, was um sie herum geschieht, denn ihr Blick ist einzig starr in eine Richtung gerichtet. Unfähig zu sehen und zu erkennen, was sie alles sonst noch umgibt. Vermutlich kann nicht jeder ein König werden. Noch weniger ein Kaiser. Doch so er es nie versucht hätte aus Angst zu scheitern, weil Andere ihm abrieten oder ihn gar in Frage stellten, woher will er dann jemals wissen, ob aus ihm nicht der beste Kaiser hätte werden können, den die Welt je gesehen hätte?“

Fragend blickte sie einige Momente auf Jacques.

„Eine Hummel widerspricht der Natur, sollte sie auf Grund ihres dicklichen Körpers und ihrer kleinen, zarten Flügel niemals fliegen können.“

Ein mildes Lächeln umspielte die Lippen des ewigjungen Mädchens mit der burschikosen Gestalt.

„Dennoch fliegt sie.“
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