[1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

[Februar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

"Nichts für ungut, Seresa.", brummte der Nosferatu. "Ich weiß nicht wofür Deine Titel stehen und was Du dafür lassen musstest, um sie zu verdienen. Ich hoffe bloß, sie waren's wert. Selbst die Sterblichen dekorieren Bürden mit Würden, um sie schmackhafter erscheinen zu lassen." Er dachte eine Weile darüber nach, wie sie reagiert hatte und beließ es zunächst dabei. Es war ihm nicht danach, sie zu verärgern. Das ist bei ihrem Blut doppelt unklug. Aber interessant war ihre Reaktion natürlich trotz alledem.

"Unser Ältester hat die Vorteile der Zeit gut für sich zu wissen genutzt, möcht' ich meinen. Viel mehr kann ich über ihn aber noch nicht sagen, dafür war unsere Begegnung zu kurz. Er wäre aber sicher nicht der er ist, wenn er nicht können würde was er will. Ob das allein schon Weisheit ist, kann ich nicht einschätzen. Dafür bin ich vermutlich noch nicht alt genug. Und man sollte unsereins, die wir zwischen Leben und Tod stehen, mitnichten mit den Maßen weltlicher Herrscher richten. Das hat wenig Zweck."

Er nickte bloß stumm, als sie über die Esel und die Karotten sinnierte. Ihm ist der Gedanke auch schon gekommen, wenngleich er es anders ausgedrückt hätte. Erkenntnisverweigerer, so hätte er diese Leute geschimpft. Und um so törichter, je weniger sie nach ihr suchten. Solche Strolche lernen nie und sind immer im Weg, stets auf ihre Vorteile bedacht. "Gefährlich ist ein großes Wort. Sie sind Schiffsbalast, der über kurz oder lang über Bord gehen wird, weil ohne sie ein Kahn viel freier segelt. Oder entgeht mir etwas an ihrer Blindheit für das Offensichtliche, was sie schlimmer macht als andere gern Verblendete?"
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

„Gefährlich, da sie dabei nicht nur selbst ins Wasser fallen, sondern dazu neigen, andere allzu leicht mit in ihr Verderben zu reißen.“

Seresa schüttelte den Kopf.

„Doch Ihr habt wohl recht. Gefährlich ist in unserer Welt hinter der Welt stets eine Frage des Blickwinkels und der Frage nach dem für wen. Was indes Euren Ältesten angeht, so sehe ich ihn sehr wohl als weise an. Viele mögen sein Vorgehen verurteilen, da er anscheinend bevorzugt den direktesten Weg zu beschreiten, indem er tut was er will und wie er es will. Dennoch übersehen sie zumeist geflissentlich, was es wahrlich bedarf, sich von einem Ancilla zu einem Ahn aufzuschwingen. Zwar ist dies für unsere Verhältnisse vor noch nicht allzu langer Zeit geschehen, doch ich bezweifle, dass es ihm gelungen wäre, so er einzig stumpfe Gewalt und körperliche Überlegenheit als Mittel der Wahl genutzt hätte. Letzten Endes ist er von den Verborgenen und es würde mich verwundern, so er nicht klug die Geheimnisse genutzt hätte, welche ihm über die Jahre zugeflossen sind.“

Die Brujah zuckte leicht mit den Schultern.

„Was indes mein Amt angeht, so ist es keine Bürde, denn ich habe mich bewusst dazu entschieden dienen zu wollen. Entsprechend wurde mein Knie nicht unter Gewalt gebeugt, noch beugte ich es selbst aus Gier heraus. Stattdessen geschah es aus freiem Willen. Etwas, was Ihr wohl noch nicht verstehen könnt, sind Eure bisherigen Erfahrungen andere. Doch womöglich versteht Ihr es eines Nachts, so Ihr länger in Genua verweilt.“

Dann beschrieb Seresa eine leichte Geste des Einhaltens und wurde selbst stumm. Vor den Beiden öffnete sich ein Vorhof. Vereinzelt standen Feuerkörbe auf dem Platz und Menschen hielten sich in kleineren Gruppen in der Umgebung auf, welche die beiden Neuankömmlinge musterten.

Zielstrebig hielt die Brujah auf ein Gebäude zu, dessen unterer Teil aus Stein gebaut war und dessen zweites Geschoss aus Holz darauf gebaut war. Zwei Wachen standen dort, welche dem ungleichen Paar zugleich Einlass gewährten, nachdem Seresa einige wenige Worte mit ihnen gewechselt hatte.

Auf dem Boden, im Inneren des Hauses, welches sie daraufhin betraten, lagen weiße Fließen und im Halbdunkel des großen Foyers war ein großes Fresko auszumachen. Seresa deutete und folgte der Wache wortlos den linken Gang entlang, welche wenig später die Kerzen in einem kleinen Raum erhellte, währenddessen Seresa selbst Jacques immer wieder mit einladenden Gesten aufgefordert hatte, Ihr zu folgen.

Nach einigen Momenten waren die Beiden erneut allein und Seresa lehnte den Hirtenstab in eine der hinteren Ecken des Raumes, dessen Wände verziert waren mit kleinen Blättchen, welche sich ähnlich wie Wellen oder gar Schuppen auffächerten. Die Gelehrte deutete auf eine der vielen Sitzmöglichkeiten um einen Tisch herum.

„Bitte, nehmt doch Platz.“

Mit flinken Fingern öffnete sie ihren Umhang und legte diesen ab, bevor sie sich selbst aufmachte sich zu setzen.
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques wurde schlagartig still, als sie ihm bedeutete einzuhalten. Sterbliche in Hörweite. Jetzt wären andere Themen gut, oder eben gar keine. Er folgte ihr lakonisch und hielt die Augen offen nach möglichen Gefahren, Fluchtwegen, Kleinigkeiten die später wichtig werden könnten und ähnlichem. Als sie am Fresko vorbeigingen, bestaunte er für einen kurzen Moment die Arbeit, auch wenn sie im Halbdunkel gewiss einen Teil ihrer Wirkung eingebüßt hatte.

Als sie wieder allein waren und sie ihn einlud, sich hinzusetzen, schlug er seine Kapuze nach hinten und nahm Platz an der nächstgelegenen Sitzgelegenheit. Sie knarzte ein wenig unter dem Gewicht des nicht gerade federleichten Nosferatu, als er sich entspannt zurücklehnte und seine Blicke durch den Raum schweifen ließ und sie wieder bei Seresa ankamen, als er fertig war.

"Das ist ein eigenartiger Ort. Er trägt den Geruch von Wohlstand, aber die Kälte von Zweck."
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Die braunen Augen der ewigjungen Gelehrten huschten flink über die Maske ihres Gegenübers, welche sie im warmen Schein der Kerzen zum ersten Mal wahrlich sah. Der Blick war nicht aufdringlich oder gar starrend. Auch nicht angewidert. Stattdessen spiegelte sich darin eine gewisse Neugierde, bevor sie Jacques Worte nachdenklich wiederholte.

„Die Kälte von Zweck?!“

Seresa dachte einen kurzen Moment nach, bevor sie leicht nickte.

„Ja, in gewisser Weise mögt Ihr damit recht behalten. Ich selbst sehe in diesem Ort mehr Möglichkeiten, doch die Entscheidung hierüber liegt letzten Endes bei Toma. Ich kann in diesem Punkt nicht mehr tun, als ihn zu beraten.“

Die Brujah zuckte leicht mit den Schultern.

„Dennoch hat Toma in diesem Haus viel getan, damit der Geruch von Wohlstand - wie Ihr ihn nennt - hervortritt und das ´A Tarda Ora´ zu einer angenehmen Gastunterkunft für kurzzeitige und kurzfristige Gäste wird. Zwar war manches seinerzeit bereits Teil dieses Hauses. Das Fresko im Eingangsbereich entsprang nicht seiner Schaffenskraft, doch welchem Besitzer es wahrlich zuzuordnen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Dieses Haus hat eine gewisse und längere Vergangenheit.“

Die Gelehrte senkte kurz ihren Blick, bevor ein sanftes Lächeln zurück auf ihre Lippen fand und sie auf die Wandverzierungen deutete.

„Doch dieser Raum hier wurde von Toma selbst gestaltet, wie auch die Schlafgemächer. Auch die Statuen im Elysium sind Zeichen seiner Kunst. Es würde mich entsprechend wenig verwundern, so dieses Haus in den nächsten Jahrzehnten noch prächtiger werden würde.“
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Die Maske, die der Nosferatu nun in vollem Licht präsentierte, war mit Lederriemen um seinen Schädel geschnallt. Sie wirkte ungewöhnlich echt, so als hätte man den Abdruck eines echten Gesichtes als Form einem Kürschner in die Hand gedrückt. Die realistisch platzierten Augenbrauen, die fein gearbeiteten Lippen und Stirnfältchen zeugten von einem Meisterwerk der Maskenbaukunst, der sich in diesem Stück verewigt hatte. Auch wenn es auf den ersten Blick überhaupt nicht künstlich aussah, wurde es immer beunruhigender, je länger und genauer man hinsah. Vielleicht war das ursprüngliche Leder ja bereits ein ungewöhnliches Material? Dieser nahezu lebendige Porenschimmer war eigenartig, es wirkte nicht gewachst! Irgendwas stimmte damit ganz eindeutig nicht.

Jacques schnallte die Riemen nacheinander ab und entfernte sein 'Gesicht' vorsichtig. Die darunterliegende Fratze, voller Schleim und schwarzer Furchen, Pusteln und Verformungen trat zum Vorschein und Seresa blickte in Augen so weiß wie gekochte Eier. Eine kleine Pfütze bildete sich vom Kinn herab auf dem Tisch vor ihm, die Maske hatte wohl am Kiefer entlang Flüssigkeit angestaut. Behutsam legte er sie auf den Tisch und fuhr sich durchs schütte dunkelgraue Haar, welches mehr an Morastgrund erinnerte als an irgendetwas anderes.

"Toma ist also ein Künstler, der hier wohnt? Oder ist es seine Gaststube in der wir hier sitzen? Eine offizielle Empfangs-Vorhölle... äh... Vorhalle?" Jacques kratzte sich am Kinn und schüttelte einen Batzen Glibber von seinen Fingern, der außer Sicht unter dem Tisch mit einem platschenden Geräusch verschwand. "Das Fresco ist mir aufgefallen. Es ist hübsch. Aber es scheint auf den ersten Blick kein Rätsel in sich zu tragen und kein Geheimnis. Außer seiner eigenen Quelle, wie es scheient."
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Seresa hatte einiges in den vergangenen Jahren gesehen und gelernt, doch das war… neu... Entsprechend blinzelte sie einige Male verwirrt, während ihr Blick zwischen Gesicht, Maske und Fingern hin und her wanderte. Offenkundig hatte sie mehr Fragen als Antworten, doch dankenswerterweise wurde sie durch Jacques Worte zurück aus ihren Gedanken gerissen. Kurz darauf hatten Seresas braune Augen den Weg des Glibbers verfolgt, doch sie sagte in diesem Moment nichts weiter dazu. Erst als Jacques geendet hatte, ging sie darauf ein.

„Ihr solltet womöglich an Euren Umgangsformen arbeiten. Mancher könnte sich davon beleidigt fühlen und seinem Tier näherkommen, als Euch lieb ist.“

Es war ein höflicher Hinweis, doch nicht mehr.

„Was das Fresko indes angeht, so hatte ich es mir vor vielen Jahren angesehen, doch fand ich auch auf den zweiten Blick kein Geheimnis in ihm. Allerdings bin ich selbst Schreiber und Übersetzer, weshalb Kunst nicht das ist, wovon ich sonderlich viel verstehe.“

Sie zuckte leicht mit den Schultern.

„Ob das Fresko aus Zeiten stammt, indem Melissa, Luca Fieschi oder Fabrizio Aurelio Sizilianus ehemals Fabrizio Begado dieses Haus als ihr Eigen bezeichneten, mag ich nicht zu beurteilen, doch es ist - wie Ihr selbst bereits sagtet - hübsch. Und ja, Toma Ianos Navodeanu, Erster Herold Genuas, Neugeborener vom Clan der Drachen, Kind von Navod Sorinescu, Ancilla vom Clan der Drachen, ist eine Art Künstler, doch wohnt dieser hier nicht. Er ist Herold ihrer Majestät Aurore, welche beauftragt hatte, Gastunterkünfte zu schaffen. Dies hier ist eine und sie untersteht ihm. Ich selbst nutze diesen Ort einzig für Gespräche mit Gästen, welche gedenken längere Zeit in Genua zu verweilen. Unterschlupf in den ersten Nächten zu finden, ist nicht leicht in Genua. Nicht Jeder besitzt wohlwollende Verwandtschaft hier.“

Ein sanftes Lächeln war auf ihren Lippen. Dann ging ihr Blick auf die Maske auf dem Tisch und ihre linke Hand deutete in diese Richtung.

„Eine wahrlich interessante Arbeit.“

Weder Ironie noch Abneigung war in ihrer Stimme zu hören. Offenkundig war er nicht der Erste, dem sie mit einer Maske begegnete und doch war diese ungewöhnlicher als andere. Entsprechend schwang Neugierde in ihren weiteren Worten mit.

„Dürfte ich sie mir genauer ansehen?“
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques grinste verschmitzt. "Ich bin kein Kind einer feinen Gesellschaft und ich werde nie eines sein, warum also sollte ich mich so verhalten? Anderen zuliebe oder mir selbst aus Furcht was andere über mich denken, sagen oder richten könnten? Ich vergesse nie die Gosse aus der ich kam, denn sie gab mir die Stärke und die Unnachgiebigkeit die ich in mir trage, Seresa. Und die Gosse vergisst mich nicht, nicht einen Augenblick. Wir leben alle von geborgter Zeit und wem Form wichtiger ist als Inhalt, dem wird es früh genug...", sein grinsen wurde breiter, aber auch freundlicher, auch wenn die entblößten verfaulten und zum Teil abgebrochenen Zähne es nicht gerade zierten, "...wie sagtest Du so schön? In die leere Hülle regnen?"

Sein Ton brachte bei aller Freundlichkeit ihr gegenüber recht deutlich hervor, daß er nicht als ungeschickt oder unfähig missverstanden werden wollte - das Verhalten war also Absicht. Sein Ziel schien mitnichten Unhöflichkeit, jedoch lag ihm nicht viel daran, Zeit mit polierten Worten zu verschwenden um der bloßen Gunst seines Gegenübers willen. Vielleicht hatte er dies mit seinem Ältesten gemein, wenngleich sie vermutlich unterschiedliche Gründe hatten sich so zu verhalten. Jedenfalls machte er damit deutlich, daß wer mit ihm das Gespräch suchte ihn in seinem Zuhause - der Gosse fern ab feiner Ballsäle - besuchen musste, im Geiste. Und dort hatten Titel, Formalien und sprachliches Geschwurbel so wenig Platz wie Zweck. "Ich arbeite meist eher an meinem Umgang als an den Formen.", gab er mit einem schmunzeln zu. "Und Dich schätze ich zum Beispiel ungeachtet dessen ob Du zwei oder zwanzig Worte für den selben Satz an mich brauchst." Er schien einen kurzen Moment nachzudenken. "Ich hoffe ich habe Dich nicht beleidigt oder sowas. Hab ich? Nein, oder?" Er wirkte etwas verstört, fing sich aber wieder nach ein paar Augenblicken.

Als sie mehr über den Bau um sie herum erzählte, ließ er seine Augen wandern. "Verstehe. Also ist das ein Haus für Neuankömmlinge, Gäste und eine Art Empfangshallen oder sowas." Er nickte anerkennend. "Macht was her, möchte ich meinen!"

Er war fast etwas abgelenkt als sie ihn nach der Maske fragte, guckte sie für einen Moment etwas zögerlich an, schob ihr dann aber vorsichtig das abgenommene Gesicht über den Tisch. Die Maske glitt lautlos auf dem Film noch vorhandenen Schleims, der an ihr haftete.

Das Stück selbst war hervorragend gearbeitet und je genauer die Brujah sich die Konstruktion anschaute, desto klarer wurde ihr, daß es sich einst um ein Gesicht gehandelt haben musste. Sie hatte genug tote Haut in ihrem Leben gesehen um echte von falscher unterscheiden zu können und aus der Nähe roch sie sogar ein wenig nach Verwesung und irgendwas beißendem, zumindest von der Außenseite. Die Innenseite war voll mit Glibber, der farb- und geruchlos am Leder der Halterung die das Gesicht auf Jacques Kopfform auflegen ließ haftete. Die Riemen hatten gewiss schon bessere Zeiten hinter sich, waren aber noch gut genug in Schuss, daß sie ihren Dienst tun konnten. Abgeflachte Nägel waren durch sie gearbeitet, vermutlich um am Kopf ein Abrutschen zu verhindern.
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Seresa nickte leicht auf Jacques letzte Worte und nahm die Maske dann mit spitzen Fingern vorsichtig auf, ganz so, als würde sie befürchten, sie zerspränge, so sie sie berührte. Sie strich zuerst über die Bänder und schließlich über die Nägel, bevor sie sich der Vorderseite der Maske widmete. Ihr Kopf legte sich zur Seite, als ihre Finger das Material berührten und ihre Stirn schob sich leicht in Falten, während sie die Maske anblickte und ihm gleichzeitig antwortete.

„Nein, Ihr habt mich nicht beleidigt. Ihr hättet und würdet es mitbekommen, so ich den Eindruck erlangt hätte oder erlangen würde, Ihr würdet oder hättet mich wissentlich und willentlich beleidigt. Als Nachkomme Brujahs kann ich durchaus leidenschaftlich in meiner Art sein.“

Beinahe liebevoll strich die Gelehrte über die verarbeitete, tote Haut. Fuhr die einzelnen Härchen nach und schien zu versuchen, die Oberfläche der Maske mit leichtem Druck zu verschieben.

„Die Etikette ist nicht der feinen Gesellschaft wegen. Sie schützt uns vor Fehlern, denn ein Mancher oder eine Manche würde Euch für ein fehlendes ´wert´ oder ´verehrt´ - in all seinen Varianten - in Starre prügeln oder pflocken und Euch bestenfalls nach Clavicula zurückbringen. Im schlechtesten Fall würde er oder sie weitaus schlimmeres mit Euch tun, weil es in seiner oder ihrer Macht steht. Euer Ältester mag zwar seine Hand über Euch halten und ist ohne jedweden Zweifel sehr mächtig, doch auch er wird womöglich verstehen, weshalb eine willentliche und wissentliche Respektlosigkeit niemals ungesühnt bleiben darf.“

Seresas Finger erkundeten weiter die Maske und nur für einen kurzen Moment hatte sie zu Jacques aufgeblickt.

„Wir hatten uns unter anderen Umständen kennengelernt und entsprechend störe ich mich derzeit nicht an dem Fehlen der Ansprache oder dem gewählten ´du´, sind wir unter uns. In einem offizielleren Rahmen oder im Beisein von weiteren Vertretern unserer Art würde ich es dennoch begrüßen, so Ihr angemessene Bezeichnungen verwenden würdet.“

Für einen Augenblick sah sie ihr Gegenüber schweigend an, bevor sie den Blick senkte, die Maske stumm anblickte und diese dann weiter aufmerksam erkundete.

„Davon ab, sollten wir nie vergessen, woher wir kommen. In diesem Punkt bin ich ganz bei Euch. Doch nicht überall sind Sitten und Gebräuche gleich und so wir weit entfernt unserer Heimat überleben wollen, müssen wir uns auch immer ein Stückweit an die neue Umgebung anpassen. So Ihr in der Domäne Genua verweilen wollt, werdet Ihr einer Aufgabe - abseits dessen, was Ihr für Euren Ältesten tut - nachgehen müssen.“

Seresa hielt in ihrem Tun inne und blickte erneut zu dem Nosferatu auf. Nachdenklich betrachtete sie ihn.

„Doch bin ich mir bei Euch noch unschlüssig, welche Aufgabe dies sein soll und welche ich Euch entsprechend zuweisen will. Ihr sagte, Ihr wollt selbst kein Teil der Gemeinschaft sein und doch werdet Ihr es zu einem Teil werden müssen, denn Jeder und Jede, welche in der Domäne Genua verweilen will, muss seinen Teil dazu beitragen. So ist es der Wille ihrer Majestät Aurore. Dennoch bin ich mir bewusst, dass es Niemandem hilft, so ich Euch eine Aufgabe zuteile, welcher Ihr nicht nachkommen würdet.“

Die Gelehrte senkte schweigend den Blick auf die Maske zurück, über welche sie zärtlich - beinahe liebevoll - strich.

„Also sagt mir, was seid Ihr bereit zu leisten, um Euren Nutzen für ihre Majestät Aurore und die Domäne Genua zu beweisen?“

Ihr Blick aus braunen, ewigjungen Augen ging zurück auf Jacques.
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Er beobachtete sie, wie sie sich ganz der Schönheit der Maske hingab, sie untersuchte, alles aufnahm was sie erspüren konnte. Wie ihre Finger der Form folgten, wie die Maske unter ihnen nur ein kleines Bißchen nachgab, nicht so wie ein echtes Gesicht mit Fleisch dahinter es würde.

"Jemand, der seinen Respekt erst einfordern muss, hat ihn nicht verdient. Man kann Folgsamkeit erzwingen, aber Ansehen nicht. Wer das nicht begriffen hat, ist viel mehr ein Opfer seiner eigenen Selbstherrlichkeit als alles andere. Daran würde selbst meine Starre oder mein Tod nichts ändern. Jesus hatte nicht vieles verstanden, aber wie man Leute an ihren Platz stellt, wusste er. Er hat sich als Wanderprediger mit vielen vornehmen Herrschaften angelegt, ob sie da waren oder nicht, und schau ihn Dir jetzt an - er ist tot und berühmt." Ein Schmunzeln umspielte seine zerfaserten Lippen. "Aber ich danke Dir für Deine Sorge. Wie soll ich Dich denn ansprechen, wenn wir mal nicht unter uns sind? Also auch in Anwesenheit von Atmern. Oder Fängen. Trägst Du auch einen Menschentitel? Oder gar einen anderen Menschennamen unter dem man Dich kennt?"

Jacques beobachtete ihre Hände weiter, wie sie über das Gesicht seines toten Bruders glitten und es drehten, ihre braunen Augen flink und neugierig über die Oberfläche streiften. Ein kleiner Glibberfaden zwischen ihr, der Rückseite der Maske und dem Tisch zog sich und glitzerte fein, wie nasse Spinnweben, aber doch so leicht und elastisch, daß er ihr wohl keinen Zugwiderstand bot als sie die Maske näher betrachtete.

Auf ihre Frage nach der Aufgabe, wurde seine Stirn noch runzeliger als sie es ohnehin schon war und die Fältchen drückten schwarzen Glibber nach außen, der langsam in einer zähflüssigen Bewegung sein nachdenkliches Gesicht herabwanderte.

"Ich habe keine Vorstellung davon, was ihre majestätische Hoheit für Nützlich hält." Er kratzte sich im Nacken und eine Wurst aus Schleim bildete sich vor seinen Fingern. "Was ich tue... und was ich kann... ist das Futter gesund und sicher zu halten. Ich sehe zu, daß sie Essen bekommen, damit sie nicht als Kadaver enden, halte Ausschau nach Seuchen und versuche Wehwehchen zu kurieren, damit man sich noch gut und sicher von denen nähren kann. Und wenn mal einer draufgeht und ich find' den, lass ich den verschwinden, auf daß die Ratten nicht die Stadt überrennen und das Siechtum bringen. Und das andere... nun, Du hast es gesehen. Ich gehe Gefahren nach, die den Sterblichen den Tod bedeuten. Da wo ich herkomme macht man das so, darum muss man mich weder bitten, noch mich dafür entlohnen, noch danken. Es ist was ich bin."

Der Nosferatu schnickte den Schleim seitwärts, ohne zu schauen wohin, und es machte ein weiteres plätscherndes Geräusch im Hintergrund. "Ab davon, ich glaube nicht, daß ihre vielbeschäftigte Herrschaftlichkeit Verwendung für die Lektionen über das Dahinscheiden hat und die Bedeutung des Endes für einen jeden und jeden einen. Wenn sie lästige Verwandte zum balsamieren hat, kann ich dabei natürlich gern helfen, aber ich schätze dieser Kahn ist lange gesegelt." Er zuckte mit den Schultern. "Ich bin weder Kräuterkundler noch Medicus, aber ich versteh' von beidem genug für was ich soll. Ich bin weder Abdecker noch Wachmann, aber ich versteh' von beidem genug für was ich soll. Ich bin weder Kämpfer noch Sprecher, aber ich versteh' von beidem genug für was ich soll. Ich find' mich mit den Aufgaben zurecht die man mir gibt. Aber man sollte wohl wissen, daß wenn man sie ohne Bedacht für meine Passionen wählt, die Ergebnisse eben bloß das sein werden. Aber ich versteh' auch genug von Führung um zu wissen, daß ihr das keiner erklären muss."

Er lehnte sich leicht nach vorn. "Ich sehe, Du hast Dich mit meinem Bruder angefreundet." Seine weißen Augen schienen sie anzustarren, oder durch sie hindurch, es war schwer zu sagen. Und etwas Neugier schwang in seiner Stimme mit.
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Der Blick der Brujah hatte sich von einem Moment auf den Anderen verfinstert, als Jacques derartig über Aurore und ihre Verwandtschaft gesprochen hatte. Die Ernsthaftigkeit in ihrem Gesicht legte nahe, dass sie seinen möglichen Witz, wohl alles andere als amüsant fand und auch der leicht abgesenkte Kiefer spiegelte dies trotz der geschlossenen Lippen wider. Ihr Brustkorb hob und senkte sich kurz unter einem falschen, tiefen Atemzug. Erst seine Worte über den Bruder rissen sie aus ihrer offenkundigen Nachdenklichkeit heraus und sorgten dafür, dass der Blick aus braunen Augen auf die Maske zurückfand. Ruhig nickte die Gelehrte nach einem Moment des Schweigens.

„Er weiß zu beeindrucken und zu faszinieren. Er ist nicht sonderlich gesprächig und doch erzählt er Dinge auf andere Art und Weise.“

Ihr Blick glitt kurz zu Jacques.

„Er ist bemerkenswert. Fühlt Ihr Euch wohler mit oder ohne ihn?“

Für einen Moment mochte man das Gefühl haben, sein Bruder würde die Folgen des Witzes zu spüren bekommen, doch stattdessen drehte Seresa die Maske einzig sehr behutsam in ihrer Hand, bevor sie begann die Innenseite ebenso vorsichtig wie zuvor und ganz ohne Scheu oder gar Ekel im Blick zu berühren.

„Was mich selbst angeht, so halte ich nichts davon, Titel aus unseren menschlichen Tagen zu übernehmen oder zu erhalten. Sie zeugen in meinen Augen einzig davon, dass wir noch nicht mit unserem einstigen Leben abgeschlossen, in der Welt hinter der Welt angekommen und in ihr etwas erreicht haben. Wir sind nicht länger, wer oder was wir waren, auch wenn ich selbst noch immer jenen Namen trage, welchen mir dereinst meine sterblichen Eltern gegeben hatten: Seresa.“

Die Brujah untersuchte vorsichtig den Übergang zwischen Maske und Riemen, während sie immer wieder kurz zu Jacques aufblickte.

„Was den Respekt und die Einforderung dessen angeht, so hättet Ihr wohl kaum in Euren sterblichen Tagen einen König öffentlich in Frage gestellt. Er hält die Macht, weil er in jene Position hineingeboren wurde oder sie an sich riss und diese halten kann. Ohne Zweifel müsst Ihr Euer Knie nicht vor ihm beugen, doch so Ihr es nicht tut, wird er dafür sorgen, dass Ihr es tut. Nicht weil er Euch hasst, sondern weil Ihr ihn und seine erreichte Position in der Welt in Frage stellt. Ihr stellt Euch ihm gleich und so er dies dulden würde, wäre er bald nicht mehr König. Nicht anders verhält es sich in der Welt hinter der Welt.“

Die freie Hand der Gelehrten drehte sich leicht und in einer darreichenden Geste.

„Entsprechend überlasse ich es Euch, welche Anrede Ihr verwenden wollt. Die Etikette ist eine hohe Kunst für sich, welche nur die Wenigsten wahrlich beherrschen. Von den meisten Neugeborenen ohne Amt wird ein Neugeborener mit Amt mit wohlwerter oder wohlwerte, sowie dessen Namen oder dessen Amt angesprochen. Doch ich nehme an, Euer Erzeuger hat Euch dies beigebracht.“

Womit sie sich wieder der Maske zuwandte und die Flüssigkeit, welche an ihren Fingern klebte, nachdenklich befühlte.

„Ihr spracht von Eurer Passion.“

Ihr Blick ging zurück zu den weißen Augen des Nosferatu.

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