[1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno, Avelina]

[April '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Nubis
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[1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno, Avelina]

Beitrag von Nubis »

Nun war es endlich so weit. Galeno hatte ein fein säuberliches Schreiben verfasst. Die Tinte war gerade erst getrocknet und das feine Pergament war eines der besseren Qualität gewesen. Vorsichtig prüfte er noch einmal, ob auch alles trocken war, denn für ihn war schon der Brief als erster Eindruck wichtig. Die geschwungenen Zeichen eines Schriftgelehrten und Zeichners gaben insgesamt ein gutes Bild ab und die Worte gaben das wider, was er zuvor mehrmals auf Wachstafeln niedergeschrieben, gelöscht und bearbeitet hatte.
Es sollte sein zweiter Versuch werden, sich mit einem des Clans der Könige zu unterhalten und dieses Mal war er darauf auch mehr vorbereitet, als in dem spontanen Treffen mit der werten Ravunthu.

Er hatte eine gute Freundin gefragt, ob er dieses Treffen bei ihr abhalten könne, einem Ort der Ruhe und mit einem entsprechenden Stil, der sicherlich passen würde. Ausserdem empfand er sie stets als gute Gastgeberin und sicherlich würde sie bei ganz groben Schnitzern ihrem Schüler auf die Finger hauen. Er musste bei dem Gedanken schmunzeln. Allerdings wollte er keine groben Schnitzer machen, sondern sich an alles halten, was er bisher über Etikette gelernt hatte.

Er verschloss das Schreiben mit einer Schnur, liess Bienenwachs auf diesen tropfen und wartete ab, bis er erkaltet war. Nun war der Brief verschlossen, wenn auch nicht mit einem Siegel. Seine kleinen, selbstgeritzten Siegel waren eher eine Art Spass gegenüber bestimmten Empfängern, etwas sehr Persönliches zudem, jedoch bei diesem Empfänger sollte alles seinen rechten Weg gehen. Und Siegel waren normalerweise auch eher etwas für Städte, Klöster, Könige und nicht für Bürger.

So wurde Bruder Luciano losgeschickt, um das Schreiben am Tage zu überreichen, damit es in der Nacht dann auch die betreffende Person zeitnah erreichen würde.

Sobald der Verschluss gebrochen war und das Pergament entrollt, würde sich eine schöne, geschwungene Schrift zeigen, die sicherlich einer Hand entstammt, welche oft mit feinen Linien arbeitet. Es wurde wohl auch stark darauf geachtet, dass kein Klecks das Pergament beschmutzen würde. Das Pergament selbst war von einer guten, wenn auch nicht überragender Qualität. Man konnte davon ausgehen, dass sich der Verfasser mit den Materialien ebenfalls auskennen musste.

Geschrieben stand:
An:
Gasparo di Como, Neugeborener des Clan Ventrue,
Kind des Majorianus,
Kind des Desiderio,
Kind der Brutia Livia,
Kind des Caracallas, Ahn des Clans der Könige und Herrscher der 12 Städte,
Kind des Lucius Tarquinus Priscus Ahnherr des Clans der Könige und Kind von Ventrue

Werter Magister di Como,

ich vernahm die Kunde von eurer Anwesenheit in dieser Stadt. Eine gemeinsame Bekannte und in meinem Fall, sogar gute Freundin, berichtete mir von euch und dass auch von meiner Wenigkeit gesprochen wurde.
Es erfreute mich zu hören, dass wir womöglich einige Gemeinsamkeiten haben und ich würde es sehr begrüssen, wenn wir eine Möglichkeit finden könnten, einander einmal kennen zu lernen.
Gerne möchte ich euch, falls ihr daran interessiert seid, im Hause der werten Viscontessa di Braida willkommen heissen. Sie war so freundlich und kam meiner Bitte nach, ihr Anwesen dafür bereit zu stellen, da andere Räumlichkeiten für dieses Treffen meiner Ansicht nach nicht als all zu passend empfunden werden könnten. Sie wird euch also ebenfalls herzlich in ihrer Villa als Gast empfangen, jedoch, sofern ihr es wünscht, oder es erforderlich ist, uns auch genug Privatsphäre gewähren. An diesem Ort herrscht eine angenehme Atmosphäre und umgeben von Kunst und Ruhe lässt es sich sicherlich auch besser unterhalten, als in hellhörigen sakralen Gemäuern.
Da bei Vollmond die Villa meiner Meinung nach die wunderschönste Pracht offen legt, schlage ich das Treffen für die kommende Nacht vor, in der die silberne Scheibe in vollem Glanz im Zenit steht.

Sollte euch die Zeit nicht behagen, ihr aber dennoch Interesse an einem Treffen hegen, und ihr mir eine Antwort zukommen lassen möchtet, so reicht ein Bote, welcher bei der Villa di Braida eine Nachricht hinterlässt. Sie wird mich erreichen.

Ich hoffe auf dies baldige Treffen und wünsche euch bis dahin eine angenehme Zeit in Genua.

Hochachtungsvoll

Gelano Fiore, Neugeborener von Clan des Todes
Kind von Bruder Martinus, Prior der Einsiedelei Camaldoli
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Gasparo
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Gasparo »

Humpelnd und erschöpft, ja übermüdet aussehend, erreichte Sixtus zwei Tage später die Villa di Fiori. Die Diener der Herrschaften sahen schnell, dass der Lehrer sichtlich verändert war im Vergleich zu seinem Besuch vor einigen Jahren: Sein wirres Haar war an mehreren Stellen deutlich ausgedünnt und er schien auch mehrere Zähne an den Verlauf des Alterns verloren zu haben.

Zudem war Sixtus Stimmung gedämpfter als bei seinem letzten Auftritt. Wortkarg überreichte er einen Brief für einen Bekannten der Hausherrin, Signore Fiore, und er verabschiedete sich auch überhastet wieder.

Empfängt Galeno den Brief so würde ihm auffallen, dass das Pergament ähnlich seiner Technik mit Bienenwachs versiegelt war. Die Qualität des Materials war ebenfalls solide, wenn auch nicht übermäßig gut. Die Handschrift war groß und deutlich, die Buchstaben von harten Winkeln geprägt, die Unterschrift ausschweifend.
An:

Gelano Fiore

Werter Herr Fiore,

ich bin erfreut und überrascht, eine Nachricht von Euch zu erhalten. Ihr kommt einer Einladung meinerseits zuvor. In der Tat wurdet ihr in den Jahren seit meiner Ankunft bereits mehrfach als Beispiel eines eifrigen Gelehrten und Künstlers genannt.

Um dieses Treffen zu ermöglichen werde ich mir zu dem von Euch vorgeschlagenen Termin die nötige Zeit nehmen. Allzugern nutze ich auch die Gelegenheit die Villa dei Fiori Rossi der werten Viscontessa di Braida erneut zu besuchen. Zu viele Jahre sind bereits vergangen, seitich dort verweilen durfte.

Auf das unser Treffen unsere Erwartungen übertrifft.

Hochachtungsvoll,

Gasparo di Como, Magister Trivium

Einige Nächte später wurde der Himmel über Genua vom Vollmond in ein schimmerndes, unwirkliches Licht getaucht. Crispianus und Gasparo di Como benötigten keine Laterne, als sie aus dem Bischofskastell nach Mascharana hinabstiegen.

Der Magister selbst schritt voran. Der hagere Mann machte wie üblich steife, große Schritte. Er trug ein fein geschnittenes, dunkles Gewand, mit Ärmeln, die einen dunkelgrünen Farbton hatten. Sein Amulett, nur mit einer dünnen Kette befestigt, ruhte auf seiner Brust.

In seinem Schatten wandelte sein Leibwächter. Für manche mochte der Ghul wie ein Zerrbild seines Herrn wirken. Gedrungen, wo Gasparo hager war, kahl, anstatt des sorgfältig gekämmten, schulterlangen Haupthaares des Ventrue. Selbst seine Bewegungen sahen geschmeidiger aus, im Vergleich zu den storchenartigen Bewegungen, die der Lehrmeister tat. Crispianus Tunika war in einem dunkelgrünen Ton gehalten, abgestimmt mit den Ärmeln seines Herrn. Ein langes Messer, in der Art eines Schmalsax, hing in einer Lederscheide von seinem Gürtel.

Als das ungleiche Paar die Wachen erreichte, die die Villa Fiori vor unangenehmen Besuchern abschirmten aber gewiss auch eine Statussymbol waren, blieb Gasparo abrupt stehen. Crispianus umrundete ihn und hob eine Hand zum Gruß. „Ich wünsche Euch einen guten Abend.“ Seine Stimme war rau und heiser. Als Herold machte der Ghul eine schlechte Figur. „Ich begleite den edlen Gasparo di Como, Magister Trivium. Eure Herrschaften erwarten ihn zu dieser späten Stunden.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Aus dem Hintergrund streifte Gasparos Blick ungeduldig die Wachen, bevor er die Wände des Anwesens musterte.
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Avelina di Braida
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Avelina di Braida »

Die Wachen schienen instruiert über die zu erwartenden Gäste, und so wurden sie auch umgehend eingelassen. Es war abermals Bernardo, der sie in der Eingangshalle erwartete, und war Sixtus bereits ein Grund für ihn gewesen äußerst aufmerksam zu sein, so schien es Crispianus umso mehr. Man konnte ahnen, dass er dem Ghul im diesem Hause keinen Meter von der Seite weichen würde. Und es dauerte auch nicht lange, bis er Crispianus den Weg zur Küche weisen konnte, denn Avelina erschien dieses mal selbst in der Halle.

In edle Gewänder gehüllt, deren Seide leicht im Abendwind wehte und sich so eng an ihre Konturen schmiegte, trat sie mit einem Lächeln auf ihren Gast zu, wobei sein Begleiter allerdings auch einen kurzen, und doch eher zweifelnden Blick bekam.
„Werter Gasparo, es ist mir eine Freude euch abermals in meinem Hause begrüßen zu dürfen.“ sie schmunzelte sacht, die Andeutung des Schalks in ihren leuchtend grünen Augen, „Auch wenn ich weiß, dass ich diesmal nicht der Grund für eure Anwesenheit bin.“
Sie deutete mit einer einladenden Geste in Richtung des Ganges, der auch zu jenem grünen Zimmer führte, in dem sie ihn bereits einmal empfangen hatte. Dabei wandelte sich das Schmunzeln zu einem durchaus warmen Lächeln.
„Der werte Galeno ist bereits eingetroffen. Ich hoffe euch ist es gut ergangen in den vergangenen Jahren und ihr habt euch weiter in Genua eingelebt?“

Dieses mal führte sie ihn offenbar nicht zu jenem Raum, stattdessen trat sie zum Atrium hinaus. Im Innenhof war das zarte Plätschern eines Brunnens zu hören und die Pflanzen welche den Hof zierten, wuchsen bereits in einem üppigen Grün, den Frühling willkommen heißend, und verströmten den süßen Duft junger Blüten und frischer Sprossen.
Eine Sitzgruppe war arrangiert worden für die Gäste, beleuchtet durch das schwache Licht von vier Kohlebecken und ein paar Windlichtern.
„Ich habe mir erlaubt diese kleine Oase für uns vorbereiten zu lassen. Die Nacht schien so wundervoll und man sollte das Licht des vollen Mondes stets genießen, so es möglich ist. Solltet ihr einen abgeschiedeneren Raum wünschen, so zögert nicht dies zu äußern.“ Tatsächlich würde der Innenhof vermutlich fast der sicherste Ort des Anwesens sein, mitten in seinem Herzen gelegen. Doch natürlich fehlte das schützende Dach.
„Wünscht ihr eine Erfrischung?“ die Höflichkeit gebot es wohl wenigstens zu fragen.

Noch bevor Avelina in die Eingangshalle betreten hatte, war wohl Sophia zu Galeno geschickt worden, um ihm Bescheid zu geben, dass der Gast eingetroffen wäre.
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Nubis
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Der junge Mönch war in der Nacht zuvor zu Avelina gegangen, um trotz aller Umstände rechtzeitig den Gast empfangen zu können. Man hatte sich hier und da noch unterhalten und vorbereitet und er hatte vieles Avelina überlassen, schliesslich war sie die Hausherrin und als Toreador da ohnehin in ihrem Element. So konnte er sich eher mental darauf vorbereiten.
Wäre er noch am Leben, hätte er wahrscheinlich den folgenden Tag kein Auge zu getan oder sich unruhig hin und her gewälzt, doch bis auf eine Vision, die ihn heim suchte, kurz bevor die Sonne auf ging, war da nichts von seiner Unruhe zu merken.

In der neuen Nacht erwachter er recht spät. Bruder Luciano stand schon mit allem bereit und half etwas bei der Morgenhygiene. Statt der Mönchskluft, mit der er hier her gekommen war, kleidete er sich nun wieder als junger Gelehrter in feinem Leinen, dunkel gehalten. Sein blasses Gesicht mit den hageren Zügen und den dunklen Augenhöhlen schien mit der Kleidung abgestimmt zu sein, fast so, als wenn eine Rose diese für ihn ausgesucht hätte.
Das Haar wurde noch gerichtet und dann konnte er vor ihn treten.

Sophia war geschickt worden, um Bescheid zu geben und so drollte sich Luciano dann etwas, denn auch er würde bei dem Gespräch nicht dabei sein.

Wie zuvor besprochen, würde es im Garten statt finden und da er davon aus ging, dass womöglich der Gast schon dort hin geleitet worden war und freundlich von der Hausherrin begleitet werden würde, trugen ihn seine Füsse gleich zum Garten hin. Hier achtete er darauf, dass er nicht aus Versehen eine der Pflanzen berührte. Für Rosen war dies hier sicher ein wunderbares Ambiente, Galeno allerdings musste aufpassen, dass er nicht zum Leid der Rose wurde, indem er ihren wunderbaren Garten vernichtete. Er musste also sicher während des Gespräches ab und an die Position wechseln, aber das bisschen Unbehagen machte ihm nichts aus.

Alsbald trat der junge Gelehrte mit dem Rosenkranz, der um das Handgelenk gebunden war, also in den Garten hinaus und nutzte vor allem den Weg, der dort angelegt war. Ruhigen Schrittes steuerte er auf die Sitzgruppe zu, dennoch Abstand wahrend zu den Feuerschalen, die die Szenerie noch erhellten. Er blieb dort stehen und sah zum Mond hinauf. Die grosse, runde Scheibe trug tatsächlich ihren Teil bei, um dieser Nacht eine besondere Stimmung zu verleihen. Er sammelte sich bei dem Anblick des Mondlichts und der Sterne noch einmal, schloss die Augen und genoss noch einmal die Stille, die nun auch sein Gemüt beruhigte und die er schon immer so geliebt und umarmt hatte. Da hatte er sich absolut nicht verändert.
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Gasparo
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo hatte Bernardo höflich, aber kühl und knapp begrüßt. Als Avelina die Halle betrat erschien jedoch ein leicht erkennbares Lächeln auf seinem Gesicht. Crispianus senkte sein Haupt tief, auch wen die Bewegung ungelenkt aussah.

„Werte Viscontessa di Braida, so sehr es mir eine Freude ist erneut die beeindruckenden Flure der Villa di Fiori zu betreten so ist es doch ein noch größeres Vergnügen Euch erneut begegnen zu dürfen.“ Der Ventrue deutete eine Verbeugung an. „Auch wenn Ihr nicht der Impetus meines Hierseins seid so kommt es mir sehr gelegen, erneut Eure Präsenz genießen zu können.“ Als er seinen Kopf wieder hebt ist sein Gesichtsausdruck wieder ernst, wie gewohnt. „Ihr seid wahrlich eine Augenweide verglichen mit dem Schmutz und Elend, die uns hier in Genua immer wieder begegnen.“

Eine unscheinbare Geste seiner rechte Hand erlaubte es Crispianus, Bernardo zu folgen. Der Ghul musterte den anderen Mann misstrauisch, fast abschätzig. Als die Kainiten außer Hörweite waren seufzte er hörbar. „Und wo ist mein Warteplatz, Herr? In der Küche, bei einem Glas Milch wie ein Bube … oder einem saftigen Stück Fleisch mit einem Knochen?“

Gasparo folgte Avelina, als sie ihn durch das Haus führte. „In der Tat. Die Jahre vergehen schnell wenn man beschäftigt ist, nicht wahr? Es erfüllt mich mit Stolz zu sehen wie meine Schüler langsam meine Klasse verlassen und meine Lehren in die Welt tragen.“

Im Atrium angekommen reckte der Lehrmeister sein Gesicht in den Nachthimmel, fast, als würde er sich im Mondlicht sonnen. „Oase ist eine treffende Bezeichnung für diesen Ort. Es ist eine wunderbare Nacht. In dieser Zeit scheint es nicht oft so zu sein. Regen, Hagel, Wolken … oft scheinen die Elemente sich gegen uns zu verschwören und versuchen, uns in unserer Zuflucht einzuschließen. Schließlich sind wir keine streunenden Hunde, die bei Wind und Wetter durch die Gassen schleichen sollten.“ Er blickte seine Gastgeberin mit einem Schulterzucken an. „Habt Dank für Euer Angebot, werte Viscontessa, aber meine altmodischen Wege haben sich nicht geändert. Ich schätze Eure Großzügigkeit aber meinen Durst stille ich lieber … privat.

Gasparo war sich nicht sicher, wie Avelina diese Ablehnung wahrnahm. Wusste sie von den Gewohnheiten seines Clans und triezte ihn auf diese Weise? Hielt sie ihn für unhöflich oder übervorsichtig? Jede dieser Möglichkeiten barg etwas Unangenehmes, doch dies war der Preis für den Umgang mit anderen seiner Art.

Als Galeno sich näherte wurde Gasparos Haltung noch förmlicher als zuvor. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und faltete die Hände hinter seinem Rücken, während er den Kappadozianer betrachtete. Seine ausdruckslose Miene zeigte nicht, dass er für einen Moment überrascht war vom jugendlichen Aussehen des Neuankömmlings. Sein mentales Bild von Galeno, von den Erzählungen anderer Kainiten abgeleitet, war ein anderes gewesen. Innerlich schalt er sich für diesen Fehler. Er durfte sich nach all den Jahren nicht dazu verleiten lassen, den jungen Mann wie einen seiner Schüler zu behandeln, nur, weil er eines ihrer Gesichter trug: Die Wahrheit war eine andere.
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Avelina di Braida
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Avelina di Braida »

Bernardos Blick auf den Begleiter Gasparos wurde taxierender bei der doch eher flapsigen Bemerkung. Ihn würde er ganz sicher keine Sekunde aus den Augen lassen, so lange er hier weilte.
„Das ist ein Haus der Gastfreundschaft.“ erwiderte er ohne Sympathie in der Stimme, „Die Herrin des Hauses wünscht, dass für euer Leibliches Wohl gesorgt ist, und so wird es geschehen.“
Und so wurde Crispianus in die Küche geführt und ihm wurde sicher kein Glas Milch aufgetischt, stattdessen der Eintopf, den die anderen Sterblichen des Hauses ebenfalls genießen durften, dazu auch ein saftiges Stück Fleisch.

Avelinas Kopf neigte sich unterdessen leicht zur Seite bei den Worten ihres Gastes, wobei ein höfliches Lächeln über ihre Lippen huschte.
„Ihr scheint Genuas hässliches Gesicht kennengelernt zu haben, euren Worten nach zu urteilen. Es ist wohl an uns dafür zu sorgen, dass die Stadt es doch noch schafft zu erstrahlen, wenngleich wir nicht allen Schmutz und alles Elend werden vertreiben können.“ war ihre schlichte Feststellung, „Zumindest nicht so lange sich zu viele daran laben.“
Auf die Ablehnung des Blutes ging sie nicht weiter ein. Womöglich war auch das der Höflichkeit geschuldet. Sie überging dieses Thema und griff schnell ein neues auf.

„Werter Gasparo, ich habe nach unserem letzten Treffen noch einmal nachgedacht. Ihr stammt aus dem Geschlecht der di Comos und nanntet Pietrasanta eure Heimat. Eure Familie scheint weit verbreitet, oder gibt es keine Bande zu der Provinz Como in der Lombardei?“ sie sah ihn bei dieser Frage aufmerksam an, dann schmunzelte sie sacht, „Wundert euch nicht, ich bin schlicht neugierig. Wie ich sagte, ich stamme aus Varese, ebenfalls in der Lombardei. Hättet ihr nicht gesagt ihr stammt aus dem Süden, so hätte ich vermutet wir wären einst Nachbarn gewesen. Was sicherlich einige höchst interessante Gespräche mit sich gebracht hätte.“ sie lachte leise, dann allerdings wanderte ihr Blick zu Galeno.

Ein warmes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie sich erhob und dem jungen Mönch zunickte.
„Ah, da ist ja euer eigentlicher Gastgeber.“ richtete sie das Wort noch einmal an Gasparo, bevor sie sich Galeno zuwandte, „Eine wunderschöne Nacht, werter Galeno.“ und ihr Blick wanderte mit einem begeisterten Aufblitzen in den Augen an ihm auf und ab, wobei sich auf ihren Lippen ein zufriedenes Lächeln zeigte. Sie schien sein neues Bewusstsein für sein Äußeres durchaus zu begrüßen.
Einen Moment lang schien sie zu hadern, ob sie die beiden einander vorstellen sollte, doch entschied sich dann dazu sie selbst in aller Ruhe der Routinemäßigen Etikette folgen zu lassen.
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Nubis
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Die Schritte des jungen Gelehrten zeugten von einer inneren Ruhe, die er nun in sich fand, auch wenn das Tier immer wieder an ihm zerrte. Es war nervig, doch er besann sich auf anderes, Wichtiges in seinem Geiste und hielt daran fest. Noch konnte er genug Ketten um es schlingen. Danach konnte er jagen gehen.

Er hielt die Hände vorm Körper gefaltet, ähnlich wie sein Gast, der sie hinter seinem Rücken platziert hatte. Ohne eine überhastete Eile, jedoch mit grossen Schritten, trat er auf die beiden zu und als ihn Avelina mit einem Lächeln begrüsste, so lächelte er zurück. Ein ehrliches Lächeln, auch wenn dieses recht kalt und ohne Gefühle schien. Sie wusste es womöglich besser.

„Wir haben in der Tat eine wirklich wunderschöne Nacht für heute geschenkt bekommen. Ich dankte dem Herrn bereits dafür. Auch danke ich euch abermals für das Bereitstellen eures Hauses und für die ausgezeichneten Vorbereitungen, die ihr hierfür getroffen habt. Ich kann mich glücklich schätzen, euch als Freundin zu wissen, werte Avelina di Braida.“

Er nickte ihr dankend zu und wendete sich dann dem Magister zu. Seine kalten Augen, in denen das Feuer ab und an Bernsteinfarbe aufblitzen liess, musterten ihn kurz. Ja, so hatte er ihn sich in etwa vorgestellt. So, wie er andere Könige bisher kennen gelernt hatte. Er würde aufpassen müssen.

Zum Gruss senkte er langsam und leicht sein Haupt, ehe er ihn wieder ansah.

„Ich grüsse euch, werter Magister di Como. Ich hoffe, ich habe euch nicht zu lange warten lassen.“

Er stand ruhig und gelassen vor ihm, schloss kurz die Augen. Bis auf dieses blieb alles andere regungslos. Doch als er sie wieder öffnete, zogen sich auch seine Mundwinkel zu einem freundlichen Lächeln hinauf.

„Ich, Galeno Fiore, Neugeborener des Clan des Todes, Kind von Bruder Martinus, Ancilla und Prior der Einsiedelei Camaldoli, Kind von Hephaistos, Ahn und Senechall der Dömäne Florenz, freue mich, euch in dieser beeindruckenden Nacht und Kulisse begrüssen zu dürfen. Ich hoffte schon länger darauf, euch einmal kennen lernen zu dürfen.“

Und abermals senkte er sein Haupt ganz leicht zu einem abgeschrägten Nicken.
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Gasparo
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Gasparo »

Crispianus nickte, als Bernardo die Gastfreundschaft der Hausherrin betonte, ein kurze, abgehackte Geste. Er mochte den blonden Hünen nicht. Es war mehr als nur das unterschwellige Abschätzen eines anderen Kämpfers und das stumme Verhalten zweier Männer, die von Ihrer eigenen Gefährlichkeit überzeugt waren. Crispianus diente Clan Ventrue bereits seit langer Zeit und er kannte seinen Platz. Sein Gegenüber, der „Ehemann“ der verehrten Avelina, spielte eine andere Rolle. Crispianus folgte Bernardo schweigend in die Küche. Sein Gefühle waren nicht wichtig. Gasparo würde ihn nicht fragen, ob er die Diener der Rose leiden konnte. Er würde sich ohne weitere Worte auf dem ihm zugestanden Platz setzen und die Speisen, die es gab, verzehren. Ob er sich dabei vorstellte, wie er den Schädel des fein gekleideten Adligen zertrümmerte, blieb der Fantasie des Ghuls überlassen.

Die Stimmung unter den Kainiten war indes entspannter. Auf Avelinas Kommentar zur Herkunft seiner Familie reagierte Gasparo fast etwas verlegen. Seine Stimme wurde etwas leiser als gewohnt und seine Mundwinkel zuckten. „Vermutlich liegt ihr nicht ganz falsch. Als meine Vorfahren in den Adelsstand erhoben wurden lebten sie bereits in Pietrasanta. Ihre Wurzeln lagen aber in der Lombardei, daher der Nachname. Di Pietrasanta … hätte auch einen weniger edlen Klang, nicht wahr?“ Er räusperte sich und der belehrende Tonfall kehrte zurück und sein Zeigefinger beschrieb kleine Kreise in der Luft. „Leider ist dieser Teil meiner Familiengeschichte nicht sonderlich gut dokumentiert. Die di Comos, besonders Pelagio, zeichneten sich im Krieg gegen die Franken aus, dem gleichen Konflikt, der sie aus der Lombardei Richtung Süden vertrieb. Aber von besonderer Bedeutung waren sie zu dieser Zeit noch nicht.“ Gasparo bemerkte Avelinas Blick in die Distanz und beendete seinen kurzen Vortrag als Galeno sich näherte.

Nach der Vorstellung des Kappadozianers erwiderte der Lehrmeister die angedeutete Verbeugung. Dann begann er mit geübter Stimme, seine Blutlinie aufzuzählen.

„Mein Name ist Gasparo di Como, Neugeborener des Clan Ventrue,
Kind des Majorianus,
Kind des Desiderio,
Kind der Brutia Livia,
Kind des Caracallas, Ahn des Clans der Könige und Herrscher der 12 Städte,
Kind des Lucius Tarquinus Priscus Ahnherr des Clans der Könige und Kind von Ventrue selbst.“


In diesem Moment erschien Gasparo wie ein von religiösem Eifer ergriffener Priester. Seine Gesichtszüge schienen bei der Erwähnung des Clansgründers fast entrückt. Für einen Augenblick senkten sich seine Lider und er ließ seine Worte wirken … vielleicht mehr auf ihn selbst als auf seine Zuhörer. Dann fiel sein Blick wieder auf Galeno. Mit einem ernsten und humorlosen Gesichtsausdruck fuhr er fort.

„Ich danke Euch ebenfalls, dass Ihr dieses Treffen eingeleitet habt, werter Galeno. Euer Name ist bereits mehrmals an mich herangetragen worden aber meine Aufgaben haben mich bisher abgehalten, Euch aufzusuchen. Leider gab es in den letzten Jahren auch kaum Gelegenheiten, dass sich die Mitglieder der Hohen Clans versammelt hätten … zumindest hätte ich dies nicht mitbekommen.“ Er warf Avelina einen fragenden Blick zu.
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Avelina di Braida
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Avelina di Braida »

Es brauchte nicht viel um den Unmut Bernardos auf sich zu ziehen. Er war nicht als Menschenfreund bekannt, wenngleich gewisse Umstände dafür sorgten, dass er... nun, umgänglicher war, als zu jener Zeit, da er noch der Herr im Haus war, derjenige der das Sagen hatte. Und es gab eine Sache die er noch nie mochte: fremde Männer in seinem Heim. Leider waren dies in letzter Zeit nach seinem Geschmack ein paar zu viele. Aber zumeist waren es jene, die von Avelinas Stand waren, und ihm waren die Hände gebunden. Die Begleiter dieser Herrschaften, die eher auf seinem Stand waren – sofern man das behaupten konnte, befand sich unter ihnen doch kein Visconte – stellten sich zumeist als recht harmlos heraus. Sah man vielleicht mal ab von dem Diener der Harpyie, doch diese Signora war stets allein im Anwesen aufgetaucht. Und der Mönch? Nun, dieser war... vermutlich eher den Männern zugetan oder tatsächlich völlig blind für die Schönheit seiner Padrona.
Die Diener dieses Magisters allerdings... er würde sie im Auge behalten. Und dieser hier, den musste er aus der Gosse geholt haben, oder aus dem tiefsten Kerker.

Avelina lauschte unterdessen interessiert den Worten des Magisters und ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen bei der Erklärung seine Wurzeln lägen in der Lombardei. Wenngleich sie nur in die Familie di Braida eingeheiratet hatte, war ihr Varese doch inzwischen eine zweite Heimat geworden.. oder gar ihre eigentliche? Alles andere schien viel zu lange her.
Sie wollte gerade auf seine Erklärungen eingehen, da erschien Galeno und sie hielt sich fürs erste zurück, die beiden anderen Kainiten ihren Vorstellungsritus beenden lassend. Sie beobachtete die Männer dabei interessiert, ihre ausdruckslosen, ernster Mienen, ihre kühle Art... und sie musste schmunzeln. Wie konnten so viele nur davon ausgehen, dass es keinerlei Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Kainiten gab? Hier wurde einer dieser Unterschiede mal wieder mehr als deutlich.

Erst als Gasparo sie auf seine Worte hin mit einem fragenden Blick bedachte, nahm sie wieder am Gespräch teil... zunächst in Form eines leisen Lachens.
„Verzeiht, es ist nur...“ und sie wurde umgehend ernster, ein leicht frustriertes Seufzen ertönen lassend, „Genua ist wahrhaft anders als andere Domänen. Auch in dieser Hinsicht, und ich kann nicht umhin zu gestehen, dass mir dies missfällt. Ein hoher Clan scheint hier nicht von Bedeutung. Ich schreibe dies der Tatsache zu, dass die Stadt nach den Wirren in der Vergangenheit eine... eigene Ordnung hervorgebracht hat, und fast alle Ämter und Titel von Neugeborenen repräsentiert werden. Sicher, es gibt die Ältesten – wenn auch nicht von meinem Clan – aber ansonsten...“ sie seufzte abermals, „Der Clan, das Ansehen des Clans... das alles scheint hier zweitrangig. Bei manchen Wegen mag es jener sein der zählt. Ansonsten muss, wie ich euch ja bereits nahelegte, eine Art Gemeinschaft zunächst noch entstehen.“
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Nubis
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Re: [1027] Dort, wo die Kunst zu Hause ist [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Galeno sah, als sie antwortete, Avelina interessiert an, wollte er ihr doch die nötige Aufmerksamkeit geben und wollte doch auch einen Einblick in ihr Denken und ihre Meinungen erhalten.
„So ganz stimmt dies wohl auch nicht, also dass die Zuordnung der Clans in hohe und niedere keine Rolle spielt. Ich hatte schon eine rechte Diskussion darüber und insgeheim wird auf uns der hohen Clans anders geachtet, als auf die der niederen. Machen wir Fehler, werden sie uns gefühlt doppelt so schlimm zur Last gelegt, als wenn einer vom niederen Clan diese begeht. Man wird intensiv darüber belehrt und dabei stets auch betont, dass es sich für einen hohen Clan so nicht ziemt oder ähnliches.“

Er setzte ab und seufzte dann leicht. „Allerdings scheint kein solcher Zusammenhalt zu existieren, der ein Treffen ermöglicht. Die Verbundenheit geht wohl eher über interne Bünde im Clan selbst oder über die Wege. Diese Gemeinschaften scheinen wichtiger und teils gefährlicher, weil sie zusammen agieren und Feindschaften gegen andere hegen.
Sünder, Himmlische, Könige und so weiter.“

Er blickt dann wieder zu Gasparo, weiterhin so ziemlich ohne eine unnötige Regung von Muskeln, vor allem kein Blinzeln.
„Da ihr es gerade ansprecht, bin ich nun doch sehr interessiert daran zu erfahren, was ich schon alles über mich gehört habt und ob ich es euch bestätigen kann, oder nicht. Ich habe von euch leider noch nicht all zu viel gehört, jedoch das, was ich bisher erfahren habe, stammt von mir wichtigen Quellen und ich schenk diesen durchaus Glaube. Eine der Quellen sitzt vor euch, die werte Viscontessa teilte mir ein klein wenig mit, dass ihr euch unterhalten hättet und in Bezug auf Kunst und ich denke, den Wunsch Wissen zu vermitteln, auch auf mich zu sprechen kamt. Die andere Quelle stammt aus der Heimat.“

Bei der Erwähnung der Heimat lächelte er. Wenn man gut hinsah, war es ein zweigeteiltes Lächeln. Erst schwang eine Art Heimatgefühl mit, wie eine Erinnerung an wundervolle, alte Zeiten, die man sich zurück wünschte. Doch dieses wurde matter und abgeschwächt und ein etwas anderes Lächeln mogelte sich hinein, eines, welches vielleicht etwas Ironie andeutete oder war es ein klein wenig Frust, den man mit einem Lächeln vielleicht bannen konnte?
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