[1026] Sündermund [Alain, Aurore (SL)]

[Alain le Beau]

Auf der Stirn des Tzimisce liegt blutiger Schweiß - und das liegt in dieser Nacht ausnahmsweise einmal nicht an den seltsamen Tentakeln, die frustrierend zäh seinen Kopf zieren. Nein, dieser Schweiß ist der Nervosität geschuldet. Seine Hand klopft hektisch einen bretonischen Rhythmus auf den Deckel der kleinen Eibenholzkiste, die zu seiner rechten liegt, während er darauf wartet, dass sein Diener mit einem Tuch kommt. "Alles muss perfekt sein", schärft er dem Ghul zum wiederholten Mal ein und zum wiederholten Mal erntet er ein hilfloses Nicken. Alain schließt die Augen und denkt an all die Geschehnisse zurück, die ihn zu diesem Moment geführt haben, all die kleinen Manipulationen und großen Versprechungen, die seltsamen Bündnisse und die notwendigen Feindschaften.

Eine Audienz mit der weißen Prinzessin - der Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn in Genua.

Bald darauf bricht eine kleine Prozession in Richtung der Villa Illuminata auf, diesem mysteriösen Landsitz, von dem Alain schon so viel gehört hat, dem er sich aber verständlicherweise nie zu nähern wagte. Alain schreitet vorweg, die kleine Kiste in den Händen, während seine Diener Kisten mit feinsten Tüchern bringen, Schatullen voll Schmuck und anderen feinen Waren. Der Tzimisce selbst ist in ein maritimes Blau gekleidet, in edle Seide gehüllt. Goldene Armreife, die wunderbar zu blonden Locken gepasst hätten (er flucht leise) zieren seine Handgelenke und von ihm strömt unverkennlich der Duft feinsten Rosenwassers aus.

An den Toren der Villa halten sie an, Alain, seine drei Leibwächter, sein Kammerdiener und die anderen Blutsgebundenen, die beim Transport geholfen haben. Dort warten sie darauf, dass ihnen die Gnade der Allerhöchsten zuteilt wird - und sie in der Tat vorgelassen werden.

[Il Canzoniere]

Die Villa Illuminata lag dunkel und verlassen dar. Wie so häufig. Trotzdem saßen vor dem äußeren Tor zwei Wächter, kamen auf die Beine und klopften sich die Waffenröcke ab als die Delegation näherkam. Warteten bis sie ganz herangekommen waren und erkundigten sich dann nach dem begehr der kleinen Gruppe. Mit der Antwort zufrieden rief einer zum Tormann hinauf und kurz darauf öffnete sich der Eingang in den Innenbereich der Villa. Eine massige Gestalt in noch massigerer Kleidung näherte sich eilig. Eine kleine Kerze vor sich hertragend um sich selbst ein wenig den Weg zu erleuchten. Er wartete bis die Gruppe das Tor passierte hatte und nickte Alain grüßend zu. "Ah da seid ihr! Willkommen in der Villa Illuminata. Ihr werdet erwartet!"

Als sich das Tor hinter ihnen erneut geschlossen hatte, setzten sie sich wieder in Bewegung, über einen dunklen, verlassenen Innenhof. In Richtung eines größeren Protals, hinter dem sich wohl die Innenräume der Villa befanden. "Ich bin Lucio Il Onnivorno. Schön eure Bekanntschaft zu machen. Wie war die Anreise? Kommt ihr von weit weg?" begann er harmlos zu plauschen. Warf dabei einen freundlichen Blick in die Runde und auch einen Blick auf alle anderen mitgebrachten. Trotzdem hatte er Alain direkt als jenen erkannt um den es heute wirklich gehen sollte, wie es schien.

[Alain le Beau]

Der Tzimisce seinerseits begegnet diesem scheinbar jovialen Ghul mit dem Respekt, der einem gleichrangigen Kainiten angemessen wäre - in Habitus und Gesten, wenngleich er auf die Anrede 'werter' verzichtet. Er neigt leicht den Kopf, bevor er zu sprechen beginnt: "Alain, geschätzter Lucio, einfach nur Alain - und erfreut eure Bekanntschaft zu machen! Die Anreise war ganz herrlich, die Nacht war milde und ich habe eine Nachtigall gehört. Aus der Stadt ist es ja nicht allzu weit, aber ach, was für ein Unterschied zu den Gassen voller Unrat dieses edle Anwesen doch bietet! Welch eine Freude, welch eine Ehre, hier zu sein!"

Auch Alains Gesicht ist von zwangloser Freundlichkeit, die Maske imitierend, die Lucio sich aufgesetzt hat. Er scherzt ungezwungen, doch niemals ungebührlich, ein angenehmer Gesellschafter. Nur ein aufmerksamer Beobachter würde den leicht verkrampften Mundwinkel bemerken oder das Zittern der Hände, das Alain durch die Zusammenlegung derselben hinter seinem Rücken zu verbergen versucht.

[La Cronista]

Il Onnivoro lächelte und nickte bestätigend auf Alains Worte. "Ja die Straßen der Stadt können mitunter beengend wirken." sagte er und wischte sich über die schweissnasse Stirn. Dann führte er Alain und seine Diener über den Innenhof, durch ein Portal, hinter dem ein prächtiges Atrium lag, welches viel mehr hergegeben hätte als es im Moment tat. Aus irgendeinem Grund war es sehr schlicht gehalten. Lediglich das große Becken, wohl eine Art Springbrunnen, mochte auf die einstmalige Pracht verweisen. Leicht hallten ihre Schritte in der leeren stillen Umgebung.

Der Allesfresser unterbrach die Stille. "Ihr habt einige Begleiter dabei. Es wird sie freuen, dass ihr nicht mit leeren Händen gekommen seid, dennoch werden eure Diener erst einmal hier warten müssen."
Sie erreichten ein weiteres hölzernes Portal, welches Lucio einfach aufschob. Er verneigte sich leicht während er Alain eintreten ließ und folgte dann, das Portal hinter sich schließend und die Diener damit draußen stehen lassend.

Vor ihnen lag nun der große Saal der Villa, dominiert von einem Podest auf dem ein großer, schwerer Stuhl Platz hatte. Ein Thron, geschnitzt aus dunkelstem Holz, verziert mit edelster Kunst und getragen von zwei wilden Löwen, auf denen sie die Arme ausruhen konnte. Vom Eingang, wo sie nun standen waren es sicher zehn oder gar fünfzehn Meter hinüber.

Und außer der darauf sitzenden, recht zierlichen Gestalt war der Saal leer. Dennoch füllte sie ihn vollends aus. Wie aus lunensischem Marmor geschlagen wirkte sie, deren Haut von ungezählten Jahrhunderten unter dem Licht des Mondes weiter gebleicht worden waren. Ihr Lächeln war noch immer das eines Mädchens, das sich den Sitten der Väter entsprechend vor dem Mann und seinen Blicken beugte. Aber auch dieses Lächeln stand an der Schwelle und mit jedem Augenaufschlag, mit jedem Blick aus ihren blauen Augen nahm sie das Mädchenhafte zurück, warf unter kokett verbergenden Wimpern ein Versprechen, das noch jedes Blut zum Kochen brachte.
Ihr Lachen – das hell und klar, wie das Öl frisch gepresster Oliven, über den ganzen Körper seines Opfers floss – zeigte deutlich die Zähne, rein und eben, und eine romantische Freude am Leben und der Lust, die zu bewahren ihr gelungen war. Sie war eine Schönheit, die ihresgleichen suchte.

Das Haar trug sie züchtig. Es war braun, so braun wie Herbstlaub und die Sommerhitze, ein Kontrast zu der Kühle ihrer weissen Haut. Wenig prinzlich und doch elegant wirkte dafür ihre Haltung, wie sie so leger auf dem Thron saß. Die Beine über die Armlehne baumelnd, wie ein sorgenloses junges Mädchen.

Abwartend sah sie zu Alain.

[Alain le Beau]

Alain gibt seinen Dienern ein Zeichen und sie bleiben stehen, auch wenn sich Besorgnis auf den Mienen der Leibwächtern zeigt. Der Tzimisce folgt dem alten Ghul in den großen Saal hinein. Er hat für all die Pracht um sich herum keine Augen. Sein Blick wird wie magisch angezogen von der Gestalt auf dem Thron und für einen Sekundenbruchteil wirkt Alain wie gelähmt. Dann sinkt er rasch auf die Knie und senkt seinen Kopf, bietet der wundervollen Erscheinung den Nacken dar. Auf seinem Gesicht wechseln sich tierische Begierde und heilige Ehrfurcht ab, bevor er es mit Mühe unter Kontrolle bekommt.

So kniet er dort vor der fleischgewordenen Schönheit und schweigt, darauf wartend, dass er durch ihre Stimme aus dem Bann erlöst wird.

[La Cronista]

Alain konnte nicht sehen ob sie etwas tat, wie sie ihn ansah, ob sie ihn ansah, ob sie erfreut, gelangweilt oder genervt war. Er konnte nur warten in seiner demütigen Haltung, darauf, dass sie ihm das Wort erteilte.
Doch sie gab ihm diese Erlösung nicht sofort. Ließ ihn warten und die Stille, die Ungewissheit und die Erwartungen, die es zu erfüllen galt waren drückend.

„Sprich.“ erklang nach einer gefühlten Ewigkeit die glockenhelle Stimme der Schönen in latein. Eine Stimme, die so süß war wie Honig. So weich und so edel, dass sie unmöglich von dieser Welt sein konnte.Der Inbegriff alles Weiblichen und doch auch so tödlich wie ein scharfes Messer.

[Alain le Beau]

Der Tzimisce zögert für einen Moment und seine Finger zittern leicht an seinen Seiten. Dann leckt er sich die Lippen und spricht, leise und demütig. "Höchst Verehrte, ich verfluche meine Unwissenheit. Eure Worte sind mir unverständlich." Ist es ein Todesurteil, das von den schönen Lippen klingt? Nein, sicher nicht - oder vielleicht doch? Will sie ihn testen? Oder hat sie ihn gerade zu einer wilden Liebesnacht aufgefordert? Alain verdrängt diesen höchst angenehmen und sehr unangebrachten Gedanken und stiert weiterhin auf den Boden vor sich. Er schätzt seine Existenz über alles - denn wie sollte er ohne sie Vergnügen empfinden? Nur keinen Fehler begehen, nur keinen Fehler begehen...

[La Cronista]

Ein leises Seufzen war zu hören, nachdem Alain gesprochen hatte. Dann folgten Worte die er verstand, denn sie wurden in italienisch gesprochen.
"Es ist eine Schande, dass kaum noch jemand die alte Sprache beherrscht, nicht wahr, Lucio." sprach sie wohl offensichtlich ihren Ghul an und scherzte über Alains mangelnde Sprachkenntnis.
"Stattdessen muss ich mich zu diesem Gossendialekt herab lassen."


"Es ist dir erlaubt zu sprechen. Ich hoffe du hast immerhin gelernt wie man sich vorstellt." folgten einen Moment später wenig angenehme Worte, an Alain gerichtet.

[Alain le Beau]

"Höchst Verehrte..." Alains Stimme zittert angemessen, dem Protokoll gemäß "...ich danke euch für diese Gelegenheit. Ich bin Alain der Bretone, unwürdiger Liebhaber des Lebens, Neugeborener vom Blute der Drachen und Gast eurer wundervollen Domäne..." Dies Kompliment sogar vor Nennung seiner Ahnenreihe, deren Lücken in den folgenden Worten schmerzhaft hörbar werden "...Kind des Konrad von Wolmar, Kind des Radislav Draculea, aus dem Blute Tzimisces." Auf seinem rosigen Gesicht steht die Röte der Scham. Alains Körper ist eine Waffe und er weiß sie zu nutzen.

Weiterhin bleibt er auf den Knien, hält er den Kopf gesenkt. Es ist keine angenehme Haltung, aber es ist eine Haltung, die er dank seiner Reisen durch verschiedene Höfe (und gelegentliche spezialisierte Bordelle) recht gut beherrscht.

[La Cronista]

"Mir wurde von dir berichtet" erklang die wundervolle Stimme wieder und ein ungesehener Fingerzeig folgte, der Lucio dazu brachte an Alain heran zu treten und ihm deutlicher zu verstehen zu geben, dass er sich erheben dürfe.

Nun sah sich der Tzimisce der Prinzessin richtig gegenüber, auch wenn es immer noch einige Meter zwischen ihnen waren.
Er konnte ihre jugendliche schlanke Gestalt in dem weissen seidenen Stoff betrachten, der als lockeres Kleid von ihren Schultern bis zu ihren Knöcheln floss, zu Füßen die in Sandalen steckten und spielerisch wippten, während sie ihn immer noch halb liegend betrachtete.

"Was führt dich zu mir, Alain der Bretone, Liebhaber des Lebens?" leicht zog sie eine Augenbraue dabei hoch als sie es sagt und ein leichtes Schmunzeln schmückte ihr engelsgleiches Gesicht. Man konnte nur ahnen was sie dabei dachte. Empfand sie es als Scherz? Als charmant? Als unglaubhaft?