[1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

[Februar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Jacques Benoît
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[1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Er hatte einfach kein Glück damit! Schon seit Monaten versuchte er den Gerüchten seiner Barbiere nachzugehen, die sie vom Seemannspöbel aufgeschnappt haben, aber er hatte einfach kein Glück. Als er zum ersten Mal davon hörte und selbst nachsehen gekommen war, endete die Nacht für ihn in einem Desaster. Eine Weile danach blieb er dem Hafen fern, doch über die Zeit verschwanden immer mehr Seeleute, Tagelöhner und Schnorrer. Zumindest von seiner Kundenliste, was nicht zuletzt an Sardinien lag, viele brachen wohl auf und kamen nie zurück, ihr Glück woanders suchend. Aber bestimmt, ganz bestimmt sind einige auch dem Hafenbecken anheimgefallen!

Wie bei jeder Jagd, vielleicht brauchte es einfach nur den richtigen Köder? Dieses Mal ließ sich Jacques nicht lumpen. Ein Stück Fleisch, mehrere Mannsfäuste groß, umwickelt mit garn und befestigt an seinem Schürhaken, hielt er ins Wasser. Jedem Kenner mit langen Zähnen dürfte der Geruch klar sein, der davon ausging, war es weder Rind noch Schwein was da an seinem Haken hing. Er band den Schürhaken mit einigen festen Knoten an ein Seil und ließ ihn ins Hafenbecken, wo das Wasser ihn zu verschlingen schien. Der Nosferatu fluchte Leise auf fränkisch vor sich hin, während er dem Köder mehr leine gab. "Ich kriege Euch noch, verdammte Sirenen! Und wenn ich das Fischen dafür lernen muss."
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Seresa nahm einzig aus den Augenwinkeln und mehr als schemenhaft das Treiben der Gestalt wahr.* Den großen Gegenstand, welchen die Person an etwas befestigte und über das Wasser hielt, um ihn darin zu versenken. Es war ungewöhnlich. Ungewöhnlich genug, um die Aufmerksamkeit der Brujah zu wecken und auf sich zu ziehen, welche sich gleich einem Schatten zu der fremden Gestalt hinbewegte.**

Ruhig stand sie seitlich versetzt und etwas hinter ihr. Ein kleiner, schmächtiger und unscheinbarer Hirtenjunge. Teile des dunklen und langen Umhangs waren über den Kopf geschlagen, während in den Händen ein abgedunkelter Hirtenstab ruhte, welcher die Gestalt überragte. Mit zur Seite geneigtem Haupt, blickte sie auf das Seil, welches die Gestalt in den Händen hielt. Nachdenklich runzelte sie die Stirn, als diese - in der ihr geläufigen Sprache der Franken - über Sirenen sprach, welche das Wesen hier im Hafenbecken fischen wollte.

Für den Moment verweilte Seresa stillstehend in ihrer unauffälligen Position. Zumindest solange für das Wesen unauffällig, solange es sich nicht umdrehte oder umblickte. Dennoch verriet kein Atmen oder ein ungeduldiges Rascheln von Stoff ihre Anwesenheit. Wie eine aufrechte, marmorne Statue stand sie da. Vorerst stumm abwartend, ob der seltsam anmutende Angelversuch nach Sirenen wohl Erfolg haben würde oder wie lange die fremde Gestalt es wohl versuchen würde, bevor sie schließlich aufgeben würde.


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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Das Seil verfing sich in irgendwas unter Wasser und der Schürhaken polterte gegen Holz. Jacques fluchte leise und zog das Konstrukt wieder raus. Das Fleisch fehlte, nur ein Rest des Fadens war am Haken verblieben. Langsam begann er das nasse Geknote zu entwirren, aufzurollen und in einem groben Leinenbeutel zu verstauen. Die Anwesenheit des anderen Kainiten bemerkte er nicht.

Erst als er alles zusammengeräumt hatte und noch ein letztes Mal ins Wasser spuckte, fiel ihm die Silhouette auf, die Bewegungslos dastand und ihn zu beobachten schien. "Hol's der Teufel, Fremder! Wie lange stehst Du schon und gaffst?!", entfuhr es ihm. "Zu Tode hast Du mich erschreckt, mich alten Mann.", murmelte er, halb zu sich, halb zur Gestalt.
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Es war im Wasser verschwunden. Ganz so, als wäre es Sand, welcher seine Form aufgelöst hatte. Fragend blickte Seresa auf das zurückgebliebene und herausgezogene Gewirr aus Knoten und versuchte sich einen Reim darauf zu machen, was das was sie gesehen - oder meinte gesehen zu haben - gewesen war und wie sie es zu deuten hatte. Ehe es ihr bewusst war drehte sich die Gestalt um und erschrak sich. Schnell senkte sich das Haupt des scheinbaren, kleinen Hirten und verbarg dessen Gesicht unter dem Überwurf.

„Es war nicht meine Absicht Euch zu erschrecken, Signore.“

Die Stimme unter dem Umhang wirkte jung, beinahe jugendlich noch. Entgegen des mannigfachen Sprachgewirrs, welches am Hafen gesprochen wurde, war dieser scheinbare Hirte anscheinend Genuese. Zumindest war in seiner Aussprache kein fremdländischer Einschlag zu hören.

„Ich sah Euch lediglich zu und wunderte mich darüber, was Ihr hier im Hafen wohl treiben mögt so nahe des Wassers… einzig beschienen vom Licht des Mondes… mit einem dicken Seil in Händen… und mit einem Schürhaken bewaffnet.“

Zwischen den letzten Worten waren mehr und mehr Pausen entstanden. Ganz so, als wäre ihm gerade aufgefallen, dass dies hier für ihn in einer unguten Situation enden könnte, so ihm ein gewissenloses Bandenmitglied gegenüberstand. Entsprechend blickte sich die Person bei ihren letzten Worten seitlich um, ohne den Blick tatsächlich von ihrem Gegenüber abzuwenden. Der vermeintliche Hirte machte trotz der anscheinend unheilversprechenden Gestalt und ihren gezeigten Mitteln vorerst jedoch keine Anstalten panisch zu fliehen. Anscheinend war er in einer Art Schockstarre gefangen.
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

"Ha! Mit einem Schürhaken bewaffnet wie ein gemeiner Strolch. Als ob mir das gegen die Ungeheuer unter der Oberfläche was helfen würde!", ranzte der leicht buckelige Robenträger. "Bei meinem Haarschnitt letztens hörte ich von gar grauseligen Monstern, die unter dem Wasser im Hafen ihr Unwesen treiben, Sirenen, oder Meeresfrauen sogar! Sie flüstern angetrunkenen Hafenburschen lockende Worte ins Ohr oder zeigen ihre Kurven gegen das sich spiegelnde Mondlicht, um sie in ihren Untergang zu locken. Und dann machen sie sich über sie her! Wie die Raubtiere, heißt's. Sie ziehen einen unter Wasser bis einem die Luft wegbleibt und wenn man erst ersoffen ist, nagen sie einem das Fleisch von den Knochen!" Jacques schüttelte den Kopf. "Nein, Junge, ich bin hier um mich zu überzeugen, daß das mehr ist als hohles Altweibergewäsch. Das hier wirklich Gefahr lauert des Nächtens. Seit zwei Jahren halte ich die Straßen sauber, das letzte was wir brauchen ist fauliger Unrat in den Gewässern, sag ich Dir."

Die Gestalt kratzte sich mit den behandschuhten Fingern an der Hüfte. "Du wirkst mir aber nicht stämmig wie ein Schiffslöhner. Arbeites Du zu Felde mit Getier?", fragte er, den Kopf leicht zum Stab hebend, fast schon nickend. "Nun schau nicht so erschrocken, ich tu' Dir schon nichts. Und die Schatten unter den Häusern auch nicht, sie sind nicht deinetwegen hier." Etwas weiter abseits, noch in Sichtweite, aber nicht mehr zu belauschen, standen zwei breite Gesellen an eine Hauswand gelehnt. Beide wohl mit kurzen Knüpeln am Gürtel, aber entspannt, als würden sie das Haus bewachen vor dem sie standen. Als die Kapuze kurz in ihre Richtung wanderte, stieß sich einer von ihnen von der Hauswand ab in einer nahezu trunkenen Bewegung, doch die Geste des komischen Kauzes mit dem Schürhaken schien ihn wieder dahin zu schicken wo er vorher war.

Jacques sah sich die Stiefel und den Stecken des Hirten genauer an. "Aber wenn Du mich nicht erschrecken wolltest, sag mir, warum hast Du Dich so angepirscht als wäre ich eins Deiner Lämmchen die sonst zur Flucht angesetzt hätten. Ich hör Schleicher und Beutelschneider zwanzig Schritt um mich, wenn es so ruhig ist wie hier, aber Du hast nicht einmal einen Kiesel gestreift!" Man konnte das Grinsen und eine gewisse Neugier raushören, jedoch klang es keineswegs nach Spiel mit Beute. Es war eher verwundert.
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Die Schuhe des vermeintlichen Hirten waren aus einfachem Leder und flach. Etwas auffälliges war an ihnen sonst nicht zu erkennen. Der Hirtenstab in der Hand hingegen war aus Olivenholz gefertigt, welcher offenkundig mit einer Patina bewusst dunkler gemacht wurde. Im oberen Teil des Stabes waren leichte ringförmige Vertiefungen angebracht und Wölbungen reihten sich dezent darum, während die Spitze des Stabes leicht abgeschrägt war.

„Ruhig im Hafen?“

Ein herzliches und junges Lachen erklang, als der Hirte aus der anscheinenden Schockstarre gerissen wurde.

„Signore, hier im Hafen ist es niemals ruhig. Ständig klatscht es irgendwo. Seien es die Wellen, welche gegen die Schiffsbäuche schlagen. Eigner, die ihre Männer und Sklaven züchtigen. Leute, welche zur Musik stampfen und tanzen. Banden, die sich holen, was sie meinen, dass es ihres sei. Huren, welche von ihren Freiern besprungen werden. Betrunkene, welche gegen die Häuser torkeln oder gar wie Ihr selbst sagtet - ins Wasser fallen.“

Der vermeintliche Hirte zuckte leicht mit den Schultern.

„Zumal Ihr wohl gänzlich von Eurer Jagd nach hübschen Sirenen abgelenkt wart. Wenig verwunderlich demnach, dass Ihr mein Herantreten nicht gehört hattet. Ich selbst weiß zwar nichts über solche Meeresfrauen, doch sollte es sie geben, so werden Eure derzeitigen Versuche wohl von wenig Erfolg gekrönt sein. Ihr sagtet sie flüstern angetrunkenen Hafenburschen lockende Worte ins Ohr.“

Das Haupt unter der Kopfbedeckung drehte sich von links, nach rechts und wieder zu ihrem Gegenüber vor sich.

„Ich sehe hier keinen solchen und ohne ihn werden sie sich wohl kaum zeigen. Man benötigt Speck, um Mäuse zu fangen. Meint Ihr nicht auch, Signore?“
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Der buckelige Robenträger machte eine öffnende Geste mit den Händen, nachdem er den Schürhaken am Gürtel befestigt hatte. "Ruhig genug. Es sind eben bloß die Huren, nur die Hafenarbeiter, lediglich ein paar Banden." Seine Stimme wurde leiser und ein leichtes Zittern schwang mit. "Nichts... anderes." Er musterte den Knaben einen Augenblick lang, wie er da stand und hob dabei die Nase leicht in den Wind, als würde er einen Geruch einfangen, der plötzlich vorbeiwehte. Dann brummte er vor sich hin. "An den Sirenen ist nichts hübsch, Zähne haben sie wie Haie, Augen schwarz wie eine mondlose Nacht, so heißt es. Nur die Stimmen locken wohl die liebestollen Trottel in ihre Klauen. Oh nein, abgelenkt sollte man nicht sein, wenn man Jagd auf sie macht. So es sie denn überhaupt gibt."

Er drehte sich wieder zum Wasser. "Mein Köder war so gut wie jeder Fang den sie hätten haben können. Ein Hafenschlepper, kaum drei Stunden tot, hatte sich das Genack gebrochen unter einigen Fässern die über ihn drüberrollten. Das Fleisch war frisch erstarrt, noch nicht einmal die Fliegen haben sich drangetraut!" Es schien für einen kurzen Moment, als wäre er in Gedanken verloren. "Ich muss etwas übersehen. Etwas elementares. Der Schönling hatte auch aufs Meer hinausgestarrt. Vielleicht waren es seine Monster.", murmelte er kaum noch hörbar. Dann wandte er sich wieder seinem Zuschauer zu. "Etwas weiter in die Bucht hinein gibt es noch ein angespültes Wrack, das festhängt. Holz, morsch und gekentert, halb im Wasser. Das werd' ich mir noch ansehen. Kommst Du mit, Bursche? Vier Augen sehen mehr als zwei und wenn ich's bloß alleine seh', wird man mir nur wenig glauben schenken wenn ich was finde vor dem es zu warnen lohnt."
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Der Blick des anscheinenden Jünglings wanderte kurz nachdenklich auf das Meer, bevor er über die Männer in der Ferne glitt, hinauf zum Mond und wieder zu seinem Gegenüber zurück.

„Was bekomme ich dafür, dass ich mit Euch komme und Euch begleite, Signore?“

Schweigend blickte die kleine Gestalt den Mann vor ihr an.

„Zumal Ihr sagtet, dass dort im Wasser Sirenen hausen.“

Der Zeigefinger der Hand, welche den Stab hielt, deutete leicht auf das Wasser.

„Neben den ganzen Teufeln, Dämonen, Werwölfen, Geistern, Hexen, Kobolden und Dingen, die noch keinen Namen tragen, welche ebenfalls in Genua leben. Was genau denkt Ihr werdet Ihr in dieser Dunkelheit bei diesem Wrack finden? Zumal es tiefste Nacht ist, Signore, und wie jedes Kind weiß, sind Monstren in der Dunkelheit besonders geschäftig.“

Ein kurzes Schweigen folgte, bevor der vermeintliche Hirte weitersprach.

„Aber womöglich seid Ihr gerade auch zu dem Schluss gekommen, dass Ihr einen lebenden Köder für Eure Sirenenjagd benötigt.“

Der Blick aus braunen Augen war nicht ängstlich oder furchtsam. Stattdessen war er von Neugier geprägt auf den alten Mann gerichtet.

„Woher soll ich wissen, dass Ihr und Eure Mannen nicht auf den einfältigen Gedanken kommt, mich niederschlagen zu wollen, um mir gegen meinen Willen ein ganz und gar scheußliches Gebräu einzuflößen, nur um mich anschließend als solchen zu missbrauchen?“

Das Haupt unter dem Umhang legte sich schräg auf die Schulter, während der bucklige Robenträger nachdenklich gemustert wurde.

„Oder womöglich seid Ihr gar selbst ein Diener jener haifischbezahnten Monstren, der mit seinem seltsam anmutenden Verhalten naive Jünglinge näher ans Wasser locken will. Womöglich habt Ihr die Meeresfrauen vor kurzem mit dem Körper eines männlichen Neugeborenen angelockt und überlegt gerade, wie Ihr mich nur nahe genug an die Kante locken könnt, um mich ihnen verfüttern zu können.“

Betont langsam trat der Hirte einen Schritt zurück, während er den Kopf erneut aufrichtete.
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

"Ha! Du hältst mich für raffinierter als ich bin, Bürschchen.", entfuhr es dem Robenträger. "Aber nicht für annähernd so neugierig! Ich sag Dir was: Du bekommst den Ruhm und Ruf, wenn wir heute die Sirene - oder irgendeins dieser Monstren im Dunkeln - niederkeulen. Ich will nur die Gewissheit, daß ich nicht einem Schalk aufgesessen bin, den ein Bader weitertratschte." Er warf einen Blick über die Schulter in Richtung Wasser und seine Stimme wurde wieder etwas ruhiger, und damit etwas weniger schrill. "Wenn es Hände hat, will ich einen Finger. Wenn es ein Maul hat, will ich einen Zahn. Wenn es Flossen hat, will ich eine Schuppe. Wenn es Habe hat, will ich eine einzelne Münze oder einen Stein oder was auch immer es anhäufte. Ich bin leidenschaftlicher Sammler von Kuriositäten, die Geschichten um sie sind mir schon Wert allein, der Rest soll Dir gehören."

Er kicherte ein wenig unterdrückt. "Aber Deine Idee mit dem lebenden Köder hatte ich schon. Ich habe zwei Heuerlinge abgefüllt und nächtelang am Wasser singen und torkeln lassen. Erfolg war mir damit aber nicht vergönnt. Und wenn man ein Biest in seinem Nest besucht, dann ist das eine Bärenjagd und keine mit Wolfsangeln, da braucht man keinen Köder, sondern Kraft. Und da Du zweieinhalb gesunde Beine zu haben scheinst...", fügte er hinzu während er ein wenig in die Richtung des Hirten hinkte, "...ist glaub ich klar, wer von uns beiden der Happen sein wird, wenn der Bär wach wird und wir rennen müssen. Also, was sagst Du, Knabe? Wollen wir uns umschauen?"
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

„Man sagt, die Listigkeit käme mit dem Alter und der Erfahrung, Signore. Das habt Ihr gerade bewiesen indem Ihr bestätigt hattet, dass Ihr bereits selbst auf die Idee mit dem lebenden Köder gekommen seid. Und nun wollt Ihr mich mit in das Nest der Bestie locken, nur damit ich schneller vor ihr wegrenne als Ihr? Welchen Nutzen soll dies denn haben, Signore? Ihr und Eure Männer würden doch nie mit mir Schritthalten können, um die Sirene oder etwas ähnliches niederzuschlagen. Zumal nur ein äußerst unkluges Monster dem Nachjagen würde, was ihm ohnehin entwischen würde, während emsige Räuber in seinem Nest sitzen und es plündern. Vor allem aber was für einen schlechten Wesenszug unterstellt Ihr mir, dass Ihr ernsthaft denkt, ich würde Euch von einem Bären zerfleischen lassen, während ich selbst wegrenne?“

Ruhig waren die braunen Augen auf das Gegenüber gerichtet, während der vermeintliche Knabe für einen kurzen Moment schwieg.

„Und zudem, was ist so wir nichts dort fänden? Dann habe ich meine Zeit geopfert, nur um Märchen nachzujagen, welchen man unartigen Kindern erzählt, welche nicht schlafen wollen. Vor allem aber, wer sagt mir, dass Ihr nicht auf die einfältige Idee kommen würdet, mich im Nest des Biestes niederzukeulen?“

Fragend legte sich der Kopf, welcher noch immer unter dem Überwurf zum größten Teil verborgen war, zur Seite.

„Um zu behaupten, ich wäre ein Monster, nur um mir meine Finger abzuhacken, meine Zähne herauszureißen, meine Haut abzuziehen und mich dessen zu berauben, was ich am Leib trage? Für eine gute Geschichte, wie Ihr Jemanden dazu brachtet, mit Euch Sirenen jagen zu gehen, obwohl ein Jeder weiß, dass es sie nicht gibt. Oder letzten Endes ist es gar schlimmer und Ihr seid gar selbst eine Sirene. Ein Monster in Menschengestalt, welches mich mit lieblichen und wohlklingenden Worten einzig in ihr Nest locken will, um mich dort verspeisen zu können.“

Der kleine Hirte schüttelte leicht den Kopf, während er skeptisch auf den Mann blickte.

„Nein, Signore, ich bin wahrlich nicht so naiv, wie es Euch mein Alter vermuten lässt. Wenn Euch die Geschichte wahrlich ein Bader erzählt hat, dann bringt mich zu ihm. Lasst es mich von seinen eigenen Lippen hören, welche Bestien er meint im Hafen gesehen zu haben. Wie sie aussehen und wo man sie gesehen haben will.“
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