[1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

[Juni '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Signora Achilla
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

Der Schattenwurf des Teufels auf dem hellen Tuch stand für einen Moment still. Da war nur ein leichtes Zittern, denn die junge Frau, die mit ihren Händen, etwas Holz, Tuch und Bastelei das Bild in die Ferne zauberte, fürchtete sich mit den Worten des Gastgebers.

Die Signora sah zu Alain hinauf und zum Zittern des Abbildes an der Wand. Und dann lachte sie. Das war ein bemerkenswert schöner, klarer Laut.
Und irgendwie schien die Schattenspielerin daraus ein Quentchen Mut zu schöpfen, vielleicht einfach aus der hellen Laune ihrer Herrin heraus? Die junge Frau ließ den Teufel zwischen den blassen Schatten auf dem Markt tanzen, mit und gegen die gezupfte Melodie und eher wie zu dem Gelächter der Signora.

“Der Teufel unter Menschen ist der Versucher”, fiel die Signora in ihre Erzählerstimme zurück. Ihr gelang sogar, etwas von der biederen, selbstgefälligen Tonart eines Dorfpfaffen aufzugreifen. “Die braven Leut’ tun ihr Tagwerk, wie der Herrgott ‘s ihnen auferlegt hat. Und die Reichen auf ihren Thronen und Sesseln nicken dazu und streichen sich die fetten Bäuche. Und all die Mönchlein und Priester wettern gegen den Teufel und loben die brave Herde…”, erzählte sie weiter.

Mit den Worten der Signora stand der Teufel für einen Moment still, weil die junge Frau mit einer freien Hand nach einer grob genähten Stoffpuppe auf einem Holzstock griff. Knick-Knack brach und drehte sie ein paar festere Halme Reisig so, dass sie für ein Christenkreuz einigermaßen taugten und steckte sie der Gegnerpuppe ins Genick. Das war zwar nicht ganz stilecht, aber als sie dann die Priesterpuppe anhob, hatte der Teufel einen priesterlichen Gegenspieler. Wie sonst sollte ein Teufel wohl wirklich Adversarius sein?

Die Menschenschemen der Marktszenerie unterdessen untermalten die Worte der Signora. Ein paar schienen vor dem Priester zu buckeln. Ein paar folgten dem Schemen des Teufels, stumm glotzend.
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Alain le Beau
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Buhhh!" ruft Alain laut, als der Priester im Schattenspiel erscheint. Offenbar tut der Wein langsam wirklich seine Wirkung. Andererseits: Hat Wein überhaupt eine Wirkung, selbst wenn ein Kainit ihn nicht direkt erbricht? Vielleicht spielt Alain den Betrunkenen auch nur sehr überzeugend. Oder aber das Blut Loardos hat ihn erregt. Jedenfalls sitzt der Tzimisce nun locker-entspannt auf seinem Sitz und grinst, gespannt darauf, wo dieses kleine Schattentheater hinführen wird.
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Signora Achilla
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

“Buuuuhh!” schallte es durch den Raum und der Schemen des Teufels hob so gerade noch rechtzeitig seine Hände, so dass es aussah als habe er das lauthals über dem Markt und gegen den Priester gerufen.

Der Priester, wohl arg vor den Kopf gestoßen, schwankte einmal zurück, so dass ihm fast das Kreuz verrutschte, und dann vor, zornig mit den Armen wackelnd und rudernd. Die Menschen-Schemen umher begannen auch einen rechten Tumult - da wurden Sachen auf der Bühne geworfen, so dass es aussehen mochte als werfe man Steine nach dem Teufel.

Die Stimme der Signora klang belustigt: “So einfach ist das nicht, wenn einer allein dasteht und die Stimme erhebt! Da macht er sich doch gleich zum Ziel! Ohweh, was nur tut der arme Teufel, wenn er sich so weit vorgewagt hat?”
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Alain le Beau
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"So ein armes Priesterlein", sagt Alain, laut genug, dass es alle hören könne. "All der Lust muss er entsagen. Und der Teufel - ha! - er kennt sich aus mit der Lust. Warum also gegen den Priester streiten, wenn es sich doch so trefflich... zusammenfinden lässt?" Einen Schluck nehmend grinst der Tzimisce. "Glaubt mir, ich habe da Erfahrung!"
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Signora Achilla
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

“Auch ein Priester ist ein Mann”, fuhr die Signora also fort, laut genug für die Schausteller. Auf der Bühne gab es einen skurrilen Moment des Durcheinanders, als Alains Worte so aufgegriffen wurden.
Die Marktmenschen verschwammen miteinander, als die Schattenwürfe ineinander glitten. Nur der Priester und der Teufel blieben klar. Es war nicht auszumachen, wie genau die junge Frau es anstellte, aber es kam auf einmal etwas wie “Leben” in den Schattenwurf des Teufels, während der Priester stöckern steif dort stehen blieb.
Der Teufel aber wiegte sich, lieblich und verlockend. Mit der Musik streckte er sich vor dem Priester. Etwas erschien in seiner Hand: Ein großer Beutel. Ein paar Schattenfetzen - Münzen? - fielen heraus, so prall war er gefüllt. Alain konnte sie sogar klingen hören, irgendwo bei der Bühne, metallen und reich.

Der Priester rückte etwas näher. “Reichtum lockt fast jeden Menschen”, erzählte die Signora in ihrer klingenden, durch den Raum tragenden Erzählerstimme. Dann senkte sie diese Stimme etwas, so dass sie nur noch Alain selbst fragte:
“Doch Ihr habt für den Priester anderes im Sinn…?”
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Alain le Beau
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Geld allein macht nicht glücklich", gibt der Tzimisce schlagfertig zurück. "Aber wenn sich der Priester danach bückt, ergibt sich ja vielleicht für den Teufel eine Gelegenheit?" Er lacht leise. "Dann stehen die Pforten zur Hölle schließlich weit offen..."
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Signora Achilla
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

Die schwarze Maske der Signora hatte keinen Ausdruck und ihre Stimme blieb die für die Bühne, mit einer heiteren Note, die Alains Lachen weiter trug.
“Reich zu sein, das ist eine Lust und die wenigstens sind davor gefeit. Ganz sicher nicht all die Priesterlein und Pfaffen der Kirche, oh nein!” sprach sie über den Raum hinweg. “Doch reich zu sein, das ist eine kalte und einsame Lust, so ganz für sich allein. Und ein wahrer Teufel, der kennt die Gelüste der Menschen.”

Priester und Teufel begannen einen eigenartigen, bizarren Schattentanz auf der Leinwand. Gewiss war das Trickserei und echtes Geschick der Hände, Arme und Requisiten der Schattenspielerin. Doch die verschiedenen Ebenen der Schatten, die Musik und die gesamte Szenerie verliehen dem eine Tiefe.
Die verschwommenen Schatten umher, von den Schaustellern geworfen, zogen sich zusammen. Der Stoff um die Bühne her schien zu pulsieren, so, wie sie ihn mit Zupfen und Fächeln in Bewegung brachten. Was vorher Menschen-Schemen gewesen waren, ballte sich nun um den Schattenwurf von Priester und Teufel her zusammen wie eine etwas blassere Korona aus Schatten.
Ein paar mehr “Münzen” wurden geworfen und flatterten als Stofffetzen über die Bühne. Das erste und einzige echte Ding, wo sonst nur Schatten waren. Der Priester bückte sich danach und griff umher, als der Teufel hinter ihn trat. Trommel und Leier im Hintergrund spielten in Dissonanz. War das falsch, was hier geschah? Die Flöte klang schrill.

Rhythmisch drangen die beiden Schatten ineinander, umeinander. Mehr falsche Münzen flatterten über die Bühne, von der Seite her geworfen, aber federleicht. Vielleicht tatsächlich Federn. Das Licht flackerte hier und da, wenn eine Motte hinein geriet. Es stank nach verbranntem Insekt, duftete nach Blut und Wein, Schweiß und der Angst der jungen Frau.

“Sagt, hat der Teufel selbst die Lust daran? Gelüstet es ihn genauso wie die Menschen? Ist der Teufel selbst ein Mensch und sind die Menschen teuflisch?” fragte die Signora.
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Der Teufel..." sagt Alain leise "...genießt und schweigt. Aber ihr umgebt euch doch jeden Tag mit ihnen, den Sterblichen. Gelüstet es euch nicht immer wieder danach, sie zu berühren? Sich mit ihnen zu vergnügen?" Er nimmt den Blick nicht vom Schattenspiel und doch hat die Signora das Gefühl, dass der Tzimisce sie sehr genau beobachtet. "Selbst die Himmlischen werden von den Sterblichen immer wieder angezogen, wie Motten vom Licht." Ein kleines, wissendes Lachen.

"Wir sehen in den Schatten das, was in uns liegt, nicht wahr? Ein guter Trick - und er wird mir... uns in Zukunft noch nützlich sein. Das Schattentheater für die späten Stunden der Nacht, wenn die Geister betäubt sind und die Zungen lockerer." Alain nickt zur Bühne. "Die Prüfung ist bestanden."
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

Unter der Beobachtung wirkte die Signora eher kokett als alles andere. Es war schwer zu sagen, was davon echt war und was mit zur gesamten Schauspielerei gehörte, dem Abend und den Vorstellungen. Was war überhaupt echt an ihr? Sie hatte die Masken gewechselt und doch kaum je eigene Haut gezeigt. Selbst wenn: was davon war die eigene Haut und nicht genähte Stoffe oder geschnürtes Leder? Wieviel war überhaupt echt von dieser Signora Achilla? Solche Gedanken konnten wohl kommen, wenn man sie aufmerksam betrachtete.
Sie war jedoch schon daran, ihm auf seine Fragen zu antworten, als er bereits fortfuhr. Und sein letztliches Urteil verlangte wohl eher Antwort als das von zuvor.

Die Signora erhob sich und klatschte in die Hände. Wie zuvor war der Laut eher gedämpft durch den Stoff der Handschuhe. Doch die Schausteller hatten wohl gelernt, auf sie zu achten und wenn nicht auf sie, dann doch auf Maestro Mauricio selbst, der nun zur Bühne trat.

Die Musik ging in einem furiosen Ende aus Trommel und Melodie auf, während die Schatten sich wanden und die Figuren verschwammen. Am Ende traten sie alle auseinander und die Schattenspielerin senkte die Hände, während die Schausteller um die Bühne her traten und sich verneigten. Sie alle wirkten ungewiss, unsicher. So ein Klatschen der Signora konnte alles bedeuten!

Sie senkte die Hände wieder und wandte sich in einem tiefen, kunstvoll mit einer Geste untermalten Knicks Alain zu. Erst da fiel die Anspannung von den Menschen ab, jemand jauchzte, sie klopften einander auf die Schultern. Die Geschwister umarmten sich und vielleicht.. vielleicht waren das in Wahrheit gar keine Geschwister, so wie das aussah.

“So danken wir, als flüchtige Schatten, und hoffen doch, dass wir die Zeit mit Schau und Traum, Gedanke, Weisheit oder wenigstens doch Witz wohl füllen konnten”, schloss sie, mit einer Bühnenstimme laut genug für alle hörbar.
Und dann fügte sie an, leiser und wieder wie im einfachen Gespräch mit Alain: “Berühren und vergnügen, kosten und fühlen, oh ja…”, gab sie zu. “Sein, wenn ich kann, für einen einzigen Augenblick. Doch wie die Motte das Licht kann ich es wohl nie ganz erreichen ohne… .” Sie sprach den Satz nicht zuende sondern spreizte nur die Finger ihrer Hände.
“Aber wer will drum trauern, wenn es stattdessen so viel zu kosten gibt?”
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Alain le Beau
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Re: [1029] Nachtigall [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Ihr könnt niemals so sein wie sie", sagt Alain mit einer Grausamkeit, die tiefster Überzeugung entspringt. "So wie die Sterblichen nie die Unschuld ihrer Kindertage zurückerlangen, so können wir nicht zu den Tagen der Sonne zurück. Aber welches Geschenk uns dafür gemacht wurde!" Sein Blick fällt auf die Maske der Signora. "Selbst euch, den Niederen! Würdet ihr ernsthaft Krankheit, Alter, selbst den Tod in Kauf nehmen?" Kopfschüttelnd betrachtet er die Bühne, die dort versammelten. Dann klatscht auch er in die Hände.

"Ganz wunderbar, ihr werten Schausteller. Und nun lasst uns feiern und die Nacht genießen!"
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