[1028] Ne pas oublier [Seresa, Gasparo, offen]

[Mai '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

[1028] Ne pas oublier [Seresa, Gasparo, offen]

Beitrag von Seresa »

Es war Winter geworden in der Stadt und die Luft hatte sich spürbar um einige Grad abgekühlt. Es würde wohl noch einige Wochen dauern, so überhaupt Schnee in diesem Jahr fallen würde. Ruhig und unbewegt stand Seresa einige Zeit da, bevor sie die Kopfbedeckung von ihrem Haupt zurückschlug und für einen Moment die Augen schloss, während der Wind begann mit ihren offenen Haaren zu spielen und das untote Gesicht liebevoll zu streicheln. Ein trauriges Lächeln erschien auf ihren Lippen, während sich ihre Brust hob und senkte. Die Gelehrte öffnete die Augen und nachdenklich betrachtete sie das stetige und ewigwährende hin und her, während gedämpft im Hintergrund die nächtlichen Geräusche des Sestiere Platealonga zu hören waren.

Schließlich schüttelte die Brujah leicht den Kopf, entfernte sich von der Wasserkante, hockte sich abseits auf den Boden und lehnte den Hirtenstab an ihrer Schulter an. Mit geschickten Fingern löste sie das verborgene Leinentuch an ihrem Gürtel und breitete es schließlich vor ihr aus. Ihre Fingerspitzen strichen sanft über dessen Inhalt, bevor sie ihn mit der linken vorsichtig aufnahm und mit der rechten das Tuch erneut an ihrem Gürtel befestigte. Ruhigen Schrittes ging Seresa zum Wasser, wo die linke Hand der Gelehrten unter die eisige Oberfläche tauchte und sie den dunklen Fluten übergab, was ihnen gehören sollte.
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Gasparo
Ventrue
Beiträge: 631
Registriert: Mi 26. Dez 2018, 22:30

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Gasparo »

„Es tut mir so leid, Herr!“ Sixtus Flehen klang bemitleidenswert. Es lag Schmerz und Anstrengung in seiner Stimmung und es war nicht klar, ob die Situation, die die kleine Gruppe verließ, der Grund war oder die Tatsache, dass er humpelnd versuchte mit den schnellen, storchenartigen Schritten Gasparos Schritt zu halten.

Es war eine kleine Gruppe, die durch Platealonga in Richtung Mascharana schritt. Die Menschen hatten sich hinter ihren Wänden verschanzt und warteten darauf, dass die Sonne sie erneut mit ihrer Wärme begrüßen würde. Sixtus, der wohlbeleibte Lehrer, hatte eine Wollmütze über den Kopf gezogen. Zwei Wolldeckel hatte er sich wie Mäntel über sein graues Gewand geworfen. Vor ihm her schritt Gasparo di Como, der ein schwarzes Gewand mit grünen Ärmel trug und auf seinen linken Arm starrte. Seine Lippen waren zusammengepresst in einer Grimasse von kaum unterdrückter Wut. Für diese Jahreszeit schien seine Kleidung unangebracht, zumindest wäre sie es für einen Sterblichen. Ihnen folgte Crispianus mit etwas Abstand, bedeckt von einem Lammfellumhang über einem Harnisch aus gehärtetem Leder. Ein Schwert hing an seine Seite.

„Ich verstehe wirklich nicht wie es passieren konnte. Der Mann schien mir -“

Gasparo stoppte abrupt und baute sich Sixtus auf, der selbst mit einem erschöpften Seufzen zum Halten kam. Durch seine hagere Statur wirkte er vielleicht nicht bedrohlich und die Stimme des Ventrue war nicht laut, aber seine Unzufriedenheit war deutlich spürbar, besonders für einen langjährigen Begleiter wie seinen Ghul. Sixtus Mund öffnete und schloss sich wieder, wie ein Fisch an Land.

„Schweig! Du hast heute erneut versagt, Sixtus. Ich benötigte heute nur eine kleine … Stärkung … und Du führst uns in eine Unterkunft, in der vier Menschen hausen. _Vier_! Sieh Dir das an.“ Er hob seinen linken Arm und auf dem grün eingefärbten Stoff ist ein großer, roter Fleck zu sehen. Sein Diener zuckte zusammen, als ob er einen Schlag erwartete. „Dieses Gewand ist ruiniert.“

„Vielleicht kann man es noch retten? Ich werde die Helferinnen im Kastell bitten ...“


„DU wirst es waschen.“
Das erste Wort zischte Gasparo und es klang hart wie ein Donnerknall. „Du wirst es reinigen, bis Deine Hände Blasen schlagen.“

Crispianus hatte seinen Abstand bewahrt. Aber nun trat er vor und suchte den Blick des Vampirs. Gasparo wusste, dass sein Leibwächter dies nicht leichtfertig tat und als er zum anderen Ghul blickte nickte dieser in Richtung des Wassers. Beide kannten die Figur, die dort war. Es war zwar bereits einige Jahre her aber das Gesicht eines Kainiten vergaß man nicht.

Der Ventrue schien seinen Ghul zu vergessen und wartete einen Moment, während er Seresa beobachtete. Dann ging er einige Schritte auf sie zu und rief: „Ihr da! Bursche!“
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Seresa »

Crispianus hatte als Erster gesehen wie sich der Kopf jener Person, welche an der Wasserkante gehockt war, zu der kleinen Gruppe umgewandt hatte. Schweigend und ganz ohne Scheu hatte sie das Geschehen in einiger Entfernung betrachtet, ohne sich jedoch selbst dabei zu rühren, offenkundig nicht sicher dessen, wovon sie Zeuge geworden war. Selbst die Hand war in den eisigkalten Fluten verblieben.

Erst als der Diener Gasparos sich bewegt hatte, um diesen offenkundig auf Seresa aufmerksam zu machen, hatte sich die Brujah in einer fließenden Bewegung in eine kerzengerade Haltung erhoben und dem Ventrue kurz, aber respektvoll grüßend zugenickt, als dieser in ihre Richtung geblickt hatte. Silbern hatten die Wassertropfen geglitzert, welche von ihrer feuchten Hand gefallen waren, als der Magister sich auf die Gelehrte zubewegt hatte.

Auf seinen Ausruf hin, fand ein warmes und ehrliches Lächeln auf das Gesicht der Brujah, bevor sie gespielt fragend ihren Kopf neigte und mit der linken Hand auf sich selbst deutete, während sie ihn zeitgleich mit der Art und Weise wie sie die Geste ausführte, einzuladen schien sich zu nähern.

„Meint Ihr mich, Signore?“

So Gasparo sich Seresa weiter genähert hätte, hätte er im Wasser wohl eine Art Gebinde ausmachen können, welche dort in dem leichten Wellenspiel trieb. Eine gebogene Baumrinde, welche bei genauerer Betrachtung die Form eines Blattes wieder zu spiegeln schien. In der Rinde befand sich grünes Moos. Darauf lag eine weiße, kurzstielige Wildrose, welche offensichtlich zuvor getrocknet worden war. Um ihren Stiel waren mehrere Zweige blauen Lavendels gebunden, welcher ebenfalls getrocknet worden war. Zumindest schien es so. Das Ganze war scheinbar geschickt mit Efeu umwickelt und befestigt worden, so dass es die Form hielt und nicht auseinanderfiel. Der Gegenstand schien entweder von Jemandem mit handwerklichem Talent in diesem Bereich gemacht worden zu sein oder aber von Jemandem, der sehr viel Geschick, Zeit, Sorgfalt und Liebe dafür aufgewendet hatte.
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Gasparo
Ventrue
Beiträge: 631
Registriert: Mi 26. Dez 2018, 22:30

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Gasparo »

Die Mundwinkel des Lehrmeisters zuckten als er Seresas Geste sah. Er stolzierte auf sie zu. Hinter seinem Rücken schien Sixtus ein wenig in sich zusammenzusacken. Crispianus legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter und drückte ihn vorwärts, worauf sich der korpulente Mann straffte und seinem Herrn folgte.

Gasparos Blick war indes völlig fokussiert auf die Frau am Ufer. Er näherte sich ihr bis auf drei Meter und senkte dann sein Haupt, durchaus deutlich und für einen sich in die Länge ziehenden Moment. Seine Diener stoppten einige Meter entfernt. Ihre Verbeugungen waren noch tiefer.

Schließlich richtete sich Gasparo wieder auf. „Ich grüße Euch, wohlwerte Seresa, Neugeborene vom Clan der Gelehrten, Kind von Fabrizio Piccolomini, Ancilla vom Clan der Gelehrten … Herold der Domäne Genua im Dienst der höchst verehrten Majestät, Prinz Aurore.“

Der Klang seiner ausdrucksstarken Stimme war respektvoll. Seine starre Haltung war förmlich, bis hin zu den Händen, die er hinter seinem Rücken faltete. Kurz wanderten seine Augen zu dem schwimmenden Schmuckstück aber ohne Regung kehrten sie zur zierliche Gestalt vor ihm zurück.

Der Ventrue wartete ab, wie Seresa seinen Gruß erwiderte, bevor er fortfuhr.

„Es freut mich, Euch nach den vielen Jahren wiederzusehen. Als ich erfuhr, dass Ihr zum zweiten Herold ernannt wurdet, war ich unserer höchst verehrten Majestät sehr dankbar. Ich erinnere mich noch gut und gerne an die Nacht, in der Ihr mich ins Elysium führtet und mir mit dem Großmut eines Gastgebers erste Hinweise auf die genuesische Gesellschaft gabt. Euch für dieses verantwortungsvolle Amt zu gewinnen scheint mir ein Glück für unsere Gemeinschaft zu sein.“
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Seresa »

Entgegen Gasparos Händen ruhten die Seresas vor ihrem Körper. Die Handinnenfläche halbmondförmig nach oben deutend, während die rechte Hand beinahe deckungsgleich über und in der linken lag. Ihre erneute Verneigung des Hauptes war dieses Mal deutlich langsamer, doch nicht weniger respektvoll. Sie war durchaus einem Neugeborenen hohen Blutes angemessen. Auch ihre Haltung war förmlich und sprach von einer wenn auch nicht gleichen, dann doch sehr ähnlichen Erziehung, welche der Ventrue selbst genossen hatte.

„Seid gegrüßt, werter Gasparo, Neugeborener des Clans der Könige, Kind von Majorianus, Ancilla des Clans der Könige.“

Seresas braune Augen waren kurz dem Blick Gasparos auf das Gebilde im Wasser gefolgt, bevor sie seinen nachfolgenden Worten aufmerksam zuhörte. Als er geendet hatte, antwortete sie, ohne zu zögern.

„Ich danke Euch für diese Worte, bedeuten sie mir viel. Gerade von Jemandem wie Euch und von Eurem Blute. Es war mir ein Anliegen der Domäne Genua dienen zu dürfen und ich bin überaus dankbar dies nach bestem Wissen und Gewissen tun zu dürfen. Ich war unschlüssig, ob Ihr wohl noch hier verweilen mögt oder ob Ihr bereits nach Lucca zurückgereist wart. Entsprechend freudig überrascht war ich, Euch hier und heute erneut wiederzusehen. Habt Ihr Euch in der Domäne Genua gut einleben können?“
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Gasparo
Ventrue
Beiträge: 631
Registriert: Mi 26. Dez 2018, 22:30

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Gasparo »

Seresa und Gasparo, einen förmlichen Abstand haltend, mussten einen seltsamen Anblick für einen Außenstehenden bieten. Aber außer den Ghulen des Ventrue befand sich niemand in der Nähe und sie blieben außerhalb der Hörweite.

„Ich finde es fast bedauerlich, dass Ihr nur durch diese Begegnung von mir hört. Ich hoffte, dass auch in den Kreisen, in den Ihr Euch bewegt, mein Name unter Umständen erwähnt würde. Aber ja, meine Nächte in Genua sind in der Regel angenehm genug und ich mache Fortschritte bei der Arbeit mit meinen Schülern. Das Aufblühen der Domäne, nicht nur dank Eurer Ernennung aber auch durch die Früchte des Krieges, ist nicht zu übersehen.“

Er hob kurz den befleckten Ärmel und strich mit den Fingerspitzen über das bereits eingetrocknete Blut. „Ich muss mich für diesen Aufzug entschuldigen. Ein Missgeschick in der heutigen Nacht. Manchmal überrascht einen das ... Vieh ... mit Widerstand, der die Situation unangenehm für alle Beteiligten macht.“
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Seresa »

Seresas Blick ging nur einen kurzen Moment lang zu dem getrockneten Blut auf dem Ärmel, dann hatte die Gelehrte bereits erneut ihre braunen Augen zum Gesicht ihres Gegenübers aufgeschlagen.

„Äußerst bedauerlich.“

Sie nickte kurz zustimmend.

„Ich bin dennoch zuversichtlich von dem Malheur wird nichts längerfristig haften bleiben und es wird bald zur Gänze vergessen sein, ganz so als wäre nie etwas geschehen.“

Ihr Blick senkte sich noch einmal kurz deutend auf den Fleck, bevor sie den Kopf erneut hob.

„Was man wohl nicht vergessen kann, ist Euer Name, werter Gasparo, doch war dieser mir offen gestanden ohnehin bereits bei unserer ersten Begegnung ein Begriff.“

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, während ihre linke Hand eine öffnende Geste beschrieb.

„Jedoch hatte Toma nichts von einem Vorstellungsgespräch mit Euch berichtet, was der Grund für meine Unschlüssigkeit bezüglich Eures Hierseins war. Davon ab war es mir bedauerlicherweise nicht vergönnt, Euren Werdegang hier in Genua weiter zu verfolgen. Mein Blick war in den vergangenen Jahren vermehrt auf andere Belange gezwungen worden, weshalb ich selbst wenig vom Aufblühen der Domäne, wie auch von den Früchten des Krieges mitbekommen habe. Ob meine Ernennung damit in Zusammenhang steht, vermag ich nicht zu beurteilen, tat ich schlicht, was ich für richtig und nötig empfand.“

Die kleine Brujah zuckte leicht mit den Schultern.

„Davon ab freut es mich zu hören, so es Euch - abseits von unbedeutenderen Missgeschicken - weitestgehend gut ergangen ist und Ihr Euch einleben konntet. Ihr spracht von Arbeit mit Euren Schülern. Wie viele unterrichtet Ihr derzeit und worin?“
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Gasparo
Ventrue
Beiträge: 631
Registriert: Mi 26. Dez 2018, 22:30

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Gasparo »

Gasparos Finger berührten kurz das Amulett, das um seinen Hals hing, bevor er zustimmend nickte. „Meine Aufnahme in die Domäne erfolgte durch Ihre höchst verehrte Majestät persönlich. Der wohlwerte erste Herold war zu diesem Zeitpunkt … unpässlich … und Ihr hieltet dieses Amt noch nicht.“

Er gab sich keine Mühe den Stolz, von der Prinzessin selbst begrüßt worden zu sein, zu verbergen.

„Aber den wohlwerten Toma habe ich in den letzten Jahren auch aufgesucht. Ich war überrascht wie … leidenschaftlich er teilweise reagierte. Er besitzt wahrlich das Temperament eines Drachen.“

Auf seine Schüler angesprochen zuckten kurz die Mundwinkel des Magisters. „Rund zwei Dutzend Zöglinge sind es, denen ich aktuell eine Erziehung zukommen lasse und ich behaupte, dass die Jungen auf allen Gebieten von mir unterrichtet werden, die es bedarf. Geschichte, Grammatik, Rhetorik, Arithmetik, Dialektik … diese Sterblichen werden in den nächsten Jahren Genuas Herde anleiten können. Dem plumpen Pöbel sind sie weit überlegen.“

Erneut fiel ihm auf, dass vom Aussehen her Seresa ebenfalls einer seiner Schüler hätte sein können. Doch Gasparo war bewusst, dass sich hinter der kindlichen Fassade weit mehr verbarg. Er blickte ein weiteres Mal auf das schwimmende Etwas hinter der Brujah beschloss es aber nicht anzusprechen.

„Darf ich fragen, wie Eure Geschäfte verlaufen? Wird die Domäne weiterhin stark frequentiert, wie es vor dem Krieg der Fall war? Weitere Vertreter meines Blutes habe ich beispielsweise nicht angetroffen.“
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Seresa »

Seresas Blick wanderte unbewusst bei dem Thema Krieg zu dem Gedeck, welches im Wasser schwamm und langsam von den Wellen aus dem Hafen hinaus aufs offene Meer getrieben wurde. Kurz meinte man eine gewisse Betrübtheit in ihrem Blick erahnen zu können, bevor sie leicht den Kopf schüttelte und sie wieder zu Gasparo blickte.

„Ich nehme an, so Ihr von Krieg sprecht, so sprecht Ihr von Sardinien und nicht von Mailand?“

Fragend blickte sie für einen Moment zu dem Ventrue hoch, bevor sie den Kopf erneut schüttelte.

„Seid Sardinien reisten keine weiteren Vertreter Eures Blutes in die Domäne ein. Zumindest keine, welche bei Toma oder mir um ein Vorstellungsgespräch ersucht hätten oder deren wir uns gewahr sind. Dies ist zwar äußerst bedauerlich, jedoch nicht weiter verwunderlich.“

Seresa schwieg, um ihre Worte nachwirken zu lassen, bevor sie erklärend fortfuhr.

„Ich wage zu bezweifeln, dass die Tedescii Jemanden vom Blute der Könige offen hierher entsenden würden, solange die Domäne Genua unter der Lehnsherrschaft Mailand und somit ihrer höchst verehrten Majestät Totila steht. Bei Kontakten aus dem etruskischen Bund nehme ich an, dass diese direkt und unmittelbar über den ehemaligen Seneschall und von unserer höchst verehrten Herrin Aurore von Genua dorthin entsendeten Botschafter stattfinden werden. Was mögliche Vertreter aus der direkten oder Nebenverzweigungen aus der Blutlinie ihrer höchst verehrten Majestät Blandus selbst anbelangt, so wäre ein Gespräch mit mir - auf Grund meiner Abstammung - ohnehin ein wohl zu überdenkendes und mögliches politisches Risiko, auch wenn Nizza meines Wissenstandes nach noch immer Vasall Genuas ist.“

Die freie Hand der Brujah beschrieb eine sich öffnende Geste.

„Was Vertreter vom Blut der Könige aus anderen Domänen oder Fraktionen anbelangt, so wäre ihre Einreise zwar denkbar, doch würden sie womöglich unweigerlich als Spion für zuvor genannte erste oder zweite Fraktion gesehen werden, was ihnen letzten Endes kaum zum Vorteil gereichen dürfte.“

Die Gelehrte pausierte für einen kurzen Moment, bevor sie weitersprach.

„Es mag seltsam aus meinem Mund klingen, doch bedauere ich, dass wenige Vertreter Eures Blutes in Genua verweilen. 1009 anno Domini war es mir vergönnt Ravunthu Velchai, Neugeborene vom Clan der Könige, Kind der Meluth von Tyros, Ancilla vom Clan der Könige kennenzulernen. Sie stammte ursprünglich aus dem etruskischen Bund zu Velci und war zu jener Zeit Anwärterin um das Bleiberecht in Genua. Ob sie sich noch innerhalb der Domäne befindet, vermag ich nicht zu beurteilen. Es kam zu Missverständnissen im Elysium zwischen ihr mit Galeno Fiore und später mit Amalia. Ob diese Geschehnisse weitreichendere Kreise zu Acacia oder auch Brimir gezogen haben, vermag ich nicht zu beurteilen. Ravunthu hatte im Verlauf der vergangenen Jahre jedoch keinen weiteren Kontakt zu mir gesucht. Andererseits ist dies nicht weiter verwunderlich, bin ich als Vertreter vom Clan der Gelehrten, wohl für wenige Könige von Interesse und jene, welche ein Interesse haben könnten, wollen mich bevorzugt vernichtet sehen.“

Seresa seufzte leise, zuckte leicht mit den Schultern und legte dabei den Kopf kurz schief, bevor ein sanftes, kleines Lächeln auf ihre Lippen zurückfand, während sie weitersprach.

„Äußerst bedauerlich, doch nur schwerlich zu verändern, auch wenn ich es versuche, in dem ich andere Wege beschreite, als andere meiner Blutlinie. Ich diene der Domäne Genua auf die mir bestmöglichste Art und Weise, auch wenn dies manche nicht sehen oder gar in Frage stellen wollen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass sich harte Arbeit und die damit verbundene Loyalität eines Nachts auszahlen wird. Nicht nur durch die Ernennung als Herold im Dienste der Domäne Genua. Dass Ihr jedoch nicht von mir empfangen wurdet, sondern vom höchst verehrten Prinzen selbst ist eine Ehre, welchem Eurem Ruf und Eurem Blut angemessen ist. Dies ist zu Recht Euer Verdienst, welcher völlig unabhängig von dem ist, ob ich bereits als Herold im Dienste der Domäne Genua zu jenem Zeitpunkt stand oder nicht.“

Die Gelehrte nickte dem Ventrue höflich und respektvoll zu. Die Worte wirkten ehrlich und sie meinte offenkundig was sie sagte.

„Davon ab wird die Domäne stets stark frequentiert, auch wenn es jene gibt, welche die Traditionen vorsätzlich missachten oder bewusst dehnen. Anderweitig ist es ein ständiges Kommen und Gehen, weshalb es schwerlich zu beurteilen ist, wer überhaupt noch in der Domäne verweilt, wer abgereist ist oder wem gar schlimmeres geschah. Auf Grund dieser Wechselhaftigkeit dienen die Herolde mit ihrer Tätigkeit nebst anderen Dingen dazu, die knappbemessene Zeit des höchst verehrten Prinzen zu schonen, bevor am nächsten Hoftag - oder früher, so der höchst verehrte Prinz die Zeit findet - die Neuankömmlinge gemäß der zweiten Tradition vorstellig werden dürfen und entsprechende Annahme oder Ablehnung erfahren. Ich selbst hatte im Zuge der von Euch zuvor erwähnten Unpässlichkeit Tomas meinen Wunsch geäußert, unserer höchst verehrten Herrin Aurore von Genua als ihr und der Domäne Genua als Herold dienen zu dürfen. Ich empfand dies aus vielerlei Gründen als richtig und nötig, doch auch, da ich mir über Tomas Leidenschaftlichkeit bewusst bin. Darf ich fragen - ob sie in Eurem Fall - dennoch eine äußere und innere Untersuchung für notwendig empfunden haben?“

Fragend blickte sie noch immer zu dem Ventrue mit leicht in den Nacken gelegtem Kopf auf.

„Was privatere Geschäfte anbelangt, so verlaufen diese als Schreiber und Übersetzer bedauerlicherweise schleppender, so man ihnen nicht durch adlige, männliche Diener frönen will oder bereit ist, einem Orden beizutreten und eine Nonnenrobe überzuziehen. In der Welt der Sterblichen wird man als Frau nur selten ernst genommen und stattdessen für nicht mehr als ein ungebildetes Objekt für männliche Lust und Begierde gehalten. Nur wenige Sterbliche erkennen Potenzial in einer Frau und so man keinen Förderer in der Welt hinter der Welt besitzt, bleiben wohl Dinge wie die Unterweisung von Kämpfern eine erfrischende Seltenheit, auch wenn ich darin durchaus gut bin, wie ich meinen will. Dennoch bevorzuge ich die Feder dem Schwert. Bedauerlicherweise besitzt die Domäne keinen offen zugänglichen Ort für Bildung oder Wissen. Die großen Klöster indes befinden sich entweder unter der Hand der Kappadozianer oder in der Hand des Botschafters des etruskischen Bundes. Zu den Einen ist die Beziehung schwierig auf Grund meiner Loyalität zu Ajax, zu dem Anderen besitze ich keinen Kontakt. Letzteres wäre ohne Zweifel behebbar, doch bin ich mir unschlüssig darüber, wie die Domäne Genua, aber auch er selbst - auf Grund der Geschehnisse der Vergangenheit - und meines Blutes, diesbezüglich reagieren würde.“

Seresa zuckte erneut kurz mit den Schultern, bevor sie fast entschuldigend lächelte.

„Doch will ich Euch wahrlich mit derlei Unwegsamkeit nicht langweilen. Dass die Erziehung Eurer Zöglinge indes gut verläuft, erfreut mich jedoch sehr zu hören. Ich bin zuversichtlich sie werden in den kommenden Jahren der Herde Genuas gute Dienste leisten können. Wie ich Euch verstanden habe, unterweist Ihr sie vornämlich in Dingen bezüglich des Wissens und der korrekten Form? Wie steht es dabei mit anderen Dingen? Praktischerem wie Politik, Führung oder auch Verwaltung. Auch gesellschaftliche Umgangsformen erscheinen mir zugleich nützlich wie wegweisend.“

Die Worte der Brujah waren nicht abfällig, sondern wirkten als wäre sie offenkundig daran interessiert, wie und was der Magister selbst lehrte. Das spiegelte ihre offene und ihm zugewandte Haltung deutlich wider. Auch die leicht schnellere Sprechweise unterstrich ihre eigene Begeisterung und deutete darauf hin, dass sie wissbegierig war, auf das was Gasparo Wert legen würde in seinen Unterweisungen. Das Feuer der Leidenschaft in ihr war entfernt zu erahnen, welches ansonsten nur selten durch die ruhige Art der Brujah zu brechen schien. Dann senkte Seresa den Blick, als wäre ihr gerade bewusst geworden, wie übergriffig und falsch diese Frage hätte verstanden werden können.

„Das heißt, sofern Ihr die Frage gestattet, werter Gasparo, und ich Euch damit nicht zu nahetrete.“

Der Blick aus braunen Augen fand nach nur einem kurzen und beinahe verlegen um Entschuldigung bittenden Zögern zurück zu dem Ventrue.
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Benutzeravatar
Gasparo
Ventrue
Beiträge: 631
Registriert: Mi 26. Dez 2018, 22:30

Re: [1028] Ne pas oublier [offen]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo neigte seinen Kopf in Zustimmung.

„Richtig, der Krieg mit Sardinien. Vom Konflikt und der Niederlage gegen Mailand erkenne ich nur wenige Spuren, auch wenn ich vermute, dass die Folgen enorm sind.“

Seine Augen verengten sich, als Seresa über die schwierige Position des Clans der Könige in Genua sprach. Die kritische Miene galt aber wohl eher der beschriebenen Positionen und nicht dem Herold selbst.

„Ich bin betrübt durch Eure Worte, wohlwerte Seresa, und doch freue ich mich, Eure Einschätzung der Situation zu hören. Das Vertreter meines Blutes, mit unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten, eine Stadt meiden sollten, die von einer höchst verehrten Ventrue regiert wird, ist mehr als ungewöhnlich. Es dient aber auch als Ansporn, alles in meiner Macht stehende zu unternehmen um diese Zweifel und Verstimmungen zu beseitigen.“

Seine Worte hörten sich nicht wie ein Versprechen an sondern wie eine Feststellung. Wie so oft schwang Selbstsicherheit und Entschlossenheit in der Stimme des Lehrmeisters mit.

„Der Name Ravunthu ist mir ebenfalls begegnet, doch konnte ich auch nach intensiven Bemühungen keine Spur von ihr finden. Bisher vermochte mir niemand zu sagen, ob sie die Stadt aufgrund der Missbilligungen, die sie erfuhr, verließ oder ob anderes passiert ist. Die wohlwerte Amalia ist sicherlich niemand, den man sich leichtfertig zum Feind machen sollte, von den anderen Ancilla Genuas ganz zu schweigen.“

Erneut berührte seine linke Hand für einen Augenblick sein Amulett. Hatte Gasparo selbst schlechte Erfahrungen mit den älteren Vampiren Genuas gemacht? Die Geste schien darauf hinzudeuten. Er deutete dann mit seiner linken Hand in Seresas Richtung, die Hand halb geöffnet und die Handfläche nach oben zeigend.

„Ihr, wohlwerte Seresa, entsprecht nicht meiner Vorstellung vom Clan der Gelehrten, und dies könnt Ihr durchaus als Kompliment nehmen. Euer Einsatz für das Wohl der Domäne zeigt, dass Ihr Eure Kräfte nicht in einen überflüssigen Kampf gegen Stabilität und Sicherheit verschwendet, in den sich Euer Blut in der Geschichte geworfen hat. Ihr scheint die richtigen Schlüsse aus den Lehren gezogen zu haben, die Euch zuteilwurden.“

Als Seresa auf Ihre Tätigkeiten zu sprechen kam intensivierte sich Gasparos Blick. Offenbar war er von dieser Wendung überrascht.

„Ich hatte ja keine Ahnung, dass Ihr Euch als Übersetzer verdingt. Ich selbst habe ebenfalls Kenntnisse auf diesem Gebiet. Sie sind absolut nötig, um das Wissen, das uns die Vergangenheit schenkt, zu erlernen. Sagt mir, welche Sprachen beherrscht Ihr? Und, vielleicht noch wichtiger, habt Ihr eine Quelle an Schriften aus verschiedenen Sprachen?“

Gasparo sprach nun schneller. Die Spur einer neuen Quelle für Informationen schien ihn fast zu erregen.

„Das es keine adäquate Anstellung für Euch gibt ist bedauerlich. Im Kastell selbst ist die Zahl derjenigen, die selbst die Schrift beherrschen, groß, und unter den Priestern ist das Misstrauen gegenüber Eurem Geschlecht nicht zu verleugnen. Habt Ihr versucht, Eure Dienste eine der noblen Familien anzubieten? Ich könnte mir vorstellen, dass die Händler und Patrizier einen großen Bedarf an talentierten Schreibern haben, um ihre Geschäfte zu dokumentieren.“

Angesprochen auf seinen Unterricht wirkt Gasparo wieder etwas steifer und reservierter.

„Eure Fragen sind natürlich berechtigt, wohlwerte Seresa. Aber so Ihr Politik und Führung ansprecht so wiederhole ich meinen Fokus auf die Historie. Wer besser könnte die Jungen ausbilden als Caesar, Cato oder Saturninius? Natürlich ist es mir auch ein Bedürfnis, dass die Schüler das richtige Gleichgewicht finden zwischen Benimm und Ambition. Da ein Großteil meiner Schutzbefohlenen zum Klerus zählt ist die höfische Etikette allerdings nicht unbedingt im Fokus. Für die Diener Christi gelten … andere Regeln.“

Der Gesichtsausdruck des Ventrue machte es schwer, dem letzten Satz eine Wertung zu entnehmen.
Gesperrt

Zurück zu „1028“